Cover

Mit dem Fahrrad unterwegs



Mit dem Fahrrad unterwegs
Von Hamm zur Ost- und Nordsee


September 1992


Teil I


Es ist Donnerstag, der 3. September 1992. Ich sitze in meinem Zimmer am Schreibtisch und schaue mit sorgenvollem Blick aus dem Fenster; denn was ich da sehe, ist nicht gerade ermutigend für unser Vorhaben.

Es ist grau in grau, und es regnet!

Am Sonntag wollen mein Mann und ich mit den Fahrrädern Richtung Norddeutschland fahren, so weit wir kommen. Zurück wollen wir dann die Bundesbahn in Anspruch nehmen.
Mein Mann hat Urlaub und wir haben 2 1/2 Wochen Zeit.

Werner, mein Mann, hat in mühevoller Kleinarbeit eine schöne Route ausgearbeitet, die uns bis nach Flensburg führen kann, wenn wir nicht vorher aufgeben.

So wie es im Moment draußen aussieht, will bei mir noch keine rechte Freude aufkommen, obwohl sich nun ein Mädchentraum von mir erfüllen soll. Schon mit 15 Jahren hatte ich, angeregt durch zwei Klassenkameradinnen, die mit den Rädern in Holland ihre Ferien verbracht hatten, den Wunsch, quer durch Deutschland zu radeln. Und nun nach 39 Jahren soll dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Hoffentlich wird es kein Albtraum sein.

Na ja, bis Sonntag sind es noch 2 1/2 Tage, da kann sich noch einiges wettermäßig ändern.

Hoffen wir das beste.

Samstag, 5.September 1992

Ich sitze wieder an meinem Schreibtisch und schaue wieder aus dem Fenster. Es regnet zwar im Moment, trotzdem ist meine Stimmung optimistisch und voller Erwartung.

Unsere Packtaschen sind gepackt. Ich habe 13,5 kg Gepäck zu transportieren. Zwei Pakete mit frischer Wäsche sind schon auf dem Wege nach Plön. Dort wollen wir einen Ruhetag einlegen und die Schmutzwäsche wieder postlagernd zurück nach Hamm schicken.

Ich glaube, ich kann vor Aufregung nicht schlafen

Sonntag, 6. September 1992
Von Hamm nach Bad Salzuflen (103km)



Abfahrt vom Parkplatz



Ich habe allen Voraussagen zum Trotz, gut geschlafen.

Wir sind heute, am ersten Tag bis Bad Salzuflen gekommen. Das Wetter war gerade richtig zum Fahrradfahren. Ab mittag konnten wir sogar unsere Jacken ausziehen.

Vier Kilometer vor Marienfeld haben wir in einem Gasthaus zu Mittag gegessen, das einem ehemaligen Jockey gehört, der 1978 das deutsche Derby gewonnen hatte. An den Wänden hingen überall Bilder mit Widmungen von etlichen Fersehstars, u. a. Wolfgang Spier, Ilse Werner und Thekla Carola Wied. Es war richtig urig dort.

Da wir schon um 14.00 Uhr in Bielefeld waren, fanden wir es noch zu früh, uns um ein Quartier zu bemühen. Außerdem hatte ich keine Lust, morgen früh während der rush hour durch die ganze Stadt zu düsen.

Wir waren im Westen angekommen und mussten in nordöstlicher Richtung weiter. Wir setzten unsere Fahrt deshalb bis Bad Salzuflen fort.

Wir haben ein schönes Zimmer, direkt am Kurpark, mit DU/WC, Telefon und sogar Kabelfernsehen, Preis 114 DM.

Unsere erste Pension in Bad Salzuflen



Ich habe übrigens freiwillig die Aufgabe übernommen, jeden Tag wegen einer Übernachtung zu fragen. Ich glaube, das ist etwas, was mein Mann nicht gerne macht.

Den ersten Tag kann man durchaus als gelungen bezeichnen. Ich bin schon gespannt, was uns morgen erwartet.

