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Prolog

Elrond hat zu einem wichtigen Gespräch geladen und nun haben sich alle in seinem Haus beschäftigten Elben an seinem Tisch eingefunden. Leise sprechen sie miteinander und werfen ab und an erwartungsvolle Blicke zum Herrn von Bruchtal. Solch eine kurzfristig anberaumte Beratung ist selten und ungewöhnlich und von daher blühen die Überlegungen der Anwesenden und treiben bunte Blüten.
Der Hausherr lauscht auf die Gesprächsfetzen, die im allgemeinen Gemurmel hervor klingen. Von vermuteten Überfällen ist da die Rede, aber auch den berechtigten Einwand, warum denn dann Lindir am Gespräch teilnehmen soll, kann er vernehmen. Schlussendlich erhebt er sich von seinem Platz an der Stirnseite des langen Tisches, fast augenblicklich ersterben die leise geführten Reden.
„Das Fest der Wintersonnenwende steht auch in diesem Jahr wieder an“, beginnt Elrond nach einem leisen Räuspern und nimmt eine langsame Wanderung um den Tisch auf, die Hände auf dem Rücken ineinander verschränkt. „Es hat sich in der vergangenen Zeit eingebürgert, dass die Herrin des Hauses zu diesem Anlass ein kleines Fest mit Geschenken ausrichtet. Sie hat mich jedoch darum gebeten, dieses Jahr eine andere Möglichkeit zu finden, dieses Mittwinterfest durchführen zu können. Leider ist sie mit unseren beiden Wirbelstürmen zur Zeit zu sehr beschäftig, um sich auch noch darum kümmern zu können. Um ihren Wunsch zu erfüllen bin ich auf den Gedanken gekommen, dass ihr, meine Freunde, dies erledigen werdet.“ Aus seinem Gewand zieht er ein kleines Beutelchen hervor und hält es in die Höhe. „In diesem Säckchen sind all die wichtigen Aufgaben, die zu erledigen wären. Um der Gerechtigkeit bei deren Verteilung zu genügen, sollt ihr sie ziehen und da meine Gemahlin sonst auch immer Stillschweigen über die Vorbereitungen bewahrt, möchte ich euch bitten, dies untereinander und anderen gegenüber ebenso so zu halten.“

Kapitel 1

 Verzweifelt schüttelt Erestor den Kopf. „Nein, nein, nein“, murmelt er dabei zu sich selbst. „Das kann so nicht weitergehen!“ Doch wie soll er dem Ganzen Einhalt gebieten? Leise seufzt er, denn nur ein Weg bleibt ihm, den er jedoch nur sehr ungern beschreiten möchte. Es bleibt ihm aber keine andere Wahl.
Bevor ihn der Mut verlassen kann, legt er entschlossen die Schreibfeder zur Seite, schließt sorgfälltig das Tintenfässchen und schiebt auch zu guter Letzt die Abrechnungsblätter in die Mappe, an welchen er in der vergangen Stunde gearbeitet hatte. Eigentlich war dies mehr bei einem Versuch geblieben, denn zu sehr sind seine Gedanken immer wieder zu einer anderen Aufgabe abgewichen, welche ihm vor wenigen Tagen übertragen worden war.
Aber so kann es nicht weiter gehen! Denn wie soll er ordentlich seinem Tagwerk nachkommen können, wenn solch eine Pflicht ihn regelrecht niederdrückt, ihm mit seiner Unlösbarkeit den Schlaf raubt und selbst bei solch wichtigen Arbeiten, wie der jährlichen Abrechnung seine Konzentration zu nichte macht? Andererseits muss er gestehen, dass Elrond ein gerechter Lord ist und er bestimmt all seinen Untergebenen solch eine komplizierte Aufgabe aufgetragen hat.
Leise seufzt er. Die Frage ist nun, wie er sich verhalten soll. Soll er es darauf ankommen lassen, ob ihm vielleicht ja doch noch eine Lösung einfällt? Aber andererseits hatte Elrond ihm und auch allen anderen einen Termin gesetzt. Was ist, wenn ihm bis dahin doch nicht der zündende Funken trifft? Dann wäre er, Erestror, der einzige, welcher seine ihm übertragene Aufgabe nicht erfüllt hätte!
Oder soll er den Lord um eine andere Pflicht bitten?
Ja, das wäre wohl das Beste, was er in dieser Situation machen kann.
Wieder das Herz voller Entschlossenheit erhebt sich Erestor eilig vom Stuhl, streicht kurz das Gewand glatt und zupft einen kleinen Fussel vom dunklen Stoff. Mit wenigen Schritten ist er an der Tür, welche sein Arbeitszimmer von dem des Herrn von Bruchtal trennt.
Als er die Hand hebt, um leise anzuklopfen, springen ihn die Zweifel an, ob er Herrn Elrond mit seiner Nichtigkeit belasten darf. Schließlich hat er ihn mit solch einer Aufgabe betraut und niemand anderen und dies beweist doch, wie sehr er sein Vertrauen in den Ratgeber setzt. Und dies soll er aufs Spiel setzen?
Ein unwilliges Schnauben entringt sich dem dunkelhaarigen Elben und verärgert über sein eigenes Zögern, zieht er die schmalen Augenbrauen zusammen. Solch ein Gehabe ist er von sich selbst nicht gewohnt, aber vielleicht mag es auch daran liegen, dass die auferlegte Pflicht nicht alltäglich ist?
Verzweifelt will er sich mit der erhobenen Hand durch das Haar fahren und streift in der Bewegung mit den Fingerknöcheln über das dunkle Holz der Tür.
Geradezu erschrocken zuckt er zusammen, als gleich daraufhin das ruhige „Herein!“ des Hausherrn erklingt.
Unwillkürlich hat der dunkelhaarige Ratgeber das Gefühl, dass er gleich in einen unausweichlichen Kampf gegen einen unbezwingbaren Gegner eintreten würde. Entsprechend zupft er nochmals kurz an den Aufschlägen und den Ärmeln seines Rockes und strafft die Schultern, um seinem Widersacher entgegenzutreten.


Erstaunt blickt Elrond auf, als sich die Tür zu Erestors Arbeitszimmer öffnet und sein Ratgeber eintritt.
„Verzeiht, mein Lord“, beginnt der Eintretende mit einer leichten höflichen Verbeugung. „Ich würde Euch gern in einer für mich wichtigen Angelegenheit sprechen.“
Aufmerksam blickt der Hausherr den anderen an. Unwillkürlich beschleicht ihn der Eindruck, dass etwas Schreckliches vorgefallen sein muss, denn in solch nervösen und unruhigen Zustand hat er seinen Ratgeber noch nie erlebt. Einladend deutet er daher auf einen der Sessel, welche vor dem Kamin stehen, in dem ein lustiges Feuer prasselt. „Selbstverständlich! Setzt dich, Erestor, und erzähle, was dir zu schaffen macht!“
Zögernd lässt sich Erestor auf die vorderste Kante des Sessels nieder. Nur Augenblicke später wird ihm ein geschliffenes Glas mit blutrotem Wein in die Finger gegeben und gleich darauf lässt sich Elrond ihm gegenüber nieder.
Schweigend blickt der Ratgeber Elronds auf das Glas in seiner Hand und sucht nach dem kleinen bisschen Entschlossenheit, welches er noch vor so kurzer Zeit an seinem Schreibtisch verspürt hatte, kann jedoch nur das Häufchen Verzweiflung finden, das sich in seinen Eingeweiden zu winden scheint.
„Wie kann ich dir helfen?“, fragt schlussendlich Elrond nach einigen Minuten des Schweigens.
Der Gefragte wollte gerade das Glas an die Lippen heben, lässt es nun jedoch wieder sinken. „Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken kann, ohne Euch, Eure werte Gemahlin und auch die anderen Mitglieder dieses Hauses zu brüskieren“, beginnt Erestor vorsichtig und wird mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue belohnt. „Ich bitte Euch, mich von meiner Pflicht zu entbinden.“ So, nun ist es raus, doch beschleicht Erestor gleich darauf ein schlechtes Gefühl, als er sein Gegenüber erbleichen sieht.
„Nein, das kann ich nicht machen, lieber Freund“, lehnt Elrond energisch ab.
„Dann gebt mir eine andere Aufgabe“, wendet der andere ein. „Möglicherweise eine, die nicht so schwer zu lösen wäre?“
Abwehrend hebt der Herr des Hauses eine Hand, um sein Gegenüber am Weitersprechen zu hindern. „Nein, das ist nicht möglich, da ich keine weiteren Pflichten habe, die erledigt werden müssen. Zudem ist es auch nicht machbar, mit jemand anderem die Aufgaben zu tauschen.“
Enttäuscht lässt sich Erestor in das weiche Polster des Sessels sinken.

Elrond beobachtet den jüngeren Elben nachdenklich, nippt ab und zu von seinem Wein, der sich warm und schwer über seine Zunge ergießt. „Was ist es, was dir an der Aufgabe so schwer fällt? Vielleicht kann ich dir einen Hinweis geben? Oder auch einen Rat?“ Milde und zuversichtlich lächelt er Erestor an, der ihn nun hoffnungsvoll anblickt.
Trotz der Freundlichkeit des Herrn zögert dieser noch, das Wort zu ergreifen. Die ungewohnte Unfähigkeit, sich selbst in dieser Situation zu helfen, macht ihn nervös und zögerlich, ob es denn nun das Richtige sein mag, sich an Elrond zu wenden. Schließlich nimmt er noch den letzten Rest seines Mutes und den kleinen Fetzen Entschlossenheit zusammen, der sich wieder leicht hinter der Verzweiflung hervorwagt und blickt seinen Lord an. „Mein Problem ist simpel und doch hängt von deren Klärung das Gelingen meiner ganzen Aufgabe ab. Einfach ausgedrückt: Ich weiß nicht was ich machen soll oder was von mir erwartet wird. Ich bin mir nicht zu schade, in der Backstube oder der Schmiede zu stehen, wenn es denn sein muss, aber im Augenblick fühle ich mich in keinster Weise der Bewältigung der Aufgabe gewachsen.“
Elrond hat sein Glas auf ein nahes Tischchen abgestellt und beugt sich nun seinem Gast zu. „Ich weiß nicht, was deine Aufgabe ist und nein, ich möchte es auch nicht wissen. Den einzigen Rat, den ich dir geben kann, ist der, dass du auf irgendeinde Art und Weise herausfinden solltest, was erwünscht wird. Beobachte, lausche, höre Gesprächen zu, auf was man sich an solch einem Tag besonders freuen wird.“
Abwehrend schüttelt Erestor den Kopf. „Nein, das kann ich nicht machen! Ich würde mich wie ein Spitzel fühlen, der versucht, an die Geheimnisse anderer zu gelangen!“
Leise lachend lehnt sich Elrond wieder zurück. „Ja, in gewisser Weise ist es so. Aber bedenke, dass die Freude um so größer für alle Beteiligten wird, wenn die Überraschung gelingt!“
Dem kann Erestor nichts entgegensetzen, aber … „Es wird auffallen, wenn ich mich plötzlich ständig in der Nähe von Gesprächen und derlei aufhalte und das wäre mir sehr unangenehm.“
Lächelnd greift Elrond wieder nach seinem Glas und nimmt einen kleinen Schluck. Fast wirkt es, als würde er die nächsten Worte mit bedacht suchen. „Ich nehme deine Einwände zur Kenntnis und ich sehe mit Freude, dass du dir über das Gelingen des Festes ernste Gedanken machst. Ebenso bin ich mir bewusst, dass es schwer für jemanden sein muss, sich häufig in ausgelassener Gesellschaft wiederzufinden, wo er diese stets vermieden hat. Ja, es ist mir aufgefallen, dass du dich nur sehr selten in der Halle des Feuers einfindest. Und so sehe ich es als eine wunderbare Gelegenheit, dies vielleicht bereits am heutigen Abend zu ändern. Erst am Morgen teilte mir Lindir mit, dass er heute ein neues Lied vorstellen möchte und eventuell wird sich bereits heute die eine oder andere Möglichkeit ergeben, die Ohren aufzusperren.“
Geradezu ergeben nickt Erestor. „Ja, das fürchte ich auch.“

Kaum hat sich die Verbindungstür hinter Erestor geschlossen und Elrond wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, als es leise an dessen Zimmertür klopft. Auf Elronds freundliches „Herein!“ hin, eilt seine Gemahlin lächelnd herein. „Ich stand bereits vor einiger Zeit vor deiner Tür, hörte aber, dass du Besuch hattest.“ Kurz berührt sie sanft seine Wange mit den Fingerspitzen, bevor sie sich auf einen Stuhl niederlässt, welcher vor dem ausladenden Schreibtisch des Hausherrn steht. „Hast du viel zu tun, mein Lieber?“
Unbestimmt wedelt Elrond mit der Hand. „Es ist nichts Wichtiges. Soeben war Erestor bei mir und hatte einige Fragen zum Fest und zuvor hatte Glorfindel ebenfalls ein Gespräch mit mir gesucht, in der selben Angelegenheit.“
Besorgt legt Celebrian den Kopf schräg. „Wollen sie bei dem Spiel nicht mehr mitmachen?“
„Lass sie das nur nicht hören!“, antwortet Elrond leise und wirft einen kurzen Blick auf die verschlossene Tür zu Erestors Arbeitszimmer. Die Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt, lehnt er sich zu seiner Gemahlin vor. „Ich habe aus dem Spiel kurzerhand eine Pflicht gemacht und nun können sie nicht raus, ohne dich zu verärgern.“
„Was habe ich damit zu tun?“, fragt Celebrian, die Stirn im Nichtverstehen leicht gekräuselt. „Warum sollten sie mich damit verärgern? Ich wäre nur sehr enttäuscht gewesen, wenn sie nicht hätten mitmachen wollen. Aber, was du gemacht hast ist nicht sehr nett.“ Trotz der tadelnden Worte zuckt ein Lächeln um ihre Mundwinkel.
Anscheinend gequält seufzt Elrond. „Ja, das ist es wirklich nicht! Aber was blieb mir denn anderes übrig?“, entschuldigend und doch mit lachenden Augen blickt er seine Gemahlin an. Als er jedoch weiterspricht, klingt seine Stimme ernst, nichts ist mehr von dem Lachen zu vernehmen. „Ich mache mir Sorgen um Erestor. Er ist nun schon eine halbe Ewigkeit in meinem Haus und doch habe ich das Gefühl, dass ich ihn nicht kenne. Nur selten ist er in Gesellschaft anderer zu sehen und wenn doch, dann wird er selbst in der Zeit, in welcher er sich doch eigentlich erholen soll, von Bittstellern bedrängt. Und wenn man ihn einmal zu fassen bekommt, windet er sich geschickt wie eine Schlange aus jedem Gespräch, welches auch nur ansatzweise ins Private driftet. Erst vor wenigen Wochen habe ich beobachtet, dass Lindir versucht hat, sich mit ihm zu unterhalten. Es ging wohl um Musik, soweit ich mich erinnere. Bei Lindirs Frage, welches Instrument er denn bevorzuge, zog er sich mit der äußerst fadenscheinigen Entschuldigung zurück, er müsse noch wichtige Aufgaben erledigen.“
„Woher weißt du, dass es keine Ausrede von Erestor war?“, erkundigt sich Celebrian interessiert und erhält wieder ein leises Lachen zur Antwort. „Erst am Nachmittag hatte er mir mitgeteilt, dass er die Abrechnung für das Quartal fertig habe und das sogar früher, als er gedacht hätte. Daraufhin hatte ich ihn zu einem Glas Wein in der Halle eingeladen.“
„Ja, das wird dann wohl so gewesen sein“, stimmt sie ihrem Gemahl zu. „Möglicherweise war dein guter Ratgeber auch nur auf der Flucht, weil er erkannt hatte, in welche Richtung die Absichten des lieben Lindirs gingen?“
„Was willst du mir damit sagen?“ Nun ist es an Elrond interessiert sein Gegenüber anzublicken.
Zufrieden lehnt sich die Herrin des Hauses zurück, hat sie doch nun auch einmal eine Beobachtung gemacht, welche ihrem aufmerksamen Gemahl entgangen ist. „Oh, du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du etwas nicht bemerkt hast?“
Ganz unherrschaftlich entfleucht dem Hausherrn ein Schnauben. „Lass es gut sein, Geliebte. Auch mir entgeht ab und an eine Wichtigkeit. Und, was ist es nun, was ich nicht gesehen hab?“
Mit einem Schmunzeln beobachtet Elrond seine Gemahlin, die sich in einer versucht dramatischen Geste das helle Haar nach hinten wirft und übertrieben theatralische die Schultern strafft. „Dein Meistermusikant hat sich in deinen Berater verguckt!“
Stille folgt Celebrians Worten, welche von Elronds leisem Räuspern beendet wird. „Wie kommst du darauf? Woran kannst du das festmachen?“, fragt er schließlich.
„Mach die Augen auf, mein Herz, dann wirst du es überdeutlich in Lindirs Gesicht sehen können.“
Elrond schüttelt den Kopf. „Nein, ich meine, wie du darauf kommst, dass er dem eigenen Geschlecht zugetan ist.“
Sanft legt Celebrian eine Hand auf den Arm des Gemahls und lächelt ihn schelmisch an. „Vertrau mir, einfach. Ich weiß es.“
„Und Erestor? Wie reagiert er?“, will er nun wissen, bekommt jedoch ein leichtes Schulterzucken zur Antwort.
„Wie du bereits festgestellt hast, ließ er Lindir einfach stehen. Meine Damen sind Feuer und Flamme, wenn sie Erestor sehen, jedoch habe ich ihn auch noch nicht in der Begleitung von einer von ihnen gesehen.“
Wieder erschüttert ein Seufzen des Hausherren Brust. „Dafür war er wohl auch zu selten in unserer Gesellschaft, als dass wir konkrete Beweise hätten, für wen sein Herz schlägt.“ Ein Schmunzeln zuckt wieder über sein Gesicht. „Aber ich habe unseren guten Erestor für den Abend in die Halle des Feuers geladen. Lindir wird heute ein neues Lied vorstellen und ich denke, dass es eine gute Gelegenheit für uns beide ist, Beobachtungen anzustellen.“
Überlegend schiebt Celebrian die volle Unterlippe vor und blickt ihren Gemahl dann mit einem schelmischen Lächeln an. „Zu schade, dass wir die Zahl der Personen, die sein Interesse wecken könnten, nicht eingrenzen können. Das wäre sonst eine äußerst interessante Idee für eine kleine Wette unter uns.“

