Meine Jahre zwischen 1955 und 1964
Nachdem ich das Ziel der Realschule mit dem Abschlusszeugnis erreicht hatte und am 29. März 1955 entlassen wurde, begann ich eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskauffrau in einem kleinen Betrieb in Essen-Stadtwald. (Im Briefkopf stand “Herstellung und Vertrieb feinmechanischer und metallkünstlerischer Gegenstände)
Ich hatte vergeblich versucht bei einer größeren Firma wie Siemens oder Buderus einen Ausbildungsplatz zu bekommen und war am Ende froh, in einem kleinen Betrieb anfangen zu können. Karstadt bot mir einen Ausbildungsplatz in der Konfektionsabteilung an. Das wollte ich nicht. Ich wollte unbedingt ins Büro.
Die Firma hatte ein Juweliergeschäft in Essen-Rüttenscheid und in ganz Westdeutschland in den großen Kaufhäusern wie Karstadt und Horten jeweils einen Modeschmuckstand und beschäftigte Werbeverkäuferinnen, die auf Honorar Basis arbeiteten
Im ersten Lehrjahr bestand meine Ausbildung darin, im Lager Schmuck auszuzeichnen und die von den Verkäuferinnen angeforderte Ware zusammenzustellen und ganz wichtig, den Ofen anzuheizen, denn eine Heizung gab es nicht. Für die Mittagspause (eine halbe Stunde) haben wir uns von zu Hause einen Henkelmann mitgebracht, den wir auf dem Ofen warm machen konnten.
Im zweiten Lehrjahr durfte ich dann schon die ellenlangen Lieferscheine auf einer alten klapprigen Schreibmaschine in 5facher Ausfertigung tippen. Einen Fehler durfte ich mir dabei nicht erlauben, sonst musste ich noch einmal von vorne anfangen.
Im letzten Ausbildungsjahr war ich dann vorne im Büro und sollte auf Anhieb die Sekretärin ersetzen, die gekündigt hatte . Das bedeutete. für mich Diktate aufnehmen, die Honorarabrechnung für die Werbeverkäuferinnen erledigen und was sonst noch anfiel. Für die Buchhaltung hatten wir eine Buchhalterin, schon fast im Rentenalter. Außer der Buchhalterin habe ich von der Buchhaltung nichts zu sehen bekommen. Die Buchführung wurde einfach von mir ferngehalten. Doch auf meinem Zeugnis stand, als ich dort aufhörte, “Die Ausbildung erfolgte nach dem “Berufsbild des Kaufmanns im Groß- und Außenhandel “ wobei Fräulein L. Gelegenheit hatte, sich in allen Abteilungen (Es gab nur ein Lager und ein Büro)sowohl des Groß- als auch des Einzelhandels entsprechenden Einblick zu verschaffen. “ Eigentlich war das eine bodenlose Frechheit so etwas zu schreiben, bei der Ausbildung die ich in der Firma hatte.
Aber ich war am Ende der Lehrzeit perfekt darin, mit wenig Holz einen Ofen anzuheizen. Ja, super !!
Am Wochenanfang war immer die Hölle los. Dann kamen die Aufträge der Werbeverkäuferinnen herein, und es musste alles am gleichen Tag erledigt werden. Es durfte kein Auftrag bis zum anderen Tag liegen bleiben. Das bedeutete Überstunden, und dass ich abends manchmal erst um 22.00 Uhr zu Hause war. Der Chef war dann so gnädig und hat mich mit seinem Mercedes heim gefahren. Morgens bin ich um 7.00 Uhr aus dem Haus, bin von Essen-Kray mit dem Zug zum Hauptbahnhof Essen gefahren, eilte schnell zur Hauptpost, um die Post abzuholen, und dann ging es weiter mit dem Zug nach Essen-Stadtwald. Jeden zweiten Samstag haben wir bis 13.30 Uhr arbeiten müssen. Also, nur an jedem zweiten Wochenende zwei freie Tage. Wir hatten eine 48 Stundenwoche. Erst 1957 begann die Umstellung von der 48- auf die 45 Stundenwoche. Und erst 1960 wurde die 5 Tage Woche eingeführt. Ab 1962 gab es eine weitere Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 42 ½ Stunden (8 ½ Stunden täglich) Während der Ausbildung habe ich 12 Arbeitstage Urlaub bekommen.