Abgefahren sind wir heute morgen um 9.10 Uhr und waren um ca. 16.00 Uhr in Bad Salzuflen.

Nachdem wir bei Sonnenschein im Biergarten sitzend Kaffee getrunken und dabei ein riesiges Stück Himbeertorte verzehrt hatten, gingen wir zum gegenüber liegenden Kurpark und sahen uns dort die Pärchen an und rätselten, welches wohl ein echtes und welches ein Kurschattenpärchen war.

Eigentlich ist es schade, dass wir nur den Kurpark von Bad Salzuflen sahen. Dabei ist die freundliche, sympathische Stadt, inmitten von weiten Wiesen und Wäldern gelegen, eine Stadt der Geschichte und der Kultur. Die erste Urkunde stammt aus dem Jahre 1048 über den "Ort des Salzes am Walde". Durch die Entdeckung der Salzquellen schnell zu Reichtum gelangt, erhielt Bad Salzuflen 1488 die Stadtrechte vom Edlenherrn zu Lippe verliehen. Die erste "Badesaison" begann im Jahre 1818. Heute ist es ein großzügiges , fortschrittliches Heilbad mit einem breiten Indikationsbereich.

Zum Schluss landeten wir in einem gemütlichen Bierkeller, wo wir noch eine Kleinigkeit aßen.

Jetzt ist es 21.30 Uhr. Mein Mann schaut noch Fernsehen, und ich werde jetzt müde.

Montag 7. September 1992
Von Bad Salzuflen nach Steinhude(94km)




Ich habe gut geschlafen.
Während ich duschte hat mein Mann den Wetterbericht gehört. Derselbe riet uns, unsere Regenkleidung griffbereit zu halten. Aber noch machen wir uns keine Sorgen ums Wetter. Zunächst freuen wir uns auf das Frühstücksbuffet.

Wir sind exakt um die gleiche Zeit losgefahren wie gestern, 9.10 Uhr. Aber das war nur ein Zufall. Gleich von unserer Unterkunft aus, übrigens ein Cafe, in dem am Wochenende eine Kapelle den Kurgästen zum Tanz aufspielte, ging es bergan, und das nicht all zu knapp.
Wir fuhren nun weiter ständig bergauf in Richtung Vlotho.

Weserbrücke in Vlotho



Doch dann wurden wir dafür mit einer wunderschönen Wegstrecke belohnt, immer an der Weser entlang, an der Porta Westfalica vorbei bis nach Minden.

Porta Westfalica



Das Wetter war freundlich mit teilweise blauem Himmel. Unsere Jacken hatten wir inzwischen längst ausgezogen.
Von Minden ging es weiter nach Dankersen. Wegen einer Umleitung hatten wir hier einige Schwierigkeiten, wieder aus dem Ort herauszufinden. Nachdem Werner einen Busfahrer befragt hatte, ging es weiter in Richtung Schaumburger Wald.

Eigentlich wollten wir schon in Minden irgendwo einkehren und etwas essen. Aber es ergab sich keine Gelegenheit. Deshalb setzten wir uns im Schaumburger Wald auf einen Baumstamm und verzehrten unsere vom Frühstück mitgenommenen Brötchen und tauschten unsere langen Trainingshosen gegen kurze Hosen. Inzwischen war es nämlich ganz schön warm geworden.

Dann ging es ungefähr 30 km durch den Schaumburger Wald. Ein schnurgerader Waldweg, der mir nach fünf km schon zu langweilig und eintönig war. Ich war froh, als er endlich zu ende war. Zu allem Überfluss ging es dann auch noch bis Wölpinghausen bergauf.

In Bad Rehberg haben wir dann um 15.30 Uhr Kaffee getrunken. Dabei überlegten wir uns, ob wir nicht wegen einer Übernachtung fragen sollten, haben uns dann aber entschlossen, bis Winzlar weiter zu fahren.

