Die 50ger Jahre und meine Pubertät.
Ich bin jetzt 76 Jahre und meine Pubertät liegt schon 60 Jahre zurück.
Es gab da zwar schon Fernsehgeräte, aber meine Eltern besaßen noch keinen, den bekamen sie erst 1957 , da war ich schon aus der Pubertät heraus. Das Wort Computer war für mich ein Fremdwort , ebenso wie der Begriff „Handy“
Wir Teenies hatten in der Zeit andere Interessen. In den 50ziger Jahren hatte das Kino seine Blütezeit. Die ersten Farbfilme wurden gezeigt. Es waren meist Heimatfilme, z. B. Schwarzwaldmädel mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack in den Hauptrollen oder „Grün ist die Heide „ mit den gleichen Hauptdarstellern. Das war allerdings schon Anfang der 50er Jahre. Diese Filme waren ab 12 Jahre zugelassen und ich stand sonntags mit der Freundin in der Schlange an der Kinokasse, um eine Karte zu ergattern. An die Preise kann ich mich nicht mehr so ganz genau erinnern. Ich glaube, 1,20 DM für eine Karte bezahlt zu haben.
Drei Tage nach meiner Konfirmation 1953 durfte ich mir meine Zöpfe abschneiden lassen und bekam meine erste Dauerwelle. Ich fühlte mich mit meinen knapp 15 Jahren als „junge Dame „ und ließ mich stolz von unserem Nachbarssohn, der zwei Jahre älter war, ins Kino in die „Lichtburg „ in Essen ausführen. Die Lichtburg war und ist mit 1250 Plätzen Deutschlands größter Kinosaal und war in den 1950er und 1960er Jahren das Premierenkino. Die Hauptdarsteller waren dabei anwesend und verteilten Autogramme . Romy Schneider war 1955 zur Premiere von „Die Deutschmeister „ da. Zu weiteren Premieren waren Zarah Leander, Heinz Rühmann, Sonja Ziemann, Curd Jürgens, Maria Schell, Dieter Borsche. Lex Barker, Gary Cooper, um nur einige zu nennen.
Apropos Autogramme. Das wurde unter uns Teenagern fast zu einer Sucht. Ich habe sogar einige Stars angeschrieben und um ein Autogramm gebeten. Wie stolz war ich, wenn ich tatsächlich ein Foto mit Unterschrift bekam, Einige haben sogar noch einen freundlichen Gruß darunter geschrieben. Natürlich schwärmte ich auch für einen Filmstar. Zuerst war es Johannes Heesters, der war zu der Zeit ein wirklich hübscher, ungefähr zwischen 40 und 50 Jahre . Später wurde er dann von Paul Hubschmid bei meiner Schwärmerei abgelöst.
In diesem Zusammenhang fällt mir auch die Moderichtung während meiner Pubertät ein. Für die Kids entstand ein neuer Stil, Lederjacken, hervorgerufen durch die Filme mit Elvis und James Dean. James Dean war ein Jugendidol . Seine bekanntesten Filme waren „Jenseits von Eden,“ Denn sie wissen nicht, was sie tun „ und Giganten. Als er mit 24 Jahren durch einen Autounfall ums Leben kam, trauerte die gesamte Jugend der Welt um ihn.
Von den Backfischen wurden Caprihosen und am Bauch zusammen geknotete Blusen getragen. Das war auch meine Mode, ebenso die Petticoats, die hervorgerufen durch das Rock`n Roll Fieber zum absoluten Muss wurden. Und die dazugehörigen bunten weiten Röcke schmückten breite Gürtel, um die schmale Taille zu betonen, Die Bluejeans wurden in der Badewanne auf hauteng getrimmt.