Die Aufträge waren meistens auf offenen Postkarten geschrieben. Nach einer gewissen Zeit hatte ich heraus, wie viel wir davon am gleichen Tag erledigen konnten, war auch in der Lage die Dringlichkeit der einzelnen Aufträge festzustellen. Und da passierte es schon mal, dass ich einige Bestellungen zurückhielt und sie erst am nächsten Tag mit ablieferte. Ich wollte damit erreichen , dass die Arbeit gleichmäßiger verteilt wird.. Dienstags war es dann auch noch einmal heftig, und nach diesen zwei anstrengenden Tagen musste ich mittwochs immer zur Berufsschule.
Lange Rede kurzer Sinn. Ich habe am Ende der Lehrzeit meine Prüfung nicht bestanden. Chef und Chefin waren sehr unangenehme Leute, so nach dem Motto Zucker und Peitsche. Sie waren zwar bereit, mich noch ein halbes Jahr zu behalten, so dass ich die Prüfung hätte wiederholen können. Klar, für 105,-- DM im Monat hätten sie keine Sekretärin bekommen. Und ich war ja nun so schön eingearbeitet. Aber ich hatte die Schnauze gestrichen voll und wollte nur weg.
Zwei Monate später fing ich dann als Bürokraft bei einem Elektro-Kundendienst an. Ich war die einzige Büroangestellte und habe ein Anfangsgehalt von 250 ,-- DM bekommen. Zwei Monteure und der Chef, ein Elektromeister, betreuten die Kunden und reparierten deren Kühlschränke und Waschmaschinen. Es war ein angenehmes arbeiten. Wenn der Chef etwas diktierte, war der Text meistens so verworren, dass ich ihn selbstständig änderte. Als ich lange genug da war, beantwortete ich die Post alleine und legte dem Chef die Briefe nur zur Unterschrift vor. Ich habe zwar wenig verdient, aber die Arbeit hat mir Spaß gemacht.
Aber es gab auch Freizeit für mich während der Ausbildungszeit. Da besuchte ich mit Freundinnen u. a. Kinovorstellungen. Unser Idol war James Dean. Sein früher Tod am 30. September 1955 und seine Rolle in “denn sie wissen nicht was sie tun” machten ihn zu einem Jugendidol. Für seine Rollen in “Giganten “ und “Jenseits von Eden “ erhielt er zwei Oscarnominierungen als Bester Schauspieler. Er verunglückte mit seinem Porsche , er fuhr frontal in einen entgegenkommenden Ford. Im Krankenhaus konnte nur noch sein Tod festgestellt werden..
Die Jugend der Welt trauerte. Und die Wissenschaftler trauerten um Albert Einstein , der im gleichen Jahr starb .Und in Zürich starb der Schriftsteller Thomas Mann
Ein Jahr später war die Geburt der größten Jugendzeitschrift im deutschsprachigen Raum. 1956 erschien die “Bravo “ zum ersten Mal. Das Konterfei von Marilyn Monroe zierte die erste erschienene Bravo-Titelseite. Ich war wohl eine der eifrigsten Bravo-Leserinnen. Anspruchsvolle Lektüre blieb während der Ausbildung auf der Strecke. Ich kann mich erinnern, an “ Vom Winde verweht “ von Margaret Mitchell, an “Krieg und Frieden “ von Tolstoi, und an “Schuld und Sühne “ von Dostojewski.
Im Sommer unternahm ich mit zwei Freundinnen fast an jedem Wochenende eine Fahrradtour zu irgendeiner Jungendherberge. Wir lernten andere junge Leute kennen, mit denen wir in Kontakt blieben und wir verlebten so manches gemeinsame Wochenende in irgend einer Jugendherberge. Bevorzugte Ziele waren die Jugendherberge in Langenberg und in Hagen.
Meine erste Urlaubsreise unternahm ich mit meinen Eltern, die diese auch bezahlten ,mit Touropa 1957 nach Miesbach in Bayern.
Im Frühjahr 1958 lernte ich meinen Mann kennen. Eigentlich wollten wir am Anfang beide keine feste Beziehung. Wir fühlten uns beide noch zu jung dafür. Also der Verstand wehrte sich, aber die Schmetterlinge im Bauch waren stärker. Ich habe mich verliebt, und meinem Mann ging es wohl nicht anders. Und je länger wir uns kannten, desto heftiger reagierten die Schmetterlinge im Bauch.
Als wir beide 1959 volljährig wurden, - zu der Zeit war man erst mit 21 Jahren volljährig - verlobten wir uns. Wir kauften uns Ringe, setzten sie uns noch im Laden auf, gingen nach Hause und erklärten unseren Eltern, dass wir uns verlobt hätten.
