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Von Stralsund nach Hiddensee

13.9.93 Von Stralsund nach Hiddensee



Das Frühstücksbuffet in Stralsund war, dem Hotel angepasst, hervorragend.

Nach dem Frühstück ist Werner zur Post gegangen, um die beiden Wäschepakete abzuholen. Er kam aber nur mit einem zurück. Mein Paket war noch nicht da. Was nun? Wir beschlossen, deswegen keinen Tag in Stralsund zu vertrödeln und zunächst unseren Plan einzuhalten.

Zunächst einmal gingen wir zur Stadt und kauften dort noch Unterwäsche für mich, da meine Wäsche zum Wechseln in dem nicht angekommenen Paket war. Und ganz wichtig, oder auch nicht? Heute ist mein Geburtstag. Zu diesem Anlass ist Werner mit mir in einen Juwelierladen gegangen und ich durfte mir einen Ring aussuchen.

Während wir weiter durch die Stadt schlenderten, trafen wir noch einmal das Geschwisterpaar. Wir besuchten das Meeresmuseum, das sich im 1251 erbauten ehemaligen Katharinenkloster befindet und in dem eines der größten Aquarien Europas zu finden ist. Anschließend gingen wir zum Hafen, um schon die Karten für die Fähre zu kaufen. Zwischendurch mussten wir ab und zu den Regenschirm aufspannen, um uns vor kleinen Regenschauern zu schützen. Wir schlenderten gemütlich zum Hotel zurück, wo unsere Räder mit dem Gepäck im Schuppen untergebracht waren, aßen noch eine Kleinigkeit und schoben dann unsere Räder zum Hafen.

Um 15.00 Uhr ging es dann mit der Fähre los. Der Himmel war sehr wolkig. Um 18.00 Uhr kamen wir in Kloster (Hiddensee) an und machten uns dort auf Zimmersuche. Und das war zum ersten Mal eine Katastrophe.

Nachdem wir alle Hotels und Pensionen abgeklappert hatten und nichts frei war, entdeckten wir ein Privathaus mit dem Hinweis, dass dort noch ein Zimmer frei wäre. Ich schellte, man ließ mich herein und ich ließ meinen üblichen Spruch los, von wegen mit Fahrrädern unterwegs und für eine Nacht eine Übernachtung, und folgende Geschichte ist mir da passiert.

Nachdem ich besagten Spruch einer älteren Dame vorgetragen hatte, verwies die mich an ihre Schwiegertochter, die als sie mich hörte, aus der offen stehenden Küche kam und mir sagte, dass das Zimmer wohl frei wäre, aber die Gäste heute morgen erst abgereist wären und das Zimmer noch nicht gemacht wäre. Ich erwiderte, dass ich das zur Not selbst machen würde. Die junge Frau zögerte. Die Schwiegermutter, die ein gutes Geschäft witterte, fragte mich, ob ich denn auch bereit wäre, einen Aufschlag zu bezahlen, da wir ja vorhätten, nur eine Nacht zu bleiben.
Ich erklärte, dass ich mir schon klar darüber wäre und auch bereit dazu wäre mehr zu bezahlen und wie viel das denn sein sollte. Der ursprüngliche Zimmerpreis betrug 40.DM, die Schwiegermutter war bereit mir das Zimmer für 60 DM zu überlassen, und sie selbst wollte das Zimmer in Ordnung bringen. Ich atmete schon erleichtert auf. Aber da kam der dicke Hammer in Gestalt des Sohnes, der das Ganze am Küchentisch sitzend mitbekommen hatte. Ein hartes "Nein, das kommt nicht in Frage, ich dulde es nicht, dass jetzt hier noch geputzt wird," ertönte aus der Küche.

Ich war den Tränen nahe. Die Mutter bekräftigte noch einmal, dass es doch keine große Mühe macht, und sie das in einer halben Stunde erledigt hätte. Der Sohn blieb hart und sagte: "Nein."

Die Mutter zuckte bedauernd mit den Schultern. Die Schwiegertochter blickte verlegen. Obwohl den Tränen nahe, bedankte ich mich ganz höflich und schloss betont leise die Haustür hinter mir.

Wir fuhren dann zwei Kilometer südlich (Kloster liegt am Nordzipfel der Insel) bis Vitte, unterwegs registrierte ich wohl, dass die Insel wunderschön ist, aber ich hatte zu der Zeit nicht die richtige Einstellung dazu. Ich wollte nur eins, endlich ein Quartier bekommen, und ich muss sagen, ich war zu dem Zeitpunkt ziemlich mutlos geworden. Ich dachte nur immer, zur Not können wir uns ein Wassertaxi nehmen und entweder weiter nach Rügen fahren oder zurück nach Stralsund.

In Vitte war uns das Glück hold. Wir bekamen im Hause "Godewind" ein Zimmer für 80 DM. WC und DU sind allerdings auf der Etage.

Ich glaube, heute hätte ich sogar ein Zimmer mit einem Plumpsklo außerhalb des Hauses genommen.

Vitte auf Hiddensee



Inzwischen war es 19.30 Uhr geworden. Nachdem wir uns ein wenig gemacht hatten,gingen wir ins Hotelrestaurant und setzten uns zu einem einzelnen Herrn an den Tisch, weil kein freier Tisch mehr da war. Der gute Mann war ein Mecklenburger, der versucht "Malteser" Schnaps in Mecklenburg-Vorpommern an den Mann zu bringen. Ich wurde nicht so recht schlau aus ihm. Er motzte z.B. darüber, dass es die Restaurants in den neuen Bundesländern immer noch nicht verständen, ein exquisites Essen zu servieren. Ich weiß nicht, was er darunter verstand. Wir haben hier bisher immer vorzüglich gespeist. Auch hier im Hause Godewind. Allerdings gibt es hier keinen "Malteser". Vielleicht war der gute Mann nur sauer, dass er hier seinen Schnaps nicht loswerden konnte.

Es ist heute sehr spät geworden. Wir haben jetzt 24.00 Uhr. Werner schläft schon. Und ich glaube, ich werde es jetzt auch versuchen. Ich freue mich schon auf morgen. Das, was wir bis jetzt von der Insel mitbekommen haben, sah sehr vielversprechend aus.

