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Mein Kriegsende


Mein Kriegsende.
Mein erstes bewusstes Gebet


Ich bin im September 1938 geboren und war 1 Jahr alt, als Hitler in Polen einmarschiert ist und der 2. Weltkrieg begann. Als der Krieg am 8. Mai 1945 zu Ende war, war ich 6 Jahre und knapp 8 Monate alt. Ich will damit sagen, dass meine Erinnerung an meine früheste Kindheit, Kriegserinnerungen sind.

Bombenalarm und Angst !!!

Ich lebte mit meinen Eltern und meinem Bruder in Essen. Die Stadt Essen wurde als die Waffenschmiede Deutschlands bezeichnet. Die Krupp-Stadt war das Ziel ständiger Attacken alliierter Luftangriffe.

Der schwerste Angriff auf die Stadt Essen fand am 11. März 1945 statt. Dieses Erlebnis ist bis heute ein Trauma für mich geblieben. Ich wurde in dieser Nacht wie immer, wenn nachts die Sirene heulte, von meiner Mutter geweckt und wir suchten, auch wie immer, den Luftschutzkeller auf. Da saß ich nun, zitternd wie Espenlaub, weil die Erschütterungen durch die Bombeneinschläge in unserer Nähe so groß waren, dass der Boden unter unseren Füßen dermaßen schwankte, dass wir das Gefühl hatten, uns auf den Planken eines Schiffes bei stürmischer See zu befinden. Da habe ich zum ersten Mal in meinem kleinen Leben bewusst und laut gebetet. Ich habe bis heute nicht vergessen, was ich immer wieder gesagt habe. "Lieber Gott, bitte, bitte nicht auf unser Haus." Diesen Satz habe ich immer wieder wiederholt.

Mein Gebet wurde erhört. Unser Haus wurde verschont. Aber ringsumher brannten die Häuser und wurden zu Schutt und Asche.

In den letzten Kriegswochen trauten wir uns aus Angst vor den Tieffliegern nicht mehr aus dem Luftschutzkeller. Wir verbrachten nicht nur die Nächte, sondern auch die Tage dort.

Während dieser Zeit, also in den letzten Kriegswochen, wurde mein Bruder, knapp 17 Jahre alt noch einberufen. Er sollte sich in Osnabrück melden. Zu der Zeit fuhren kaum noch Züge. Es ging schon alles drunter und drüber. Teilweise mussten die jungen Männer, halbe Kinder die sie noch waren, zu Fuß weiter, weil mal wieder kein Zug fuhr. Auf dem Weg dorthin kamen den jungen Burschen ein paar Landser entgegen, die den Jungen den Rat gaben, sofort umzukehren, der Krieg wäre doch schon so gut wie aus.

Mein Bruder und ein paar andere kamen dieser Aufforderung nach. Und so stand mein Bruder eines Tages vor unserer Haustür. Meine Mutter weinte vor Freude, weil sie ihren Sohn wieder gesund zu Hause hatte, ich freute mich, den Bruder wieder daheim zu haben.

Mein Vater tobte !!!

Es war Fahnenflucht!! Hätte man den Bruder erwischt, hätte man ihn erschossen und meinen Vater vielleicht mit, weil es es geduldet hatte. Aber die Elternliebe siegte. Meine Eltern haben ihn versteckt und ohne Lebensmittelkarte mit durchgefüttert.

Am 10. April 1945 besetzten Soldaten der 17. US-Luftlande-Division als erste, gegen geringen Widerstand, die Stadt Essen.

Als die Amerikaner auf Kreppsohlen mit gezücktem Maschinengewehr unseren Vorort Essen-Kray besetzten, wagte ich mich als Letzte unserer Hausbewohner und Kinder aus dem Luftschutzkeller.
Panzer fuhren in unsere Straße ein. Unsere Wohnungen wurden in den folgenden Stunden mit schussbereiten Machinengewehren durchsucht. Gesucht wurden eventuell versteckte Soldaten oder Nazis oder Beweisstücke der Nazizugehörigkleit.

Bei meinen Eltern wurde nichts gefunden. Das große Hitlerportrait hatten die Eltern, sowie viele unserer Nachbarn auch, Tage vorher verbrannt. Als die Soldaten unsere Wohnung verließen, schenkten sie mir ein Kaugummi. Das erste Kaugummi in meinem Leben.

Nur wenige Stunden nach dem Einmarsch der US-Soldaten, führten diese einen Nazi-Funktionär aus unserem Vorort mit auf seinen Rücken gerichtetem Maschinengewehr, an eine Mauer, die ich von unserer Wohnung aus sehen konnte. Der Mann stand da mit dem Gesicht zur Wand und erhobenen Händen und wartete auf seine Hinrichtung. Ich schaute erschreckt zuerst dahin, wandte mich dann aber schnell ab und hielt mir die Ohren zu, um den lauten Knall nicht hören zu müssen. Die Soldaten legten an ----- und im letzten Moment wurde der Erschießungsbefehl zurück genommen und der Mann wurde wieder abgeführt. Ein paar Jahre später erzählte man sich im Ort, er hätte sich in die DDR abgesetzt und hätte dort auch wieder einen Posten bei den DDR-Funktionären. Ich weiß nicht, ob das nur ein Gerücht war.

Das sind meine Erinnerungen, stark gekürzt, an die letzten Kriegstage. Noch heute 64 Jahre danach, zucke ich zusammen, wenn ich eine Sirene höre. Für mich waren die Alliierten, als der Bombenalarm aufhörte, die Befreier. Der Krieg war zu Ende. Das so genannte " Tausendjährige Deutsche Reich " gab es nicht mehr und das war und ist gut so.

Der Neuanfang und der Aufbau begann.

Impressum

Texte: Dora fries
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2009

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