 

 

Kapitel 2

 Unschlüssig steht Erestor vor dem Kleiderschrank, dessen Türen weit geöffnet sind. Bereits seit einer gefühlten Ewigkeit kann er sich nicht entscheiden, was er anziehen soll und dabei bricht vor den Fenstern bereits die Nacht herein. Hat er sich endlich durchringen können, einen Rock hervorzuziehen, findet er doch wieder etwas an ihm, was ihn das Stück zurück hängen lässt.
Geradezu frustriert seufzt er.
Wenn er sich dazu entschließen sollte, an diesem Abend wirklich die Halle des Feuers aufzusuchen und so der Einladung Elronds Folge zu leisten, möchte er keineswegs aussehen, als wäre er gerade aus seinem Arbeitszimmer gekommen. Gleichzeitig möchte er durch ein Gewand, welches seinem gewohnten Stil widerspricht, keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen und - der Herr möge ihn davor bewahren! - womöglich amouröse Einladungen bekommen!
An das letzte Debakel in dieser Richtung kann er sich noch überdeutlich und viel zu lebhaft erinnern und als wäre es soeben erst geschehen, fühlt er, wie ihm die Röte heiß in die Wangen schießt:

Es war ein schöner Sommerabend, an welchem er sich in der Halle des Feuers eingefunden hatte. Die laue Luft strich in einer sanften Brise durch die Halle und ließ die leichten Vorhänge vor den hohen Fenstern sich im Luftzug bauschen. Lindir hatte die Mitglieder des Hauses eingeladen, sich sein neuestes Musikstück anzuhören, welches er allen vorstellen wollte. Dieses fand sehr großen Anklang unter den Anwesenden und er erhielt von allen Seiten Beifall. Auch er, Erestor, empfand es als sehr ansprechend und sah sich genötigt, dies dem Meistermusikanten mitzuteilen. Womöglich hatte der leichte Sommerwein, der wunderbar kühl die Kehle wie Wasser herabrann, seine Zunge gelockert oder er war von der allgemein heiteren Stimmung gelöst, in jedem Fall hatte er sich zu etwas hinreißen lassen, was ihm in dieser Art bisher noch nie geschehen war.
Wegen der ungewöhnlichen Wärme der Nacht, die inzwischen hereingebrochen war und auch, um ihr Gespräch in Ruhe fortsetzen zu können, hatte sich Erestor von Lindir auf die Terrasse hinausführen lassen. Dicht standen sie an der steinernen Balustrade in einem Bereich, von wo man einen berauschenden Ausblick auf  Bruchtal und die Wasserfälle des Bruinen hatte, jedoch von anderen nur schwer einsehbar war. Es war ein äußerst interessantes Thema, in welches er hat sich von Lindir zu einem ausgedehnten Gespräch hat verwickeln lassen. Dabei drehte sich ihr Gespräch um verschiedene Musikstücke, welche ihnen bekannt waren und von diesen gab es wahrlich viele.
Erestor genoss diesen Abend, da er die Musik liebte und leider bisher nur selten jemanden gefunden hatte, welcher seine Begeisterung dafür teilte oder diese sogar überflügelte.
Im Stillen ärgerte er sich über sich selbst, denn er hätte schon seit langem zahllose solcher Stunden verbringen können. Doch dazu hatte er sich leider zu selten unter die Einwohner Bruchtals gewagt, hatte zu wenig den Kontakt zu ihnen gesucht. Wenn es denn doch zu einem Gespräch gekommen war, so ging es eher von anderen aus und bezog sich in der Regel auf seine Tätigkeit als Ratgeber Elronds. Die Gespräche hatten viel zu häufig nur das Ziel, seine Stellung in Elronds Haus auszunutzen, um an einen der begehrten Termine beim Hausherrn oder eine andere Vergünstigung zu gelangen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Erestor jeden Elben, der freiwillig das Gespräch mit ihm suchte, mit Skepsis und Argwohn betrachtete.
Doch traten diese dummen Erinnerungen zu seinem Glück an diesem Abend vollständig wieder in den Hintergrund, sobald sie es auch nur wagten, sich in seine Gedanken zu schleichen.
Irgendwann schien entgegen aller Bemühungen jedoch alles gesagt, was zu sagen war und die beiden Männer suchten nach neuen Inhalten für ein weiterhin anregendes Gespräch. Trotzdem wurden die Pausen größer, die Stille zwischen ihnen immer unangenehmer. Erestor überlegte gerade, wie er sich, ohne den anderen zu brüskieren, zurückziehen könnte, als Lindir zu einem neuerlichen Gespräch ansetzte.
„Sagt mir, Erestor“, begann er leise und trat dabei einen Schritt dichter an den hochgewachsenen Eldar heran. „Habt Ihr schon einmal die Becken geschlagen?“ Der Angesprochene stutzte, war doch der Ton, in welchem Lindir die Worte sagte, in einem ganz anderen, als jene zuvor.
Leicht beugte sich Elronds Meistermusikant vor, als er sein Glas auf der Balustrade abstellen wollte. Im nächsten Moment konnte Erestor eine Berührung an der Hüfte spüren. Finger strichen über den glatten Stoff seines Rockes. „Ich frage mich, ob Ihr an einem privaten Flötenkonzert interessiert seid“, flüsterte Lindir. Als Erestor auf die Worte nicht reagierte, schien er nicht sicher, ob der andere seine Worte verstanden habe. „Ich kann auch einer Harfe wunderbare Töne entlocken!“, hauchte er nun am Ohr des Ratgebers, während zur gleichen Zeit seine Finger weiter über den Stoff glitten.
Erestor hatte sehr wohl die Worte vernommen und deren Sinn war nicht missverständlich, da auch Lindirs Stimme dies unterstrichen hatte. Trotzdem war er erstaunt über die Zudringlichkeit, die dieser zeigte, welche ihn gelinde gesagt, sprachlos machte. Oder war es wohl eher die Berührung, die unwillkürlich Hitze durch seinen Körper jagte? Zu allem Übel strichen die Finger leicht über seine Leiste und der Mund, der die einladenden Worte hauchte, war seinem so nah … Viel zu nah, als dass er diese Einladung einfach hätte ablehnen können. Atem fächerte über seine Haut, umspielte seine Lippen, die sich plötzlich viel zu rau und trocken anfühlten. Mit der Zungenspitze benetzte er sie und wurde mit einem leisen Seufzen belohnt. „Ich bin ein Meister im Blasen der Posaune“, murmelte Lindir mit hochroten Wangen, den dunklen Blick geradezu sehnsüchtig auf den Mund des Ratgebers gerichtet. Wie magisch angezogen, neigten sich die Elben einander zu.

Ein lautes Scheppern und Klirren zerriss die Stille auf der Terrasse und vertrieb wirkungsvoll die Hitze aus dem Blut Erestors. Geradezu erschrocken fuhr er zurück. „Verzeiht, Lindir, das war unangemessen von mir gewesen“, stammelte er, „und ich entschuldige mich dafür!“
Im nächsten Moment blickte der Meistermusikant dem davoneilenden Erestor hinterher. Und auch Elrond und Glorfindel, welche wohl gerade in die weit geöffnete Terrassentür getreten waren, schauten ihm nach. Gleich darauf wandte sich der Hausherr mit fragendem Blick Lindir zu.
„Wir haben uns nur über Musik unterhalten“, murmelte dieser achselzuckend und wies dann auf eine der großen Pflanzen, die sonst die Türen zur Terrasse flankieren, nun jedoch in ihrem zerbrochenen Kübel auf derselben lag. „Wie konnte denn dies geschehen?“
„Ja, das frage ich mich auch!“, murmelte Elrond, nachdenklich die Augenbrauen zusammen gezogen.
Nach einer durchwachten Nacht, in welcher sich Erestor von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, wurde er unverhofft von Lindir erwartet, als er sein Arbeitszimmer betrat. Diesem schien es nicht besser ergangen zu sein, denn dunkle Schatten unter den Augen zeugten von einer ebenso unruhigen und schlaflosen Nacht. Geradezu händeringend stand er vor ihm. „Ich entschuldige mich für mein gestriges Verhalten, Erestor“, begann er und Erestor befürchtete schon, dass er flehentlich die Hände erheben würde. „Ich weiß nicht, was über mich gekommen war, doch glaubte ich, eine innere Verbundenheit zu Euch zu fühlen … und dazu noch der laue Abend, der gute Wein und ein anregendes Gespräch. Ich glaubte, dass Ihr dem nicht ganz abgeneigt wärt, doch fürchte ich nun, dass ich mich Euch aufgedrängt hätte.“
Abwehrend hob Erestor die Hand, um dem Redeschwall des anderen Einhalt zu gebieten. „Ihr glaubt und fürchtet richtig, Lindir, doch gehören dazu immer zwei. Zudem muss ich Euch sagen, dass ich mich nicht in der Lage fühle, Euch die tiefe Verbundenheit einer dauerhaften Beziehung zu geben.“
Dicht trat Lindir an den dunkelhaarigen heran. „Ich habe befürchtet, dass Ihr das sagen würdet“, murmelte er, während er eine Hand hob und sie an Erestors Wange legte. Sanft strich er mit dem Daumen an dessen Unterlippe entlang. „Aber ich kann warten, denn du bist es wert!“ Gleich darauf schloss sich die Tür hinter Lindir und ließ Erestor mit einem leisen Prickeln von dessen Berührung zurück.

Nur ungern denkt Erestor an diese Begebenheit zurück, hat sie ihm doch überaus deutlich vor Augen geführt, wie sehr es ihn zu manchen Zeiten nach körperlicher Nähe verlangt. Trotzdem ist er danach zu keiner weiteren Veranstaltung gegangen und hat sich dadurch noch weiter als bisher von Elrond, seiner Familie und den anderen Bewohnern des Tales distanziert, obwohl es ausreichend Einladungen von Seiten des Hausherrn und auch Lindirs gab.
Dieser scheint die Absage, die er von Erestor erhalten hatte, nicht weiter tragisch zu nehmen und soweit ihm bekannt ist, hatte der Elb nach diesem Gespräch eine äußerst kreative Schaffensphase, in welcher er eine Reihe kleiner und melancholischer Stücke veröffentlichte. Melancholie scheint den Eldar im Blut zu liegen und von daher konnte Lindir auch mit dieser Musik Lob und Beifall einheimsen.

Und zu eben solch einem Abend wurde er von Elrond gebeten, so dass er keine Möglichkeit hatte, sich herauszureden. Im Moment ist sich Erestor nicht sicher, was schlimmer zu bewältigen für ihn ist, ob nun die Pflicht, deren Lösung er hofft, heute einen Schritt näher zu kommen, die Qual, einen passenden Rock zu finden oder, sich einen ganzen Abend …
Entschlossen schiebt er den unfreundlichen Gedanken zur Seite und versucht, sich wieder auf den großen Kleiderschrank zu konzentrieren, dessen Türen noch immer weit geöffnet sind. Schlussendlich zieht er mit einem tiefen Seufzen wahllos ein Gewand hervor, betrachtet kurz die schwarze Kleidung abschätzend mit hochgezogener Augenbraue. Es ist ein Rock, wie er ihn während des Tages im Arbeitszimmer trägt, aber es wird wohl niemanden auffallen.
Nun mögen die meisten Elben anmerken, dass der Ratgeber sowieso zu jeder Zeit schwarze oder zumindest sehr dunkle Gewänder trägt, doch sind es zumeist kleine Unterschiede im Schnitt oder dem verwendeten Stoff, der das eine Kleidungsstück vom anderen unterscheidet. Auch Stickereien, die stets Ton in Ton gehalten sind, bringen nur wenig Abwechslung in die Farbpalette Erestors. Von daher würde er wohl wesentlich mehr Beachtung erhalten, wenn er einen kanariengelben Rock tragen würde. Unwillkürlich schüttelt es ihn, wenn er sich vorstellt, er würde sich in eine solche Farbe kleiden. Selbst bei Lindir, der doch in seiner Auswahl wesentlich extravaganter auftritt, würde dies nur lächerlich wirken.
Vielleicht Celebrian? 'Nein.' Erestor schüttelt den Kopf, während er sich ankleidet, 'Sie trägt zwar gern helle Kleider, aber nicht in solch einem auffallenden Ton.'
Elrond? Fast hätte der Elb bei der Vorstellung, den Hausherrn in gelber Robe durch die Flure schreiten zu sehen, lachen müssen.
Bei dem Gedanken, Glorfindel im gelben Wappenrock, hält er kurz beim Bürsten seines dunklen Haares inne.
Goldgelbes Haar hat der Wiedergeborene, welches wirkt, als wäre die Sonne darin gefangen und als würde ein sanfter Wind stets mit den Locken spielen. Nicht so stumpf und glanzlos wie sein eigenes, welches so dunkel und glatt ist, als wäre es in Pech getaucht.
Unzufrieden legt Erestor die Bürste weg. „Ach, das wird schon so gehen!“, murmelt er zu sich selbst und streicht eine letzte Falte aus dem Stoff seines  tiefschwarzen Rockes.

Leises Lachen umfängt Erestor, als er die Halle betritt. „Kommt, setzt Euch zu uns!“, wird er freundlich von Elrond empfangen, der ihm höchstpersönlich einen Stuhl zurecht schiebt, damit er in ihrer kleinen Runde Platz nehmen kann. Celebrian selbst reicht ihm ein Glas gefüllt mit dem süßen Rotwein, welcher ihm bestimmt am Morgen schlimme Kopfschmerzen bescheren wird. Lindir hebt ihm prostend sein Glas entgegen und auch andere Anwesende begrüßen den Ratgeber in der gleichen Art.
Trotz der Höflichkeiten, die ihm von allen Seiten entgegengebracht werden, fühlt sich Erestor fehl am Platz, als wäre er ein Eindringling. Zudem beschleicht ihn das Gefühl, als würde er von allen Seiten beobachtet werden. Das macht ihn nervös und das einzig Greifbare, an dem er sich halten kann, um nicht sofort wieder die Halle zu verlassen, ist das zarte Glas in seinen Händen. Er zwingt sich dazu, ab und an von seinem Wein zu nippen und dem Gespräch zu folgen, welches Elrond und Lindir führen. Nach einiger Zeit setzt die Wirkung des schweren Weins ein und die Wärme, die sich in dem Elben ausbreitet, lässt ihn entspannt dem Gespräch zwischen Elrond und Lindir folgen. Auch das unangenehme Gefühl des Beobachtet werdens ist wie verweht und geradezu wie befreit blickt er sich um.
Die Halle hat sich in den vergangenen Minuten gut gefüllt. Hier und da haben sich kleine Gesprächsgruppen gebildet, wovon eine der größten wohl jene ist, welche sich in der Nähe des Kamins versammelt hat. Soweit Erestor erkennen kann, sind es vorwiegend Angehörige der Wache sowie junge Rekruten, welche sich dort eingefunden haben. Aber auch altgediente Kämpfer sind unter ihnen sowie jene, die sich dem Haus Elronds verpflichtet haben. Es scheint eine lustige Truppe zu sein, die sich dort beim Würfelspiel zusammen gefunden hat, denn gerade wird ein besonders gelungener Wurf von den Männern bejubelt. Lachende Stimmen werden laut, die den Sieger dazu auffordern, den Wein für die nächste Runde auf den Tisch zu stellen.
Der glorreiche Glorfindel erhebt sich lachend von der Bank und zum ersten Mal wird Erestor bewusst, wie sehr sich dieser von den anderen Einwohnern Bruchtals unterscheidet. Aus der Reihe der dunkelhaarigen Eldar sticht er hervor wie der Stern Eärendil am dunklen Firmament. Das Flackern des Kaminfeuers lässt sein goldfarbenes Haar glänzen, als wäre das Feuer in ihm gefangen und auch sein Gesicht scheint wie von innen zu glühen. Zudem hat der Wein ihm Röte auf die Wangen getrieben und mit seiner ausgelassenen Stimmung scheint der Balrogtöter die Kameraden am Tisch anzustecken.
Erestor fühlt sich kaum in der Lage, die Augen von Glorfindel zu wenden. Zu sehr ist er vom Anblick gefesselt, will in ihm versinken. Allein schon die kleine Bewegung, wie er mit der Hand das Haar zurück streicht oder auch sich beim Lachen Grübchen bilden, empfindet er für den Augenblick wesentlich interessanter als das Gespräch Lindirs und Elronds, welches sich um die Musik dreht.
Der andere scheint die intensive Beobachtung gespürt zu haben, denn plötzlich hebt er den Kopf und blickt in Erestors Richtung, als wüsste er nach wem er Ausschau halten müsste. Nur kurz treffen ihre Blicke aufeinander und doch fährt er Erestor bis in die Gedärme. Hitze scheint sein Herz für einen Moment zusammenzupressen, nur um es im nächsten Augenblick voran zu jagen. Trotz der Entfernung kann er überdeutlich das leichte Lächeln sehen, welches um Glorfindels Lippen zuckt, bevor er wie ertappt den Blick senkt.
Mit hochgezogener Augenbraue hat Elrond die Gruppe um Glorfindel ebenfalls beobachtet, schnaubt jedoch missbilligend. „Lindir, es wäre wohl das Beste, wenn du so bald wie möglich mit deinem Vortrag beginnst, bevor die Herren meinen ganzen Weinvorrat plündern!“

Er war ihm sofort aufgefallen, als er den Saal betrat.
Er hat gesehen, wie unwohl er sich fühlte.
Er hat gesehen, wie sich seine schlanken Finger um das Glas schlossen, als würde es sein einziger Halt sein.
Er hat gesehen, wie sich die makellose Haut vom Wein rötete.
Er hat das Erkennen in den dunklen Augen gesehen, als sich ihre Blicke trafen. Es brannte sich in sein Herz, ließ es für einen Moment stolpern und wie eine Herde wilder Pferde davonpreschen.