Hiddensee, Dienstag 14.9.93



Heute Nacht war es sehr stürmisch und es hat in Strömen geregnet. Als wir heute Morgen zum Frühstück gingen, war von dem Unwetter immer noch kein Ende abzusehen.
Werner sprach dann aus, was ich nur dachte, nämlich noch einen Tag in dem vorzüglichen Haus "Godewind" in Vitte zu bleiben. Zum einen hatten wir keine rechte Lust bei diesem Unwetter weiterzufahren, zum anderen hatten wir gestern noch nicht sehr viel von der Insel gesehen und wollten dieses nachholen.

Werner sprach mit der Inhaberin, einer jungen resoluten Frau zwischen 30 und 35 Jahre. Und es klappte nicht nur mit der Verlängerung, sondern wir bekamen sogar noch ein vorzügliches Zimmer für 130 DM im Haupthaus mit Du/WC.
Das reichhaltige Frühstücksbuffet war übrigens dem Hause entsprechend.
Nachdem wir das neue Zimmer bezogen hatten, machten wir uns mit unseren Rädern auf den Weg nach Kloster. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. Eine kurze Strecke fuhren wir über den Damm am Strand entlang.
In Kloster besichtigten wir als erstes das Heimatmuseum mit dem frühmittelalterlichen Goldschmuck von Hiddensee und den Exponaten zur Inselgeschichte.

Anschließend besuchten wir das Haus von Gerhard Hauptmann.

Das Gerhard Hauptmann Haus



Der Dichter (1862-1946) verbrachte hier ab 1895 fast jeden Sommer, ich stand ganz ehrfurchtsvoll in seinem Arbeitszimmer vor seiner Bibliothek. Ein Besuch an seinem Grab auf dem angrenzenden Friedhof war schon fast Pflicht.

Wir fuhren weiter zum Leuchtturm. Streckenweise musste ich wegen der Hügel absteigen und mein Rad schieben.

Der Dornbusch auf Hiddensee



Der Dornbusch, so heißt das hügelige, teils bewaldete Gebiet um den Leuchtturm, ist Naturschutzgebiet. Man darf dort zwar wandern, aber nicht mit dem Fahrrad durch. Also stellten wir unsere Räder ab und gingen zu Fuß weiter. Sollte ich es noch nicht erwähnt haben, dann hole ich es jetzt nach.
Auf der Insel Hiddensee gibt es keinen Autoverkehr. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Bei dem großen Bauboom, der zurzeit hier herrscht, sind uns heute schon ein paar LKWs begegnet.

Wir gingen also zu Fuß weiter und waren überrascht von der hügeligen Landschaft. Sie erinnerte uns an die Alphöhen. Von der Steilküste herunter hatten wir einen eindrucksvollen Blick zum Strand und übers Meer.

Zurückgekehrt zum Ort kehrten wir im Hotel Dornbusch ein und bestellten uns dort einen gebratenen Barsch mit Röstkartoffeln. Dann fuhren wir zurück nach Vitte, vorbei an unserem Hotel und weiter zum südlichsten Ort nach Neuendorf, mitten durch die Dünenheide. Ich konnte es nicht begreifen, dass so eine kleine Insel, die nur 16.5 km lang ist, ein so unterschiedliches Landschaftsbild aufzuweisen hat.

Die Dünenheide
zwischen Vitte und Neuendorf



Zurück in Vitte tranken wir in unserem Hotelrestaurant Kaffee und gingen dann noch einmal zum Strand und wanderten am Strand entlang bis nach Neuendorf, ungefähr 5 km. Inzwischen hatte sich die Sonne, die jetzt im Westen stand, einen Weg durch die Wolken gebahnt, ein wenig blauer Himmel war auch zu sehen. Ich bedauerte, dass ich keinen Fotoapparat bei mir hatte. Es sah einmalig schön aus, wie die Sonnenstrahlen die Wolken in ein rosa und hellblaues Licht tauchten und die goldenen Strahlen sich im Wasser spiegelten.

Auf dem Rückweg gingen wir ein Stück durch die Heide. Niemand kam uns entgegen. Von Ferne hörten wir das Meer rauschen, ab und zu schrie eine Möwe. Ansonsten nur Ruhe und Frieden um uns. Wir liefen noch einmal zum Strand, zogen unsere Schuhe und Strümpfe aus und wateten Bar fuß durch den Sand. Ab und zu umspülten die Wellen unsere Füße. Wir beobachteten die Möwen,
die mit den Füßen ihre Nahrung aus dem Sand losstampften und amüsierten uns über die kleinen Strandläufer, die so hurtig durch den Sand liefen, als hätten sie Angst, die letzte Straßenbahn zu verpassen, oder als wären sie auf der Flucht, und wir beobachteten sie dabei, wie sie mit ihren spitzen Schnäbeln ihre Nahrung aus dem Sand pickten.

Im Hotel angekommen, blieben wir sofort im Restaurant und bestellten uns etwas zu essen und blieben bis 22.30 Uhr in dem gemütlichen Restaurant sitzen. Bevor wir ins Bett gingen machten wir noch von der Dusche im schönen Badezimmer Gebrauch. Werner dauerte meine Schreiberei zu lange. Er schläft schon.
Morgen wollen wir um 9.30 Uhr die Fähre nach Schaprode auf Rügen mitbekommen, d.h. wir müssen um 7.00 Uhr aufstehen. Ich bin jetzt auch müde. Ich glaube, die Insel Hiddensee war der Höhepunkt unserer Fahrradtour. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es noch eine Steigerung gibt. Vielleicht gibt es auf Rügen noch mehr Mücken. Aber das ist ja nicht unbedingt etwas Positives.

