Meine Weihnacht
damals - später - heute
Weihnachtsfeste soweit meine Erinnerung zurückreicht und wie ich sie erlebte.
Die ersten Weihnachtsfeste, an die ich mich erinnern kann, erlebte ich in der Zeit des 2. Weltkrieges.
Die Bescherung fand damals in meinem Elternhaus immer erst am ersten Weihnachtstag morgens um 5.00 Uhr statt. Am Heiligabend spätabends, wenn ich schon im Bett lag und eigentlich schlafen sollte, schmückten meine Eltern den Weihnachtsbaum und bereiteten den Gabentisch vor. Obwohl Krieg, und es fast nichts mehr gab, gelang es ihnen immer wieder, irgendwo noch eine Puppe und andere Sachen zu organisieren. Und vor allen Dingen haben sie sehr viel selbst gebastelt.
Da ich mit 4 oder 5 Jahren noch an das Christkind glaubte, machte ich mir keine Gedanken darüber, wie die Eltern trotz der schlechten Zeit, fast alle meine Wünsche erfüllen konnten.
Ich schlief in dem Alter noch in einem Kinderbett im Elternschlafzimmer. Vor Aufregung war an Schlaf natürlich nicht zu denken. Ich nervte meine Mutter alle paar Minuten mit der Frage: "Mama, war das Christkind schon da, stehen wir jetzt auf?”
Aber auch diese Nacht war einmal zu Ende und dann war es wo weit. Während meine Mutter mir beim Ankleiden half, zündete mein Vater am Weihnachtsbaum die Kerzen an. Elektrische Kerzen gab es zu der Zeit noch nicht. Die Wachskerzen verbreiteten mit den Tannenzweigen einen weihnachtlichen Duft, den ich nicht beschreiben kann, den man einfach erlebt haben muss und den ich heute vermisse.
Der Weihnachtsschmuck am Baum war übrigens im jeden Jahr der Gleiche. Ich erkannte ihn immer wieder und hatte so meine Lieblingskugeln, z. B. die silberfarbenen, in denen ich mich spiegeln konnte, gerne mochte ich auch die kleinen Glöckchen, die Vögelchen und die kleinen Trompeten.
Doch bevor ich die Geschenke auf dem Gabentisch in Augenschein nehmen konnte, musste ich mich erst einmal vor den Weihnachtbaum stellen und mein Gedicht aufsagen."Denkt euch ich habe das Christkind gesehn". Ich vergaß auch nicht am Anfang und am Ende einen Knicks zu machen. (Dieser obligatorische Knicks bei den Mädchen und der Diener bei den Jungen war früher so üblich). Dabei warf ich immer wieder einen neugierigen Blick zum Gabentisch. Nachdem ich diese Aufgabe erfüllt hatte, durfte ich endlich meine Geschenke in Empfang nehmen. Damit war der feierliche Teil der Bescherung aber noch nicht zu Ende.Wir gesellten uns zu meinem Bruder, (zehn Jahre älter als ich,) der schon am Klavier saß und Weihnachtslieder spielte, und wir sangen kräftig mit. Ich konnte schon als kleines Kind alle Strophen der Lieder aus dem Weihnachtsnotenbuch mitsingen. Mein Lieblingslied war “Am Weihnachtsbaume, die Lichter brennen ……. In der zweiten Strophe heißt es:
“Zwei Engel sind herein getreten.
Kein Auge hat sie kommen sehn,
Sie gehen zum Weihnachtstisch und beten,
Und wenden wieder sich und gehen.”
Ich schaute dann immer zur Tür, ob nicht auch zu uns die Weihnachtsengel herein treten Aber sichtbar waren sie nicht, vielleicht beteten sie unsichtbar für uns. So ist es vielleicht auch zu erklären, dass unsere Familie vom Bombenhagel verschont blieb.
In den ersten Jahren nach dem Krieg liefen die Bescherungen nach dem gleichen Schema ab, nur mit dem Unterschied, dass wir anschließend den Frühgottesdienst in der Kirche besuchten. Und ganz wesentlich, ich durfte am Heiligabend bis 24.00 Uhr aufbleiben, durfte mir am Radio noch die Glocken aus aller Welt anhören, erst dann musste ich ins Bett. Als ich dann nicht mehr an das Christkind glaubte, durfte ich am Nachmittag des Heiligabend mithelfen, den Baum zu schmücken. Das war für mich schon der erste Höhepunkt des Festes.