Dabei blieb es dann aber nicht. Durch widrige Umstände fanden wir da kein Quartier und wollten eigentlich weiter bis nach Mardorf am Nordufer des Steinhuder Meeres. Ein Bauer, den mein Mann nach dem Weg fragte, wir wollten von der verkehrsreichen Straße herunter, erklärte den Wirtschaftsweg dorthin nicht richtig, oder wir waren zu dämlich, ihn zu verstehen, und wir landeten in Steinhude, am Südufer des Steinhuder Meeres. Die letzten 15 km fuhren wir bei strömenden Regen.

Wir fanden sofort ein Quartier. Die heiße Dusche tat gut!

Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen, und wir marschierten erst einmal Richtung Meer und Hafen los und waren begeistert von dem kleinen Fischerstädtchen. Überall waren Werbeplakate mit dem gleichen Text angeschlagen. "Heute frisch geräucherter Aal".

Am Steinhuder Meer



Wir hatten Hunger und verspürten großen Appetit auf geräucherten Aal, fanden ein gemütliches Restaurant und genossen die Delikatesse einschließlich einem Verdauungskorn. Zum Abschluss tranken wir in der Gaststube hier im Hause noch ein Pils.

Mein Mann schläft schon und ich werde es jetzt auch versuchen.

Fazit nach den ersten beiden Tagen. Wir sind begeistert. Wir haben in den zwei Tagen schon so viel gesehen, als wären wir bereits 14 Tage unterwegs. Ich bin schon wieder gespannt auf den morgigen Tag.

Das Steinhuder Meer ist übrigens der gößte Binnensee Deutschlands, 32 qkm, bekannt für seine Räucheraale. Der See ist nur 3 m tief.

Der Preis für unser Zimmter beträgt 85 DM.

Dienstag 8. September 1992
Von Steinhude nach Fallingbostel



Wetter bewölkt, wieder etwas kühler.

Wir sind heute morgen zuerst zum Hafen geradelt und haben einen Aal für unterwegs gekauft.

Dann fuhren wir in Richtung Neustadt am Rübenberge, eine ebene Strecke. Hinter Neustadt ging es dann zwar nicht steil hoch, aber doch langsam und stetig aufwärts. Es waren schnurgerade Straßen, keine Kurven. Die letzten 13 km von Ostenholz nach Fallingbostel ging es am Truppenübungsplatz vorbei, fast nur Kopfsteinpflaster , .... zig Panzer überholten uns mit ohrenbetäubendem Lärm. Wir mussten jedesmal die Räder am Straßenrand abstellen und uns die Ohren zuhalten.

Um 15.30 Uhr sind wir in Fallingbostel angekommen und fanden eine Unterkunft in der "Heidekate". Ein Doppelzimmer ohne Dusche und WC, dafür aber mit Radiowecker, Zimmerpreis 80 DM.

Die "Heidekate" in Fallingbostel



Im Ort sahen wir überall Hinweisschilder, die zum Hermann Löns Grab führten. Wir hatten aber heute keine Lust, dort hinzugehen nahmen uns aber vor, morgen früh vor dem Weiterfahren dort einmal vorbei zu schauen.

Ansonsten bietet der Ort nichts Besonderes. Zu Abend haben wir in der Heidekate gegessen, es gab Sauerfleisch mit Bratkartoffeln. Es ist eine gemütliche Kneipe.

Morgen geht es weiter nach Undeloh.

Mittwoch 9. September 1992
Von Fallingbostel nach Undeloh (54,5 km)




Dank des Radioweckers konnten wir den Wetterbericht hören. Wolkig, aber trocken, 17 bis 20 Grad lautete die Vorhersage. Mal sehen, ob es stimmt.

Wir haben gut geschlafen und werden jetzt erst einmal frühstücken.

Das Frühstück war reichhaltig, aber es gab keine Brötchen. Wir beschlossen, dieses Mal unterwegs einzukehren, um zu essen.