15.9.93 Von Hiddensee nach Putgarten (ca. 40 km)



Wetter trüb. Ehe wir zum Hafen fuhren, um mit der Fähre um 9.30 Uhr nach Schaprode auf Rügen zu fahren, haben wir uns auf dem Hof vor dem Hotel mit einer Gruppe Männer aus dem Schwabenland unterhalten, die für eine Woche mit Rädern unterwegs sind und das Ganze durch eine Rostocker Reisegesellschaft mit Reiseführer organisieren ließen; das heißt, sie brauchen sich nicht um die Route und die Quartiere kümmern. Sie wollten mit dem Wassertaxi bis Wiek fahren, das liegt im Norden der Insel Rügen.
In Altenkirchen haben wir sie dann noch einmal gesehen, genauso nass wie wir. Es hatte nämlich den ganzen Vormittag geregnet. Wir kamen schon wieder halbwegs trocken aus dem Gasthof, in dem wir gegessen hatten, und die Gruppe kam vom Kap Arkona und wollte einen Kaffee im Gasthaus trinken.
Wir sind dann die acht Kilometer bis zum Kap Arkona gefahren. Inzwischen goss es Bindfäden. Am Leuchtturm gab es trotz des schlechten Wetters einen Besucherstrom wie am Drachenfels. Die Leute sahen uns teilweise mitleidig, teilweise belustigt, teilweise erstaunt und teilweise respektvoll an. Aber alle bewunderten unsere Räder und die gute Ausrüstung.

Kap Arkona ist der nördlichste Punkt der Insel Rügen. Wir wollten weiter in Richtung Saßnitz, zur Westküste durch die Stubbenkammer.

Der Regen kam nun von vorne, windig war es auch. Wir hatten unsere Brillen längst abgesetzt, weil wir ohne besser sehen konnten als mit. Gott sei Dank waren die Straßen wenigstens gut. Übrigens fuhren wir wieder durch wunderschöne alte urwüchsige Baumalleen.
Zwischen Altenkirchen und Kap Arkona, in Putgarten, 1 Kilometer vom Kap entfernt, hatten wir ca. 300 Meter abseits der Straße ein Hotel entdeckt "Hotel Nobbin". Wir entschlossen uns, da wir wirklich fast bis auf die Haut nass waren, wegen eines Zimmers zu fragen und hatten Riesenglück. Wir bekamen ein tolles Appartement, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer mit zwei Waschbecken, Dusche, Heizung und im Wohnzimmer last not least einen Fernseher.

Preis 100 DM. Normalerweise kostet es 150 DM. Aber der Besitzer, ein freundlicher junger Mann, meinte, da es eh leer steht und wir so viel kleines Gepäck haben, wäre ein Doppelzimmer wohl ein bisschen eng, und er überließ uns das Appartement für den Preis eines Doppelzimmers. So etwas gibt es also auch noch.

Nur, wer schon einmal ein paar Stunden durch strömenden Regen mit dem Fahrrad gefahren ist oder gewandert ist, kann ermessen, wie schön es ist, anschließend so eine tolle Unterkunft zu bekommen und heiß duschen zu können. Es war wie Weihnachten und Ostern an einem Tag.

Nachdem wir uns also erfrischt hatten und im wahrsten Sinne des Wortes trocken gelegt hatten, setzten wir uns ins Restaurant und Werner bestellte sich ein Kännchen Kaffee und ich einen Grog. Den Kaffee trank ich anschließend.

Inzwischen war es schon 18.00 Uhr und wir suchten uns auch etwas zu essen aus. Ich probierte eine Suppe, die den hübschen Namen Soljanka trägt und mit der ich, seit wir in Mecklenburg-Vorpommern sind, geliebäugelt habe.
Unser Hotel liegt nur 300 Meter von der Steilküste entfernt. Es hatte tatsächlich aufgehört zu regnen, und wir liefen, oder vielmehr wir sprangen durch die Pfützen, zur Steilküste. Schade, dass das Wetter so schlecht war, es wäre sonst eine herrliche Aussicht gewesen. Aber es war auch so schon überwältigend. Auch den nur wenig entfernten Hünengräbern statteten wir einen Besuch ab. Dann hüpften wir zum Hotel zurück.
Es war schon fast dunkel, als wir das Hotel erreichten. Wir setzten uns noch einmal ins Restaurant. Werner trank ein Bier, ich bestellte mir ein Glas Rotwein.

Während wir genüsslich unsere Getränke schlürften, flirtete Werner mit einem ungefähr zweijährigen kleinen Mädchen, und er erlebte, dass er zum ersten Mal mit "Opa" angeredet wurde. Ich grinste, er zuckte die Schultern und meinte: "Es könnte ja durchaus so sein."

Jetzt sitzen wir in unserem "Wohnzimmer". Werner hat sich noch ein großes Bier und ich ein Glas Wein aus dem Restaurant mitgenommen. Werner schaut sich ein Fußballspiel an. Ich erledige meine "Hausaufgaben“.

Aber nun bin ich fertig und werde mich in unser
"Schlafgemach" zurückziehen und unsere Reiseunterlagen durchblättern und noch einmal nachlesen, was wir schon alles gesehen haben und vielleicht noch sehen werden.

16.9.93 von Putgarten nach Saßnitz (46 km)



Das Frühstücksbuffet war ebenso hervorragend wie das Hotel.

Als wir losfuhren nieselte es wieder und wir zogen sofort unsere Regenkleidung an. Bis Glowe fuhren wir durch die Schaabe, ein schöner, schmaler Landstrich, der den Inselkern Wittow mit dem Asmund verbindet. Links von uns die offene Ostsee mit dem Tromper Wiek, rechts von uns zuerst der Breeger Bodden und dann der Lebbiner Bodden. Zwischen dem Wasser und der Straße, zu beiden Seiten Dünen mit Nadelgehölz.
Die Landschaft erinnerte mich ein wenig an die Insel Menorca mit ihren Sandstränden und den Pinienwäldern dahinter.
Wir hielten zwischendurch ein paar Mal an und liefen zum Strand, um ein paar Aufnahmen zu machen. Im Norden sahen wir Kap Arkona mit dem Leuchtturm, wo wir gestern waren, nun schon sehr weit entfernt.

Zwischen Putgarten und Saßnitz, Blick auf Cap Arkona



In Lohme, kurz vor der Stubbenkammer mit ihren Hügeln, kehrten wir in ein Restaurant, mit Blick zur Ostsee ein. In der Ferne ein Fischkutter, es war schön anzusehen.

Auf dem Weg von der Schaabe zur Stubbenkammer



Dann ging es weiter zum 8 Kilometer entfernten Königsstuhl, dem Wahrzeichen von Rügen, dem Kreidefelsen.

Kreidefelsen



Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen, dafür war es aber ganz schön bergig. Aber die Anstrengung hatte sich gelohnt.

Ein herrlicher Anblick!