Später, so mit ca. 15 Jahren, nachdem ich von Freundinnen und Klassenkameradinnen erfahren hatte, dass bei ihnen die Bescherung schon am Heiligabend statt fand, konnte ich meine Eltern überreden, es auch so zu handhaben. Inzwischen schmückte ich den Baum alleine. Meine Mutter empfand das als Entlastung. Der Christbaumschmuck war immer noch der Gleiche, nur ein paar Kugeln, die in den Jahren zuvor zu Bruch gegangen waren, wurden durch neue ersetzt. Und ganz wichtig, die Wachskerzen wurden durch elektrische ausgetauscht, was ich sehr bedauerlich fand. Aber etwas Gutes hatte es doch. Nun brauchte der mit Wasser gefüllte Eimer nicht mehr neben dem Baum stehen.
Die Gedichte, die ich nun unter dem Weihnachtsbaum aufsagte, wechselten auch von Jahr zu Jahr, je nach dem, welches ich gerade in der Schule gelernt hatte. Eines meiner Lieblingsgedichte war und ist von Joseph von Eichendorff
Weihnachten
Markt und Straßen stehn verlassen
still erleuchtet, jedes Haus
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen.
buntes Spielzeug fromm geschmückt.
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld,
hehres Glänzen, heilges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus den Schnees Einsamkeit,
steigt`s wie wunderbares Singen
Oh, du gnadenreiche Zeit.
Nach dem Konfirmationsunterricht und der Konfirmation stellte ich mehr Ansprüche an mich und sagte die komplette Weihnachtsgeschichte auf, Lukas 2 Vers 1- 20
Die Weihnachtslieder am Klavier spielte nun ich und mein Bruder begleitete mich mit der Klarinette.
Nach meiner Heirat und als ich selbst Kinder hatte, änderte sich an dem Ritual am Heiligabend nichts. Solange die Kinder noch nicht zur Schule gingen, wohnten wir in Essen, hatten ein Häuschen mit ausreichend vielen Zimmern, sodass ich schon immer einen Abend vor dem Heiligabend den Baum schmückte, den Gabentisch bestückte und dann die Zimmertür abschloss. Den Kindern erzählte ich, dass dort das Christkind den Baum und die Geschenke bringt. Ein Klavier hatten wir zu der Zeit nicht, stattdessen wurde eine Schallplatte mit Weihnachtliedern aufgelegt. Richtig feierlich, wie zu meiner Kinderzeit, war es nicht.
Als wir dann nach Hamm zogen, die Kinder alle eingeschult waren, nicht mehr an das Christkind glaubten, schmückten wir gemeinsam den Tannenbaum. Ich glaube es war 1972 als uns die Kinder nach der Bescherung mit einem eingeübten Krippenspiel überraschten. Unsere Jüngste war da gerade einmal 8 Jahre alt und spielte die Maria, der Sohn war der Joseph und unsere Ulrike der Verkündigungsengel und sie führte wohl auch die Regie. Mein Mann und ich waren sehr gerührt.
Das erste Weihnachtsfest in Hamm feierten wir 1968 , und da war ich nach langen Jahren zum ersten Mal wieder Weihnachten in der Kirche. Am Heiligabend um 15.30 Uhr fand und findet immer noch der Gottesdienst in unserer Kirche statt. Die Kinder wurden im Gemeindehaus betreut, und am Schluss des Gottesdienstes, wenn die Gemeinde sang: “Ihr Kinderlein kommet…… ", kamen die Kinder mit einer brennenden Kerze in der Hand in die Kirche, und stellten sich am Altar auf. Na, und da konnte ich fast nicht mehr mitsingen, weil mir die Tränen vor Rührung in die Augen traten.
Während des Gottesdienstes wurde die Weihnachts-
geschichte von den Konfirmanden aufgesagt. Die meisten konnten die vorgegebenen Verse fließend aufsagen, einigen gelang es nicht so gut.
So gingen die Jahre dahin und dann war es soweit, dass unser Ältester zu den Konfirmanden gehörte. Aber er hatte Glück, er brauchte nichts vortragen, er musste nur immer den Lichtschalter betätigen, wenn die Weihnachtsgeschichte durch ein Lied der Gemeinde unterbrochen wurde und dazu Licht benötigt wurde. Dafür gehörten dann aber zwei Jahre später die beiden Mädchen zu den Konfirmanden, denen es nicht erspart geblieben war, ein paar Verse aufzusagen.
