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Der Beginn einer Freundschaft

Der Beginn einer Freundschaft
Für Goethe- und Schillerfreunde

Nachdem sich Schiller 7 Jahre vergeblich um die Freundschaft mit Goethe bemüht hatte, wurde meine Neugier geweckt und ich wollte wissen, , wann und wie es ihm endlich gelungen war, dass diese einzigartige Freundschaft zustande kam. Ich bin in Rüdiger Safranskis Buch „Goethe & Schiller , Geschichte einer Freundschaft , fündig geworden. Die zitierten Texte habe ich mit Absicht in der Originalfassung belassen.

Annäherung
Schillers erster Brief an Goethe datiert vom 13. Juni 1794. Es war ein Einladungsbrief mit Komplimenten bedacht. Damit wollte Schiller Goethe als Mitarbeiter für seine neue Zeitschrift die < Horen > gewinnen.
< Beiliegendes Blatt enthält den Wunsch, einer Sie unbegrenzt hochschätzenden. Gesellschaft, die Zeitschrift von der die Rede ist, mit Ihren Beiträgen zu beehren, über deren Rang und Wert nur eine Stimme unter uns sein kann. Der Entschluß Euer Hochwohlgeboren, diese Unternehmung durch ihren Beitritt zu unterstützen, wird für den glücklichen Erfolg derselben entscheidend sein, und mit größter Bereitwilligkeit unterwerfen wir uns allen Bedingungen unter welchen Sie uns denselben zusagen wollen .>
Nach Goethes Zusage schreibt Schiller erfreut an seinen Freund Körner: < überhaupt läßt es sich zu einer auserlesenen Sozietät an, dergleichen in Deutschland noch keine zusammengetreten ist, und das gemeinschaftliche Product derselben kann nicht anders als gut ausfallen.>
Am 20. Juli 1794 kam Goethe nach Jena, um mit dem inneren Herausgeberkreis, Schiller, Fichte und Humboldt zu konferieren. Goethe hielt vorher noch einen Vortrag über Botanik. Schiller besuchte ebenfalls diese Veranstaltung, wahrscheinlich nur aus dem Grunde, Goethe dort zu treffen. Nach dem Vortrag begibt man sich in plaudernden Gruppen hinaus in den lauen Sommerabend und steht dort noch ein Weilchen beisammen.
Zwanzig Jahre später schildert Goethe die Begegnung und das erste lange Gespräch mit Schiller so:
< Wir gingen zufällig beide zugleich heraus, ein Gespräch knüpfte sich an, er schien an dem Vorgetragenen Teil zu nehmen, bemerkte aber sehr verständig und einsichtig und mir sehr willkommen, wie eine so zerstückelte Art die Natur zu behandeln, den Laien, der sich gern darauf einließe, keineswegs anmuten könne. Ich erwiderter darauf. Daß …. Es doch wohl noch eine andere Weise geben könne die Natur nicht gesondert und vereinzelt vorzunehmen sondern sie wirkend und lebendig aus dem Ganzen in die Teile strebend darzustellen. Er wünschte hierüber aufgeklärt zu sein, verbarg aber seine Zweifel nicht, er konnte nicht eingestehen, daß ein solches, wie ich behauptete, schon aus der Erfahrung hervorgehe. Wir gelangten zu seinem Haus, das Gespräch lockte mich hinein; da trug ich die Metamorphose der Pflanzen lebhaft vor, und ließ, mit manchen charakteristischen Federstrichen, eine symbolische Pflanze vor seinen Augen entstehen. Er vernahm und schaute das alles mit großer Teilnahme, mit entschiedener Fassungskraft; als ich aber geendet, schüttelte er den Kopf und sagte: das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee. Ich stutzte, verdrießlich, einigermaßen: denn der Punkt der uns trennte, war dadurch aufs strengste bezeichnet. Die Behauptung aus Armut und Würde fiel mir wieder ein, der alte Groll wollte sich regen ich nahm mich aber zusammen und versetzte: das kann mir sehr lieb sein, daß ich Ideen habe ohne es zu wissen , und sie sogar mit Augen sehe. Schiller, der viel mehr Lebensklugheit und Lebensart hatte als ich, und mich auch wegen der <Horen > mehr anzuziehen als abzustoßen gedachte, erwiderte darauf, als ein gebildeter Kantianer, und als aus meinem hartnäckigen Realismus mancher Anlaß zu lebhaftem Widerspruch entstand, so ward viel gekämpft und dann Stillstand gemacht …. Der erste Schritt war jedoch getan, Schillers Anziehungskraft war groß. Er hielt alle fest, die sich ihm näherten; …….. seine Gattin, die ich, von ihrer Kindheit auf zu lieben und zu schätzen gewohnt war, trug das ihrige bei zu dauerndem Verständnis, alle beiderseitigen Freunde waren froh, und so besiegelten wir, durch den größten, vielleicht nie ganz zu schlichtenden Wettkampf zwischen Objekt und Subjekt, einen Bund, der ununterbrochen gedauert, und für uns und andere manches Gute gewirkt hat.>

Schiller erzählt von diesem ersten langen Gespräche mit Goethe seinem Freund Körner am 1. September in einem Brief:
< Wir hatten vor sechs Wochen über Kunst und Kunsttheorie ein langes und breites gesprochen, und uns die Hauptideen mitgeteilt, zu denen wir auf ganz verschiedenen Wegen gekommen waren. Zwischen diesen Ideen fand sich eine unerwartete Übereinstimmung, die um so interessanter war, weil sie wirklich aus der größten Verschiedenheit der Gesichtspunkte hervorging. Ein jeder konnte dem anderen etwas geben, was ihm fehlte, und etwas dafür empfangen. Seit dieser Zeit haben diese ausgestreuten Ideen bei Goethe Wurzel gefaßt, und er fühlt jetzt ein Bedürfnis sich an mich anzuschließen, und den Weg, den er bisher allein und ohne Aufmunterung betrat in Gemeinschaft mit mir fortzusetzen., Ich freue mich sehr auf einen für mich so fruchtbaren Ideenwechsel.>

Die Freundschaft zwischen Schiller und Goethe kann man auch heute noch als ein glückliches Ereignis bezeichnen. Zwei schöpferische Menschen höchsten Ranges setzen sich über Gegensätze hinweg und verbinden sich zu wechselseitiger Anregung und gemeinsamen Wirken. Es ist etwas Einmaliges in der Geschichte des Geistes.
Die Freundschaft endete für Schiller mit seinem Tode am 9. Mai 1805. Goethe befürchtet nach Schill ers Tod ein Nachlassen seiner poetischen Kräfte. Zum Glück hielt diese Stimmung nicht lange an und nach einem Jahr brachte er im Andenken an Schiller den ersten Teil des „Faust“ zum Abschluss. Dazu hatte Schiller ihn immer gedrängt.

Quellennachweis: Rüdiger Safranski, Goethe und Schiller, Carl Hanser Verlag

Impressum

Texte: Doris Frese
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2010

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