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Familienleben


Familienleben
Höhen und Tiefen
(1964 bis Anfang der achtziger Jahre)

Für meine Kinder und Enkelkinder
(Fortsetzung von “Meine Jahre zwischen 1955 - 1964)


Im Mai 1964 kam Steffi, das jüngste unserer drei Kinder zur Welt. Und mit der Anstellung meines Mannes als Elektrosteiger hatten wir die Gelegenheit unser fünfköpfiges Familienleben besser zu gestalten. Im September bekamen wir eine Werkswohnung mit einem großen Garten zugewiesen. Sie war in einer kleinen Siedlung, in der Zechenangestellte mit mehr als zwei Kindern wohnten. Man konnte sagen, dass wir eine glückliche kleine Familie waren. Die Kinder wuchsen heran und bereiteten uns große Freude. Finanziell waren wir auch aus dem Gröbsten heraus, obwohl wir immer noch keine großen Sprünge machen konnten. Wir hatten nun auch einen Telefonanschluss und schafften uns einen Fernseher an.1965 leisteten wir uns mit unserem Sohn Michael den ersten Urlaub und zwar im Schwarzwald. Michael war knapp 4 Jahre alt. Diesen Urlaub mussten wir uns im wahrsten Sinne des Wortes vom Munde absparen. Er wurde uns von der Zeche vorfinanziert und in Raten vom Gehalt abgezogen. Unsere Ulrike, drei Jahre alt, war während dieser Zeit bei der Schwiegermutter und die Jüngste, Steffi 1 Jahr alt, bei ihrer Patentante, einer Cousine meines Mannes. Ich genoss die 14 Tage im Schwarzwald, hatte aber unheimliche Sehnsucht nach meinen zwei zu Hause gelassenen Kindern und schloss sie glücklich in meine Arme, als wir wieder daheim waren.

Ja, man konnte sagen, wir führten ein glückliches und zufriedenes Leben, mein Mann hatte einen sicheren Arbeitsplatz, -- so dachte ich. Bis zu dem Tag als wir erfahren mussten, dass die Zeche meines Mannes zwar nicht direkt dicht machen würde, aber der Zusammenschluss mit einer anderen Zeche geplant war.

Das Bergwerk entstand schon 1851. Und nun sollte die Schachtanlage Bonifacius in Essen-Kray mit der Zeche Holland (Bochum-Wattenscheid) vereinigt werden

Das war 1967. Aus war es mit dem sicheren Arbeitsplatz bis zum Rentenalter.
Nach dem ersten Schock, beschloss mein Mann, sich beruflich zu verändern.
So nahm er am 2. Januar 1968 eine Stelle als Schichtleiter bei dem amerikanischen Chemiewerk Dupont in Hamm - Uentrop an. Ganz aus seinem Beruf heraus, wurde er, dank seiner Ausbildung als graduierter Elektroingenieur, als Schichtleiter in der Produktion eingestellt. Im Februar begann für ihn eine vierwöchige Einarbeitungszeit in Virginia in den Vereinigten Staaten. Während seiner Abwesenheit erledigte ich alle Formalitäten, die für unseren Umzug nach Hamm nötig waren. Um zu den Behörden zu gelangen, musste ich jedes Mal mit meinen drei kleinen Kindern öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen. Zuerst in den Bus rein, umsteigen und mit der Straßenbahn weiter. Das war ein ganz schöner Aufwand.

Da das Werk in Uentrop ganz neu gebaut wurde, und mein Mann einer der ersten Angestellten war, hatte er die große Chance die Erfolgsleiter herauf zu fallen. Schon nach ein paar Monaten, im Herbst 1968 wurde er zum Schichtbetriebsleiter befördert. Das bedeutete für uns mehr Geld. Zu dem Zeitpunkt gingen die Firmen dazu über, die Gehälter und Löhne nicht mehr cash auszuzahlen, sondern auf ein Giro-Konto zu überweisen. Heute eine Selbstverständlichkeit.

Die Zeche Holland wurde übrigens 1974 stillgelegt. Und 1975 wurden die Übertageanlagen des Bergwerkes Bonifacius verkauft. Das ehemalige Kauengebäude (Wasch- und Umkleideraum) wurde umgebaut und als Sportanlage genutzt. 1985 wird Bonifacius als Industriedenkmal unter Denkmalschutz gestellt. So viel noch zu der Zeche Bonifacius.