Schade, dass die Sonne nicht schien. Es hätte bei Sonnenschein sicherlich weit besser ausgesehen.
Nach all den bewältigten Hügeln ging es dann bis Saßnitz endlich nur noch bergab.

Nach einigen Schwierigkeiten bekamen wir für 76 DM ein äußerst einfaches Zimmer im ehemaligen Seemannsheim und jetzigen Nordhotel.
WC auf der Etage, Dusche im Keller. Auf der Damentoilette konnte man nur den Vorraum abschließen und die Toilette nicht. Dafür gab es aber nur die eine.
Der Lichtschalter in unserem Zimmer, mit einem schwarzen Knopf zum Drehen, ist echte Vorkriegsware.

Saßnitz ist die nördlichste Stadt des Landes und durch den Hafen bekannt. Von hier aus gehen die Fährschiffe nach Trelleborg (Schweden), Klaipeda (Litauen) und neuerdings auch wieder nach Bornholm.

Nach dem Kaffeetrinken gingen wir zum Hafen herunter und liefen bis zum Leuchtturm (erbaut 1903). Überall wo wir waren wollte ich den Leuchtturm sehen. Vielleicht liegt es daran, dass ich, wenn ich an die Nord- oder Ostsee denke, gleichzeitig auch an einen Leuchtturm denke.

Der Saßnitzer Leuchtturm vor dem Fährschiff nach Bornholm



Als Kind hat mich Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter" fasziniert. Ich weiß nicht, ob da ein Leuchtturm drin vorkommt, es ist schon zu lange her. Na, ja, auf jeden Fall wollte ich wieder bis zum Leuchtturm laufen. Dabei beobachteten wir ein Fährschiff, das gerade nach Bornholm auslief.

Der Hafen ist ein sehr schöner Fischerhafen. Es herrschte ein buntes Treiben da. Schön anzusehen die Fischkutter, die vielen kreischenden Möwen, die Schwäne, die Hotels auf der anderen Seite am Hang, im Hintergrund, die mit Mischwald bepflanzten Hügel. Die Bäume schon mit Herbstfärbung. Wie ein Gemälde so schön.

Der Hafen von Saßnitz



Das Abendessen nahmen wir im Hotel ein. Außer uns saß nur ein junges Pärchen aus Regensburg da. Das war uns zu langweilig. Wir liefen noch ein paar Schritte. Ursprünglich wollten wir zum Hotelschiff, das wir vom Hafen aus gesehen hatten, fanden es aber nicht, kehrten dann in einem Hotel-Restaurant an der Hauptstraße ein, in dem ich nachmittags vergeblich wegen eines Zimmers gefragt hatte, tranken noch einen Schlummertrunk an der Theke und gingen zurück zum Hotel.

Werner hat heute Geburtstag. Das Zimmer das wir haben ist nicht gerade ein Geburtstagsgeschenk für ihn.

Wir haben beschlossen, das Paket nicht mehr in Stralsund von der Post abzuholen. Ich werde mir morgen hier noch ein wenig Wäsche kaufen.

17.9.93 Von Saßnitz nach Wreechen (45 km)



Das Frühstück heute Morgen war genau so bescheiden wie das Hotel.

Bevor wir aus der Stadt fuhren, kaufte ich mir noch ein wenig Unterwäsche. Und dann ging es, begleitet vom Sonnenschein und Wind und dem Abgasgestank der zahlreichen Autos, zunächst in Richtung Bergen. Als wir dann links Richtung Binz abbogen, war der Verkehr zwar noch stark und die Fahrerei deshalb sehr stressig, aber die Straße war zumindest gut asphaltiert. Landschaftlich war es wohl die am wenigsten reizvolle Landschaft Rügens.

Ich freute mich auf den Badeort Binz und hatte Lust dort eine Tasse Kaffee zu trinken. Aber nein, das durfte nicht wahr sein! Menschen wie am Timmendorfer Strand und lauter Schicki Micki Hotels.

Schwarze Wolken über dem Binzer Strand



Am Ortsende fanden wir endlich ein kleines Cafe. das uns gefiel und in dem wir einen Kaffee tranken.
Es wehte heute ein frischer Wind. Außerdem traten die ersten großen dunklen Wolken auf. Vorsichtshalber zogen wir uns unsere Wollsachen an, bevor wir weiter zu Schloss Granitz fuhren.
Am Ortsausgang von Binz war nur noch ein Kilometer bis nach Granitz ausgeschildert. Aber es waren mindestens 3 Kilometer und die nicht nur bergauf, sondern teilweise auch noch Kopfsteinpflaster. Ich musste unterwegs passen und mein Rad schieben.

Wir verzichteten darauf, uns das Schloss von innen anzusehen. Fürst Malte l. ließ 1836 auf dem 107 Meter hohen Tempelberg das Jagdschloss Granitz errichten. Der Aussichtsturm ist 38m hoch. Es reizte uns ganz und gar nicht, da noch hinaufzusteigen. Wir fuhren also hinunter zu dem ca. 3 Kilometer entfernten Ort Granitz, nur über Kopfsteinpflaster, aber durch eine herrliche Baumallee.

Kastanienallee zwischen Schloss und Ort Granitz



Im Ort machten wir in einem gutbürgerlichen Landgasthof Mittag. Eigentlich wollte ich bei diesem Reisebericht nicht so oft schreiben, was wir gegessen haben, aber in diesem speziellen Fall tue ich es doch, weil es so gut war.

Wir bestellten uns eine Jägerpfanne. Sie bestand aus einem Wildschweinrücken-Steak mit Mischpilzen, Erbsen und Möhren und Bratkartoffeln. Serviert wurde das Ganze in der Pfanne. Es hat einfach vorzüglich geschmeckt. (Preis 17.50 DM).

So gestärkt fuhren wir weiter, Richtung Putbus, das ca.10 Km entfernt war, durch die Deutsche Alleenstraße - fast nur über Kopfsteinpflaster. Es rumpelte ganz schön. Aber ich hoffe trotzdem, dass diese wunderschönen Alleen bestehen bleiben und die herrlichen alten, in diesem Fall Kastanienbäume, nicht zu Gunsten einer breiten Autostraße weichen müssen.
Der erste Eindruck von Putbus sagte uns nichts. Wir fuhren deshalb weiter und landeten in Wreechen, 2 Km von Putbus entfernt in einem neu eröffneten Ferienhotel, das nicht aus einem großen Gebäude bestand, sondern aus zahlreichen kleinen Reed gedeckten Häusern mit Suiten und Doppelzimmern.