Die Verwandtschaft war sauer, dass es keine Feier gab. Ende der 50ziger und Anfang der 60ziger Jahre konnten die jungen Leute, nicht so wie heute einfach eine gemeinsame Wohnung suchen und zusammenziehen . Wenn man sich von den Fesseln des Elternhauses befreien wollte, musste man heiraten. Ein Kind vor der Ehe wäre ein Skandal gewesen. Immer wieder hieß es, “was sollen die Leute denken.” Und vor der Eheschließung ein Kind zu bekommen, war eine Schande.
Also mit anderen Worten, wenn die Regel sich um ein paar Tage verspätete, und man Sex mit dem Freund hatte, stand man tausend Tode aus und betete, dass man nicht schwanger ist. Das konnte eine Beziehung schon sehr belasten. Deshalb beschlossen wir im August 1960 zu heiraten
Mein Mann hatte Elektriker gelernt und fing nach seiner Lehre gegen den Willen seiner Eltern auf dem Pütt als Elektriker unter Tage an. Als wir uns kennen lernten, besuchte er nach der Arbeitszeit die Bergvorschule und dann nach unserer Heirat die Bergschule in Bochum . An drei Tagen in der Woche arbeitete er unter Tage und an den übrigen drei Tagen hatte er Schule. Sein Ziel war, Elektrosteiger zu werden.
Wir hätten am liebsten ohne großen Aufwand geheiratet und es vorgezogen anstatt zu feiern irgendwo eine Flitterwoche zu verbringen. Aber da waren meine Eltern, die meinten “ einzige Tochter und keine Hochzeit in “ Weiß“? - Da ist wieder dieser Satz - was sollen denn die Leute denken?” Also wurden alle Verwandten eingeladen. Die Hochzeit fand in der Wohnung meiner Eltern statt. Um alle Leute unter zu bringen, musste ein Zimmer ausgeräumt werden. Welch ein Aufwand. Eine Frau wurde engagiert, die meiner Mutter in der Küche half. Am nächsten Tag gab es dann noch eine Nachfeier mit den Nachbarn.
Da mein Mann auf der Zeche beschäftigt war, war es nicht schwer eine Wohnung zu bekommen. Das Schlafzimmer war ein Hochzeitsgeschenk meiner Eltern. Fürs Wohnzimmer hatte ich Möbel aus meinem Mädchenzimmer mitgebracht und die Kücheneinrichtung konnten wir von unserem Ersparten kaufen. Von den Schwiegereltern bekamen wir das Kochgeschirr. Apropos Schwiegereltern. Sie mochten mich zwar, fanden aber unsere Heirat verfrüht. Der Schwiegervater verdiente nicht viel, .Mein Mann war der Älteste von 5 Kindern und seine Eltern konnten das Geld, das er zum Haushalt beisteuerte gut gebrauchen. Das fiel mit unserer Heirat nun weg.
Für mich begann nun mein Debüt als Ehefrau und Hausfrau. Ehefrau zu sein, fiel mir bei meiner Verliebtheit nicht schwer, aber da gab es ja noch die “Hausfrau”, die sich bei der Mutter nie für die Kochkunst interessiert hatte und nun versuchte, Ihrem Gemahl ein möglichst schmackhaftes Essen vorzusetzen. Und jetzt muss ich meinem Mann ein dickes Lob aussprechen. Er war ein wundervolles Versuchskaninchen. Ihm hat immer alles geschmeckt, was ich ihm vorgesetzt habe. Mir nicht. Die ersten Kartoffelklöße, die ich zubereitete zerfielen im Topf, Die Nudelsuppe konnte man mit der Gabel essen, und, und und…….(Inzwischen habe ich es aber gelernt und zwar so gut, dass ich mich manchmal sogar selbst lobe) Dazu kam noch, dass wir wenig Geld hatten. Meinem Mann wurden nur 90 % seines Lohnes ausbezahlt. Sein Arbeitgeber, übernahm schließlich die Kosten der Bergschule,. Das war überhaupt der Grund, warum mein Mann auf der Zeche angefangen hatte. Ein Ingenieursstudium wäre nicht möglich gewesen, zum einen aus finanziellen Gründen und zum anderen, mein Mann hatte kein Abitur und hätte deshalb schon gar nicht studieren können. Ich verdiente gerade einmal so viel, dass wir die Miete davon bezahlen konnten. Eine Heizung gab es zwar nicht, aber die Kohlen brauchten wir nicht zu kaufen, Von der Zeche bekamen wir Deputatkohle..
Zu der Zeit gab es in den Lebensmittelgeschäften 3 % Rabatt beim Einkauf, der in Rabattmarken ausgehändigt wurde. Wenn ich ein Rabattbuch voll geklebt hatte, legte ich es immer beiseite für Notfälle. Ich glaube es gab 3.-- DM für ein volles Buch. Genau weiß ich das nicht mehr.
