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Eine freundschft über den Tod hinaus

Eine Freundschaft über den Tod hinaus.

 

Goethes Huldigung und Andenken an Schiller



Nachdem ich drei Bücher über unsere größten Deutschen Klassiker Schiller und Goethe eingestellt habe, möchte ich nun mit dem letzten Buch, mit der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Schiller und Goethe, zu einem Abschluss kommen.

Nach Schillers Tod verliebte sich Goethe im Winter 1807 in die Pflegetochter des Verlegers Frommann, Minna Herzlich,
Im Rückblick auf diese Verliebtheit bringt Goethe das Andenken Schillers ins Spiel.
In den nicht veröffentlichten Passagen der < Tag- und Jahres-Hefte> heißt es.
„Es war das erste Mal seit Schillers Tod, dass ich ruhig gesellige Freuden in Jena genoss; die Freundlichkeit der Gegenwärtigen erregte die Sehnsucht nach dem Abgeschiedenen und der aufs neue empfundene Verlust forderte Ersatz.
Gewohnheit, Neigung, Freundschaft steigerten sich zu Liebe und Leidenschaft, die, wie alles Absolute, was in die bedingte Welt tritt, vielen verderblich zu werden drohte.“
Diese Liebe zu dem jungen Mädchen dauerte nur einen Winter. Goethe hatte das Gefühl, dass mit dem Tod des Freundes eine Lebensepoche zu Ende gegangen sei und beginnt sein Leben nun historisch zu sehen.

An den befreundeten Maler Philipp Hackert schreibt er am 4. April 1806:
„Seit der großen Lücke, die durch Schillers Tod in mein Dasein gefallen ist, bin ich lebhafter auf das Andenken der Vergangenheit hingewiesen, und empfinde gewissermaßen leidenschaftlich, welche Pflicht es ist, das was für ewig verschwunden scheint, in der Erinnerung aufzubewahren.“

Nachdem 1809 der Tod seiner Mutter eine weitere Lücke in sein Leben gerissen hatte, und er bei der Plünderung Weimars erleben musste, wie knapp sein eigenes Haus einer Zerstörung entging und damit beinahe auch die darin aufbewahrten Manuskripte und Dokumente vernichtet worden wären. Begann Goethe mit der Arbeit „Dichtung und Wahrheit“. Diese autobiographische Arbeit begleitete ihn bis an sein Lebensende.

Während dieser Arbeit nimmt er im Mai 1823 die Sichtung und Ordnung des Briefwechsels mit Schiller in Angriff. Wenn ihm so viel daran gelegen war, den Briefwechsel mit Schiller zu veröffentlichen, so sicherlich deshalb, weil er ihn als ein Dokument jener Tätigkeit ansah, bei der besonders viel herausgekommen ist.
Im Sommer 1824 hatte Goethe die Arbeit am Briefwechsel fast abgeschlossen. Die Briefe waren gesammelt, gesichtet und geordnet. Einige Monate später schreibt er an den Komponisten und Musikpädagogen Karl Friedrich Zelter:
„Es wird eine große Gabe sein, die den Deutschen, ja ich darf sagen wohl den Menschen geboten wird. Zwei Freunde der Art, die sich immer wechselseitig steigern, indem sie sich augenblicklich expektorieren. Mir ist dabei wunderlich zu Mute, denn ich erfahre was ich einmal war.“
Doch es dauerte noch eine Weile bis der Briefwechsel erscheinen konnte. Es gab schwierige Verhandlungen mit Schillers Erben.

1828 und 1829 konnte die Ausgabe nach langwierigen Verhandlungen in sechs Oktavbänden bei Cotta endlich erscheinen.
Zunächst hatte die Edition wenig Erfolg.
Der Literatur-Journalist Ludwig Börne sieht z. B. Goethe und Schiller in ihren Briefen auf dem < ausgetretenen Wege der Selbstsucht > wandeln, gleichgültig gegen die politischen Erfordernisse des Tages. Schiller, schreibt Börne, habe sich zu seinem Nachteil Goethe leider untergeordnet.

Der Dramatiker Christian Dietrich Grabbe vermutet, dass Goethe die Briefe nur veröffentlicht habe, um sich vor großem Publikum noch einmal von der Sonne der Schillerschen Huldigungen bescheinen zu lassen. Grabbe hält genau wie Börne Schiller für den bedeutenderen Dichter.