Geradezu unruhig rutscht Glorfindel auf seinem Platz hin und her. Er wüsste nicht, wann er das letzte Mal so nervös war, so dass er sich kaum auf Lindirs Vortrag konzentrieren kann. Immer wieder wandert sein Blick hinüber zu der dunklen Gestalt, welche neben dem Herrn des Hauses sitzt.
Andächtig lauschend hat Erestor den Kopf geneigt, wobei einige Strähnen seines Haares das Gesicht verbergen. Haar, welches glatt und edel in der Farbe an die Schwingen der Raben erinnert. Kühl und leicht würde es durch die Finger gleiten und blaue Funken würden sprühen, wenn die Sonne es berührt. Schwarz auf weißer Haut, die in der Samtigkeit an Sahne erinnert.
Verzweifelt schließt Glorfindel die Augen, als könnte er so die Gedanken aussperren und doch schleichen sie sich nur um so intensiver in sein Hirn. Sie gaukeln ihm Bilder von schwarzen Strähnen auf sonnengeküsster Haut vor, welche sich um Arme und Beine schlingen, ihn binden.
Seit jenem Abend hat er diese Träume, doch waren sie nie so heftig und erregend, wie jetzt in diesem Augenblick.
Ja, er hatte sie an jenem Abend gesehen, Lindir und Erestor. Eigentlich war er auf der Suche nach Elrond gewesen, um sich von ihm zu verabschieden. Da hatte er sie an diesem abgeschiedenen Ort entdeckt. Es waren nicht mehr als zwei Silhouetten zu erkennen, Körper, die dicht beieinander standen, leise Worte wurden gewechselt und sie hatten sich zueinander geneigt.
Glorfindel hatte sofort gewusst, wer dort stand, war ihm doch der Anblick des einen fast ebenso sehr vertraut, wie das eigene Spiegelbild.
Im Nachhinein weiß er nicht mehr, was in ihn gefahren sein mochte, dass er den Pflanzenkübel umgeworfen hatte. Nachdem er jedoch einen Blick in das Gesicht des davoneilenden Erestors hatte werfen können, war er froh über sein Handeln. Verzweiflung hatte er darin lesen können und gleichzeitig waren seine Augen dunkel, noch wie von Lust verhangen. Ein äußerst ungewohnter und befremdlicher Anblick bei dem pragmatischen Ratgeber, jedoch einer, den er seit diesem Tag immer wieder vor sich hat, sobald er die Augen schließt.
Seltener als zuvor hatte er Erestor nach diesem Vorfall gesehen. An wohl sämtlichen gesellschaftlichen Veranstaltungen hatte er teilgenommen und geradezu sehnsüchtig darauf gelauert, dass der dunkle Ratgeber durch die hohe Tür treten würde und wurde jedes Mal enttäuscht.
Nun sitzt er hier, mit demselben Mann im gleichen Raum, den er seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr aus dem Hirn bekommt und beobachtet ihn, belauert regelrecht jede einzelne Bewegung. 

Kapitel 3

 „Ah, Glorfindel!“ Elrond hat die Hand erhoben, um den Wiedergeborenen heranzuwinken. Dieser zögert, bevor er sich der kleinen Gruppe um den Hausherrn nähert. Kurz verneigt er sich vor Celebrain, welche den Gruß mit einem leichten Neigen des Kopfes erwidert.
Erestor jedoch nickt er nur kurz und etwas steif wirkend grüßend zu und wendet sich dann dem Hausherrn zu. „Womit kann ich Euch zu diensten sein, Herr Elrond?“
Einladend deutet der Elb auf den freien Stuhl. „Kommt, setzt Euch zu uns und leistet uns Gesellschaft!“
Die freundlich hervorgebrachte Einladung kann der goldhaarige Kämpfer unmöglich ausschlagen und so lässt er sich seufzend nieder.
„So schlimm, sich zu uns zu setzen?“, wird er lächelnd von Celebrian aufgezogen. „Und dabei wollten wir uns wirklich nur mit Euch unterhalten und nicht foltern!“
Kurz huscht Glorfindels Blick zum Ratgeber, dessen Gesicht keine Regung zeigt und für ihn wohl nichts Interessanteres zu existieren scheint, als der Wein in seinem Glas. Er wendet sich der Hausherrin wieder zu, schmunzelt und merkt, wie angestrengt es wirken muss. „Verzeiht mir, Herrin, ich hatte einen ereignisreichen Tag und hoffte, mich frühzeitig zurückziehen zu können.“
Sorge huscht unwillkürlich über Celebrians Gesicht und auch Elronds Stimme klingt besorgt: „Gab es Überfälle? Ist jemand verletzt worden?“
„Nein“, antwortet Glorfindel zögernd und blickt kurz überlegend die Herrin an, ob er in ihrer Anwesenheit von derlei Dingen an einem der Unterhaltung dienenden Abend reden solle. Doch nickt diese ihm auffordernd zu. „Es wurden vereinzelte Orkgruppen entlang der Oststraße gesichtet. Sie zogen sich jedoch sehr schnell wieder zurück und verkrochen sich in ihre Verstecke, als sie auch nur die Spitze unserer Standarte sahen!“
Der Hausherr zieht nachdenklich die Augenbrauen zusammen. „So dicht vor dem Feiertag sind das keine sehr guten Nachrichten, vor allem, da viele Reisende unterwegs sein werden, um den Tag mit ihrer Familie verbringen zu können.“
Zustimmend nickt Glorfindel: „Ich habe die Wachdienste mit Rekruten verstärken lassen, welche noch keine eigene Familie haben, zu denen sie gehen könnten.“
„Das ist sehr löblich von Euch, so viel Rücksicht auf die Familienväter zu nehmen“, antwortet Celebrian an Stelle des Hausherrn. „Aber nun verzeiht mir meine Neugierde, jedoch würde ich gern wissen, was Ihr zum Mittwinterfest besonders vermisst? Und auch von den anderen Herren würde ich es gern wissen, denn ich kenne bisher nur die Traditionen, welche in meinem Elternhaus gelebt werden.“ Die letzten Worte hatte sie an einige Männer gerichtet, welche zuvor mit dem Balrogtöter am Würfeltisch gesessen hatten. Nun stehen sie in der Nähe und scheinen auf ihn zu warten.
„Ich vermisse besonders den Duft von frisch gebackenen Keksen und gewürztem Wein“, erhält sie prompt von einem der Männer zur Antwort.
„Und den Punsch nicht zu vergessen!“, wirft ein anderer lachend ein.
„Da Ihr Herren aus verschiedenen Ecken Mittelerdes kommt, nahm ich an, dass die Traditionen ebenso verschiedenen wären, doch scheint es mir nun nicht so“, erklärt Celebrian lächelnd und wendet sich wieder dem Goldhaarigen zu. „Wurde das Mittwinterfest in Eurem Haus ebenso gefeiert und wenn Ihr die Wahl hättet, was würdet Ihr Euch wünschen?“
„Ihr seid wahrlich von Neugierde geplagt!“, antwortet Glorfindel lachend, in keinster Weise von ihren Fragen beleidigt. Gleich darauf lehnt er sich leicht vor, als würde er ihr ein Geheimnis anvertrauen wollen. „Und ich möchte es Euch gern sagen: Das Fest wurde in meinem Haus ebenso begangen wie in dem Euren und was ich mir wünschen würde ...“, überlegend hat er den Kopf leicht geneigt. „Es wird Euch wohl seltsam vorkommen, jedoch liebte ich als Kind besonders diese mit buntem Zucker verzierten Kekse und ich glaube, ich wäre vollkommen zufrieden, wenn ich eine kleine Schale mit diesem Naschwerk hätte.“

So recht weiß Erestor nicht, was er davon halten soll, dass der Hausherr den Elbenfürsten aus Gondolin an den Tisch geladen hat. Seine nahe Präsenz macht ihn so nervös, dass er sich kaum in der Lage fühlt, das grüßende Nicken zu erwidern. Daher blickt er ihn nur kurz an und wendet sich dann sofort seinem Wein wieder zu. Zudem befürchtet er, dass er kaum die Augen wieder vom goldhaarigen Noldo lösen könnte, sollte er ihn nur einen Moment zu lang ansehen. Allein schon während des Grußes hatte er kaum die Augen abwenden können. Ja, er musste sich dazu zwingen, den Blick auf sein Glas zu senken, in welchem er gleich darauf, die sich widerspiegelnde Gestalt Glorfindels dunkel auf dem Wein findet. Versunken in dem Abbild, vernimmt er nur mit halbem Ohr, was am Tisch gesprochen wird, könnte aber im Klang der warmen Stimme des anderen versinken.  
Als die Herrin das Gespräch auf das bevorstehende Fest lenkt, wird Erestor jedoch hellhörig und blickt auch kurz auf, als er die fremd klingenden Stimmen hört, welche sie in das Gespräch einbezog. Bei Glorfindels folgenden Worten muss er schmunzeln. Nur zu gut kann er ihn sich als jungen Elb vorstellen wie er in der Zeit vor der Feierlichkeit durch eine Küche schleicht und heimlich aus einer Dose Gebäck nimmt. Er selbst kann sich an eine ähnliche Begebenheit erinnern, in welcher er erwischt wurde. Die Mutter hatte damals mit erhobenem Zeigefinger aber liebevoll funkelnden Augen mit ihm geschimpft während der Vater mit bösem Blick neben ihr stand.
„Du bist viel zu weich zu ihm, meine Liebe!“, hatte Erestor dann den Herrn zu seiner Gemahlin sagen hören, doch begütigend hatte sie ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihn neckend angelächelt. „Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du in diesem Alter niemals an der Gebäckdose warst?“ Ertappt hatten sich die Ohren des dunkelhaarigen Elben rot gefärbt. „Das ist etwas anderes!“, hatte er dann nur gemurmelt. Im nächsten Moment griff er selbst in die Keksdose und hatte dem Jungen mit einem lustigen Zwinkern in den Augen einige Kekse in die Hand gelegt.
Leise seufzt Erestor. Diese Zeit ist lange vorbei, viel zu lang, als dass er ihr noch nachtrauern sollte. Doch erinnert er sich gern an sie, denn vermittelt sie ihm auch im Nachhinein ein warmes Gefühl der Geborgenheit und der Liebe, welches er als Kind nicht so empfunden hatte. Damals war es etwas Selbstverständliches, den Eltern Vertrauen zu schenken und dafür mit grenzenloser Liebe belohnt zu werden. Seit dem war er auf der Suche nach eben diesen Gefühlen und hatte sie schlussendlich als stiller Beobachter im Hause Elronds gefunden. Nur leider hat er für sich selbst bisher nicht das gefunden, was seine Eltern sowie auch Celebrian und Elrond miteinander verbindet.
„Was würdet Ihr Euch wünschen, Erestor, wenn Ihr einen Wunsch frei hättet?“

Wie aus Träumen scheint der Angesprochene aufzutauchen und für einen Moment sieht Glorfindel in das Gesicht eines Mannes, welcher seinen eigenen Gedanken nachgehangen hatte. Dunkle Augen blicken ihm entgegen und scheinen ihn doch nicht zu sehen. „Kaum etwas anderes wünsche ich mir mehr, als an jedem neuen Tag geliebt zu werden.“
Erstaunt beugt sich Glorfindel vor. Hat er soeben richtig gehört? „Was habt Ihr gesagt?“ Unglauben schwingt in seiner Stimme mit und auch auf dem Gesicht Celebrians zeigt sich Erstaunen über die Worte des Ratgebers. „Wie bitte?“, fragt sie und berührt Erestor am Arm.
Ruckartig wendet sich der schwarzhaarige ihr zu, blinzelt wie aus einem Traum erwacht. „Wie bitte?“, fragt er ebenfalls, wendet sich nach wenigen Augenblicken jedoch Glorfindel zu, blickt ihn erschrocken an. Er spürt, wie ihm die Röte in das Gesicht schießt. „Was habe ich gesagt?“, doch klingt die Frage eher so, als würde er sich selbst fragen und nicht einen der am Tisch sitzenden. Eilig stellt er sein Glas ab und springt auf. Sich vor dem Hausherrn und seiner Dame verneigend, murmelt er nur wenige Worte der Entschuldigung für seinen eiligen Aufbruch. Nur kurz streift sein Blick noch einmal dem Glorfindels, in welchem er Unglauben und Bestürzung zu lesen glaubt. Unwillkürlich macht Erestor einen Schritt nach hinten, fort von hellen Augen, die ihn mustern. Dabei stößt er gegen jemanden, der hinter ihn getreten war und blickt in Lindirs erstauntes Gesicht. „Entschuldigt mich bitte“, murmelt der Schwarzhaarige und drängelt sich an dem Musiker vorbei.
„Was ist denn in unseren Erestor gefahren?“, kann er noch Lindir sagen hören, dann hat er die Halle verlassen.
Kurze Zeit später hat er seine Räume endlich erreicht und mit einem tiefen Stöhnen lehnt er sich gegen die geschlossene Tür. 'Ja, was ist nur in mich gefahren?', fragt er sich, fährt sich voller Verzweiflung mit den Händen durch die Haare. Noch immer hat er Lindirs Worte im Ohr, ebenso wie jene, die er selbst gesprochen hatte. „Erestor, du bist ein verdammter Trottel!“, schimpft er laut mit sich selbst und schlägt wütend mit der Faust gegen das Holz der Tür, bevor ihn die Scham erneut übermannt und er das Gesicht in den Händen vergräbt. „Vor dem gesamten Tal bettle ich darum, geliebt zu werden!“, flüstert er nun leise. „Wie tief kann man sinken?“
Nach einer ganzen Weile, in welcher er in der gleichen Stellung an der Tür verharrte, stößt er sich von ihr ab. In der einen Hand ein Glas und in der anderen die Karaffe, gefüllt mit dem leichten Sommerwein, lässt er sich in den Sessel vor dem Kamin sinken, in welchem noch ein Feuer leise prasselt. Er hängt seinen Gedanken nach, versucht, sich den Abend schönzureden und versagt doch immer wieder kläglich, sobald er an ein Paar heller Augen denkt.

Der plötzliche Aufbruch des Ratgebers hat die am Tisch Sitzenden mehr als erstaunt. Seine Reaktion auf seine eigenen Worte hat sie gleichermaßen überrascht wie erschüttert, zeigen sie doch eine Seite Erestors, in welche er niemals andere hat blicken lassen. Von daher war es verständlich, dass im ersten Moment weder Celebrian noch Glorfindel auf Lindirs Frage reagierten.
„Herr Erestor hat einen nicht sehr alltäglichen Wunsch geäußert“, antwortet die Herrin von Bruchtal schließlich.
Lindir nickt: „Ja, das war mir nicht entgangen, denn schließlich stand ich dicht genug, so dass ich jedes Wort verstehen konnte, welches er sagte. Ich denke auch, dass es viele Elben gibt, die denselben Wunsch äußern würden, wenn man sie fragt. Jedoch bin ich überaus erstaunt darüber, solche Worte aus Erestors Mund zu hören.“
„Ich ebenso“, stimmt ihm Celebrian schmunzelnd zu und blickt dann offen den goldhaarigen Noldo an. „Insbesondere wenn man bedenkt, wem gegenüber er diesen Wunsch geäußert hat!“
Dieser scheint auf die Bemerkung der Elbin nicht eingehen zu wollen und erwidert nur ruhig ihren Blick. „Ich glaube, dass Herr Lindir Recht hat. Viele verspüren diesen Wunsch, doch ist es manchmal schwer, den einen Gefährten für die Ewigkeit zu finden und jedem verlangt es nach solch einer innigen Verbindung, wie Ihr, meine Herrin, sie lebt.“
Leicht beugt sich Celebrian vor. „Ich danke Euch für die Worte, Herr Glorfindel. Doch habe ich das untrügliche Gefühl, als wärt Ihr auf dem besten Weg, das zu erreichen, was Ihr Euch wünscht.“
Nun ist es an den Goldhaarigen sich vorzuneigen und auch Lindir ist noch näher getreten, um dem leise geführten Gespräch folgen zu können. „Ich wüsste nicht, was mein Wunsch nach Keksen mit Euren Gefühlen zu tun hätte, es sei denn, Sie hätten Euren Bäcker beauftragt, welche zu backen.“
„Womöglich verlangt Ihr nach Dingen, von denen Ihr selbst nichts wisst und daher überseht Ihr es, sogar wenn es Euch in Eure edle Nase kneifen sollte“, antwortet Celebrain leise schmunzelnd und wird mit einem unzufriedenen Runzeln der Stirn belohnt.
„Vermutlich fällt es mir schwer, Euren Worten zu folgen, weil ich von Herrn Elronds gutem Wein zu viel getrunken habe“, murmelt Glronfindel. „Doch ergeben sie für mich im Moment keinen Sinn!“
Höflich neigt Celebrian den Kopf. „Dann will ich hoffen, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft den gewünschten Sinn ergeben werden.“ Mit diesen Worten hat sie ihrem Gemahl die Hand auf den Arm gelegt, welcher ihr half, sich vom Stuhl zu erheben.