Hier quartierten wir uns ein



Wir nahmen ein Doppelzimmer zu 180 DM mit TV, Telefon, Minibar, Fußbodenbeheizung und einem tollen Bad mit WC und Dusche.

Nach dem gestrigen Zimmer mussten wir uns heute
einfach verwöhnen. Wir duschten erst einmal, und herrlich erfrischt gingen wir zum Restaurant hinüber und tranken einen guten Kaffee.

Die Hotelanlage liegt in einer entzückenden Landschaft.
Von unserem Fenster aus blicken wir auf den Wreecher See, ringsherum einzelne kleine Wiesenhügel durch kleine Wäldchen unterbrochen mit zahlreichen Wanderwegen.

Zu Fuß gingen wir die zwei Kilometer durch die bunten Kastanienalleen zurück nach Putbus und stellten fest, dass Putbus nicht zu Unrecht mit seinen strahlend weißen Häusern (bis auf die paar renovierbedürftigen) als schönste Stadt von Rügen bezeichnet wird.

Wir bewunderten den riesengroßen Park mit den uralten Bäumen, der mich ein bisschen an den Hyde Park erinnerte. Fürst Malte von Putbus ließ 1810 den Ort zur Residenz ausbauen. Mittelpunkt ist der runde "Circus" und der rechteckige Markt, alles im englischen Stil.

Als wir genug gesehen hatten, kehrten wir in eine gut geführten Pizzeria ein, aßen jeder eine Pizza und ich trank einen Schoppen Chianti. Dann gingen wir die zwei Kilometer zurück zu unserem Häuschen. Es war inzwischen dunkel geworden und in der Allee gibt es keine Laternen. Immer wenn uns ein Auto entgegenkam, zogen wir uns an den Straßenrand zurück, um nicht überfahren zu werden.

Jetzt sitzen wir in unserem gemütlichen Zimmer. Draußen rauscht der Wind. Werner hat die Beine hochgelegtund ich werde jetzt auch noch ein wenig in die Flimmerkiste schauen.

18.9.93 Von Putbus nach Greifswald (76km)



Beim Frühstücksbuffet heute morgen merkten wir, dass das Hotel gerade erst eröffnet hat, es wies noch einige Mängel auf. Aber für uns war das Angebotene trotzdem ausreichend.

Die ersten Kilometer, Richtung zunächst Stralsund, um von da aus weiter nach Greifswald zu fahren, mieden wir die Hauptstraße. Wir zogen es vor, einen kleinen Umweg zu machen und fuhren durch einige hübsche kleine Dörfer. Dabei stellten wir fest, dass die Landschaft um Putbus herum, wunderschön und sehr abwechslungsreich ist. Vor uns lag der Wreecher See mit einigen kleinen Fischerbooten davor, das Hinterland mit viel Ackerbau, Wiesen, kleinen Hügeln und netten Waldstücken.

Wir mussten dann aber doch zur Hauptstraße, weil die Wege immer schlechter und schließlich unbefahrbar wurden.

Um 10.15 Uhr waren wir in Garz. Bis Stralsund waren es noch 22 Kilometer. Ich fragte bei der Poststelle, wie lange die Postämter geöffnet hätten und man sagte mir bis 12.00 Uhr. Wir haben heute Sonnabend. Wir traten ganz schön in die Pedalen und schafften es um 11.45 Uhr in Stralsund am Postamt zu sein. Ich nahm meinen Koffer mit der Schmutzwäsche und sonstigen Sachen, die zurückgeschickt werden sollten und ging zum Postschalter, wo ich das Paket von Hamm in Empfang nehmen konnte. Ich packte schnell alles um. Was ich mitnehmen wollte in meinen Koffer, alles andere ins Paket. Zwei Minuten vor Zwölf war das Paket wieder verschnürt und ich konnte es abschicken.

Erleichtert verließ ich das Postamt. Nun gingen wir erst einmal zum Hotel Nordwind, in dem wir vor einer Woche übernachtet hatten und bestellten uns dort im Restaurant etwas zu essen.

Als wir weiterfuhren, Richtung Greifswald, stellten wir erfreut fest, dass so gut wie keine Wolke am Himmel war, fast strahlend blauer Himmel.

Wir mussten zunächst Richtung Rügendamm und kurz davor rechts ab Richtung Greifswald. Dabei sahen wir eine Riesenautoschlange vor dem Rügendamm. Zwei- oder dreimal am Tag wird die Brücke hoch gezogen, und das war wahrscheinlich jetzt der Fall. Kurz hinter Stralsund fuhren wir die alte Hauptstraße entlang. Man hat hier eine gute Lösung gefunden, um die alten Baumalleen zu erhalten. Man hat ganz einfach nebenan eine neue Autostraße gebaut. Wir fuhren also über Kopfsteinpflaster auf der alten Autostraße fast 30 Kilometer bis Greifswald. Unterwegs zogen wir uns um, weil es uns zu warm wurde.

Irgendwann bogen wir mal von der Hauptstraße ab, Richtung Ostsee, weil es dort laut Karte einen Weg entlang der Küste geben sollte. Aber das war wohl nichts. Der Weg endete im Schlamm und wir mussten wieder zurück. Der Umweg hat uns eine Stunde Zeit gekostet. Ringsum sahen wir Felder, soweit das Auge reichte. Ich verstand nun, was mit der unendlichen Weite von Ostpreußen und Pommern gemeint ist.
In Reinberg stärkten wir uns noch mit einer Tasse Kaffee.
Von da aus waren es noch 16 km, und weiter ging es über Kopfsteinpflaster.

Endlich sahen wir Greifswald vor uns liegen.



Wir sahen auch ein Hinweisschild "500 m bis zum Stettiner Hof". Aber uns war das noch zu weit entfernt von Greifswald.