Gegen 9,00 Uhr fuhren wir bei Sonnenschein los, Richtung Soltau. Irgendwie befand ich mich bis jetzt wohl in einem Irrtum. Ich wusste nämlich bis heute nicht, dass die Lüneburger Heide zu den Mittelgebirgen gehört. Es ging nämlich schon wieder bergauf. Dieses Mal war es ganz schön steil. Es wurde zur regelrechten Berg- und Talfahrt, rauf, runter, rauf, runter.

Um 10.30 Uhr erreichten wir Soltau. Soltau das Herz der Heide. Hier gab es auch eine Altstadt, die ich in Fallingbostel vermisst hatte. Heute war Markttag. Ich kaufte für uns zwei Birnen für unterwegs und machte zwei Fotos.

Auf dem Markt in Soltau



Nun fuhren wir weiter Richtung Bispingen. Ich war froh, als wir das verkehrsreiche Soltau verlassen konnten.

Endlich, heute am Mittwoch um 11,00 Uhr entdeckten wir die erste richtige Heidefläche, wie man sie von Bildern her kennt. Wir machten eine Pause, setzten uns auf eine Bank, aßen unsere Birnen und nahmen die schöne Landschaft in uns auf und genossen den Sonnenschein.

Mir war richtig andächtig zumute, wie in einer Kirche.

Erste Begegnung mit der Heide



In Bispingen haben wir dann vorzüglich zu Mittag gegessen. Heidschnuckenbraten mit Champignons, Preißelbeeren und Kroketten.

Eine nette Begegnung hatten wir, als wir in den Ort hineinfuhren. Ein Einheimischer grüßte mit "moin,moin". Werner antwortete mit "guten Tag". Als ich hinterherkam, grüßte ich wohlweislich mit "moin,moin", und der Mann aus Bispingen grüßte mit "guten Tag" zurück.

Nach dem Mittagessen ging es weiter Richtung Wilsede, wieder meistens bergauf. Vier Kilometer vor Wilsede ging es von der Straße ab ins Naturschutzgebiet "Lüneburger Heide" zum Wilseder Berg hinauf. (ganz schön steil und sandig). Hier bot sich uns die Heide in all ihrer Schönheit dar. Von Wilsede, einem malerischen kleinen Dorf, ging es nun mitten durch die Heide.

Wir waren überwältigt.

Wilseder Berg in der Lüneburger Heide



Hier darf übrigens kein Auto fahren. Fußkranke können die zahlreichen Planwagen in Anspruch nehmen, die es hier gibt. Von diesem Angebot wurde auch reichlich Gebrauch gemacht. Obwohl wir an einem Wochentag hier durchfuhren, ergoss sich ein Besucherstrom in Richtung Undeloh und zurück, wie eine Prozession.

Planwagen zwischen Wilsede und Undeloh



In Undeloh bekamen wir mit Mühe und Not noch ein Zimmer in der "Waldschenke". Die Heide blüht und es ist Hauptsaison in der Heide. Das Zimmer ist ohne Dusche und WC, kostet dafür aber stolze 100 DM für eine Übernachtung.

Die Dusche befindet sich auf der Etage. Wir haben dieselbe sofort in Anspruch genommen und sind herrlich erfrischt noch einmal zu Fuß durch die Heide. Inzwischen hatte der Besucherstrom nachgelassen und wir genossen die Stille und die Schönheit dieses einmaligen Naturschutzgebietes. Morgen geht es weiter nach Lüneburg. Insgesamt haben wir jetzt 322 km weg.

Da fällt mir ein, jetzt waren wir heute morgen doch nicht mehr zum Hermann Löns Grab. Wir haben beide nicht mehr daran gedacht.

Donnerstag 10 September 1992
Von Undeloh nach Lüneburg (38,2 km)



Geschlafen haben wir, bis auf die Wege, die wir zum WC zurücklegen mussten, ganz gut. Da die Toilette sehr weit von unserem Zimmer entfernt ist, sind Werner und ich heute nacht immer synchron zum WC gegangen.