Im April 1968 bezogen wir eine Wohnung in Hamm. Bis dahin bewohnte mein Mann dort ein möbliertes Zimmer. Jeden Mittwoch und am Wochenende kam er mit unserem ersten Auto, einem VW Käfer nach Essen. Den Führerschein hatte er noch in den letzten Wochen des alten Jahres 1967 gemacht. Seine Fahrprüfung bestand er am 29. Dezember mit 2 Flaschen Schnaps, eine für den Prüfer, der nur seinetwegen gekommen war, und eine für den Fahrlehrer. Der Prüfer hatte nichts zu beanstanden. Nur als mein Mann kurz vor dem Ziel beinahe einen Fußgänger, der die Straße überqueren wollte, angefahren hätte, meinte der Prüfer, als er ihm den Führerschein übergab, er solle doch demnächst mehr auf die Fußgänger acht geben, die wollen auch leben.

Am 22. April 1968 sind wir dann umgezogen. Nicht wissend, was uns die Zukunft in Hamm bringen würde. Abschied von den Verwandten und Freunden. Abschiedsschmerz auch bei den Kindern. Es zerriss mir das Herz, als ich unsere Ulrike im Auto leise vor sich hinweinen hörte. Da nützte auch mein Trost nicht, dass sie in Hamm sicherlich neue Freunde finden würde. Und wie das bei Kindern so ist, sie lebten sich sehr schnell in Hamm ein. Michael wurde im August 1968 eingeschult, und Ulrike besuchte ab sofort den ev. Kindergarten. Nur die Kleinste, Steffi, die im Mai 4 Jahre alte wurde, war noch zu Hause.

Als unser Sohn bei der Schulanmeldung gefragt wurde, was er später einmal machen möchte, hat er wie aus der Pistole geschossen geantwortet “Teppiche“. Der Lehrer schaute etwas verdutzt drein. Ich erklärte ihm, dass mein Mann bei Dupont arbeite und wir unserem Sohn erzählt hatten, dass dort das Garn für Teppichböden hergestellt wird.

1969 konnten wir uns zum ersten Mal mit der ganzen Familie einen Urlaub im Teutoburger Wald, in einer familienfreundlichen Pension in Holzhausen erlauben. Im August 1969 wurde dann auch Ulrike eingeschult und Steffi, die nun den Kindergarten besuchte, konnte es nicht abwarten, bis dass sie endlich 1970 zum ersten Mal erwartungsvoll mit ihrer Schultüte zur Schule ging. Seit ihrer Kindergartenzeit hatte Steffi den Wunsch Erzieherin zu werden und ihn auch später verwirklicht.

Im Gegensatz zu den anfänglichen Leseschwierigkeiten von Michael, hatten die beiden Mädchen von Anfang an keine Schwierigkeiten in der Schule. Für mich waren die Jahre, die nun folgten, mit die schönsten und erfreulichsten, die wir mit unseren Kindern erleben durften.

Ein Ereignis möchte ich besonders hervorheben, und ich werde es auch, solange ich lebe nicht vergessen.

Es war Weihnachten 1971. Steffi war im zweiten Schuljahr und konnte mal so gerade ohne zu stottern lesen, als Ulrike wohl die Idee hatte, mit Michael und Steffi ein Krippenspiel einzuüben. Steffi als Maria, Michael als Josef. Ulrike spielte den Verkündigungsengel und führte Regie. Nach der Bescherung am Heiligen Abend führten sie uns das Eingeübte vor. Mein Mann und ich waren vollkommen ahnungslos und nicht nur überrascht, sondern auch ganz gerührt. Ich habe natürlich vor Rührung richtig geheult, während mein Mann sich verstohlen ein paar Tränen wegwischte.

Und was geschah außerhalb unseres Familienlebens noch so in der Welt?

Nach den sechsten Deutschen Bundestagswahlen im September 1969 bildete die SPD mit der FDP eine Koalition. Willy Brandt (SPD Parteivorsitzender wird Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP Parteilvorsitzender) wird Außenminister. Die sozial-liberale Bundesregierung war maßgeblich an den Verhandlungen über die Ostverträge beteiligt. Willy Brandt erhielt für seine Ostpolitik, die auf Entspannung ausgerichtet war, 1971 den Friedensnobelpreis.
Nach dem Rücktritt von Willy Brandt wurde Helmut Schmidt 1974 der fünfte Kanzler der Bundesrepublik


Am 20. Juli 1969 verfolgten wir am Fernsehen die erste bemannte Mondlandung mit den Astronauten Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Michael Collins. Insgesamt verfolgten weltweit 500 Millionen Menschen die Durchführung des Fluges.