Der Lohn wurde Anfang der 60ziger Jahre noch nicht auf ein Konto überwiesen. Die Bergleute bekamen es cash auf die Hand. Wenn Lohnzahlung war, standen oft einige Ehefrauen vor dem Zechentor, um ihre Männer abzufangen und ihnen die Lohntüten abzunehmen, weil sie Angst hatten, dass ihre Männer mit dem Geld in die nächste Kneipe verschwanden. Diese Sorgen hatte ich Gott sei Dank nicht. Aber das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Und so passierte es einmal, als der Kassierer vom RWE kam, um das fällige Stromgeld zu kassieren, auch das wurde bar eingeholt, dass ich nicht mehr so viel Geld im Hause hatte und ihn bat, in einer halben Stunde wieder zu kommen, weil ich noch ein paar Rabattbücher eintauschen wollte. Das war aber schon nach der Geburt unseres Sohnes und als ich nicht mehr berufstätig war. Ich habe übrigens damals ein Haushaltsbuch geführt, das jetzt noch in meinem Besitz ist. Hier ein paar Preise aus der damaligen Zeit.
Die “Hör Zu “ kostete -,80 DM, 250 Gramm Butter 1,82 DM, eine Dauerwelle 17.50 DM, ein Herrenhaarschnitt 2,50 DM Ein halbes Grillhähnchen 2,75 DM - der absolute Luxus für uns - , 1 Päckchen Zigaretten (12 Stück) 1,-- DM. .
Nach dem ersten Ehejahr , eine Woche vor unserem Hochzeitstag , kam unser Sohn Michael am 13. August 1961 zur Welt. Er ist auf den Tag genau so alt, wie die Berliner Mauer wäre, stände sie noch. Als ich merkte oder meinte schwanger zu sein, suchte ich eine Gynäkologin auf, um mir die Schwangerschaft bestätigen zu lassen. Sie untersuchte mich bestätigte, dass ich schwanger war, diagnostizierte aber gleichzeitig, dass ich bei meinem kümmerlichen Unterleib mit einer Fehlgeburt rechnen müsste. Diese Aussage machte mir schon zu schaffen, aber als sie mir beim zweiten Besuch erklärte, ich müsse mit einer Bauchhöhlenschwangerschaft rechnen, war ich vollkommen fertig. Gott sei Dank traf nichts von dem zu . Mit 10 Tagen Verspätung kam unser Sohn , nachdem die Geburt eingeleitet wurde, in Essen-Steele im Knappschaftskrankenhaus - 3050 Gramm schwer- ohne Komplikationen zur Welt.
Im Januar 1963 , erblickte unsere Tochter Ulrike das Licht der Welt. Es war eine Hausgeburt, bei der mein Mann fleißig mitgeholfen hatte. Er war es auch, der mir sagte, dass es nicht mehr lange dauert, er könne schon das Köpfchen sehen. Er legte mir die Tochter dann auch in den Arm. Sie brachte 4600 Gramm auf die Waage. Für mich war es die schönste Geburt. Die “Pille “ steckte damals noch in den Kinderschuhen und war für mich ein Fremdwort. Mit anderen Worten, diese Art Verhütungsmittel kannte ich nicht. Die wir kannten, funktionierten nicht , und im Mai 1964 wurde dann die Geburt unserer Steffi im Krankenhaus eingeleitet. Sie wog 3650 Gramm.
Anfang der 60ziger Jahre hatten Ehemänner noch keinen Zutritt zum Kreissaal. Heute unvorstellbar. Da mein Mann arbeiten musste, fuhr meine Schwiegermutter mit mir im Taxi zum Krankenhaus. Auch sie durfte nicht mit auf die Entbindungsstation.
Nach 7 Tagen Krankenhausaufenthalt wurde ich entlassen.. Ach, und dann gab es noch die Sache mit der Namensgebung. Ich wollte unbedingt eine kleine Steffi haben, Das war aber nicht möglich,. Der Name Steffi existierte nicht, nur Stefanie. Also blieb uns nichts anderes übrig, als sie mit Stefanie eintragen zu lassen. Auch das hat sich inzwischen geändert. Heute ist jeder Name erlaubt. Nun waren wir kinderreich. 1964 gehörte man mit drei Kindern zu den Kinderreichen.. Die Gynäkologin habe ich übrigens nie mehr aufgesucht, obwohl ich ein paar Mal in Versuchung geriet, ihr meine drei Prachtkinder, einmal vorzuführen, die ich mit meinem “kümmerlichen Unterleib “ bekommen habe.