Bei herrlichem Sonnenschein, kein Wölkchen am Himmel, sind wir losgefahren. Die ersten 3,5 km durch die Heide. Es war wunderschön. Es war niemand unterwegs, nur ein Radlerpaar kam uns entgegen.

Dann ging es auf der Straße weiter, und natürlich wieder Berg- und Talfahrten. Wenn ich noch einmal zur Schule gehen müsste und die deutschen Mittelgebirge aufzuzählen hätte, würde ich als erstes die Lüneburger Heide nennen. Wir waren schon so hoch, dass hier keine normalen Kühe mehr weideten, sondern schottische Hochlandrinder. (Sollte ein Scherz sein) Aber trotzdem war es ein wunderschöner Weg, sehr viel Natur und sehr abwechslungsreich.

Um 12.00 Uhr sind wir in Lüneburg angekommen. Um 13.00 Uhr hatten wir bereits ein Zimmer mit einem kleinen Vorraum, mit einer Couch, einem Tisch, Sessel und Kabelfernsehen, Telefon, Minibar, Dusche und WC, sowie zwei Balkone mit Blick auf den Kurpark. Preis 112 DM. Bekommen haben wir die Anschrift des Hotel über die Touristik-Information.

Nach dem Essen, wir hatten uns eine Fischplatte mit zahlreichen Fischsorten bestellt (vorzüglich), sind wir vier Stunden durch Lüneburg gelaufen.

Hotel am Kurpark in Lüneburg



Lüneburg, die alte Salzstadt an der Ilmenau, vorbei an alten wohlerhaltenen Patrizier-häusern, teilweise stattlichen Fachwerk-häusern. Das Rathaus ist z. B. ein Baukomplex, dessen ältesten Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Der alte Kran wird bereits 1332 erwähnt. Die Lüner Mühle ist ein stattlicher Fachwerkbau von 1756. Die Rathausapotheke von 1598 ist mit ihrem prächtigen Sandsteinportal ein schönes Beispiel für den Typ des Lüneburger Bürgerhauses.

Lüneburg, der Alte Kran



Die Lüner Mühle



Weiter ging es an der Johanniskirche mit ihrem 108 m hohen mächtigen Backsteinturm. Sie ist die älteste erhaltene Kirche Lüneburgs und stammt teilweise aus dem 13. Jahrhundert. In ihrem Innern birgt sie eine Anzahl von prächtigen Grabdenkmälern für das Lüneburger Patriziat. Eine breit hingelagerte gotische Hallenkirche mit fünf Schiffen und der um die Mitte des 16. Jahrhunderts erbauten Orgel.

Es würde zu weit führen, wenn ich alle Sehenswürdigkeiten aufzählen würde. Jedenfalls ist es eine wunderschöne Stadt.

Zum Schluss haben wir in der Kronenbrauerei, in der seit dem Jahre 1485 Bier gebraut wird, gegessen und sind dann zum Hotel zurück
Insgesamt haben wir jetzt 360 km zurückgelegt.

Morgen geht es weiter nach Mölln, der Till Eulenspiegel Stadt. Das Wetter soll sich bis zum Wochenende halten.

Wir sind übrigens heute morgen über Luhmühlen gefahren. Werner erklärte mir, dass der Ort bekannt ist wegen der Fünfkämpfer, die hier trainieren.

Freitag 11. September 1992
Von Lüneburg nach Mölln (77,1 km)



Wir sind wieder bei strahlendem Sonnenschein um 8.45 Uhr abgefahren. Nachdem nach einer dreiviertel Stunde Lüneburg mit all seinem Verkehr hinter uns lag, ging es ungefähr 10 km am Elbeseitenkanal entlang, vorbei am Schiffshebewerk. Eine schöne, reizvolle Strecke. Vor allen Dingen, gezwungenermaßen nicht bergig, da der Kanal ja nicht aufwärts fließen kann.