Und dann kam die große Enttäuschung. Greifswald schien wie ausgestorben zu sein. Eine tote Stadt. Das einzige Hotel, das wir fanden, war ausgebucht. Der Kellner erklärte mir noch den Weg zu einem anderen Hotel, aber ich habe es wohl falsch verstanden oder nicht richtig behalten. Jedenfalls fanden wir es nicht. Wir sind dann zurückgefahren zu dem Stettiner Hof, den wir vorher verschmäht hatten.

Unsere teuerste Übernachtung



Die einzige Übernachtungsmöglichkeit hier war eine Suite für 270 DM. Und das war noch ein Wochenend-Sonderpreis, sonst kostet sie 400 DM. Inzwischen war es schon 18.30 Uhr und fast dunkel. Wir hatten Angst, nichts anderes mehr zu finden und schlugen zu.

Aber diese Suite ist wirklich ein echter Hammer. Mit einem Himmelbett und einem riesigen Badezimmer mit einer nierenförmigen Badewanne. Von unserem Zimmer führt noch eine Treppe nach oben zu einem weiteren Zimmer, ebenfalls mit einem Doppelbett ausgestattet. Couch, zwei Sessel, Couchtisch, Schreibtisch, TV und Minibar ist selbstverständlich. Aber der Clou ist das Himmelbett.

Im sehr gemütlichen und gepflegten Restaurant haben wir zu Abend gegessen und Werner beim Bier und ich beim Wein Bilanz gezogen über unsere Erlebnisse und Erfahrungen während unserer Fahrradtour. Jetzt bin ich richtig müde und gespannt, wie ich in dem Himmelbett schlafen werde.

19.9.93 von Greifswald nach Zinnowitz



Strahlend blauer Himmel erwartete uns heute Morgen und ein Frühstücksbuffet, das für solch ein Hotel enttäuschend war.

So gut wie das Wetter war, so gut war auch unsere Laune. Wir fuhren zunächst nach Greifswald hinein, um ein paar Aufnahmen zu machen. Das Wetter stimmte Werner ein wenig gnädiger in seinem Urteil über Greifswald als gestern Abend. Aber für ihn blieb es trotzdem eine tote Stadt. Für mich war es mehr eine verträumte Kleinstadt, in der die Zeit stehen geblieben ist. Beide fanden wir aber den Nicolai-Dom imponierend.

Markt in Greifswald mit Nicolai Dom



Wir fuhren weiter zu dem Jachthafen nach Wiek mit der alten hölzernen Klappbrücke von 1887, über die man in den Ort mit seinen strohgedeckten Kapitäns- und Fischerhäusern gelangt.

Ich muss noch etwas von Greifswald nachholen für die Leute, die sich für Kunst und Literatur interessieren.
In Greifswald steht nämlich das Geburtshaus des Malers Caspar David Friedrich, und der Schriftsteller Hans Fallada ist ebenso ein Sohn dieser Stadt.

Zugbrücke in Wiek



In Wiek setzten wir uns für ein paar Minuten in die Sonne auf eine Bank und ließen den Hafeneindruck auf uns einwirken. Dann ging es weiter in Richtung Wolgast. Wir nahmen den kürzesten Weg dorthin. Das bedeutete, dass wir dem vielen Autoverkehr, der nach Lublin führte, auswichen und eine verhältnismäßig ruhige Straße befuhren, die uns wieder einmal die Weite von Mecklenburg-Vorpommern vor Augen führte. Rechts und links riesige Felder.

Ich stellte mir die Gutsherren in der Feudalherrschaft
vor, die hoch zu Ross, die Tagelöhner bei ihrer Arbeit kontrollierten. Anschließend, als die Nazis die Macht übernahmen, waren es sicherlich die vielen Erntehelfer aus dem Westen, die hier ihren Arbeitsdienst leisteten, und nach dem Krieg, nach der Enteignung der Bauern, kam die LPG. Die Zeit schien hier stehen geblieben zu sein. In Katzow, in einem kleinen Bauerngasthof, aßen wir zu Mittag. Es war gerade zwölf Uhr, als wir das Dorf erreichten, und die Glocke der kleinen Dorfkirche zu läuten begann. Die Glocke hatte so einen warmen Klang, dass uns ganz warm ums Herz wurde. Selbst Werner konnte sich der Faszination nicht ganz entziehen.

Wir waren die einzigen Gäste in dem Gasthaus und unterhielten uns mit dem Wirt, der mit der Zeit nach der Wende so seine Schwierigkeiten hatte. Er konnte z.B. nicht verstehen, dass jemand ein Hotelzimmer für 160 DM bucht, wenn er z. B. bei ihm für 50 DM ein Zimmer bekommen könnte. Dass manche eben den Wunsch nach ein wenig Luxus im Urlaub haben, war für ihn unverständlich.

Gesättigt nahmen wir die letzten Kilometer bis Wolgast in Angriff. Wolgast hat im Krieg viel abbekommen und die Restaurierung geht nur langsam voran. Wolgast ist durch eine Straßenbrücke mit Usedom verbunden und gilt als das wichtigste Tor zur Insel und ist auch deren Kreisstadt. Wir besichtigten den Kern am Rathaus und fuhren weiter über die Brücke der Freundschaft auf die Halbinsel Usedom.

Wolgaster Rathaus



Gleich am Anfang fanden wir einen Radwanderweg in einem hervorragenden Zustand, der uns fern vom Autoverkehr nach Zinnowitz führte. Gleich das zweite Hotel an der Promenade das Hotel "Vieneta" gefiel uns sehr und ich fragte nach einer Übernachtung, und es klappte.

Wir bekamen ein schönes Doppelzimmer mit Blick auf die Ostsee mit WC/DU, TV, Telefon, Minibar für 100 DM. Originell ist die Lösung im Bad. Da das Bad ein bisschen klein ist, hat man dort ein schwenkbares Waschbecken angebracht. So etwas habe ich zum ersten Mal gesehen. Wenn man zur Toilette muss, dreht man das Waschbecken zur Dusche herüber, will man sich anschließend die Hände waschen wird es zurückgeholt und es hängt über dem WC.

Nachdem wir in dem gemütlichen Restaurant Kaffee getrunken hatten und uns auch noch einen Eisbecher gegönnt hatten, schlenderten wir die Promenade entlang bis zu der noch nicht ganz fertig gestellten Seebrücke. Unterwegs lauschten wir im Pavillon noch einer Band und bewunderten die hübschen Hotels, von denen zumindest die Vorderfronten schon restauriert waren.