Warme Haut schmiegt sich an Erestors Rücken, während Finger über seinen Körper gleiten. Nägel kratzen leicht über den Bauch bis zur Leiste hinab, umspielen kurz seine Mitte, nur um ihren Weg wieder hinauf zu seiner Brust zu finden. Helle Augen beobachten ihn, nehmen jeder einzelne Regung in sich auf, folgen den streichelnden Hände.
Er spürt, wie die Berührungen das Blut erhitzen und atemlos machen. Mit leisem Stöhnen schmiegt er sich in die Wärme, hebt seinen Körper den Händen entgegen. Goldfarbenes Haar gleitet über seine Haut, als sich der andere über ihn beugt, mit den Lippen eine Spur von Schulter zum Hals hin zieht und eine Hand wieder über Brust und Bauch hinab gleitet. Erwartungsvoll bewegt er sich ihr entgegen und keucht genussvoll, als sie ihn umschließt.
Wann hat sich jemals ein Traum so real angefühlt, dass er sogar den Atem des anderen auf seiner Haut spüren kann oder die Härte, die gegen seinen Körper gepresst wird?

Erschrocken reißt Erestor die Augen auf und steht im nächsten Moment neben dem Bett. Aufgebracht blickt er den im Bett liegenden an. „Was hat das zu bedeuten? Und vor allem: Was machst du hier?“
Lindir hat sich bequem in die Kissen gelehnt und die Arme im Nacken verschränkt. Zufrieden aber auch etwas anzüglich lässt er den Blick über Erestors Körper gleiten, dessen Haut schwach im Licht des Kaminfeuers schimmert. „Ich war damit beschäftigt, dir deinen Wunsch zu erfüllen“, sagt er lächelnd. „Und ich denke, dass du bisher nicht ganz abgeneigt warst.“ Deutend blickt er auf Erestors Mitte. Dieser greift schnell nach dem nächsten, dessen er habhaft werden kann und erwischt ein Laken vom Bett, mit welchem er seine Blöße verdeckt.
„Ist es deine Art, dich uneingeladen in die Betten anderer zu schleichen?“, zischt Erestor, gleichermaßen wütend auf den Meistermusikanten, der sich in sein Bett gelegt hatte und auf sich und seinen Körper, in welchem noch immer die Lust pulsiert.
Seufzend setzt sich Lindir auf. „Also, ich gestehe, dass ich es als Einladung verstanden habe, auch wenn du mich währenddessen nicht angesehen hast.“ Kurz zuckt er mit der nackten Schulter, wodurch die Bettdecke herab rutscht und mehr von seinem Körper offenbart, als Erestor zu sehen wünscht. Geradezu nachsichtig lächelt er diesen an. „Aber der gute Fin ist schon eine Augenweide. Von ihm kann man schwerlich den Blick abwenden.“ Plötzlich beugt er sich weiter vor und langt nach dem Laken, welches sich der Ratgeber um die Hüften geschlungen hat. „Ich kann dich den Glorreichen vergessen machen!“, verspricht er mit dunklen Augen, während er ihn am Tuch heran zieht.
„Kannst du ihn auch aus meinen Träumen vertreiben, Lindir?“, flüstert Erestor. Trauer und Verzweiflung schwingen in der Stimme leise mit, verdeutlichen um so mehr, wie tief der Abgrund in ihm klafft und ihn um so mehr vor der Gesellschaft flüchten lässt. „Ich weiß, dass er nicht für mich bestimmt ist. Dafür lässt er sich zu gern in Gesellschaft von Celebrians Damen sehen, als dass er sich mit mir abgeben würde.“
„Du bist ein Trottel“, platzt es aus Lindir heraus und im nächsten Moment steht er neben dem Ratgeber. Wie schon zu einer anderen Gelegenheit, legt er ihm die Hand an die Wange, jedoch mehr in einer tröstlichen Geste als der, ihn verführen zu wollen. „Du bist das Beste, was Frau oder Mann geschenkt bekommen könnte“, sagt er eindringlich. „Nur leider bist du zu verbohrt, als dass du deinen eigenen Wert erkennst. Was meinst du wohl, warum ich geradezu darum bettle, dich lieben zu dürfen?“ Ein Lächeln huscht über Lindirs Gesicht. „Wenn es nicht zu aufdringlich wäre, würde ich auf Knien vor dir rutschen!“
Nun ist es an Erestor sich ein Lachen zu verbeißen, trotzdem ist die Heiterkeit in seiner Stimme nicht zu überhören: „Der Eine möge mich davor bewahren, das erleben zu müssen!“
Leise seufzt Lindir. „Es ist gut, dich lachen zu sehen“, sagt er und berührt mit den Fingerspitzen die Lippen Eretors, lässt sie leicht darüber gleiten. „Ich könnte darin versinken.“ Widerwillig zieht er die Hand zurück und lächelt den Schwarzhaarigen entschuldigend an. „Ich denke, dass es wohl das beste ist, wenn ich mich nun in meine eigenen Räume zurückziehe. Schließlich soll hier ja nichts geschehen, was du nicht wünschst.“
Zustimmend nickt Erestor. „Ich danke dir, dass du mich verstehst, Lindir“, murmelt er dankbar und beobachtet, wie der andere sich ankleidet.
Lindir winkt nur kurz ab. „Ich habe dir meine Ansicht dazu gesagt, mein Lieber, und wiederhole es, so oft du es hören willst: Du bist das Beste, was einem Eldar geschehen kann und bist es wert, bedingungslos geliebt zu werden. Und dazu gehört auch, dass man Rücksicht nimmt und die Beweggründe so akzeptiert, wie du sie mir dargestellt hast, ohne sie zu hinterfragen.“
Inzwischen hat sich Lindir wieder korrekt angekleidet und bereits die Tür halb geöffnet. Eilig tritt Erestor zu ihm und berührt ihn zögernd am Arm. „Trotzdem ist es keine Selbstverständlichkeit, auch wenn du es so hinstellen willst und dafür danke ich dir.“
Lindir blickt zuerst erstaunt auf die Hand, die ihn berührt, dann huscht ein erfreutes Grinsen über sein Gesicht. Gleich darauf fühlt sich Erestor in eine geradezu liebevolle Umarmung gezogen.  

Kapitel 4

 Seit jenem denkwürdigem Abend ist inzwischen bereits eine ganze Woche vergangen, in welcher Erestor noch immer hin und her schwankt, wie er denn seine Aufgabe für das Mittwinterfest lösen soll. Nun war ja dank Celebrians Hilfe einiges zu Tage gefördert worden und auch ein wichtiger Hinweis ist genannt worden, jedoch hat er noch nichts in Angriff nehmen können. Zu sehr ist er so kurz vor dem Feiertag mit den täglichen Pflichten beschäftigt, die sich wahrlich bereits auf seinem Schreibtisch türmen, als dass er auch noch Zeit und Muße hätte, sich um solche „Kleinigkeiten“ zu kümmern.
Gerade klopft es mal wieder leise an seiner Tür und ohne von seiner Arbeit aufzublicken ruft er mit einem Seufzen „Herein!“
„Du siehst wirklich sehr beschäftigt aus, mein Lieber!“, erklingt gleich darauf Lindirs belustigte Stimme.
Erestor legt die Feder zur Seite und lehnt sich zurück. „Was treibt dich her?“, fragt er ihn und fährt sich mit einer müden Bewegung durch das schwarze Haar.
„Ich langweile mich etwas und dachte, ich könnte dich etwas aufheitern“, antwortet Lindir und lässt sich auf dem Besucherstuhl nieder.
„Du wirkst wie eine Katze, die an der Sahne war.“ Tatsächlich sieht der Angesprochene sehr zufrieden mit sich und der Welt aus.
„Die Proben mit dem Quartett für das Mittwinterfest verliefen ausgezeichnet und die Aufgabe, die ich von unserem lieben Herrn Elrond bekommen habe, ist auch schon erledigt.“ Unbestimmt wedelt er mit der Hand, als würde er eine Rauchwolke auseinandertreiben. „Und nun bin ich hier!“
„Ja, das sehe ich!“, murmelt Erestor. „Und was möchtest du mir damit mitteilen?“
„Ich langweile mich“, wiederholt Lindir, „und ich dachte, dass ich dir vielleicht helfen könnte. Und Nein!, nichts was in irgendeiner Art und Weise mit Zahlen, Buchstaben und Schreibfedern sowie Tinte und Papier zu tun hat.“
Erestor schiebt überlegend die Unterlippe vor. „Ich fürchte, dass du dich in diesem Fall weiterhin langweilen musst“, schmunzelt er schließlich.
Traurig lässt Lindir den Kopf hängen und ein tiefer Seufzer entringt sich ihm. „Ich hatte so sehr gehofft, dass du mir helfen kannst. Nun muss ich hinunter in die Küche und Kartoffeln schälen, weil selbst die Küchenhelfer bis an die Nasenspitze mit den Vorbereitungen des Festes beschäftigt sind.“
Der Ratgeber muss sich auf die Innenseite der Wange beißen, um nicht laut loszulachen. Zu verzweifelt und niedergeschlagen klingt die Stimme des anderen, dass er es nicht anders als theatralisch auffassen kann. Ihm kommt jedoch ein Gedanke. „Bei einer Sache könntest du mir helfen“, beginnt er zögerlich, ob er sich denn in dieser Angelegenheit überhaupt an jemanden wenden darf, jedoch lässt der hoffnungsvolle Blick Lindirs seine Bedenken schwinden. „Ich bin mit Elronds Auftrag noch nicht weiter gekommen und ...“
„Pffff!“, macht Lindir und schüttelt mitleidig den Kopf. „Ach, du Armer! Noch nicht? Und dabei sind es nur noch zwei Tage bis zum Fest!“
Von jedem anderen hätte sich Erestor solch eine vertrauliche Anrede verbeten, doch lässt ihn Lindirs offenherzige Anteilnahme darüber hinweg sehen. „Zuerst wusste ich nicht, was gewünscht wird und nun ...“, mit einer weisenden Geste deutet er auf die Stapel an Papier, welche sich auf seinem Tisch türmen. „Es fehlt mir einfach die Zeit, mich um persönliche Angelegenheiten zu kümmern!“
„Und wie kann ich dir nun helfen?“, fragt Lindir sich interessiert vorbeugend. Von der zuvor gezeigten Verzweiflung kann Erestor nun nichts mehr im jugendlich wirkenden Gesicht des anderen entdecken.
„Du müsstest eigentlich nur in die Küche oder in die Backstube gehen und veranlassen, dass ich heute oder morgen rein kann.“
„Wo rein?“, wundert sich der Meistermusikant. „In die Backstube etwa?“
Erestor nickt. „Ja, am besten wäre noch heute Abend.“
Lindir pfeift leise. „Das könnte schwierig werden, da es dort wie in einem Bienenstock zugeht“, murmelt Lindir und blickt dann Erestor fragend an. „Würdest du mir verraten, was du dir vorgenommen hast? Möglicherweise kann ich dir dann besser helfen?“
Kurz zögert der Berater, bevor er zustimmend nickt. „Ich habe mir vorgenommen, Kekse zu backen.“
Überlegend neigt Lindir den Kopf. „Kekse?“, fragt er nach und fast im selben Moment huscht Erkenntnis über sein Gesicht. „Für den glorreichen Fin?“
„Ja, für eben diesen!“ Geradezu ergeben seufzt Erestor. „Leider!“
„Warum 'leider'?“, hakt Lindir nach. „Du magst ihn doch - oder vielleicht nicht?“
Der Berater spürt, wie ihm das Blut in die Wangen schießt und auch seine Ohren zu glühen scheinen. „Ja, und möglicherweise mag ich ihn zu sehr“, gesteht er leise.
Verständnislos schüttelt Lindir den Kopf. „Wie kann man jemanden zu sehr mögen?“
Leise seufzt Erestor. Ja, das Gleiche hat er sich auch gefragt und noch so vieles andere, worauf er keine Antworten finden konnte. Unzufrieden bewegt er die Schultern. „Ich habe das seltsame Gefühl, dass du mich soeben versuchst zu verhören!“, grinst er etwas schief Lindir an, doch dieser schüttelt nur ein weiteres Mal den Kopf.
„Ich lasse mich nicht so einfach abspeisen!“, gibt er ihm energisch Bescheid. „Ich weiß nicht, was dein Problem mit dem Goldhaarigen ist.“
Mit rotglühenden Wangen blickt Erestor sein gegenüber an und zuckt hilflos mit einer Schulter. „Ich weiß nicht, ob er mich ebenso mögen könnte.“
Lindir lacht leise. „Ich hoffe sehr für Elronds Haus, dass du in allen anderen Dingen mit offenen Augen durch die Welt eilst. Aber was dich selbst betrifft, scheinst du so blind wie ein Maulwurf zu sein!“ Schmunzelnd beugt er sich vor. „Egal, wo du dich aufhältst, der Balrogtöter ist stets in deiner Nähe. Inzwischen heißt die Antwort darauf, wo man Glorfindel finden kann, dort, wo man dich sucht!“
„Das ist nicht dein Ernst!“, zischt Erestor erschrocken, dessen Gesicht kalkweiß geworden ist. „Was werden die Leute von mir denken?“
„Du machst dir mehr Gedanken darüber, wie andere dich sehen, als um dein eigenes Wohl?“, grollt der andere. „Und damit du es weißt und du dir deswegen nicht schon wieder Gespinste ins Hirn setzt: Jeder einzelne in diesem Haus freut sich für dich und findet es ehrlich gesagt unverständlich, wie es sein kann, dass dir das glorreiche Verhalten des edlen Fins noch nicht aufgefallen ist!“
Etwas hilflos wirkt der Blick, den Erestor seinem Gegenüber zuwirft. Einige Male hat es den Anschein, als würde er zum Sprechen ansetzen, jedoch schließt er ohne einen Ton wieder die Lippen.
Bei dem Anblick beschleicht Lindir das schlechte Gewissen. „Du weißt, dass ich dich liebe und es wäre das Höchste für mich, wenn du mich akzeptieren könntest. Doch leider ist dem nicht so und von daher gibt es für mich kaum etwas Schlimmeres, als dich leiden zu sehen. Du rennst jeden Tag an ihm vorbei und siehst ihn nicht!“
Erestor schüttelt den Kopf. „Doch, ich sehe ihn. Sobald ich nur die Lider schließe, habe ich sein Bild vor Augen!“
„Warum von ihm träumen, wenn du ihn haben kannst?“, fragt Lindir herausfordernd. „Er frisst dir schon fast aus der Hand, du musst ihn nur noch etwas mehr anfüttern!“
Ein leises Stöhnen entringt sich der Brust des Ratgebers. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du diese äußerst blumigen Umschreibungen unterlassen könntest, Lindir!“
„Warum nicht? Ich persönlich empfinde diese Gleichnisse sehr passend, vor allem, da es am Ende alles auf eine Jagd hinausläuft“, erklärt er schulterzuckend.
„Es erzeugt in mir das Bild, dass ich versuche, das Vertrauen eines jungen Hundes zu gewinnen.“
„Na gut, ich würde Glorfindel nicht gerade als Welpen sehen. Wenn, dann schon eher als einen der stattlichen Hengste der Mearas!“
Seufzend fährt sich Erestor über das Gesicht. „Das Bild, das du in meinem Kopf damit zeichnest ist noch wesentlich … schlimmer als das meinige!“
„Du meinst doch wohl wesentlich anregender!“, lacht Lindir, als er in das hochrote Gesicht des Beraters blickt. Dieser winkt schmunzelnd ab. „Können wir wieder zum eigentlichen Thema des Gesprächs kommen?“
„Selbstverständlich!“ Anzüglich wackelt Lindir mit den Augenbrauen. „Glorfindel!“
Ein tiefes Seufzen entringt sich Erestor. „Ich spreche von den Keksen!“
„Ah, ja, die Kekse!“, seufzt auch Lindir, blickt dann aber Erestor neckisch an. „Über Fin würde ich jedoch wesentlich lieber sprechen. Wenn auch nur sein Name erwähnt wird, erstrahlst du regelrecht in einer äußerst gesunden Gesichtsfarbe.“ Bevor der andere darauf etwas erwidern kann, hebt Lindir ergeben die Hände und deutet mit dem Neigen des Kopfes eine spöttisch wirkende Verbeugung an. Doch funkeln seine Augen dabei vor unterdrücktem Lachen und nehmen der Haltung einen großen Teil der Ernsthaftigkeit. „Aber ich beuge mich den Wünschen des Herrn Erestor und eile auf dem kürzesten Wege in die Backstube, um seinen Auftrag zu seiner vollsten Zufriedenheit auszuführen!“