Am 18. Januar 1825 saß Goethe mit dem Schriftsteller Riemer und dem Dichter und engen Vertrauten Goethes Eckermann zusammen und schwelgt in Erinnerungen. Dabei war ihm das Andenken Schillers so lebendig, dass die Gespräche nur ihm gewidmet waren.
Er schildert den hohen Wuchs, die markanten Gesichtszüge,, den Gang, die Bewegungen, die stolz und großartig gewesen seien. Die Augen aber hätten sanft geblickt. Sein geistiges Profil sei wie sein äußeres herrisch und sogleich zart gewesen. Er bescheinigte ihm sogar einen Sinn für Grausamkeit. Für die stille Entwicklung aus dem Inneren sei er zu ungeduldig gewesen. Das Jähe, Abrupte habe ihn angezogen. Für Schiller bedeutete die Freiheit ein und alles. Mit dieser Freiheitsidee habe Schiller bis an seinen physischen Kräften Raubbau getrieben. Goethe erklärte: „ich möchte fast sagen, dass diese Idee ihn getötet hat.“
Goethe erzählt weiter: „Gerade mit dieser Energie und Rücksichtslosigkeit war Schiller ein wunderlicher großer Mensch. Alle acht Tage war er ein anderer und ein Vollendeterer; jedesmal wenn ich ihn wiedersah, erschien er mir vorgeschritten in Belesenheit, Gelehrsamkeit und Urteil.. „
Goethe stand auf, holte den letzten Brief und las ihn Eckermann vor und sagte: „ Seinen letzten Brief bewahre ich als Heiligtum unter meinen Schätzen.“
Zwei Jahre später ist Schiller in Goethes Erinnerungen noch einmal gewachsen:
„Das war ein rechter Mensch, und so sollte man auch sein! – Wir anderen dagegen fühlen uns immer bedingt …. Durch tausend Rücksichten paralysiert, kommen wir nicht dazu, was etwas Großes in unserer Natur sein möchte, frei auszulassen. Wir sind die Sklaven der Gegenstände.“
In den letzten Jahren seines Lebens ging Goethe vollends dazu über, das Bild Schillers zu verklären. Nicht nur seinen letzten Brief, alles was an ihn erinnerte bewahrte er als Heiligtum auf..
Von der Freundschaft mit Schiller gilt, was Goethe einmal so formulierte:
„ Ein Glück für mich war es ……, dass ich Schillern hatte. Denn so verschieden unsere beiderseitigen Naturen auch waren, so gingen doch unsere Richtungen auf Eins, welches dem unser Verhältnis so innig machte, dass im Grunde Keiner ohne den Anderen leben konnte.“
Zur Nachgeschichte der Freundschaft gehört die bizarre Episode mit Schillers Schädel.
Allerdings handelte es sich dabei um einen Schädel, der doch nicht der von Schiller war, wie inzwischen aufgrund einer DNA-Analyse herausgefunden wurde.

Einundzwanzig Jahre nach Schillers Beisetzung auf dem Friedhof in Weimar im so genannten Kassettengewölbe, benötigte man Raum im Gewölbe für neue Beisetzungen.
Die Grabstätte wurde geöffnet. Bei dieser Gelegenheit sollten die Gebeine Schillers gesichert werden. In dem Chaos gelangte man zu keiner Gewissheit, welches Schillers Überreste seien. Weimars Bürgermeister Karl Leberecht glaubte mit Schillers Totenmaske als Orientierungshilfe fündig geworden zu sein. Man entschied sich für den größten Schädel, weil er mit der Totenmaske Schillers am meisten Ähnlichkeit aufwies. Der Bürgermeister behielt den Schädel bei sich zu Hause, da noch nicht entschieden war, was mit den übrigen Gebeinen passieren sollte..

Auf Wunsch des Herzog bekam der Schädel seinen Platz in der Herzoglichen Bibliothek. Am 17. September wurde er in einem feierlichen Akt dort hingebracht..
Eine Woche später am 24. September 1826 lässt Goethe den Schädel in sein Haus bringen und in seiner Bibliothek deponieren. Er blieb dort fast ein Jahr. Als am 29. August 1827 der Bayern König Ludwig, während seines Aufenthaltes in Weimar den Schädel sehen wollte, ließ Goethe ihn schleunigst wieder in die herzogliche Bibliothek zurückschaffen. Am 16. Dezember 1827 wurde der Schädel samt einigen Gebeinen in die Fürstliche Begräbnisstätte überführt.
Im Mai 2006 wurde Schillers Sarkophag in der Fürstengurft in Weimar geöffnet. Nachdem der Totenkopf des Denkers 189 Jahre als echt galt, gehört er laut DANN-Analyse nicht dem Dichter. Nach den neuen Erkenntnissen vermuten Historiker nun, dass der echte Schädel vermutlich schon im 19. Jahrhundert gestohlen wurde.


Unsterblichkeit.
Vor dem Tode erschrickst du?
Du wünschest, unsterblich zu leben?
Leb`im Ganzen! Wenn du
Lange dahin bist, es bleibt
(Friedrich v. Schiller)

Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht, verdient nicht,dass die Welt von ihm erfahre.

Johann Wolfgang v. Goethe aus TorquatoTasso9

Quellennachweis: Rüdiger Safranski Goethe & Schiller, Geschichte einer Freundschaft.

Impressum

Texte: Doris Frese
Tag der Veröffentlichung: 05.05.2010

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