An der Promenade in Zinnowitz



Dann gingen wir weiter in den Ort hinein und waren überrascht, wie groß er ist. Auch hier sind sehr viele Hotels und Pensionen. Bevor wir uns entschlossen, den Rest des Abends in unserem Hotel zu verbringen, kehrten wir noch einmal zum Strand zurück und liefen noch eine Weile durch den feinen weißen Sand. Als wir genug hatten, kehrten wir um und beendeten in unserem Hotelrestaurant den Abend. Werner sitzt im Bett, hat die Flimmerkiste an, die Fernbedienung in der Hand und schläft. Ich werde jetzt auch ins Bett gehen und in die Glotze schauen, bis mir die Augen zufallen. Es war wieder ein wunderschöner Tag. Endlich haben wir die Ostsee einmal bei richtig schönem Wetter gesehen. Der hellblaue Himmel, der sich im Wasser spiegelte, tauchte die See in ein Tintenblau.

Es war einfach schön.

Strand von Zinnowitz



20.9. 93 Von Zinnowitz nach Ahlbeck (26 km)



Strahlender Sonnenschein und ein tolles Frühstücksbuffet sorgten heute Morgen für gute Laune. Das Hotel haben wir uns für nächstes Jahr vorgemerkt, wenn wir es uns nicht noch einmal anders überlegen, werden wir im kommenden Frühjahr unseren Urlaub hier verbringen.

Ausgeruht und gut gelaunt machten wir uns auf den Weg nach Ahlbeck. Bis Ahlbeck war auf der Karte ein Fahrradweg eingezeichnet, der sehr reizvoll und abwechslungsreich war, aber teilweise auch sehr schwierig zu fahren. Am Anfang ging es parallel zum Strand auf einen gepflasterten Fahrradweg, dann bog der Weg in einen hügeligen Wald ein. Wir dachten schon wir wären in Neutras hinterm Haus, so hügelig war es. Wir mussten ein paar Mal das Fahrrad schieben, weil es steil über Baumwurzeln berghoch ging. Dann fuhren wir über einen schön angelegten Fahrraddamm direkt neben der Hauptstraße. Zwischendurch ging es immer wieder fast bis zum Strand oder durch hügeligen Wald. Mal schoben wir, weil es zu bergig war, ein anderes Mal, weil es zu sandig war.
Ungefähr nach 20 km erreichten wir Bansin. Die Orte Heringsdorf und Ahlbeck schließen sich übergangslos an. In Ahlbeck bekamen wir ein schönes Hotelzimmer im Ostsee Hotel für 160 DM mit Bad/WC, DU. TV.

Das Hotel liegt genau wie in Zinnowitz direkt am Strand. Unser Mittagessen nahmen wir in der Gaststätte auf der Ahlbecker Seebrücke ein.


Die Seebrücke



Diese Seebrücke war vor dem Krieg und ist auch heute noch der Mittelpunkt des Ahlbecker Badelebens. Die Gaststätte darauf steht -als einzige an der Ostseeküste- bis heute, und ist noch immer Anziehungspunkt für Vergnügungssuchende.
Ahlbeck selbst ist ein bevorzugtes Seebad an der Ostsee der Berliner Bevölkerung und hat den Ruf die "Badewanne der Hauptstadt" zu sein

Am Ahlbecker Strand



Nachdem wir uns also in diesem berühmten Gasthaus gestärkt hatten, holten wir noch einmal unsere Fahrräder aus dem Schuppen, in dem sie untergebracht waren und radelten die paar Kilometer bis zur polnischen Grenze, um uns auf der polnischen Seite die ehemals deutsche Stadt Swinemünde anzusehen.

Vor und hinter der Grenze ein unbeschreiblicher
Rummel, besonders auf der anderen Seite. Eine Verkaufsbude neben der anderen, bestimmt vier Kilometer lang.
Ich hatte nach zehn Minuten schon genug von dem Rummel.

Und dann gab es zwischen Werner und mir eine kleine Unstimmigkeit wegen meiner Wetterjacke, die ich anhatte.

Aber der Reihe nach. Ich habe also eine Wetterjacke bei Addidas eingekauft, Weil unsere Sportler bei der letzten Olympiade die Jacken getragen haben, sind diese mit einem Bundesadler versehen.

Die Jacke



Ich trug also solch eine, mit unserem Bundesadler verzierte Jacke in Swinemünde. Werner entdeckte an einer Hauswand geschmiert die Aufforderung "Deutsche raus". Er gab mir zu bedenken, ob das wohl zweckmäßig sei, dass ich unseren Bundesadler so präsentiere.

Ich bin absolut nicht national eingestellt. Aber ich wollte nicht einsehen, dass ich nicht zeigen durfte, dass ich aus Deutschland komme. Beschränkt, wie ich manchmal bin, dachte ich überhaupt nicht daran, dass Swinemünde ja früher einmal deutsch war, und die Polen Angst haben, es könnte wieder an Deutschland fallen und deshalb so aggressiv auf alles "Deutsche" reagieren, ausgenommen die Händler, die von den Deutschen leben.

Unser Swinemündetrip endete also mit einem kleinen Missklang. Bei mir fiel erst Stunden später der Groschen, weshalb Werner auf mich sauer war.

Wir kehrten also nach Ahlbeck zurück, setzten uns draußen vor einen Selbstbedienungsladen und tranken Kaffee und machten noch einen Bummel durch den Ort.

Das Abendessen nahmen wir in unserem ausgesprochen feudalen Hotelrestaurant zu humanen Preisen ein. Den Abend beschlossen wir an der schicken Hotelbar und unterhielten uns dort mit einem Ehepaar, das in Ahlbeck Urlaub macht und aus Bonn kommt, aber früher in Lüneburg lebte und dorthin auch wieder zurück möchte. Da wir im letzten Jahr auf unserer Radtour einen Tag in Lüneburg waren, konnten wir verstehen, dass die beiden wieder dorthin zurück möchten. Auch wir haben die Stadt in guter Erinnerung. Unsere Unterhaltung war dementsprechend sehr angeregt.

Morgen wollen wir bis zur Stadt Usedom fahren und uns erkundigen, wie wir mit dem Zug zurückfahren können.