Mit einem unzufriedenen sowie ungeduldigem Gefühl eilt Glorfindel die Stufen zu seinen Räumen hinauf. Eigentlich hat er in den vergangenen Tagen kaum ein anderes Gefühl erfahren als jene. Bereits am Morgen, sobald er die Lider aufschlägt, erfüllt ihn dieses unbestimmbare Etwas mit einer Unruhe, die er an sich noch nie feststellen musste und macht ihm seine täglichen Pflichten geradezu unmöglich. Dann ist er immer wieder froh darüber, so wie jetzt, die Tür hinter sich schließen und die Welt aussperren zu können.
Eilig entledigt er sich des schweren Kollers aus hellem Leder, welches er häufig bei Waffengängen auf dem Platz trägt, sowie der hochgeschnürten Stiefel in der gleichen Farbe. Nur unwesentlich heller sind die wattierte Jacke sowie die Beinkleider, die darunter sichtbar werden. Auch der Jacke entledigt er sich und das Halstuch lockert er, bevor er sich aus einer Karaffe ein Glas des schweren Winterweins eingießt, dessen Trauben erst nach dem ersten Frost geerntet wurden und noch die Sonne des vergangenen Sommers und die süße Schwere des Herbstes in sich tragen. Mit dem Glas in der Hand lässt er sich in den Sessel nieder, der vor dem hohen Kamin steht und dessen Feuer die winterliche Kälte vertreibt. Entspannt lehnt er sich zurück, ein Bein über die Armlehne gelegt und den Wein gegen das Licht der Flammen erhoben. Geradezu blass leuchtet die Flüssigkeit in dem geschliffenen Glas und wirkt dadurch kühl und erfrischend. Und doch weiß er, wie sich sein Geschmack mit dem kleinsten Tropfen auf seiner Zunge entfalten würde. Warm würde er über seine Zunge gleiten, mit dem Versprechen auf Hitze seinen Mund erfüllen und heiß den Rachen hinabrinnen. Wärme zieht wie in Vorfreude in seinen Magen, breitet sich langsam in seine Glieder aus und macht sie schwer.
Schließlich hebt er das Glas an die Lippen, genießt das Gefühl, wie sich die Fülle des Weines in seinen Mund ergießt und die Vorstellungen wahr werden lassen. Ob sich andere Wünsche ebenso erfüllen werden?
Gedanken kommen Glorfindel in den Sinn, Erinnerungen, welche ihn zu jenem Abend in der Halle des Feuers zurückführen, gerade zu jenem Moment, in welchem ihn die Träume überrannten. Wieder hat er das Bild schwarzer Strähnen vor Augen, die seine Gliedmaße umschlingen, ihn binden und halten. Doch spinnen nun seine Gedanken den Faden weiter, ungehindert, nur vom leisen Knistern und Zischen der Flammen untermalt, die am Holz lecken. Allein die Vorstellung lässt sein Blut durch seinen Körper pulsieren und den Wunsch aufkommen, dass es wahr wäre.
Zu allem Übel hat er Erestors Worte wieder im Ohr und sein Blick vor Augen: Dunkel, fast wie in Lust verhangen und voller Sehnsucht hatte er ihn angeblickt und wären sie allein gewesen … Er hätte ihn an sich gezogen, seine Hände in dem schwarzen Haar vergraben …
Zur gleichen Zeit war er mehr als erstaunt darüber gewesen, dass der Ratgeber so empfinden könnte und bestürzt über seine Flucht aus der Halle, denn anders kann er es nicht beschreiben. Alles in ihm strebte danach, Erestor zu folgen, ihn für seine Worte zur Rede stellen und doch blieb er sitzen. Wie festgenagelt fühlte er sich, überrumpelt von den eigenen Gefühlen, die ihn sprachlos machten und seine Glieder kraftlos.
Ganz anders als jetzt, wo gerade das Blut durch seine Glieder pulsiert, der Wein die Kälte vertreibt und der Gedanke an dunkle Augen ihn unwillkürlich stöhnen lassen.
Eilig kippt Glorfindel den Rest des Glases in sich hinein. Nein, so kann es nicht mehr weitergehen! Manchmal fühlt er sich wie ein Hündchen, dass seinem Herrn hinterher hechelt und auf jeden Blick und die kleinste Geste reagiert. Schon wird er mit schiefem Blick betrachtet, wenn er sich auf dem gleichen Flur aufhält wo er Erestors Arbeitszimmer weiß. Doch soll er sich dafür rechtfertigen, dass ihn seine Pflichten gerade in den letzten Tagen häufiger als normal hierher führten? Trotzdem hoffte er, ihn zumindest von fern sehen zu können ...
Aber sollte sich so ein Fürst Gondolins benehmen? Was würden Weggefährten von ihm denken, könnten sie ihn jetzt so sehen?
Als wolle es seine Qualen perfekt machen, knistert es leise in seiner Rocktasche, als er das Glas zur Seite stellen will und unwillkürlich legt er die Hand darauf. Seit jener Besprechung bei Elrond führt er das kleine Stück Papier stets mit sich und hat zu allem Überfluss manchmal den Eindruck, dass dieser kleine Fetzen ein Loch in seinen Rock brennen könnte. Er scheint den Stoff zu versengen und doch kann Glorfindel ihn nicht fortlegen oder gar vernichten. Jeden einzelnen Federstrich auf dem Papier ist ihm ebenso vertraut wie sein eigenes Spiegelbild und hat ihm eine Aufgabe auferlegt, welche er inzwischen nicht anders als einen Wahn bezeichnen könnte.

Ein leises Klopfen an der Tür lässt den Balrogtöter unwillkürlich zusammenfahren. Sinnlose Hoffnung kocht in ihm hoch und treibt ihn voran, schnellstmöglich die Tür zu öffnen.
„Ach, Ihr seid es!“, murmelt er und kann nur schwer seine Enttäuschung verbergen. Jedoch tritt er zur Seite, um den anderen eintreten zu lassen.
Lindir nickt: „Ich weiß ja nicht, wen Sie sonst erwartet haben!“
„Und ich wüsste nicht, was Elronds Meistermusikant bei mir zu suchen hätte“, antwortet der Goldhaarige knurrig. „Wenn Ihr jemanden für Euer Orchester sucht, dann seid Ihr bei mir an der falschen Stelle.“
„Ein gemeinsamer Freund schickt mich“, sagt Lindir, ohne auf Glorfindels Bemerkung einzugehen.
Ungläubig zieht dieser die hellen Augenbrauen hoch. Sollte es wirklich so sein?
Doch gleich schüttelt der andere mit einem schiefen Grinsen den Kopf. „Nein, leider schickt er mich nicht und zum Glück weiß er nichts von meinem Hiersein, sonst würde er mir wohl den Kopf abreißen.“
Nun rutschen die Augenbrauen im Nichtverstehen zusammen. „Was redet Ihr?“
Dicht tritt Lindir an den hochgewachsenen Noldor heran, muss sogar den Kopf leicht nach hinten neigen, um den anderen in die Augen blicken zu können. „Wenn Ihr, Herr Glorfindel, nicht zu denen gehört, die ihr Schwert in Eis taucht, um Euch abzukühlen, dann solltet Ihr mir gut zuhören.“
„Meiner Meinung nach, habt Ihr dem Wein bereits zu sehr zugesprochen!“, murmelt Glorfindel und will Lindir am Arm ergreifen, um ihn zur Tür hinauszuschieben. Das ganze Gerede des dunkelhaarigen ist ihm einfach zu dumm und ergibt kaum Sinn.
Doch dieser entzieht sich seiner Hand. „Dann muss ich wohl deutlicher werden!“, zischt er den anderen an. „Ich glaube nicht, dass Ihr zu denjenigen gehört, die mit eigener Hand ihr Schwert schärfen … ahhh, ich meinte, sich selbst Befriedigung verschaffen. Daher solltet Ihr mir gut zuhören!“
Interessiert neigt Glorfindel nun den Kopf. „Und? Was wollt Ihr mir damit sagen? Wie Ihr seht, höre ich Euch zu!“, hakt er nach, die Arme vor der Brust verschränkt.
Unwillkürlich schluckt Lindir, als sich die Armmuskeln vor seinen Augen wölben und kaum kann er den Blick wieder abwenden. „Ah, nun ist mir absolut verständlich, was Erestor an Euch fasziniert!“, murmelt er mit einem anzüglichen Lächeln, wird jedoch sofort ernst, als er in die hellen Augen des Balrogtöters blickt. „Mir ist aufgefallen, dass Ihr in den vergangenen Tagen um unseren lieben Berater herum schleicht ...“
„Ich schleiche nicht!“, wird Lindir brummig unterbrochen, doch winkt dieser nur ab.
„Wie Ihr meint! - Zudem verkriecht sich Herr Erestor in seinen Räumen, was Euer 'Nichtschleichen' sehr schwierig gestaltet! Daher: Ich weiß, wo Ihr ihn ungestört sprechen könnte, ohne dass er sich vor Euch verstecken kann!“
Glorfindel wollte Lindir bereits ein weiteres Mal unterbrechen, schließt aber wieder den Mund. „Warum macht Ihr das?“, bringt er schließlich hervor. „Ich weiß, wie Ihr zu ihm steht!“
Geradezu traurig blickt Lindir. „Wenn Ihr seht, dass sich ein geliebter Elb quält, dass es selbst Unwissenden auffällt, und er die Lösung für das Dilemma von sich aus einfach nicht ergreifen will, würdet Ihr dann nicht auch helfen? Aber eine Bedingung habe ich noch, bevor ich Euch den Ort für das heimliche Treffen nenne!“ Kurz wartet er auf eine Bestätigung, die er als ein Nicken erhält. „Verratet mir, was Elrond Euch als Aufgabe auferlegt hat!“
Ohne Zögern zieht Glorfindel den gefalteten Zettel aus seiner Rocktasche und reicht ihn Lindir, der gleich darauf auf die wenigen Worte starrt und nur mit Mühe ein ungläubiges Lachen unterdrücken kann. „Erfülle Erestor einen Wunsch“ ist dort zu lesen.
Schmunzelnd reicht er das Papier zurück. „Verrückt, wie das Leben spielen kann!“, murmelt er leise.

Kapitel 5

 Erestor weiß nicht, wie oft er bereits Glorfindel für seinen kindischen und auch komischen Wunsch verflucht hat. In Hemdsärmeln steht er vor der steinernen Arbeitsfläche, auf welchem er sich soeben abmüht, klebrigen Gebäckteig auszurollen. Zum wiederholten Male wickelt sich die Masse um das Holz und nur mit Geschick kann er ihn wieder lösen, ohne sein bereits erreichtes Ergebnis zunichte zu machen. Genervt bläst er sich eine Strähne aus dem Gesicht, welche sich aus dem Zopf gelöst hat, der zum Beginn seiner Arbeit noch straff zurückgebunden war. Nun hängt ihm der Zopf halb aufgelöst über der Schulter. Von Mehl bestäubt ist das tiefe Schwarz nur zu erahnen.
Noch vor gut einer Stunde hat sich Erestor das Vorhaben wesentlich einfacher vorgestellt. Zu dieser Zeit hatte er die Backstube betreten, wo der Bäckermeister bereits auf ihn wartete. Von oben bis unten hatte er den Berater gemustert, bevor er diesen zu einen Tisch führte, dessen Arbeitsplatte aus graugemasertem Marmor besteht. Verschiedene Krüge, kleine Fläschchen und Schüsseln waren an einer Seite ordentlich aufgereiht und mit allem gefüllt, was er möglicherweise gebrauchen könnte. „Damit Ihr in meiner Stube nicht alles durcheinander bringt!“, hatte der Herr der Backstube erklärt und mit erhobenem Zeigefinder gefordert, dass er 'Tisch und Stube am Morgen wieder so vorfinden will, wie jetzt'. Erestor hatte nur eine Augenbraue hochgezogen und nichts darauf erwidert, denn er hatte bestimmt nicht die Absicht, eine allzu große Unordnung zu machen.
Entsprechend der Aussage des für einen Elben recht rundlichen Bäckers, sollte die Hitze des Backofens noch für zwei oder drei Bleche ausreichend sein und tatsächlich legte der Berater wegen der herrschenden Wärme schon nach kurzer Zeit den schwarzen Rock ab. Inzwischen waren auf ihm auch schon einige Mehlflecke zu entdecken.
„Der Teig ist zu warm!“, ertönt von der Tür her Lindirs Stimme. Ungeachtet des unleidlichen Blickes Erestors kommt er hereingeschlendert, die Hände auf dem Rücken verschränkt, wie es Herr Elrond auch gern tut. „Wenn du ihn kühlst, lässt er sich besser formen.“ Kurz blickt er in den Backofen und nickt anerkennend. „Das sieht ja wirklich gut aus! Mir scheint, dass du deine Bestimmung verfehlt hast.“
Die Hände schwer auf die dunkle Arbeitsplatte gestützt, blickt Erestor Lindir genervt an. „Wenn du nichts weiter kannst als gute Ratschläge zu verteilen, dann geh bitte“, fährt er ihn an.
Beleidigt verschränkt der Musiker die Arme vor der Brust. „Es ist deine dir auferlegte Pflicht! Was soll ich dir da helfen? Zudem hatte ich von dir ebenso wenig Hilfe bekommen und schließlich kann ich auch nichts dafür, dass heute erst die Backstube frei ist!“
Grummelnd zieht Erestor die Augenbrauen zusammen, jedoch widmet er sich eher wieder dem Ausrollen des Teiges, als dem anderen eine passende Antwort zu geben, denn leider hat dieser Recht. Und eigentlich will er nur noch mit dieser lästigen Arbeit fertig werden und dann endlich schlafen gehen. Bestimmt ist es bereits gegen Mitternacht und der morgige Tag wird wie in jedem Jahr voller Stress sein, zumal jeder im Hause Elronds bestrebt sein wird, seine Zuarbeiten für den Hausherrn rechtzeitig herzureichen und dummerweise geht dieser Weg unweigerlich über den Tisch Erestors.
„Ich habe noch eine Erledigung und werde dir danach sogleich helfen kommen!“, hört Erestor nach einer Weile Lindir sagen. Nachdenklich zieht er die Stirn kraus. 'Zu dieser Zeit machst du Termine aus?', will er soeben erstaunt fragen, blickt jedoch nur noch auf die Tür, welche sich hinter dem anderen schließt.
Leise aufseufzend wendet er sich dem Backofen zu, in dessen Röhre das erste Gebäck bereits die goldbraune Farbe zeigt. Mit Hilfe eines dicken Tuches hebt er das heiße Blech aus dem Ofen, um sogleich ein neues Blech hinein zu schieben. Der süße Duft der heißen Kekse umschmeichelt regelrecht seine Nase, lässt ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen und wenn er bedenkt, wie süß sie schmecken könnten … Glorfindel hatte wohl doch keinen so seltsamen Wunsch geäußert! Und nur noch die süße Glasur fehlt, um das Geschenk zu vollenden. Dass ein Keks mehr Ähnlichkeit mit einem Olifanten aufweist, als mit einem Stern, tut seiner Begeisterung für die bisher geleistete Arbeit keinen Abbruch.
In aller Eile stellt er alles für die Glasur zur Seite, bevor er sich dem Ausstechen weiterer Teigteilchen sowie dem Belegen des nächsten Bleches widmet.

Leise schiebt Glorfindel die Tür weiter auf und was er sieht, lässt ihn schmunzeln und gleichzeitig raubt es ihm den Atem. Vor wenigen Minuten erst hatte Lindir vor seiner Tür gestanden und ihm mitgeteilt, dass er sich in der Backstube einfinden soll. Warum? Das hat er nicht gesagt, doch klangen seine Worte dringlich und selten hat Glorfindel den anderen mit solch ernstem Gesicht gesehen.
„Wenn du diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen lässt, dann bist du ein Dummkopf wie er im Buche steht, edler Fin, und ich würde mich in diesem Fall ernstlich fragen, ob all die Heldengesänge über dich der Wahrheit entsprechen!“, hatte der dunkelhaarige gesagt und ließ in Glorfindel eine Ahnung von dem aufkeimen, was - oder wohl eher wen - er hier finden würde.
Nun steht er hier, betrachtet das Bild, welches sich ihm bietet: Erestor mit feinem Mehl überstäubt, so dass sein rabenschwarzes Haar stumpf und grau im Licht der vielen Kerzen wirkt. Strähnen haben sich aus dem wohl zuvor fest geflochtenen Zopf gelöst und hängen ihm nun über Schulter und Stirn fast bis auf die dunkle Arbeitsplatte, über welche er sich beugt. Es ist warm in der Stube und von daher verwundert es Glorfindel nicht, dass der Ratgeber den schwarzen Rock abgelegt hat. Ihn jedoch in einer anderen Farbe als jener der Nacht zu sehen, lässt die Gestalt vor ihm unwirklich erscheinen. Fremd wirkt er und gleichzeitig nimmt es dem schwarzhaarigen einen großen Teil der Unnahbarkeit und Steife, die er sonst stets innehat.
Dieser scheint so in seine Arbeit vertieft, dass er das Nähertreten des anderen kaum zur Kenntnis nimmt. Erst als Glorfindel sich leise räuspert erhält er eine Reaktion, jedoch nicht in der Art, wie sich vermuten ließe. Stattdessen deutet Erestor ohne aufzublicken auf einige Schüsselchen, welche auf einem nahen Tisch stehen. „Gut, dass du endlich kommst!“, hört Glorfindel ihn sagen. „Dort steht alles für die Zuckerglasur. Rühre sie bitte an, damit ich gleich mit dem Dekorieren beginnen kann, wenn ich mit diesem Blech hier fertig bin!“ Sein Blick ist auf das besagte Blech vor ihm geheftet und mit ernstem Blick, als würde er mit seinen Zahlen arbeiten, ordnet er Sternschnuppen und Rauten an. Unwillkürlich muss Glorfindel schmunzeln, wird ihm doch in diesem Moment bewusst, was der andere dort gerade macht – und auch für wen.
Aber beim Backen helfen? Davon hatte Lindir nichts gesagt.
Mit erhobener Augenbraue blickt er in die Schälchen und nimmt einige der kleinen Fläschchen zur Hand, welche mit verschiedenen Farben gefüllt und ordentlich nebenbei aufgereiht sind. Kurz wirft er einen Blick zu dem anderen hinüber, der wieder in sein Tun versunken scheint. Schlussendlich zuckt er nur mit der Schulter und macht sich daran, die erste Glasur anzurühren.