Nach etwa 2 1/2 Stunden Fahrtzeit erreichten wir Lauenburg an der Elbe, ein idyllisches Städtchen, das wir aber nur vom anderen Ufer aus bewunderten.

Die Elbe, im Hintergrund Lauenburg



Wir überquerten die Brücke und fuhren dann fast bis Mölln ganz nahe am Zonengrenzgebiet der früheren DDR entlang. Die Strecke war landschaftlich sehr abwechslungsreich. Mal fuhren wir zwischen riesigen Feldern, mal durch Wald und Naturschutzgebiet.

Elf Kilometer vor Mölln, in Gudow, stärkten wir uns noch einmal mit einer Tasse Kaffee. Ich äußerte mich dabei lobend über die Strecke, vor allen Dingen hob ich hervor, dass es nicht bergig war. Das hätte ich mal gelassen, denn jetzt ging es noch einmal richtig zur Sache. Die letzten elf km waren ganz schön hügelig.

Um 16.50 Uhr hatten wir in Mölln ein Zimmer im Parkhotel, mit Dusche und WC, TV, Telefon und Lift für 120 DM.

Um 18.00 Uhr waren wir in der Stadt und saßen kurz danach draußen im Restaurant "Seeblick " am Möllner See, rundum zufrieden.

Wir tranken ein Bier und suchten uns schon einmal auf der Speisekarte ein Menü aus, Matjeshering mit Speckstippe und grünen Bohnen. Wir beschlossen allerdings, uns erst einmal die Altstadt anzusehen, und das hat sich wahrhaftig gelohnt.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich erstens nicht wusste, dass Mölln die Eulenspiegelstadt ist und zweitens, dass Till Eulenspiegel auch hier begraben ist. Nun ist wieder eine Bildungslücke geschlossen.

Nach dem Essen schlenderten wir ganz gemütlich zu unserem Hotel. Werner wartet auf eine Sportsendung im Fernsehen. Ich werde jetzt noch ein wenig lesen.

Insgesamt haben wir nun 433,2 km hinter uns gebracht. Morgen haben wir es nicht so weit. Bis nach Lübeck sind es nur ungefähr 40 km.

In der Eulenspiegelstadt Mölln


Samstag 12. September 1992
Von Mölln nach Lübeck (44,3 km)



Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet sind wir um 8.45 Uhr losgeradelt und waren in einer Stunde in der Rudererstadt Ratzeburg, bekannt durch den "Achter".

Ursprünglich wollten wir uns bis mittags hier aufhalten. Da wir die Stadt aber nicht so schön fanden und vor allen Dingen verkehrsbedingt viel zu laut, fuhren wir, nachdem wir noch einen Blick auf den See

Der Ratzeburger See



geworfen hatten, mitten durch die Holsteinische Schweiz in Richtung Lübeck weiter. Der Name drückt es glaube ich aus, wie die Strecke war. Richtig, sie war sehr hügelig und es war ganz schön anstrengend.

In Lübeck angekommen, konnten wir keinen Hinweis entdecken, der uns zur Touristik -Information führte, um da wegen einer Übernachtungsmöglichkeit anzufragen. Wir haben dann aufs Geratewohl im alten Stadtkern, gegenüber der St. Jacobi Kirche (die Kirche der Schiffer, mit der Gedenkstätte für die Opfer des Untergangs der Viermastbank "Pamir" und zwei Häuser neben der "Schiffergesellschaft",1535 als Versammlungshaus der Schiffer erbaut, heute als Restaurant genutzt) im "Lübschen Adler" gewohnt.

An der Rezeption war ein älterer gehbehinderter Herr, der meine Frage, ob ein Doppelzimmer mit Dusche und WC frei wäre, sofort bejahte. Als ich ihn fragte, wo wir denn unsere Fahrräder unterstellen könnten, zeigte er uns ein Clubzimmer, mit dicken Teppichen ausgelegt, welches anscheinend nicht mehr benutzt wird. Wir hatten sowieso den Eindruck, dass wir die einzigen Gäste waren. Aber das Zimmer ist sauber und das ist die Hauptsache.