1971 sang Udo Jürgens “Zeig mir den Platz an de Sonne“ für die ARD Fernsehlotterie und “Griechischer Wein“ wurde 1975 Hit des Jahres

Nach den Heimat- Schlager- und Kriegsfilmen im ersten Jahrzehnt der BRD wurden in den 70er Jahren gesellschaftskritische Filme gedreht wie “Angst fressen Seele auf “ (R.W. Fassbinder) oder die “Die verlorene Ehre der Katharina Blum” nach dem Roman von Heinrich Böll.”

Ich war nicht berufstätig , deshalb lag die Erziehung unserer Kinder fast ausschließlich in meinen Händen. Während mein Mann in der Firma einen guten Job hinlegte und jährlich eine gute Performance bestätigt bekam, was jedes Mal eine Gehaltserhöhung bedeutete, hielt ich ihm zu Hause den Rücken frei.

Da ich ja keine abgeschlossene Berufsausbildung hatte, also nicht irgendeinen Traumjob vor meiner Ehe ausgeübt hatte, fiel es mir nicht so schwer, ”nur Hausfrau und Mutter“ zu sein. Im Nachhinein fand ich das sogar gut. Meine Kinder hatten, wenn sie mittags aus der Schule kamen, immer einen Ansprechpartner. Am Mittagstisch ging es bei uns oft hoch her. Entweder mussten die drei ihren Frust über einen Lehrer oder Mitschüler/in loswerden, oder sie freuten sich über gute Zensuren.
Oder sie stritten sich, hauptsächlich die beiden Mädchen, weil wieder die eine oder andere etwas angezogen hatte, was der jeweils anderen gehörte. Vielleicht ein T-Shirt, welches wochenlang von beiden unbeachtet im Schrank lag , oder ein abgelegtes Hemd von meinem Mann Dann kam eine von den beiden auf die Idee, es anzuziehen, und ausgerechnet an diesem Tag wollte die andere es auch anziehen. Ich versuchte dann den Streit zu schlichten, was nicht immer gelang.
Apropos “abgelegtes Hemd “. Das war die Mode der Kids in den siebziger Jahren. Ein Herrenhemd , das mindestens 20 Zentimeter unter einem Bundeswehrparka hervorschaute und nach Möglichkeit zerrissene Jeans und Boots dazu. Den Eltern blieb nichts anderes übrig, als diesen Modetrend zu akzeptieren, wenn sie nicht jeden Tag Stress mit ihren Zöglingen haben wollten und zu warten, dass diese Zeit vorübergeht.

Nach dem vierten Grundschuljahr wechselt unser Michael die Schule und besuchte das Gymnasium. Ulrike wechselte ein Jahr später zur Realschule und Steffi blieb auf der Hauptschule, absolvierte aber dort das zehnte Schuljahr. Zu der Zeit konnte man so auf der Hauptschule auch die Mittlere Reife erlangen. Heute gibt es das , glaube ich nicht mehr.

Während die beiden Töchter weiterhin gute bis befriedigende Leistungen erbrachten, mussten wir unseren Sohn nach zwei Jahren vom Gymnasium herunter nehmen und er wechselte zur Realschule .

Ja, und dann fing die Zeit der Pubertät an. Das , was meine Eltern mit mir oder auch ich mit ihnen durchleben musste, geschah nun bei uns auch. Dabei waren die Mädchen noch am pflegeleichtesten. Unsere Ulrike war schon in frühen Jahren, politisch sehr interessiert und es folgten oft endlose politische Debatten mit ihrem Vater, die manchmal so endeten, dass sie heulend aus dem Zimmer lief, weil mein Mann ihre Argumente widerlegte, oder weil sie das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden. Auch hier versuchte ich immer zu schlichten .

Die Friedensdemonstrationen fingen Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre an , und die Atomkraftgegner hielten ihre Demos ab. Anfang bis Mitte der achtziger Jahre protestierten Hunderttausende gegen den Nato-Doppelbeschluss. Dieser sah die Stationierung der atomar bestückten US-amerikanischen Mittelstreckenraketen Pershing II und cruise missiles in Europa vor, als Antwort auf die Stationierung der neuen sowjetischen SS 20-Raketen. Am 10 Oktober 1981 fand im Bonner Hofgarten eine friedliche Demonstration mit mehr als 250000 Menschen statt. Darunter befand sich auch unsere Tochter Ulrike.. Das Motto lautete “Frieden schaffen ohne Waffen.”
Aus der DDR-Friedensbewegung hielt Anfang der achtziger Jahre der Slogan “Schwerter zu Pflugscharen “ Eingang in die westdeutsche Friedensbewegung.