Gerade zählt er tiefrote Tropfen in den Zucker als blechernes Scheppern den Raum erfüllt und selbst die Kerzen flackern lässt. Glorfindel selbst rutscht vor Schreck das Fläschchen in den Zucker.
„Was machst du hier?“, erklingt gleich darauf die atemlose Stimme Erestors. Dieser muss soeben das Gebäckblech aus dem Ofen gehoben haben, denn nun liegen die goldgelb gebackenen Kekse auf dem Boden verstreut und obenauf das Blech.
Mit schiefem Lächeln und spitzen Fingern hebt Glorfindel das gezuckerte Glasgefäß aus dem Schälchen, während leise gluckernd die dunkle Flüssigkeit ausläuft. „Den Zucker verrühren“, murmelt er. „Aber ich fürchte, nun ist er verdorben.“ Seufzend stellt er das Schälchen auf den Tisch zurück.
„Du weißt sehr gut, was ich meine“, antwortet Erestor leise herausfordernd, die Augenbrauen zusammengezogen. Jedoch eine kleine Ahnung kommt ihm. „Lindir hat dich geschickt?“
„Und wenn es so wäre?“, fragt Glorfindel nun sein Gegenüber offen anblickend. „Er wusste, dass ich mit dir sprechen muss.“
„Ihr wisst, wo mein Arbeitszimmer ist und hättet mich dort jederzeit aufsuchen können.“ Unwillkürlich hat Erestor die unpersönliche Anrede gewählt, als könne er sich hinter ihr verstecken. Tatsächlich verschafft sie ihm ein Gefühl des Abstandes zu Glorfindel, welcher eine Bewegung macht, als würde er auf ihn zu treten wollen.
„Ich wollte nicht, dass du dich hinter deinem Schreibtisch versteckst, so wie du es in diesem Augenblick hinter unbedeutenden Floskeln versuchst.“
Fest presst Erestor die Lippen aufeinander. Was soll er darauf antworten? Dass sich der Goldhaarige irrt und er sich keineswegs versteckt? Wie Recht doch der andere hat und sich selbst versucht er zu belügen! Heute ist seines Wissens nach das erste Mal, dass sie ein Gespräch führen, welches nicht von geschäftlichen Interessen geprägt ist. Und dies verwirrt den Ratgeber. Auch wenn er sich in den vergangenen Tagen besonders mit Lindir in gewisser Weise verbunden fühlte und er sich somit mit seinen Wünschen und Hoffnungen zwangsläufig auseinandersetzen musste, so fällt es ihm doch schwer, sich seinen Gefühlen zu stellen. Es will ihm nicht gelingen, sie sich selbst gegenüber einzugestehen und den Schmerz dadurch zu überwinden, welchen die Weigerung unwillkürlich hervor ruft.

Überdeutlich kann Glorfindel den Zwiespalt erkennen, welcher sich in Erestors Gesicht widerspiegelt. Ungewohnt lebhaft zeichnen sich seine Gefühle ab und selbst die hart aufeinander gepressten Lippen hindern sie nicht daran. Eher erscheinen sie noch dadurch betont. Die stets blassen Wangen sind nun wie in Hektik gerötet und auch etwas, was Glorfindel nicht anders als Panik deuten kann, ist in den dunklen Augen zu sehen.
In jeder anderen Situation, in welcher er solcherlei Regungen in seinem gegenüber wahrnehmen würde, würde er den Rückzug antreten. Doch nicht heute, wo ihn das Gefühl erfüllt, dass es um sein zukünftiges Leben geht, um ihn und dem anderen allein.
Ungeachtet der verstreut liegenden Kekse tritt Glorfindel dicht an Erestor heran, welcher kaum in der Lage scheint, sich zu bewegen und sich der Nähe des Noldor zu entziehen. „Worüber wolltest du mit mir sprechen, was nur um Mitternacht erörtert werden kann?“, murmelt er schließlich, den Blick zu Glorfindel erhoben. Unwillkürlich wird ihm bewusst, dass der andere ihn um fast einen Kopf überragt und somit selbst für einen Eldar ungewöhnlich groß ist. Muss er jedoch gerade in diesem Moment auf solch eine Kleinigkeit achten? Der heiße Knoten in seinem Leib verunsichert ihn und die Nähe des anderen scheint ihm den Atem zu rauben. Doch ebenso kann es sein, dass er nur atemlos auf dessen Antwort wartet.
„Ich muss wissen, wie du zu mir stehst“, antwortet Glorfindel leise, nicht ahnend, welche Schauer seine sanfte Stimme in dem Ratgeber auslöst.
„Hier!“, murmelt Erestor verträumt und glaubt in den hellen Augen versinken zu müssen. Gleich darauf schießt ihm die Röte ins Gesicht und er schüttelt abwehrend den Kopf. „Ich weiß nicht, was geschieht, jedoch bringst du mich dazu Dinge zu äußern, die mir komplett sinnfrei erscheinen.“
Glorfindel zieht über die Worte nur kurz die Stirn kraus. „Ist dir eigentlich bewusst, wie liebenswert du bist, wenn du dein überaus korrektes Verhalten einmal ablegst? Du verführst mich dazu, dich berühren zu wollen. Ich bin kaum noch in der Lage, meine Finger von dir zu lassen.“ Die Stimme des Noldor ist nicht mehr als ein leises Raunen, welches dem anderen bis in den Leib zu fahren scheint und ihm das Blut in den Ohren rauschen lässt.
„Was hindert dich daran?“, hört er sich selbst murmeln.
„Die gute Erziehung meines Hauses“, bekommt er zur Antwort.
Im nächsten Moment berühren Lippen die seinen. Es ist nur ein kurzer Kuss, nicht mehr als ein leichtes Streicheln und doch löst er den heißen Knoten in seinem Leib, lässt die Hitze durch die Eingeweide schießen und gierig nach mehr an den Lippen des anderen aufseufzen. „Verdammt!“, entfährt es ihm unwillkürlich und er fühlt die bekannte Röte, welche ihm wieder in die Wangen steigt.

Mit nachdenklichem Blick macht Glorfindel einen Schritt fort von Erestor. Dunkle Augen beobachten dabei jede seiner Bewegungen, scheinen sie in sich aufzunehmen. „Ja, verdammt!“, antwortet er schließlich leise. Nur zu gern würde er die Hand einfach ausstrecken und den Körper des anderen an den seinen pressen, stattdessen fährt er sich durch die Haare. „Wir müssen reden, aber nicht hier!“ Dringlichkeit klingt in seiner Stimme, welche Erestor auch in sich spüren kann.
Zustimmend nickt er: „Ich habe hier jedoch noch einiges zu erledigen.“ Kurz deutet er auf die Kekse, welche zu ihren Füßen verstreut liegen und nun wohl nur noch den Schweinen zum Fraß vorgeworfen werden können. Ein leises Lächeln huscht um seine Lippen. „Wenn ich die Stube so zurück lasse, werde ich in den kommenden Jahren weder Kuchen noch anderes Gebäck erhalten!“
„Du darfst erklären, dass es allein meine Schuld ist!“, erklärt Glorfindel großmütig, erhält nur eine hochgezogene dunkle Augenbraue zur Antwort.
„Der Bäckermeister wird mich der Lüge bezichtigen!“ Kaum zu unterdrückende Heiterkeit klingt in Erestors Stimme mit. „Wer wird mir glauben wollen, wenn ich behaupte, dass der edle Balrogtöter den Weg in die Wirtschaftsräume gefunden und sich zudem bemüht hat, Kekse zu dekorieren?“ Im nächsten Moment verstummt er, als er den ernsten Blick Glorfindels auf sich spürt. Gleich darauf verzieht sich dessen Gesicht jedoch zu einem schiefen Lächeln. „Ich weiß nicht, ob ich immer noch als 'edel' und 'glorreich' bezeichnet werde, wenn jemand meine Gedanken wüsste!“
Erestor spürt, wie ihm die Röte bis in die Ohrspitzen steigt. Allein die Andeutung Glorfindels, um wen sich sein Denken drehen könnte, jagt einen Schauer über seine Haut. Das Gefühl, sich in der Hand eines anderen zu befinden, ist befremdlich und sogar in einer Weise unangenehm, die mit einem Hauch Angst verbunden ist. Und gleichzeitig fasziniert ihn das Wissen, dass dessen Worte allein genügen, ihn zu erregen. Sie lassen Bilder im Kopf entstehen, gegen die er sich nicht zu wehren vermag. Überlaut hört er sein Blut in den Ohren hämmern und seine eigenen Worte klingen wie aus weiter Ferne. „Ich sollte hier endlich fertig werden, wenn du wünschst, dass wir miteinander … reden.“ Ohne eine Antwort Glorfindels abzuwarten, schiebt er das letzte Blech in den Ofen, während der andere das Disaster vom Boden entfernt.

Nachdenklich blickt Erestor in das Schälchen mit dem roten Zucker, rührt mit dem Löffel darin herum und lässt ihn schließlich davon herabtropfen. „Ich hätte nicht gedacht, dass der heldenhafte Glorfindel so schreckhaft sein kann.“ Wieder zuckt ein Lachen um seine Mundwinkel, als er auf den Angesprochenen hinab blickt, welcher soeben zu seinen Füßen kniet und die Reste zusammen kehrt.
Dieser richtet sich langsam auf, neigt sich den lachenden Lippen zu. „Ich bin in keinster Weise ein Held, wenn es um einen gewissen Ratgeber im Hause Elronds geht, sonst hätte ich dies schon längst getan!“
Im nächsten Augenblick fühlt Erestor kräftige Finger, die sich an sein Kinn legen, es sanft nach oben drücken und gleichzeitig halten, so dass es ihm unmöglich erscheint, sich einfach daraus befreien zu können. Lippen streicheln nur einen Moment später seine Haut und Atem fächert warm darüber, bevor sie seinen Mund berühren. Unwillkürlich entringt sich ihm ein Keuchen, als der Kuss vertieft wird, eine Zunge ihn berührt und ihn auffordert, in der gleichen Weise zu reagieren.
„Ich will nicht nur mit dir reden“, hört Erestor den anderen an seinen Lippen flüstern. „Ich will mich in dir verlieren und dich jeden Morgen von Neuem lieben.“

Kapitel 6

 Wie ein Guss eiskalten Wassers wirken die Worte auf Erestor und reißen ihn in die Wirklichkeit zurück. „Was hast du soeben gesagt?“, fragt er ungläubig und schiebt den anderen von sich. Entsetzen schnürt ihm die Kehle zu, macht das Atmen schwer und selbst die Lippen, die bis eben noch seine Haut berührten, fühlen sich kalt und unangenehm an und füllen sein Blut nicht mehr mit dem Sehnen, welches ihn leise aufseufzen lässt. „Was hast du gerade von dir gegeben?“ Ärger färbt seine Stimme von einem Moment zum anderen rau und hart. „Geh mir aus den Augen, Fin!“
Glorfindel weiß nicht, was er von Erestors Reaktion halten soll. Zu plötzlich und unerklärlich erscheint sie ihm. „Was habe ich gesagt, das dich so verärgert hat?“, verlangt er zu wissen, die Augenbrauen im Unverständnis zusammengezogen. „Dass ich dich liebe?“, hakt er nach.
Ein verächtliches Schnauben entringt sich dem Ratgeber. „Wenn es das nur gewesen wäre!“, murmelt er dunkel.

Innerhalb eines Augenblicks steht der unnahbare Erestor wieder vor Glorfindel und doch glaubt er,  Trauer und auch eine unbestimmte Sehnsucht in dem sonst so beherrschten Gesicht kurzzeitig widerspiegeln zu sehen. Es ist nur für einen Moment auszumachen, bevor er sich vollends abgewandt und sich die altbekannte Mauer aus Kälte wieder zwischen ihnen erhoben hat. Fast kann er sie körperlich spüren und unwillkürlich springt ihn die Angst an, sie kein weiteres Mal überwinden zu können. Am liebsten würde er einfach die Hand ausstrecken und Erestor wieder an sich ziehen, seine Lippen auf die des anderen pressen, ihn schmecken. Noch immer glaubt er, die Haut unter den Fingerspitzen fühlen zu können und seine Wärme. Allein die Vorstellung jagt Hitze unter seine Haut und lässt sie wie von tausenden Ameisen kribbeln.
„Du sagtest, dass du mich jeden Morgen lieben willst“, flüstert Erestor in die Stille zwischen ihnen und bringt die Worte wieder in Erinnerung. „Das ist etwas, was ich dir nicht glauben kann, auch wenn ich es wollte, denn sind es eben jene Worte, welche ich unbedacht geäußert hatte!“
Ungläubig schüttelt Glorfindel den Kopf. „Du weist mich zurück, weil ich die gleichen Worte sagte, wie du? Was wäre, wenn es gerade dies ist, was ich mir wünsche?“
„Woher soll ich wissen, dass du meinst, was du sagst?“, verlangt Erestor aufgebracht zu wissen. „Möglicherweise ist es ja auch nur der Gedanke, mir diesen Wunsch erfüllen zu wollen? Möglicherweise hast du gerade diese Aufgabe von Herrn Elrond erhalten?“ In einer abwehrenden Geste hebt er die Hände: „Aber nein Danke! Dafür musst du dich nicht opfern, denn Lindir wäre mehr als erfreut, sich wieder in mein Bett legen zu dürfen.“ Kurz zuckt es um seine Lippen, als er die heftige Bewegung Glorfindels bei den letzten Worten bemerkt. „Ja, dort war er! Und auf meine Frage nach dem Warum, hatte er genau jene Worte als Grund genannt! Glaubt ihr beiden etwa, dass ich es so nötig hätte? Dass ich irgendjemanden brauche, der mich wärmt, weil … ich mich einsam fühlen könnte? Nur weil ich den einen abgelehnt habe, hole ich mir nicht den nächsten ins Bett, der sich darum bemüht!“
Schwer stützt sich Erestor auf die steinerne Arbeitsplatte, die glatt und kalt wie Eis unter seinen Händen wirkt. Hart schließt er die Finger um die Kante, Halt suchend für den Moment oder die Ewigkeit, fühlt sich aller Kraft beraubt und nur der Wille, sich keine weitere Schwäche anmerken zu lassen, hält ihn auf den Beinen. Die Augen geschlossen und den Kopf gesenkt, wartet er ohnmächtig auf die Worte, die seine Unterstellungen bestätigen und gleichzeitig wünscht er sich fort aus diesem Raum, um diese nicht hören zu müssen.