Nachdem alle drei Kinder konfirmiert waren, teilten wir uns bei den Gottesdiensten auf. Ich ging um 15.30 Uhr und die Kinder um 18.oo Uhr. Während die Kinder in der Kirche waren, bereitete ich alles für die Bescherung vor. Den Baum hatte ich den Abend vorher schon geschmückt. Ich hatte nicht das Glück, dass ich durch die Kinder entlastet wurde. Die übrige Familie bestaunte hinterher nur den geschmückten Baum.
Ich war inzwischen dazu übergegangen, den Baum mit Holzfiguren und Strohsternen zu schmücken. Weihnachtskugeln gab es bei uns nicht mehr, die waren zu der Zeit out. Lametta ließ ich auch weg. Heute hat man die Weihnachtskugeln wieder entdeckt und jedes Jahr ist eine andere Farbe modern. Ja, so ändern sich halt die Zeiten.
Wenn die Kinder aus der Kirche kamen, tat sich die Frage auf, erst Abendessen oder erst Bescherung? Steffi, unsere Jüngste plädierte dafür, dass zuerst die Bescherung dran kommt. Alle anderen wollten zuerst zu Abend essen. Steffi wurde also jedes Mal überstimmt. In den ersten Jahren reagierte sie nicht erfreut darüber. Dann war es eigentlich nur noch ein Joke für alle. Es gehörte einfach mit zum Heiligabend.
Während der Bescherung schauten mein Mann und ich zu, wie die Kinder die Geschenke aus dem Geschenkpapier packten, jedes Kind für sich und ein Wust von Papier lag hinterher im Wohnzimmer. Als die drei dann erwachsen waren, hielten sie diese Art der Bescherung wohl selbst nicht für so gut und der Vorschlag kam, dass jeder nacheinander seine Geschenke auspackt. Es wurde dann ausgelost, wer zuerst und wer zuletzt dran kam. So dauerte unsere Bescherung immer recht lange.
Die Jahre gingen ins Land und ein Weihnachtsfest nach dem anderen verging, und die Kinder verließen das Elternhaus. Eine Tochter wohnt 500 Kilometer von uns entfernt. Aber bis Mitte der 90ziger Jahre kam die ganze Familie bei uns an den Weihnachtstagen zusammen.
Seidem unsere beiden Enkelkinder da sind (13 und 10 Jahre alt) feiern mein Mann und ich den Heiligabend bei der Tochter und Familie. Und beim Gottesdient am Heiligabend wiederholt sich alles. Er wird noch genauso gefeiert wie vor 40 Jahren. Wenn die Gemeinde singt "Ihr Kinderlein kommet." ziehen die Kinder in die Kirche ein. Als unsere Enkelkinder noch im Kindergartenalter waren, bekam ich nicht mehr als Mama sondern als Oma feuchte Augen, wenn die Kinder in die Kirche einzogen.
Im nächsten Jahr ist unser Fabio Konfirmand und wird wahrscheinlich ein paar Verse aus der Weihnachts-
geschichte vorlesen, oder wenn er Glück hat, nur den Lichtschalter betätigen. Etwas hat sich inzwischen geändert. Die Konfirmanden brauchen nun nicht mehr auswendig aufsagen, sondern sie dürfen vorlesen.
Im letzten Jahr haben die Enkelkinder mit Tochter und Schwiegesohn eine Weihnachtsgeschichte vor der Bescherung vorgetragen. Ein Klavier ist auch wieder vorhanden und Oma und Enkeltochter haben Weihnachts-
lieder gespielt. Es wird wieder feierlicher.
Für mich hat sich etwas geändert. Seit Anfang der Siebziger Jahre gab es bei uns am 1. Weihnachtstag zu Mittag immer einen Rehrücken. Ich glaube, es sind jetzt schon 5 Jahre her, als ich den Kindern mitteilte, dass Muttern nicht mehr bereit ist, am 1. Feiertag für die Familie zu kochen. Mein Sohn tat mir zwar leid, weil der Rehrücken der Höhepunkt des Weihnachtsfestes für ihn war. Ich löste dieses Problem aber so, indem ich der Schwiegertochter das Rehrückenrezept übergab.
Mein Mann und ich machen, wenn andere Mütter am Herd stehen und für ihre Familie kochen, einen weihnachtlichen Spaziergang und essen anschließend im Restaurant Rehrücken.
Ich wünsche allen Lesern eine ruhige und besinnliche Adventszeit und ein gelungenes Weihnachtsfest.
Texte: Doris Frese
Tag der Veröffentlichung: 27.11.2009
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