Wir haben dann nebenan in der "Schiffergesellschaft " zu Mittag gegessen. Das Haus ist mit einzigartigen Kunstschätzen aus der Seefahrt ausgestattet und befindet sich bereits seit 1535 immer im gleichen Familienbesitz.

Wir labten uns an einer prächtigen Ostseescholle.

"Schiffergesellschaft in Lübeck



Dann ging es los. Wir schauten uns Lübeck an. Wir bewunderten das ab 1230 gebaute Rathaus und die schönen alten Kaufmannshäuser in der Mengstraße. Mich interessierte dort vor allen Dingen das Buddenbrockhaus.
In Lübeck findet man überall schöne, geschlossene Straßenfronten mit Backsteingiebeln, sowie Rokoko- und klassizistischen Fassaden. Höhepunkt unserer Besichtigungstour war das Holstentor mit seinen beiden Rundtürmen. Bevor wir uns noch das Puppenmuseum anschauten, stärkten wir uns an der Trave, vor einem der schönen Giebel- häuser gegenüber der sechs Salzspeicher, mit einer guten Tasse Kaffee.

Lübecker Rathaus



Um 18.30 Uhr fing in der St. Marienkirche, bekannt durch die weltbekannten "Lübecker Abendmusiken", ein Orgelkonzert an. Da wir beide noch nie in einem so großen Dom ein Orgelkonzert gehört hatten, beschlossen wir, es uns anzuhören. Es war schon gewaltig, aber nach einer halben Stunde hatten wir genug davon und verließen die Kirche.
Wir schlenderten langsam zum "Kartoffelkeller", einem Restaurant direkt unter dem "Heilig-Geist-Hospital" im Kellergewölbe. Das "Heilig-Geist-Hospital" ist eine der ältesten Sozialeinrichtungen der Welt und wurde 1280 als Zufluchtstätte für Alte und Kranke errichtet.

Im "Kartoffelkeller " gibt es, wie es der Name schon ausdrückt, nur Kartoffelgerichte. Es ist dort urgemütlich. Wir aßen eine Hosteinische Kartoffelsuppe und danach eine Folienkartoffel mit Dillrahm und geräuchertem Lachs.

Zwei Ehepaare aus Franken setzten sich mit an unseren Tisch und es entwickelte sich eine lebhafte Unterahltung. Sie waren mit dem Bus hier, fahren morgen weiter nach Travemünde, dann rüber nach Dänemark bis nach Kopenhagen. Am Mittwoch sind sie in Hamburg und sehen sich "Phantom der Oper " an. Ein anstrengendes Programm, aber unser Programm hat es auch in sich.

Holstentor


Zum Abschluss des Abends nahmen Werner und ich noch einen Drink in der Kellerbar der "Schiffergesellschaft ".
Und jetzt bin ich müde. Werner schläft schon.

Der Zimmerpreis beträgt 105 DM. Heute abend waren alle Zimmer belegt.

Hotel-Bilanz nach sieben Tagen:

Das beste Hotelzimmer, das wir bis jetzt hatten war in Lüneburg,
das teuerste Zimmer in Mölln,
das preiswerteste Zimmer in Fallingbostel,
dreimal Zimmer mit Kabelfernsehen,
zweimal mit Frühstücksbuffet,
und einmal mit Radiowecker.

Sonntag, 13. September 1992
Von Lübeck nach Plön (79,3 km)



Wetter bewölkt. Die Sonne weiß noch nicht so recht, ob sie sich gegen die Wolken durchsetzen kann.

Wider Erwarten gab es ein gutes Frühstück, ein Frühstücksbuffet. Das Hotel war zu seiner Glanzzeit sicherlich einmal ein First-Class-Hotal. Ich nehme an, dass der heutige Besitzer oder Pächter kein Interesse mehr hat, viel zu investieren. Als ich gestern unsere Zimmertür schließen wollte, hatte ich z. B. die Klinke in der Hand. Den Duschknopf konnte man nirgend-wo befestigen, den musste man beim Duschen in der Hand halten.

