Beitrag zum 38. Dear Diary Wettbewerb
Bevor eine Mauer fällt, muss sie erst einmal gebaut werden, und das geschah am 13. August 1961 mit einer Mauer, die den Ostteil von Berlin mit dem Westteil trennte.
Für mich hat dieser Tag noch eine andere besondere Bedeutung. Ich habe an diesem Tag meinen Sohn in der BRD zur Welt gebracht, und der Bau der Mauer war für mich an dem Tag zweitrangig.
Ich hatte das große Glück, so nenn ich es ganz einfach, jenseits der Mauer in der BRD beheimatet zu sein. Verwandte hatte ich auch nicht in der DDR. Trotzdem bewegte mich das Schicksal der Menschen dort, die von ihren Verwandten und Freunden von nun an durch eine Mauer getrennt waren.
Mehr als 28 Jahre war die Berliner Mauer um Westberlin eine Grenzanlage, die alle drei Westsektoren Berlins umschloss. Sie ergänzte die 1378 Kilometer lange innerdeutsche Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Sie sollte die Flucht der Einwohner, die dort als „ ungesetzlicher Grenzübertritt „ unter Strafe stand, verhindern. Der Westteil der Stadt war nun eine von Mauern umgebene westliche Insel.
Für die Grenzbeamten galt in Fällen des „ungesetzlichen Grenzübertritts „ der Schießbefehl.
Trotzdem versuchten immer wieder Menschen, die Mauer in Richtung Westteil zu überwinden. Dabei wurden zwischen 136 und 245 Menschen getötet. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Aber jeder Tote ist ein Toter zu viel.
All das verfolgte ich in den nächsten Jahren übers Fernsehen und anderen Medien.
Wenn in den folgenden Jahren die Frage auftauchte, wie lange die Berliner Mauer denn nun schon stehe, konnte ich diese Frage präzise beantworten, denn sie war auf den Tag genau so alt wie mein Sohn.
Im Frühjahr 1980 besuchten mein Mann und ich für ein paar Tage Berlin. . Es sollte ein kultureller Besuch werden, doch unser Aufenthalt entwickelte sich ganz anders. Wir wohnten in einem Hotel im 13. Stock im Westteil der Stadt am Potsdamer Platz und schauten vom Fester aus direkt auf die Mauer. Es war ein beklemmendes Gefühl. Die Mauer übte eine magische Anziehungskraft auf uns aus, und wir liefen stunden lang an der Mauer entlang und konnten nicht begreifen, dass es so etwas gibt., dass z,. B. an der Bernauer Straße die Mauer direkt durch die Wohnhäuser ging. Es ist ein Unterschied, ob man so etwas am Fernseher verfolgt oder selbst davor steht.
Die Bernauer Straße
An einem Tag beschlossen wir auch den Ostteil aufzusuchen. Wir fuhren mit der S-Bahn bis zum Grenzübergang Friedrichstraße. Dort wurden wir von den Grenzbeamten einzeln abgefertigt. Ich durfte zuerst rüber. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss und ich stand alleine auf der anderen Seite. Mein Mann befand sich noch auf der Westseite. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre in Panik geraten. Die Angst, dass sie meinen Mann vielleicht nicht rüber lassen, schnitt mir fast die Kehle zu. Als die Tür sich endlich öffnete und mein Mann wieder bei mir war, atmete ich erleichtert auf.
Unser Weg führte uns zunächst zum Alexanderplatz und dem Roten Rathaus. Dort entdeckten wir ein Fischrestaurant, Wir hatten Hunger und beschlossen eine Pause dort einzulegen , um etwas zu essen.
Obwohl das Restaurant vollkommen leer war, wurde uns vom Ober ein Tisch zugeteilt. Das waren wir nun mal garn nicht gewohnt und löste bei uns ein wenig Befremden aus. Aber wir nahmen Platz. Kurz darauf wurde ein junges Paar aus der DDR einen Tisch neben uns vom Kellner platziert . Die jungen Leute sahen uns wohl sofort an, dass wir aus der BRD waren und wollten wohl ein wenig vor uns aufschneiden.
Und nun ereignete sich für uns eine Schmunzel Geschichte. Die Beiden bestellten beim Ober „Heilbutt“. Der Ober ein Urberliner schüttelte den Kopf und sagte : „ Heilbutt „ ? den haben wir nicht, der geht hier nicht, den hat hier in den letzten 20 Jahren keiner bestellt..“ Er zwinkerte uns dabei ein Auge zu. Wir hatten Schwierigkeiten unsere Heiterkeit zu verbergen.
Das war das netteste Erlebnis, das wir in Ostberlin hatten, alles andere war für uns deprimierend.
Am Abend des 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer unter wachsendem Druck der mehr Freiheit fordernden Bevölkerung geöffnet. Mein Mann und ich befanden uns zu der Zeit in Rom und erfuhren davon abends im Hotel in den Fernsehnachrichten der ARD. Zuerst ungläubig, aber dann ergriff eine große Freude von uns Besitz. Mit Tränen der Freude in den Augen verfolgten wir das Geschehen weiter am Fernseher. Menschen diesseits und jenseits der Mauerlagen sich vor Freude in den Armen.
So schnell konnte ich das Geschehene gar nicht verarbeiten . Spontan dachte ich daran, dass nun die Menschen in der DDR, jetzt wo die Grenze offen war, so wie ich, alle Länder in Westeuropa bereisen konnten, z. B. auch Rom, die Stadt in der wir uns gerade aufhielten Und wir konnten umgekehrt endlich die Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen/Anhalt, Mecklenburg-.Vorpommern und Brandenburg ohne Schwierigkeiten besuchen. Wie lange wünschte ich mir schon, einmal den Rennsteig zu wandern, der quer durch die DDR ging. Das war nun alles möglich. Und wir haben es 2011 auch möglich gemacht.
In den folgenden Jahren haben wir die neuen Bundesländer kennen gelernt und einige Freundschaften dort geschlossen, die bis heute noch bestehen. Wir werden diesen Monat noch zu einem Bowlingturnier in Erfurt sein und unsere Freunde in Erfurt besuchen.
Zugegeben, es war nicht spektakulär, wie ich den Mauerfall erlebte. Es gibt sicherlich viele, die es dramatischer erlebt haben, ganz besonders die Bürger in der ehemaligen DDR, die deshalb auf die Straße gegangen sind und protestiert haben, oder die vielen politischen Gefangenen, die mit dem Regime nicht einverstanden waren, unter unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen saßen und nun in die Freiheit entlassen wurden. Welche Gefühle müssen die empfunden haben.
Aber die Freude über den Fall der Mauer, die vereinte uns alle. Und auch, wenn bei vielen in den Köpfen noch die Mauer existiert, und sie mit vielen Dingen nicht einverstanden sind, sollten sie nicht vergessen, dass sie laut protestieren können, ohne dass sie Angst vor Repressalien haben müssen, und das ist nur in einer Demokratie möglich. Parteien können abgewählt werden und unter den zur Zeit 34 Parteien, kann jeder die Partei wählen, von der er meint, dass sie seine Interessen richtig vertreten wird. Ob sie es dann schafft in den Bundestag gewählt zu werden, liegt an den Wählern. Und ob es dann besser wird? Wer weiß das denn schon vorher? Aber die schlechteste Demokratie ist immer noch besser , als die beste Diktatur.
Texte: Dora Fries
Bildmaterialien: Ehemann Werner
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2013
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