21.9.93 Von Ahlbeck nach Anklam (42 km)



Wir sitzen im Zug, Richtung Berlin. Es ist 18.00 Uhr. In Berlin haben wir zwei Stunden Aufenthalt, dann geht es weiter bis Hamm. Laut Fahrplan müssten wir um 5.00 Uhr morgen früh ankommen.

Es verlief heute alles anders, als wir geplant hatten. Geplant hatten wir, in Usedom auf Usedom zu übernachten und von da aus mit dem Zug nach Hause zu fahren.

Nach einem herrlichen Frühstücksbuffet, bei strahlendem Sonnenschein, fuhren wir von Ahlbeck los.

Werner hatte einen Weg, weg von der Hauptstraße, gefunden, der uns über Waldwege, teilweise Sandwege, Kopfsteinpflaster durch kleine Dörfer nach Usedom führte. Links von uns sahen wir das Kleine Haff, sehr viele Felder ringsumher und Wald. Um 12.00 Uhr waren wir in Usedom und stellten enttäuscht fest, dass Usedom nur eine ganz kleine Stadt ist mit einem winzig kleinen Hafen. Der Gedanke, den ganzen Tag in dieser trostlosen Stadt zu verbringen, gefiel uns nicht. Wir entschlossen uns, nachdem wir in einem Schnellimbiss eine Currywurst mit Fritten zu uns genommen hatten, bis Anklam weiterzufahren und dort zu übernachten.

Bis dahin waren es nur noch ca. 20 Kilometer. Allerdings führte nur eine Hauptverkehrsstraße mit sehr viel Verkehr dahin.

Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt hatte, dass man als Radfahrer fast lebensmüde ist, wenn man auf diesen Straßen fährt. Hinzu kam heute noch, dass es sehr windig war. Jedes Mal, wenn mich ein LKW überholte, war der Sog so stark, dass ich dachte, jetzt reißt es mich vom Fahrrad. Hinter der Brücke, die von der Insel Usedom zum Festland führte, fand Werner, pfiffig, wie er ist, wieder einen Nebenweg, der einigermaßen gut befahrbar war und der durch ein Naturschutzgebiet verlief. Vier große Rehe, oder vielleicht auch Hirschkühe, kreuzten nur wenige Meter vor uns unseren Weg.

Das letzte Stückchen mussten wir dann noch einmal zur Hauptverkehrsstraße zurück. In Anklam angekommen, es war zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, kamen wir an der Stadtinformation vorbei und fragten nach einem Zimmer.
Vergeblich! Uns bediente eine nette Dame, die sich sehr viel Mühe gab. Sie riet uns, uns noch ein wenig in Anklam umzusehen, während sie sich weiter um eine Unterkunft für uns bemühen wollte.

Wir gingen einen Kaffee trinken und entschlossen uns, flexibel wie wir sind, falls die Dame von der Information keinen Erfolg hatte, sofort weiter zum Bahnhof zu fahren, unsere Räder aufzugeben und uns in den Zug zu setzen und nach Hause zu fahren.

Da wir jetzt im Zug sitzen, ist unschwer zu erraten, dass die Zimmersuche erfolglos war.

Es war ein wunderschöner Urlaub. Aber jetzt, da wir im Zug Richtung Heimat sitzen, sind wir eigentlich froh, dass wir in Anklam kein Zimmer mehr bekommen haben. Ich werde jetzt meine Notizen beenden. Vielleicht kommt noch ein Nachwort später hinzu, z.B. wie unsere Zugfahrt verlaufen ist.

In unserem Abteil sitzt ein Herr aus Ostberlin.
Während ich hier schreibe, unterhält sich Werner sehr lebhaft mit ihm über die ehemalige DDR und über die jetzige Zeit. Ich habe von der Unterhaltung bisher noch nichts mitbekommen. Ich glaube, es ist ganz interessant. Ich werde jetzt einmal ein bisschen lauschen.

Nachwort



Wir sind mit dem Zug durch die Mecklenburgische Seenplatte hindurch gefahren und pünktlich im Berliner
Hbf. (Ostteil) angekommen.

Werner überredete mich, mit der S-Bahn zum Alexanderplatz zu fahren, um dort zu essen. Wir hatten
zwei Stunden Aufenthalt. Ich hatte zwar Bedenken, ob wir das schaffen würden, stimmte dann allerdings zu. Und so fuhren wir los, nachdem wir unser Gepäck in vier Schließfächern verstaut hatten.

Wir kannten den Alexanderplatz aus der DDR-Zeit. Wir waren 1980 einmal da. Er war nicht mehr wieder zu erkennen. Es war ein schwüler Spätsommerabend, ringsumher erleuchtete kleine Boutiquen und Kneipen mit Straßencafes, Großstadt-Flair, schon jetzt konkurrenzfähig mit dem Kuhdamm.
Das Fischrestaurant, in dem wir damals gegessen hatten, war jetzt die "Nordsee". Wir aßen nebenan im "Blockhaus" einem netten Steakrestaurant.
Rund um uns ein pulsierendes Leben.

Das Gefühl des "Unwohlseins" von 1980 war bei uns einem Gefühl der Freude und des Erstaunens gewichen. Wir bekamen Lust, irgendwann für ein paar Tage Berlin zu besuchen.

Eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges, Richtung Hamm, waren wir wieder am Berliner Hauptbahnhof.

Sechseinhalb Stunden nächtlicher Bahnfahrt lagen vor uns. Wir waren seit 7.00 Uhr auf den Beinen, waren bis Anklam noch 42 Kilometer mit dem Rad gefahren. Gott sei Dank hatten wir ab Magdeburg das Abteil für uns alleine. Ich legte mich lang auf die Bank und habe tatsächlich geschlafen.

Um 6.00 Uhr morgens waren wir zu Hause. Wir duschten und sahen dann nur noch unsere Betten.

Dieser Urlaub übertraf alle Erwartungen. Werner ging soweit zu behaupten, dass er so einen schönen Urlaub noch nie erlebt hätte.

Ich kann nicht sagen, ob es der schönste war, aber bestimmt der erlebnisreichste und beeindruckendste.

Ich bedanke mich aus dieses Mal ganz herzlich bei meinem Mann für die Erstellung des Covers und die eingestellten Fotos.

Impressum

Texte: Doris Frese
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

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