Auch an mehreren Ostermärschen, die schon Ende der 50ziger Jahre begannen und bis heute andauern, nahmen die Kinder teil Sie entstanden damals als Protestform gegen die Pläne zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr.

Mit unserem Michael hatten wir richtige Probleme. Seine Leistungen in der Schule ließen immer mehr nach. Solange er zum Gymnasium ging hatte er einen netten Freundeskreis. Seitdem er die Realschule besuchte , lernte er neue Freunde kennen, die nicht der beste Umgang für ihn waren. In der Realschule musste er ein Schuljahr wiederholen und war nun zusammen mit seiner jüngeren Schwester Ulrike in einer Klasse. Das muss sehr beschämend für ihn gewesen sein. Er zeigte es nach außen nicht, wurde aber immer verschlossener, und wie ich damals meinte, immer bockiger, und seine Leistungen in der Schule ließen immer noch mehr nach.. Der erste heimliche Alkohol - und Zigarettengenuss reizte und er wurde noch verschlossener und ……fauler. Das war 1975

Ich war verzweifelt. Ich wusste kein Patentrezept, um diese Situation zu ändern. Ich kam einfach nicht an ihn heran.. Die Auseinandersetzungen mit ihm verliefen immer wieder im Sande.. Er hörte einfach nicht zu, schaute an mir vorbei, starrte die Zimmerdecke an, und manchmal fing er zu allem Überfluss auch noch an zu pfeifen. Ich hätte ihn manchmal so durchhauen können.
Dann kam der Tag, als der blaue Brief von der Schule kam, dass er in fünf Fächern “mangelhaft “ stand. Da setzte es bei mir aus. Aber anstatt zu toben, blieb ich dieses Mal ganz ruhig und machte ihm klar, dass es nun für ihn wohl an der Zeit wäre, sich einen Job zu suchen, da er ja die Klasse nicht noch einmal wiederholen könnte und sowieso von der Schule muss und ohne Schulabschluss würde er ja wohl keine Ausbildungsstelle bekommen, wenn überhaupt, dann nur eine Stelle als Hilfsarbeiter.

Damit war das Thema Schule für mich erledigt. Ich ließ es ihn spüren, dass es mir egal ist, was aus ihm wird. Ich hatte resigniert und war grenzenlos enttäuscht.

Ich weiß nicht, was es letztendlich war, das ihn bewogen hatte, sich doch noch einmal auf den Hosenboden zu setzten und sich richtig “lang” zu machen. Jedenfalls schaffte er es nicht nur von den 5 Fünfen herunterzukommen, sondern konnte 4 Fünfen in Zweien umwandeln, nur in Physik musste er sich mit einem “ausreichend“ zufrieden geben.
Hinterher erfuhren wir , dass diese Leistung von ihm das Thema Nummer Eins auf der Zeugniskonferenz war. Zu der Zeit waren mein Mann und ich zusammen mit einem seiner Lehrer in einem Kegelclub. Der erzählte es uns. Als Michael 1979 aus der Realschule entlassen wurde hatte er sogar die Qualifikation fürs Gymnasium.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mit unserer Steffi in der Pubertät Schwierigkeiten hatten. Vielleicht lag es auch daran, dass ihre Schwester, eine Kämpfernatur, die um jede Minute Ausgangszeit kämpfte, für ihre Geschwister sofort mit gekämpft hat. Mit anderen Worten, Steffi brauchte nicht mehr zu kämpfen. Erstens waren wir, bis dass sie so weit war, mürbe geklopft von Ulrike und zweitens blieb Steffi von alleine nicht so lange aus wie ihre Geschwister. Eigentlich war Steffi immer schon sehr pflegeleicht gewesen.

Während der gesamten Schulzeit hatte Steffi nur ein Ziel vor Augen. Sie wollte “Erzieherin“ werden. Ihren ersten Schritt dazu machte sie, indem sie 1980 die Hauptschule nach dem zehnten Schuljahr mit der Qualifikation zur Fachoberschule verlassen konnte. Ihre Freude war riesengroß, als der ev. Kindergarten im Ort sie als Vorpraktikantin für ein Jahr annahm. Der erste Teil ihres Traumes, im gleichen Kindergarten zu arbeiten, den sie als Vierjährige besucht hatte, ging in Erfüllung.