Ein Brummen entringt sich Glorfindels Brust und in einer nachdenklichen Geste fährt er sich mit der Hand durch die Haare. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll“, murmelt er schlussendlich. „Aber, ich meinte es so, wie ich es sagte. Wenn du mir nicht glauben willst oder kannst, dann ist es dir überlassen, jedoch lasse ich mich weder Lügner noch mitleidige Kohlenpfanne schimpfen – auch von jenem nicht, den ich lieben will, wenn er es denn zulassen würde!“
Geradezu atemlose Stille erfüllt die Backstube „Warum?“, hakt Erestor heiser mit leiser Stimme nach. „Warum gerade jetzt? Warum so plötzlich?“
Unwirsch zieht der Goldhaarige die Augenbrauen zusammen und trotzdem entringt sich ihm ein leises Lachen. „Warum versuchst du mit aller Macht Gefühle zu analysieren?“ Mit wenigen Schritten ist er bei Erestor, berührt ihn mit den Fingerspitzen leicht an der Hüfte, während er mit der anderen Hand das dunkle Haar zur Seite schiebt, welches kaum noch von dem losen Zopf gebändigt werden kann. Ein überraschtes Keuchen erhält er zur Antworten, nicht mehr - kein Zurückweichen und ebenso kein Entgegenkommen, eher nur stilles Abwarten. „Nimm sie einfach so hin, wie sie sind!“, flüstert er gegen den Hals des anderen. „Genieß sie, wie sie dir geschenkt werden – ohne sie ständig zu hinterfragen!“

Hitze pulsiert durch Erestors Körper von der Stelle aus, auf welcher locker Glorfindels Hand liegt. Obwohl dieser sie in keinster Weise bewegt, hat er das Gefühl, als würden die Finger seine Haut streicheln. Der warme Atem Glorfindels streicht seinen Hals entlang, jagt einen Schauer nach dem anderen über seinen Rücken und lässt ihn sich wünschen, in der Wärme versinken zu können. Sein Denken ist schwer und zäh wie der Zuckerguss, welchen der andere angerührt hatte. Wie mit süßer Watte ist sein Hirn verklebt und in einer sinnlosen Geste, sich aus diesem Gespinst zu befreien, schüttelt er leicht den Kopf. Verzweifelt versucht er, sich auf die geflüsterten Worte zu konzentrieren, ihnen einen Sinn zu geben. „Wer versichert mir deine ernsthaften Absichten?“
Lachend verziehen sich die Lippen auf seiner Haut und Atem fächert bei jedem Wort über seine Haut: „Ich glaube kaum, dass im Hause Elronds die Liebe zwischen Männern so hoch angesehen wird, dass ihnen das Recht zur Ehe eingeräumt wird. Doch würde ich für dich soweit gehen und vor dem Lord den Eid sprechen.“ Arme legen sich um Erestor, ziehen ihn in die Wärme, in die er endlich zu sinken wagt.
Mit ungläubigem Blick wendet er den Kopf. „Das würdest du für mich tun wollen?“
Leise schnauft Glorfindel. „Was soll ich noch tun, um dich von meiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen? Soll ich am morgigen Abend vielleicht unbekleidet zur Feier erscheinen?“
Unwillkürlich zuckt ein Schmunzeln um Erestors Lippen. „Das wäre eine Überlegung wert, wo ich mich ohne Weiteres überzeugen lassen würde.“
Im ersten Moment ist Glorfindel zu keiner Erwiderung fähig, doch dann lacht er kurz auf, nur um gleich darauf ernst auf den anderen herabzublicken. „Ihr verwirrt mich, Herr Erestor! Im einen Augenblick schimpft Ihr über mich, nur um im nächsten mich zu verspotten und zu verführen!“
„Dazu bin ich wohl kaum in der Lage, mein Herr!“, murmelt er mit hochroten Wangen. Nur zu deutlich spürt er die Härte, die sich gegen seinen Körper presst und die Finger, welche den Weg unter die Knopfleiste seines Hemdes gefunden haben und nun die nackte Haut streicheln soweit sie sie erreichen können. Kurz gibt er sich der Wärme hin, welche die Berührung in ihm auslöst, doch schließlich löst er sich aus Glorfindels Armen. Mit einem leisen Seufzen wendet er sich um und legt Glorfindel die Hände auf die Brust, um ihn davon abzuhalten, ihn wieder an sich zu ziehen. „Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Ich habe noch Einiges zu erledigen und die Nacht ist bereits weit voran geschritten.“
Unwillkürlich nimmt Glorfindel die Hände gefangen, die sich auf seine Brust gelegt haben, bedeckt sie mit seinen. „Ich könnte dir helfen, dann wäre die Arbeit schneller erledigt“, bietet Glorfindel mit dunkler Stimme an, bekommt jedoch eine hochgezogene Augenbraue zur Antwort.
„Ich fürchte, dass du keine große Hilfe sein wirst, dann wohl eher ein Hemmnis“, lachend schüttelt Erestor den Kopf. „Ich mag auch gar nicht daran denken, was erzählt wird, wenn sich herumspricht, dass du hier warst!“
Aus einem Impuls heraus hebt Glorfindel eine Hand Erestors an die Lippen und drückt einen Kuss in dessen Handfläche hinein. „Befürchtest du, dass man mich nicht mehr ernst nehmen könnte, weil ich Gebäck mit Zuckerguss bestrichen habe?“
Seufzend nickt Erestor: „Ja, das ist meine Sorge! Aber das Schlimmste ist, wenn du sie auch noch mit bunten Liebesperlen verzieren musst!“
In einer traurigen Geste lässt Glorfindel den Kopf hängen. „Du hast Recht! Das würde meiner Ehre und Glaubwürdigkeit vor den Kämpfern des Hauses den Gnadenstoß geben! Aber bevor ich gehe, verlange ich das Versprechen von dir, dass wir uns morgen sprechen!“


„Wie war es?“ sind die ersten Worte, die Lindir von sich gibt, kaum dass er am Morgen die Tür hinter sich geschlossen und den Stuhl dichter an Erestors Schreibtisch herangezogen hat. „Ich will jede kleine Einzelheit wissen!“
In dem Wissen, wie sehr dem anderen diese Geste reizt, lehnt sich Erestor gelassen zurück und legt die Fingerspitzen beider Hände aneinander. „Guten Morgen, Lindir! Schön dich zu sehen und ja, du darfst dich gern setzen und Nein!, ich werde dir nicht alles erzählen!“
Lindir wedelt kurz mit der Hand. „Ja, dir auch einen entsprechenden Morgen! Aber erzählen wirst du etwas!“
„Warum fragst du den edlen und glorreichen Fin nicht einfach, dann musst du mir nicht alles aus der Nase ziehen? Schließlich hast du ihn ja gestern in die Wirtschaftsräume gesandt“, sagt Erestor Lindir auf den Kopf zu und dieser hat den Anstand, leicht zu erröten.
„Oh, wie kannst du mir nur so etwas unterstellen?“ Übertriebenes Erstaunen spiegelt sich im nächsten Moment in Lindirs Gesicht wider und in einer theatralischen Geste presst er die Hand auf seine Brust. „Diese Anklage verletzt mich tief und bricht mir das Herz!“ Mit verdrehten Augen sinkt er auf dem Stuhl nach hinten, doch gleich darauf richtet er sich lachend wieder auf und lehnt sich mit leuchtenden Augen vor: „So, nun erzähle endlich, denn vorher werde ich mich nicht von diesem Stuhl bewegen!“
„Ja, das ist meine Befürchtung!“, seufzt Erestor, sich in sein Schicksal  ergebend und blickt dann sein Gegenüber ernst an. „Es ist nichts geschehen!“, sagt er in die Stille, in der Lindir den Atem angehalten haben muss, denn mit einem leisen Keuchen stößt er sie aus.
„Nichts?!“ Entsetzen spiegelt sich auf  Lindirs Gesicht wieder. „Wie nichts? Keine Aussprache? Keine schmachtenden Blicke? Noch nicht einmal ein kleiner keuscher Kuss? Habt ihr denn überhaupt miteinander gesprochen? Muss man euch beiden Helden am Händchen führen, damit ihr es hinbekommt?“ Zweifelnd schüttelt er den Kopf. „Ihr beiden macht mir Angst!“
Nur schwerlich kann Erestor ein Lachen über die ehrlich zeigte Sorge und Verzweiflung Lindirs unterdrücken. Beruhigend legt er seine Hand auf die seines Gegenübers. „Na, so ganz schlimm ist es nun doch nicht gewesen.“
Überraschend schnell ist das Leiden aus Lindirs Gesicht verschwunden. „Dann erzähl mal!“


Mit einem ungewohnt lautem Ton fällt die Tür zu seinem Arbeitszimmer ins Schloss und lächelnd blickt Elrond seiner Gemahlin entgegen. Diese wirkt mit ihrer Haltung und jeder Bewegung verärgert, ja sogar zornig.
„Was ist denn geschehen, meine Liebe?“, fragt Elrond alarmiert. „Ist etwas mit den Jungs?“
Heftig schüttelt Celebrain verneinend den Kopf. „Nein, mit ihnen ist alles Bestens, jedoch war ich soeben in den Wirtschaftsräumen und musste mir vom Bäckermeister erzählen lassen, dass in seiner Backstube alles in Schutt und Asche gelegt worden sei! Von Erestor!“ Kurz hebt sie die Hände, um ihren Gemahl am Sprechen zu hindern. „Lass mich bitte ausreden, denn zum Glück war es nicht so schlimm, aber dieser impertinente Kerl bringt mich immer wieder zur Weißglut! Leider ist er ein zu guter Bäcker und die Kinder lieben ihn für das, was er immer wieder zaubert!“ Verzweifelt ringt sie die Hände.
„Und was war nun, was ihn so aufgeregt hat?“, fragt der Hausherr nun doch nach.
Ein undamenhaftes Schnauben erklingt. „Stell dir nur vor! Er regt sich wegen Kekskrümel und einiger Zuckerperlen auf dem Fußboden auf! Soweit ich gesehen habe, war die Backstube ordentlich und alles, was Erestor benötigt hatte, war für die Spülküche zusammengestellt. Das habe ich ihm auch so mitgeteilt und ihm gesagt, dass die Bescherung auf dem Boden mit Schaufel und Kehrbesen schnell beseitigt wäre!“ Erzürnt stemmt sie die Hände in die Seiten. „Stell dir vor: Er hat mir beides hingehalten und meinte 'bitteschön'!“
Nun kann Elrond ein offenes Lächeln nicht mehr unterdrücken und erntet von der Gemahlin einen bösen Blick, welcher jedoch schnell in ein schiefes Lächeln abdriftet. „Entschuldige, Liebster, aber dieser Mann regt mich wirklich sehr auf“, seufzt sie und lässt sich auf einem der Stühle nieder. Kurz ordnet sie den Rock ihres Gewandes und blickt dann Elrond ernst an. „Ich wollte dem Herrn des Hauses vom Stand der Vorbereitungen der heutigen Festivität berichten.“
Dieser nickt auffordernd als Zeichen, dass Celebrain seine ganze Aufmerksamkeit hat.
„Es ist zwar etwas ungewohnt, durch das Haus zu eilen und jeden Einzelnen zu befragen, ob er mit seinen Vorbereitungen oder Arbeiten fertig geworden ist, jedoch wurde mir nur Gutes berichtet!“, erklärt sie mit einem zufriedenen Lächeln, welches jedoch wieder schwindet. „Ich mache mir Sorgen um Erestor“, gesteht sie gedankenvoll. „Seit jenem Abend, als er so unverhofft die Flucht ergriffen hatte, hab ich ihn nicht mehr gesprochen und als ich ihn vor wenigen Minuten in seinem Zimmer aufsuchte, sah er sehr mitgenommen aus. Dunkle Schatten hatte er unter den Augen und wirkt auf mich, als hätte er die vergangenen Nächte nicht geschlafen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass er seine gesamte Zeit an seinem Schreibtisch verbringt!“
Der Hausherr nickt nachdenklich. „Du hast Recht! Er hat sich wirklich noch mehr zurück gezogen und verschlossen als es sonst seine Art ist und die war schon immer die einer Auster sehr ähnlich. Ich befürchte, dass er in dieser Stimmung heute nicht an dem Fest teilnehmen wird!“
„Rede mit ihm, Liebster! Vielleicht teilt er dir seine Sorgen mit?“ Dem hoffnungsvollen Blick seiner Gemahlin kann sich Elrond kaum entziehen.
„Bis zur Mittagsstunde werde ich mit ihm gesprochen haben!“, nickt er und wird dafür mit einem strahlenden Lächeln belohnt. Im nächsten Moment beugt sich der Hausherr vor. „Du hattest mit Glorfindel auch gesprochen? Was hat er zu dem Abend gesagt?“
Celebrain hat sich ebenfalls vorgeneigt und ihre Antwort ist kaum mehr als ein Flüstern: „Er hat sich dazu überhaupt nicht geäußert, sondern wirkte sehr nachdenklich als ich ihn darauf ansprach. Aber wenn ich mich nicht täusche, ist er an deinem Ratgeber mehr als interessiert.“
„Das kann nicht sein!“, schüttelt Elrond den Kopf. „Zwei Männer schmachten Herrn Erestor hinterher! Dies ist ein offenes Haus und ich habe nichts dagegen, wenn jeder Bewohner nach seinen eigenen Neigungen lebt und liebt. Trotzdem sollte der Anstand gewahrt bleiben und keine Vielwei...männerei betrieben werden!“
Zustimmend nickt Celebrain. „Deswegen wäre es gut, wenn du mit ihm redest. Möglicherweise erscheint es ja dann in einem ganz anderen Licht!“



Zufrieden reibt sich Lindir die Hände. „Also, das hört sich doch gar nicht so schlecht an, wenn er sich wünscht, sich heute mit dir zu unterhalten! Vielleicht wird ja noch mehr?“ Übertrieben zuckt er mit den Augenbrauen und kann dabei ein schelmisches Grinsen kaum unterdrücken. „Es tut mir nur leid, dass ich dich nicht mehr besuchen kann, wann ich will!“, schnieft Lindir und tatsächlich wirkt er etwas traurig.
„Warum denn nicht?“
Verwirrt über die Frage zieht Lindir die Stirn kraus. „Du glaubst doch nicht, dass der goldene Fin es gern sieht, wenn ich mich zu häufig bei dir aufhalte? Ich liebe dich und du darfst jederzeit zu mir kommen, wenn du Probleme hast oder jemanden für ein sinnvolles Gespräch benötigst, in welchem es nicht nur um pubertäre Besitzansprüche geht. Doch etwas mehr liebe ich mich selbst und meinen Hals, den der glorienscheinende Fin mit einer Hand umdrehen könnte.“ Mit einem tiefen Seufzer erhebt sich Lindir vom Stuhl. „Ich fürchte, meine Zeit bei dir ist abgelaufen!“
Aus einem Impuls heraus kommt Erestor um seinen Tisch herum und zieht den anderen in eine für ihn unerwartet gefühlvolle Umarmung. „Ich bin doch nicht aus der Welt!“
„Ja, leider!“, kommt die gemurmelte Antwort. „So werde ich nun jeden Tag sehen, was ich nicht Mein nennen darf. Aber ich wünsche dir alles Glück, was man nur finden kann!“ Gleich darauf löst sich Lindir aus der Umarmung und schiebt sich mit einem letzten Blick zurück an Elrond vorbei, welcher in der offenen Tür steht.
Dieser tritt nach kurzem Zögern in den Raum. „Ich muss mit dir sprechen, Erestor“, kündigt der Herr des Hauses ohne Umschweife an.
Einladend deutet Erestor auf den Stuhl, auf welchem vor Kurzem noch Lindir saß.
„Ich bin nicht ganz sicher, wie ich dieses Thema anschneiden soll, jedoch sollst du wissen, dass man sich Sorgen um dein Wohlergehen macht“, beginnt er, nachdem beide Platz genommen haben. „Nach jenem gemeinsamen Abend hast du dich noch mehr zurückgezogen, wenn es denn möglich wäre. Meine Gemahlin fürchtet, dass du sogar in deinem Arbeitszimmer nächtigen könntest und ich hege die Befürchtung, dass du versuchen wirst, dich am heutigen Fest vorbei zu schummeln!“
Entgegen seiner gewohnten Ernsthaftigkeit hebt Erestor die Hände. „Ihr braucht Euch um mich keinerlei Gedanken machen, Herr Elrond. Ich werde am heutigen Abend anwesend sein!“

Kapitel 7

 „Hast du mit Erestor gesprochen, Liebster?“, wird Elrond von seiner Gemahlin empfangen, kaum dass er die Tür hinter sich geschlossen hat. Dieser nickt kurz, bevor er ihr einen Kuss schenkt und sich ihr gegenüber an den kleinen Tisch setzt, welcher vor den hohen Fenstern steht und von hier aus einen Blick auf das verschneite Tal gewährt. „Wie du es gewünscht hast, habe ich ihm unsere Sorgen mitgeteilt und er versicherte mir, dass er am Abend anwesend sein wird.“
Celebrian zieht die gerade Nase kraus. „Das hört sich eher an, als hättest du ihn über die anstehenden Arbeiten für das nächste Jahr informiert“, tadelt sie mit leisem Lachen in der Stimme, doch neigt sie sich im nächsten Augenblick vor, um ihm eine Hand auf den Arm zu legen. „Du blickst nachdenklich, Geliebter. War etwas vorgefallen?“
Im ersten Moment will Elrond verneinen, nickt dann jedoch verhalten. „Ich gestehe, dass ich den Überblick verloren habe“, seufzt er. „Vor einigen Wochen hattest du angedeutet, dass Lindir an Erestor interessiert wäre, dann dessen Äußerung an jenem Abend gegenüber Glorfindel und auch vorhin hattest du angedeutet, dass dieser Interesse an Erestor bekunden würde. Nun komme ich in Erestors Arbeitsstube und finde ihn in inniger Umarmung mit Lindir!“
„Warum hast du ihn nicht darauf angesprochen?“, hakt Celebrian nach. „Deswegen bist du doch schließlich zu ihm gegangen!“
„Ja, dessen bin ich mir bewusst, doch wo ich die beiden sah, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass es doch ein sehr ungewohnter Anblick war und ich für den Moment vergaß, weswegen ich Erestor aufgesucht habe!“
Celebrian war während seines Redens aufgestanden, um zwei Gläser mit Wein zu füllen und reicht nun eines davon ihrem Gemahl, welches er mit einem dankbaren Lächeln entgegen nimmt. Leicht streicht sie über seine Wange. „Hast du noch nie Männer gesehen, die sich umarmen? Oder ist es, weil du weißt, dass sie in Liebe verbunden sein könnten?“
„Es ist eine Sache, von der Liebe zwischen Männern nur zu hören oder darüber zu sprechen – und eine ganz andere, unwillkürlich dem gegenüber zu stehen.“ Ein tiefes Seufzen entringt sich ihm. „Ich denke aber, dass unser Haus offen genug ist, damit umgehen zu können.“
Mit ernstem Blick lehnt sich die Herrin des Hauses vor, legt ihre Hand auf die des Gatten. „Und ich denke, dass unser Haus und dessen Bewohner sehr wohl damit zurecht kommen und ich denke ebenso, dass Wideredner, sollte es diese geben, sich damit abfinden oder zumindest dies akzeptieren werden“, versichert sie ihm. Im nächsten Moment huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. „Ich finde es zu manchen Zeiten mehr als erstaunlich, wie mein Gemahl es schafft, mit solch konservativen Ansichten durch die Welt zu kommen!“
„Das mag möglicherweise daran liegen, dass es einfacher für mich ist, mich mit den großen Veränderungen Mittelerdes zurecht zu finden, als mit den kleinen, die meinen Nächsten oder mich selbst betreffen und in der Vergangenheit häufig nur Schmerz und Verlust mit sich brachten“, murmelt der Herr des Hauses, bevor er sein Glas an die Lippen hebt und einen tiefen Schluck daraus nimmt.
„Ebenso häufig brachten sie auch Gutes!“, antwortet Celebrian. „Denk nur an die Jungs und wie ihre Geburt dein Leben veränderte!“
Unwillkürlich huscht ein Lächeln über das ernste Gesicht Elronds. „Du hast Recht, mein Herz! Ich sehe wohl etwas zu schwarz, was das weiterhin friedliche und vergleichsweise ruhige Leben im Tal anbelangt.“
Lächelnd schüttelt Celebrian den Kopf. „Nicht schwarz, nur etwas dunkel mit dem ersten Hauch einer Morgenröte!“