Um 11.00 Uhr waren wir in Travemünde. Travemünde wird als "schönste Tochter " Lübecks bezeichnet und gehört seit 1329 zur Hansestadt. Es ist eines der ältesten Ostseebäder und wurde 1802 gegründet.

Wir waren sehr beeindruckt, zumal wir zum ersten Mal die Ostsee sahen. Wir setzten uns draußen in ein Strandcafe und beobachteten die großen Containerschiffe, die Lübeck und Travemünde mit Dänemark, Schweden, Finnland, Rußland und Polen verbinden.

Halb schoben wir dann unsere Räder und halb radelten wir am Strand entlang, die Steilküste hoch bis nach Niendorf. Die Sonne hatte inzwischen den Kampf gegen die Wolken gewonnen. Wir suchten uns in Niendorf ein Strandrestaurant, setzten uns wieder nach draußen in die Sonne und bestellten zwei Büsumer Toasts (Krabben mit Rührei). Wir hatten schon eine halbe Stunde gewartet, als die Bedienung an unseren Tisch kam und erklärte,, dass die Krabben aus wären. Wir bestelltn ein anderes Gericht und warteten weitere dreißig Minuten ganz geduldig. Der Urlaub hatte wohl schon angeschlagen.

Dann ging es weiter zum Timmendorfer Strand, auf den ich sehr gespannt war.
Meine Enttäuschung war groß. Es war ein langer Rummelplatz, ein Hotel neben dem anderen und sehr viele Leute und sehr viele Autos. Ich war froh, als wir den Timmendorfer Strand hinter uns hatten.

An der Ostsee zwischen Niendorf und Travemünde



Nun ging es weg vom Meer, ins Landesinnere, in die Holsteinische Schweiz, Richtung Eutin/Plön.

Die Holsteinische Schweiz



Eutin gilt als das Weimar des Nordens. Wir fuhren aber die ca. elf Kilometer weiter bis Plön. Plön mit seinem dreiflügeligen Schloss hoch über dem See erinnert daran, dass die auf mehreren Landzungen gelegene Kreisstadt auch Residenz war, nämlich der Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön, einer Seitenlinie des dänischen Königshauses. Ich war ganz schön geschafft, als wir Plön etwa um 18.00 Uhr erreichten.

Im ersten Hotel, in dem ich nach einem Zimmer fragte, konnten wir nur eins ohne DU/WC haben. Anspruchsvoll wie wir waren, lehnten wir ab. In den nächsten beiden Hotels wurden wir abgewiesen. Begründung: Besetzt. Wir landeten schließlich am anderen Ende von Plön im Hotel"Zum Seeufer", Doppelzimmer ohne DU/WC, Preis 90 DM

Wir waren mürbe und froh, überhaupt ein Zimmer zu haben. Allerdings haben wir wieder ein TV auf dem Zimmer.

Wir machten uns frisch und gingen in den Ort und mussten feststellen, dass in Plön der Hund verfroren ist. Der Ort war wie ausgestorben. Aber gut gegessen haben wir trotzdem. Gebackene Scrimps mit Tzatziki.

Morgen werden wir noch hier in Plön bleiben, weil wir unsere Wäschepakete von der Post holen müssen und die Pakete mit der Schmutzwäsche und den nicht mehr benötigten Fahrradkarten wieder zurückschicken wollen. Wenn wir das alles erledigt haben, lohnt es sich nicht mehr, noch weiterzufahren. Da fällt mir ein, so ganz nebenbei bin ich heute 54 Jahre alt geworden.

Ende des 1. Teils
Der 2. Teil folgt



Impressum

Texte: Doris frese
Cover: SWerner Frese
Tag der Veröffentlichung: 26.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /