Falsche Noten im Kamin
Für meine Enkelin Sofia
Seit Jahren fahren mein Mann und ich mit unserer Tochter, Schwiegersohn und den beiden Enkeln Fabio jetzt 14 Jahre und Sofia 11 Jahre über Karneval zur holländischen Nordseeinsel Ameland. Wir mieten dort immer in Hollum dasselbe Häuschen direkt am Golfplatz.
Mit geliehenen Fahrrädern düsen wir tagsüber durch die Dünen bis zum nächsten Ort oder Strand , laufen noch am Strand entlang, und freuen uns dann im Strandcafe auf eine heiße Schoko, für die Enkel mit Sahne und für uns Erwachsene noch mit Rum. Abends machen wir es uns am Kamin gemütlich. Für das wärmende Feuer ist grundsätzlich immer der Schwiegersohn zuständig.
Der Aufenthalt auf der Insel läuft jedes Jahr gleich ab. Es ist schon ein Ritual. Und alle wollen wir es so und selbst die Kinder lieben den Ablauf und möchten nicht, dass etwas daran geändert wird.
Aber in diesem Jahr war alles ein bisschen anders .Es begann wie im jeden Jahr. Wir holten mit dem großen Familienauto die Kinder von der Schule ab und los ging es Richtung holländische Küste zur Fähranlegestelle in Holwerd.
Die Tochter hatte wie immer die letzte Fähre für uns gebucht, die um 19.30 Uhr fahren sollte. Wir kamen aber so zügig ohne Stau durch, dass wir schon 2 Stunden vorher da waren und hofften, noch mit der Fähre um 17.30 Uhr übersetzen zu können, die bereits ½ Stunde Verspätung hatte. Aber das sollte wohl nicht so sein. Das Auto vor uns, war das letzte Auto, welches mitgenommen wurde. Pech gehabt!
Vorausschicken muss ich, dass Enkel Fabio 2 Wochen vorher die Schule gewechselt hatte. Er packte es auf dem Gymnasium nicht. Latein und Englisch waren seine Schwachstellen. Er wechselte zur Gesamtschule, die auch von Sofia besucht wurde.
Und nun auf Ameland sollten seine ganzen Latein- und Englischarbeiten vom Gymnasium symbolisch für den Neuanfang auf der Gesamtschule, im Kamin verbrannt werden,
Enkelin Sofia erzählte uns schon im Auto freudestrahlend, dass sie eine Mathearbeit mit der Note sehr gut - zurück bekommen hätte.
Aber zurück zur Fähranlegestelle. Nachdem die Fähre vorher schon ½ Stunde Verspätung hatte, fuhr die letzte Fähre, die wir gebucht hatten natürlich auch eine halbe Stunde später ab.
Als wir endlich an unserem Häuschen in Hollum angelangt waren, war es bereits 20.3O Uhr.
Die Fenster waren hell erleuchtet. Im ganzen Haus brannte Licht. Wir nahmen an, dass der Vermieter noch im Hause ist, was sehr verwunderlich gewesen wäre.
Vielleicht hatte er ja noch das versprochene Holz für den Kamin gebracht. Wir schellten, aber nichts bewegte sich im Haus und die Haustür ließ sich nicht öffnen. Sie war verschlossen, und der Schüssel lag nicht wie vereinbart unter der Fußmatte. Was nun?
Der Schwiegersohn lief zum Büro des Vermieters. Natürlich war um diese Zeit keiner mehr da. Anrufen konnte er nicht, da er vergessen hatte sein Handy mit zu nehmen. Er kam noch einmal zurück, um es zu holen. Gott sei dank hatten wir die private Telefonnummer vom Vermieter. Schwiegersohn rief dort an. Und, es war eigentlich zum Lachen. Nur uns war nach dem langen Tag nicht zum Lachen zu Mute.
Der Vermieter meinte, dass ihm das schon ein bisschen komisch vorgekommen wäre, nachdem er noch das versprochene Holz, gebracht hatte, damit wir im Kamin Feuer machen konnten , und er das Häuschen wieder verließ, war ihm so , als hätte er etwas vergessen. Er kam nur nicht darauf was.
Jetzt wusste er, was es war. Er hatte vergessen den Schlüssel unter die Fußmatte zu legen.
Als wir schließlich ins Haus konnten, war es bereit 21:30 Uhr. Trotz der späten Stunde wurde auf Drängen der Kinder, der Kamin noch angezündet und die ersten Lateinarbeiten wurden wie versprochen verbrannt. Wir Erwachsenen verabschiedeten uns von den schlechten Noten mit einem Schluck Bier bzw. ich mit einem Glas Rotwein und die Kinder mit Saft. Dann wurde es aber Zeit für die Kinder ins Bett zu kommen. Aber vorher holte Sofia ihre Mathearbeit mit der hervorragenden Benotung. Und wir lobten sie natürlich dafür, wie es sich gehörte. Die Tochter ermahnte Sofia noch, die Arbeit wieder wegzuräumen und nicht auf dem Tisch liegen zu lassen.
Am nächsten Tag sollte die Verbrennungsaktion fortgesetzt werden.
Nachdem wir am anderen Tag eine schöne erholsame Radtour hinter uns gebracht und den verdienten Mittagschlaf beendet hatten, machte sich Achim wieder daran das Feuer im Kamin in Gang zu bringen. Sein Feuerzeug war leer und er begab sich auf die Suche nach Streichhölzern. Sofia war inzwischen eingefallen, dass ihre Mathearbeit noch unterschrieben werden musste.
Oh, Schreck !! Die Arbeit war weg !!! Natürlich hatte sie den Schnellhefter mit der Arbeit nicht weggeräumt sondern auf dem Tisch liegen gelassen.
Unser Verdacht bestätigte sich. Die Arbeit lag schon zerknüllt im Kamin. Achim hatte sich natürlich die Arbeiten nicht angeschaut. Er dachte, alles was auf dem Tisch lag sollte verbrannt werden. Und nur seinem Feuerzeug, welches streikte, war es zu verdanken, dass die Arbeit sich noch nicht in ein Häufchen Asche verwandelt hatte.
Vor dem Feuer konnte sie also noch gerettet werden, aber oh weh, wie sah sie aus, so zerknittert. Sofia brach nicht nur in Tränen aus, nein, das wäre zu milde ausgedrückt. Sie bekam einen lauten Weinkrampf und war nicht mehr zu beruhigen. Auch das Versprechen der Tochter, die Arbeit wieder glatt zu bügeln half nicht. Sofia war nicht zu trösten.
Ich versuchte sie noch zu beruhigen, indem ich sagte, dass ihr Lehrer sicherlich so viel Humor hätte und darüber lachen würde, wenn er die Geschichte erfährt. Aber alles half nicht.
Nachdem wir wieder zwei Tage später zu Hause waren und Sofia in der Schule die Mathearbeit vorzeigen musste, wollte ich wissen, wie der Lehrer reagiert hatte. Ich rief die Tochter an und erfuhr folgende Geschichte von ihr.
Der Lehrer hatte sich die Arbeit angesehen, zunächst aber nichts gesagt. Nach der Schulstunde rief er Sofia zu sich und wollte wissen, was denn mit ihrer Mathearbeit passiert wäre. Da erzählte Sofia ihm die Geschichte. Der Lehrer hörte sie sich an, drehte sich um und fing lauthals an zu lachen. Wusste ich doch, der Lehrer hatte Humor.
Sofia, erleichtert darüber, dass es für sie so gut ausging, konnte jetzt auch darüber lachen.
Tag der Veröffentlichung: 06.05.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Enkeltochter