Ja, der Rock`n Roll, die Jugend flippte bei der Musik aus und die Eltern schüttelten verständnislos den Kopf Ich erinner mich, dass ich mit ein paar Freunden den Steno Kursus geschwänzt habe, statt dessen sahen wir uns den Film „Rock around the clock „ an. Und da ging die Post ab. Da gingen sogar einige Stühle zu Bruch. Allerdings nicht von mir und meinen Freunden. Rüpel unter den Jugendlichen gab es damals genau so wie heute. Anschließend rundete noch ein Besuch in der Milchbar den Abend ab. Die Milchbars waren beliebte Treffpunkte der damaligen Jugend. Dort konnten wir bei Milchshakes und Cola unsere Musik hören und die ersten Kontakte mit dem anderen Geschlecht knüpfen. Discos , so wie sie heute von den Kids besucht werden, gab es damals noch nicht.
Das waren so die Sachen, die mich in meiner Freizeit während meiner Pubertät beschäftig haben. Da schränkten mich meine Eltern auch nicht mit Verbote ein. Sie vertrauten mir und ließen mich gewähren. Deswegen war aber trotzdem nicht alles bei uns „Friede, Freude Eierkuchen „.
Der Stress mit meiner Mutter war eigentlich noch harmlos. Sie hätte mich am liebsten auf eine Haushaltsschule geschickt, damit ich, wenn ich mal heirate eine gute Hausfrau abgebe. Dazu gehörte natürlich , dass ich handarbeiten konnte, nähen, sticken häkeln und stricken. Aber dazu fehlte mir einfach die Lust und das Geschick dazu. Ich war von Klein auf eine Leseratte und habe alles gelesen, was mir in die Hände kam, von den Lore Romanen angefangen bis hin zur Ilias von Homer. Das gab immer wieder Ärger mit meiner Mutter, denn anstatt lesen, sollte ich handarbeiten.
Unter meiner Leselektüre befanden sich auch die Bücher „Das Tagebuch der Anne Frank und „Die weiße Rose „
Ich begann mich mit unserer Vergangenheitsbewältigung , d. h. mit der Nazizeit zu beschäftigen. Die beiden Bücher brachten mich dazu, meinen Eltern zum Teil unangenehme Fragen zu stellen. Ich habe viele Diskussionen mit meinen Eltern geführt. Mein Vater war zur Nazizeit in der Partei und war Blockwart. Der Blockwart war der niedrigste Parteifunktionär innerhalb der NSDAP. Er war für 40 bis 60 Haushalte zuständig.
Warum ???? Entschuldigungen wie arbeitslos, die Partei hatte Arbeit versprochen , die er auch bekommen hatte, vom Holocaust haben meine Eltern angeblich nichts gewusst .
Am Ende des Krieges haben sie die Greueltaten nicht geglaubt. Weitere Argumente meines Vater waren, Verantwortung für die Familie. Wie hätte er ohne Arbeit die Familie durchbringen sollen. Unverständnis von mir, Aber wieso dann auch noch Blockwart? Das verstehst du nicht, du warst damals noch zu klein, ich will darüber jetzt nicht mehr diskutieren , basta.
Einmal ging es bei einer Debatte während des Mittagessens so heftig zu, dass mein Vater mir beinahe ein Stück Sülze an den Kopf geworfen hätte. Es gab an dem Tag Bratkartoffeln und dazu Sülze , die meine Mutter selbst zubereitet hatte. Das habe ich nicht vergessen. Ich war damals den Tränen nahe.
Nach solchen Debatten verschwand ich dann meistens in mein Zimmer und bearbeitete die Klaviertasten. Ich hatte vom siebten Lebensjahr an Klavierunterricht bekommen, und ab dem 15. Lebensjahr hatte ich kein Bock mehr . Doch meine Sonatinen, die ich konnte, reichten aus ,um meinen Frust los zu werden.
Seit dieser Zeit hatte ich bis zum Tode meines Vaters 1981 ein gespaltenes Verhältnis zu ihm.
Diese Diskussionen waren wohl die gravierendsten Ereignisse während meiner Pubertät, die bis heute bei mir haften geblieben sind.
Texte: Dora Fries
Bildmaterialien: Covderbild Internet
Tag der Veröffentlichung: 02.05.2015
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