Während ich zu Hause Höhen und Tiefen mit den Kindern durchmachte, bastelte mein Mann in der Firma an seiner Karriere. 1976 hatte er es geschafft, von der Schichtarbeit herunter zu kommen. Er wurde zum Bereichsingenieur - Verfahrenstechnik ernannt. Er hatte nun nur noch Dienst von 8.00 bis 17.00 Uhr, eine 5 Tagewoche und jedes Wochenende frei. Nachdem er acht Jahre lang nur alle vier Wochen ein freies Wochenende hatte.

Am 1. November 1977 wird er zum Leiter der Produktion und am 1. März 1985 zum stellvertretenden Abteilungsleiter befördert.


Die Kinder verliebten sich, trennten sich wieder und verliebten sich aufs Neue. Ich litt jedes Mal mit, wenn wieder Trennungsschmerz anstand. Mehr über das Liebesleben meiner Kinder zu schreiben steht mir nicht zu. Das sind ihre Geschichten und es sollen auch ihre bleiben.


Doch auch Trauer gab es. Meine Eltern waren inzwischen beide pflegebedürftig und ich holte sie im Frühjahr 1977 nach Hamm und brachte sie in einem Pflegeheim unter. Da wir nur eine Etagenwohnung besaßen und alle drei Kinder noch zu Hause wohnten, konnten wir sie nicht bei uns aufnehmen. Meine Mutter starb dann im Oktober 1977. Mein Vater folgte ihr im März 1981 . Er ist mit seiner Silikose 85 Jahre alt geworden. Er erstickte nicht, wie ich es als Kind befürchtet hatte. Sein Herz hatte ganz einfach aufgehört zu schlagen. Ich war bei ihm, als er von uns ging. Im gleichen Jahr ein paar Monate später starb auch mein Schwiegervater, viel zu jung, mit 67 Jahren, infolge eines Herzinfarkts, als er gerade zwei Tage mit der Schwiegermutter im Schwarzwald war, um dort ein paar Urlaubstage zu verbringen. Meine Schwiegermutter musste hilflos mit ansehen, dass die Ärzte ihm nicht mehr helfen konnten. Sie ist nie mehr über diesen Verlust hinweggekommen. Sie waren über 40 Jahre verheiratet. Sie wurde 80 Jahre alt und starb 1998.

Finanziell ging es uns ab Ende der siebziger Jahre gut. Wir konnten nun jedes Jahr, soweit mein Mann in den Ferien Urlaub bekam, diesen mit unseren Kindern, in Österreich oder Italien verbringen. Dann kam die Zeit, dass die Kinder nicht mehr mit wollten und lieber mit ihren Freunden verreisten Anfang der achtziger Jahre gab es für die Jugendlichen die Möglichkeit ein Interrailticket, ich glaube für 400 DM zu erstehen, mit dem sie kreuz und quer mit der Bahn durch Europa fahren konnten. Unser Sohn nutzte diese Gelegenheit mit seiner damaligen Freundin. Sie waren 4 Wochen unterwegs und lernten außer Frankreich noch Italien und Griechenland kennen.

1980 unternahmen mein Mann und ich zum ersten Mal ohne unsere Kinder eine Reise.. Drei Tage Wien, mit Besuch der Wiener Staatsoper (Lohengrin), 4 Tage Budapest und 2 Wochen am Plattensee. Ein Handy hatten wir zu der Zeit noch nicht, ich weiß gar nicht , ob es die da schon gab. Ich rief also jeden zweiten Tag aus der Telefonzelle zu Hause an, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Da die Kinder nicht mehr mit fuhren, konnten wir auch außerhalb der Ferien Urlaub machen.

Unsere Steffi, die zu der Zeit heimlich geraucht hat, empfing uns, als wir nach drei Wochen nach Hause kamen, mit den Worten: “Bin ich froh, dass ihr wieder da seid, selbst das Rauchen hat keinen Spaß gemacht.”

Nach der Schulentlassung 1979 begann unser Michael eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann beim Deutschen Ring, die er im Frühjahr 1981 erfolgreich beendete.

Unsere Ulrike wollte Sozialpädagogik studieren und machte in einem Alten- und Pflegeheim ihr Vorpraktikum.
Nachdem Steffi ihr Vorpraktikum im ev. Kindergarten beendet hatte, besuchte sie zwei Jahre eine Schule für Erzieherinnen und machte anschließend ihr Anerkennungsjahr im Kindergarten im Hammer Westen. 1984 hatte sie ihr Ziel “Kindergärtnerin“ zu werden erreicht.

Ein Lebensabschnitt war beendet, ein neuer begann.

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Tag der Veröffentlichung: 24.07.2009

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