Ja, und da gibt es noch einen Unterschied zwischen den 60ziger Jahren und dem Heute
Für alle drei Kinder habe ich noch Stoffwindeln benutzt. Ich weiß nicht ob es schon Pampers gab, oder ob wir uns die finanziell nicht erlauben konnten. Ich habe die Windeln zuerst in der Badewanne ausgespült, sie dann in einem großen Einweckkessel auf dem Herd gekocht, in der Badewanne wieder ausgespült und anschließend dann in meiner ersten Waschmaschine, einer Rondomat mit separater Schleuder, noch einmal gewaschen. Der ganze Aufwand geschah, weil ich mir einbildete (oder auch nicht), dass die Windeln sonst nicht richtig sauber würden. Die Waschmaschine war eine Errungenschaft, die ich mir von dem Geld gekauft hatte, welches ich mir von der der Bundesversicherungsanstalt auszahlen ließ. 1995 habe ich dann einen Antrag auf Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen gestellt und das Geld wieder eingezahlt und bekomme jetzt eine kleine Rente.
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Noch während ich im Krankenhaus lag, unternahm mein Mann mit seiner Klasse für ein paar Tage die Abschlusslehrfahrt. Seine Ausbildung als Elektro-Steiger war beendet. Und im August 1964 bekam er einen Anstellungsvertrag als Elektro-Steiger unter Tage bei der Rheinelbe Bergbau AG auf der Zeche Bonifacius in Essen- Kray Sein Anfangsgehalt betrug 644,- DM, zuzüglich, ich zitiere aus dem Anstellungsvertrag : “eine bewegliche Leistungszulage nach Maßgabe der eingeführten Regelungen, “ ferner ein Hausstandsgeld von 14,-- DM; Kindergeld von 28,-- DM , ein Wohnungsgeld von 70,-- DM oder eine Werkswohnung, sowie freier Hausbrand .
Was geschah sonst noch während der Jahre nach unserer Hochzeit bis zur Geburt unserer Steffi 1964?
1960 wurden die Beatles vom deutschen Veranstalter Bruno Koschmider nach Hamburg geholt. Ab August 1960 spielten sie täglich im Indra Club an der berüchtigten Großen Freiheit. Die Band wurde zum Geheimtipp und lockte das Publikum an.
1964 hatten sie den Grad ihrer Berühmtheit erreicht. Die Fans lagen ihnen zu Füßen.
1960 bekam der Film Ben Hur bei der Oscarverleihung elf Trophäen.
Im gleichen Jahr wurde der Film von Bernhard Wicki “Die Brücke “ beim Deutschen Filmpreis ausgezeichnet und ist einer der meistdekorierten deutschen Spielfilme der Nachkriegszeit.
Und 1964 wurde der 1. FC Köln erster deutscher Meister in der neu gegründeten Fußball-Bundesliga.
1964 kam der Minirock. Für die einen galt die neue Beinfreiheit als schamlos, für viele Frauen aber als Befreiung.
Ludwig Erhard wurde Bundeskanzler und löste Konrad Adenauer ab.
Aber wir mussten zum Fernsehgucken immer noch zu den Eltern oder Schwiegereltern gehen und ein Telefon hatten wir auch noch nicht. Wenn z. B. dringend ein Arzt benötigt wurde, mussten wir zur 10 Minuten entfernten Telefonzelle laufen. 1962 sind wir umgezogen und wohnten direkt gegenüber meiner Schwiegereltern auf der anderen Straßenseite. Im März 1963, unsere Ulrike war gerade 2 Monate alt, starb die Schwester meines Mannes im Alter von 20 Jahren an einem Herzinfarkt. Hätten die Schwiegereltern oder wir ein Telefon gehabt, wäre der Arzt vielleicht früh genug da gewesen und die Schwägerin hätte gerettet werden können. Dieser Tod hat mich wochenlang im Traum verfolgt.
Im Herbst 1964 bekamen wir eine Werkswohnung zugewiesen, brauchten nun keine Miete mehr zu zahlen und hatten eine Koksheizung im Haus. Nach der Geburt unserer Steffi suchte ich einen Arzt auf und ließ mir die “Pille“ verschreiben. Ich liebte meine drei Kinder zwar heiß und innig, aber drei waren genug.
Langsam verbesserte sich auch unsere finanzielle Situation und wir bekamen etwas von dem großen Kuchen "Wirtschaftswunder" ab. Das trug natürlich dazu bei, dass wir mit unserem zwar immer noch bescheidenen Familienleben, zufriedener waren und nun optimistischer in die Zukunft blicken konnten.
Tag der Veröffentlichung: 21.05.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Kinder und Enkelkinder