Erestor hatte es bereits geahnt, dass er sein Arbeitszimmer nicht pünktlich wird verlassen können. Nun eilt er die Flure entlang, die ihn zur Halle des Feuers führen und durch welche bereits leise Musik zu ihm getragen wird. Zuvor hatte er sich in seinen Gemächern nur soviel Zeit genommen, um sich etwas frisch zu machen sowie die Kleidung zu wechseln. Zum Schluss hatte er noch nach der Geschenkschachtel gegriffen, in welcher er einen Teil der Kekse gelegt hat.
Zeit, um über den kommenden Abend nachzudenken, hat er sich nicht genommen, hatte es nicht wollen. Trotzdem spürt er, wie sich in Vorfreude ein warmes Gefühl in seinem Bauch ausbreitet und sich seine Lippen immer wieder zu einem Lächeln verziehen, welches er nicht anders als debil empfindet. Würde er sich den Moment nehmen und den anderen Elben in das Gesicht blicken, würde er bemerken, wie viele ihn ob dessen Miene erstaunt anblicken.
Ebenso Celebrian, welche jeden einzelnen Gast an der Tür begrüßt, blickt ihm mit leisem Erstaunen entgegen, als er auf sie zukommt. „Guten Abend, Herr Erestor“, empfängt sie ihn. „Es freut mich sehr, Euch zu sehen und ich hoffe, dass Ihr diesen Abend genießen werdet!“
„Das werde ich bestimmt“, murmelt Erestor pflichtschuldig und neigt den Kopf über die Hand der Hausherrin. Diese nimmt ihm gleich darauf die Schachtel ab und stellt sie auf einem nahen Tisch ab, welcher unter der Last der in farbigem Papier eingewickelten Pakete und Päckchen zusammen zu brechen scheint. Kurz hatte sie einen Blick auf das Kärtchen geworfen, welches daran befestigt ist und ein leichtes Lächeln zupft an ihrem Mundwinkel, bevor sie sich dem nächsten Ankommenden begrüßt.

Erestor lässt seinen Blick durch die Halle schweifen, in welcher die Tische zu langen Tafeln zusammen gestellt worden sind. Nur vor dem ausladenden Kamin ist eine größere freie Fläche, an dessen Rand sich eine kleine Gruppe Musiker mit Harfe, Leier und Flöte platziert haben und das Stimmengewirr der Anwesenden kaum übertönen können.
Auf den Tischen sind Kerzen verteilt, die das Weiß der Tafeltücher in einen goldenen Schein tauchen und funkelnd vom Geschirr und dem Besteck widergespiegelt werden. Dunkle Akzente werden von Girlanden gesetzt, welche aus den immergrünen Zweigen von Ilex, Wacholder und Kiefer gebunden sind und die hellen Lichtflecken miteinander zu verbinden scheinen. Ebenso umspannen sie die Halle in ihrem ganzen Ausmaß sowie umschlingen die Säulen von der Decke bis zum Boden. Die Luft ist erfüllt von dem harzigen Duft des frischen Holzes, schenkt eine Ahnung von dem Leben, welches der Winter in den geschnittenen Zweigen hat erstarren lassen.
Tief atmet Erestor den würzigen Geruch ein, der ihn um so vieles mehr an die Vergangenheit erinnert, als es Erzählungen könnten. Unbeschreibliche Gefühle machen ihm die Brust eng, das Atmen schwer und lassen im gleichen Maße das Herz überquellen. Beinahe eine kindliche Vorfreude durchströmt ihn und er spürt, wie sich seine Lippen wieder zu einem Lächeln verziehen.
Eine winkende Hand erregt seine Aufmerksamkeit. Lindir bedeutet ihm einladend, sich zu ihm zu setzen und rückt ihm sogar einen Stuhl zurecht, als er sich ihm nähert.
„Wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich dich holen lassen!“, erklärt der Meistermusikant zur Begrüßung. „Vom glorienscheinumkränzten Glorfindel“, setzt er leiser hinzu und wackelt mit den Augenbrauen. Erestor lächelt nur unverbindlich über den Scherz und lässt wiederholt den Blick durch den Saal schweifen, wobei dieser unwillkürlich immer wieder vom Geschehen an der Tür angezogen wird. Er wartet, unruhig, nervös, mit hämmerndem Herz und schweißfeuchten Händen. Um sich abzulenken beobachtet er das Treiben um sich herum, lächelt über die Kinder, die vor dem Kamin spielen, sich hinter den bodenlangen Tischtüchern verbergen und zwischendurch immer wieder zum großen Tisch flitzen, um mit leuchtenden Augen die Geschenke zu bewundern.
Ein Ellenbogen landet unsanft in Erestors Seite, fordert dessen Aufmerksamkeit. „Sieh nur, Erestor!“, murmelt Lindir gleich darauf und deutet mit einem Nicken auf die Tür. „Die Herren Schwertschwinger sehen heute direkt manierlich aus!“ Dort sind in den vergangenen Minuten mehrere Bewohner des Hauses eingetroffen, welche nun nicht nur von Celebrian begrüßt werden, sondern auch vom Hausherrn. Soweit Erestor die Gesichter zuordnen kann, sind es tatsächlich vorrangig Kämpfer und Angehörige der Garde, die sich eingefunden haben. Jedoch wirken sie ungewohnt, da sie ihre Rüstungen und Umhänge gegen Röcke getauscht haben, die sich von der Eleganz her durchaus mit Herrn Elronds messen können.
Unwillkürlich zieht sich ein heißer Knoten in Erestors Magen zusammen als er Glorfindel entdeckt, welcher soeben einige Worte mit dem Hausherrn wechselt und sich dann den anderen Männern anschließt und ihnen zu einem Tisch folgt. Suchend blickt sich dieser um und Erestor kann trotz der Entfernung deutlich das Lächeln erkennen, das um Glorfindels Lippen zuckt, als er ihn entdeckt hat. 'Er freut sich, dich zu sehen', flüstert eine zögerliche Stimme voller Unglauben in seinem Inneren und zwingt ihn, ebenso zu reagieren.
Ein leises Lachen erklingt neben seinem Ohr. „Du solltest den glorreichen Fin nicht so offensichtlich anstarren, mein Lieber!“ Lindir kann kaum die Heiterkeit unterdrücken. „Er ist so sehr auf deine Anwesenheit konzentriert, dass er fast gegen eine der Säulen gerannt wär! Oh, wie würde wohl der hochgeborene Balrogtöter mit einer simplen Beule auf der edlen Stirn aussehen?“, fragt er amüsiert, dem sogleich ein tiefer Seufzer folgt. „Ich frage mich, wie ihr die vergangenen Jahre nebeneinander herleben konntet, ohne von dem anderen etwas zu bemerken? Welch eine Verschwendung! Welch eine vergeudete Zeit!“
Der Ratgeber kann nicht anders, als über den mitleidigen Ton Lindirs zu schmunzeln. „Ja, diese Frage stelle ich mir ebenfalls“, stimmt er ihm nachdenklich zu. „Möglicherweise verändert Eru die Spielregeln immer wieder, um uns daran zu erinnern, wie wechselbar und veränderlich das Leben sein kann? Wir Eldar scheinen es manchmal zu vergessen und nehmen es als selbstverständlich, dass unsere Lebensspanne um vieles länger ist als das anderer Rassen.“
Lindir nickt zustimmend und winkt einen Elben mit einem Tablett voller Weingläser heran. „Welch ein schweres Thema für einen Abend, an dem die Unterhaltung locker und leicht sein soll!“ Vom Tablett nimmt er zwei Gläser und reicht eines davon seinem Gegenüber. „Lass die dunklen Gedanken ziehen und genieße einfach den Abend!“
Erestor nickt zustimmend und wirft unwillkürlich einen Blick zu Glorfindel, welcher sich mit seinem Tischnachbarn unterhält und wohl gerade eine Anekdote zum Besten gibt, denn gleich darauf schallt herzhaftes Lachen durch den Saal.
Und er selbst versucht den Wunsch, die Hände in die dichte Flut goldfarbener Haare vergraben zu können, mit einem großzügigen Schluck des süßen Weins fortzuspülen.

Der Lord des Hauses hat mit außergewöhnlich wenigen Worten das Mittwinterfest eröffnet und gleich darauf wurde die Tür aufgestoßen, welche zu den Wirtschaftsräumen des Hauses führt und reihenweise Elben, beladen mit dampfenden Schüsseln, Terrinen und Platten strömten in die Halle des Feuers. Mit großem Beifall wurden sie begrüßt, ebenso wie die süßen Speisen, Kuchen und Gebäck, welches auf einzeln stehenden Tischen angerichtet wird.
Obwohl Erestor nach den verzehrten Hauptgerichten sich so gesättigt fühlt, als könnte er bis in das nächste Zeitalter hinein nichts mehr zu sich nehmen, lässt er sich von Lindir dorthin mitziehen.
Mit leuchtenden Augen zählt dieser auf, was von den aufgetischten Köstlichkeiten alles zu seinen Leibgerichten gehört. Soeben begutachtet Lindir einige Platten mit verschiedenen Pralinensorten und Erestor befürchtet bereits, dass Lindir jede einzelne von ihnen auf seiner Liste zu stehen hat, als dieser plötzlich verstummt und mit großen Augen über Erestors Schulter blickt.
Dieser muss sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihm steht. Trotzdem wendet er den Kopf und blickt wie erwartet in das Gesicht Glorfindels. Viel zu dicht steht er, so dass Erestor glaubt, seine Wärme spüren zu können. Tatsächlich fühlt er nur eine federleichte Berührung an seiner Hüfte wie von einer unabsichtlichen Geste, doch jagt sie einen Schwall Hitze unter seine Haut und erweckt in ihm den Wunsch, sich einfach fallen lassen zu dürfen, sich gegen den anderen lehnen zu können.
„Ich bin hocherfreut, Euch zu sehen, Herr Erestor“, erklingt gleich darauf die Stimme des Fürsten aus Gondolin.
„Es freut mich ebenso“, antwortet der Ratgeber und könnte sich selbst dafür ohrfeigen, weil es sich so lahm und atemlos anhört, wie er sich fühlt.
Verhaltenes Lachen erklingt, welches Lindir mit der Hand zu dämpfen sucht. „Ich denke, dass es am Besten wäre, wenn Ihr, edler Fin, etwas Abstand zu unserem werten Herrn Erestor haltet. In Anbetracht seines augenblicklichen geistigen Zustandes würde ich nicht die Hand ins Feuer legen wollen, was den Anstand in diesem Hause betrifft“, erklärt Lindir schmunzelnd. „Die Verteilung der Geschenke steht als nächstes noch auf dem Programm und dies würde ich gern ohne großes Drama eurerseits erleben und auch überstehen!“
Erestor merkt, wie ihm die Röte über diese Andeutungen in die Wangen steigt – oder mag es daran liegen, dass eine Hand warm auf seiner Hüfte liegt? Auch Glorfindels Wangen sind leicht gerötet, doch lacht er gutmütig. „Mich würde dies ebenso sehr interessieren und ich hoffe doch sehr, dass ich nicht vergessen wurde“, fügt er mit einem Blick auf Erestor hinzu.
„Fein, Herr Fürst!“, antwortet Lindir zustimmend und deutet eine leichte Verbeugung an. „Dann sind wir uns ja wohl einig, dass wir uns gesittet benehmen!“

Erestor schwirrt der Kopf, jeder Gedanke ist zäh, wie in Watte gepackt und es fällt ihm schwer, dem leise geführten Gespräch zu folgen. Doch sind es mehr die Gesten, die ihm mehr sagen, als es Worte könnten.
Vor ihm steht Lindir, der ihm in der vergangenen Zeit ein guter Freund geworden ist und den Eindruck macht, als würde er unter allen Umständen bestrebt sein, seine Ehre zu verteidigen – zumindest in der Öffentlichkeit.
Und dann ist da Glorfindel, der ihn gleich einem Bär überragt und ihn allein durch seine Anwesenheit hier und jetzt für sich beansprucht. Dessen nahe Wärme ihn einhüllt und dessen Stimme in ihm vibriert. Noch immer liegt die Hand besitzergreifend an seiner Hüfte, erfüllt ihn mit Hitze und er wünscht, sich in sie schmiegen zu können. Nur kurz lässt er sich dazu hinreißen, sich gegen sie zu lehnen und sich schließlich aus der Berührung zu lösen.
In der Bewegung nimmt er eine Praline von einer nahen Platte. Auf der offenen Hand präsentiert er sie Glorfindel, der die Hand hebt, um die Süßigkeit entgegenzunehmen. Doch Erestor schüttelt mit einem herausfordernden Lächeln den Kopf. „Mir wurde gesagt, dass du mir aus der Hand essen würdest.“
Lindir gibt ein ungnädiges Zischen von sich. „Erestor, das kannst du hier nicht machen!“, wendet er leise ein, berührt den Freund am Arm. „Glorfindel!“, faucht Lindir leise. „Seid vernünftig!“ Doch kann er kaum verhindern, dass ihm selbst die Röte über den Anblick in die Wangen schießt.
Inzwischen hat Glorfindel den Kopf gesenkt. Seine Lippen umschließen die Süßigkeit und heben sie langsam von der Handfläche. Dabei blickt er zu Erestor auf, dem unwillkürlich ein Keuchen entfährt. Ungewöhnlich dunkel sind die sonst hellen Augen, die nun zu ihm aufblicken, ihn in einen dunklen Strudel ziehen und ihn schwankend zurück lassen. Sie machen ihm die Knie weich und er kann nichts dagegen tun, als er merkt, dass er sich dem anderen zuneigt. Dieser hat den Kopf erneut gesenkt und berührt mit seinen Lippen ein weiteres Mal die Handfläche. Ein Schauer durchrinnt Erestors Körper, als der Berührung eine Zunge folgt, die eine feuchte Spur bis zum Handgelenk hin zieht.  
„Ich danke Euch, Herr Glorfindel, für Eure Sittsamkeit und Zurückhaltung“, faucht Lindir mit einer deutlichen Spur Sarkasmus jedoch so leise wie es ihm möglich ist. Nervös blickt er sich um und stellt zufrieden fest, dass diese kleine Szene  unter den Anwesenden unbemerkt geblieben ist.


Sie war jedoch bemerkt worden, denn Celebrian hatte eine Hand auf den Arm ihres Gatten gelegt und mit dem Kopf in ihre Richtung gedeutet. Elrond ist mit zusammengezogenen Augenbrauen der Szene gefolgt, wogegen seine Gemahlin diese mit einem stillen Lächeln beobachtet.  „Ich denke, dass nun wohl geklärt ist, wen sich dein Ratgeber zum Gefährten gewählt hat“, murmelt sie und lächelt ihren Gatten an. „Ein schönes Paar! Hell und dunkel!“
„Sehr gegensätzlich“, gibt Elrond zu bedenken. „Nicht nur vom Aussehen her!“
Celebrian winkt ab. „Das sind wir ebenfalls. Und hat es dir geschadet?“
Mit einem leisen Lachen zieht der Hausherr die Hand seiner Gemahlin an die Lippen. „Nein, geschadet hat es mir wahrlich nicht!“


„Seid ihr nun endlich fertig?“, zischt Lindir und drängelt sich regelrecht zwischen die beiden Männer. „Nun geht jeder von euch wieder an seinen eigenen Platz! Und ihr werdet erst  wieder miteinander sprechen, wenn ich es euch erlaube!“, bestimmt der Meistermusikant und schiebt Erestor vor sich her. „Hätte nicht viel gefehlt und ihr hättet euch auf dem Boden oder gar den Tischen gewälzt!“, schimpft er währenddessen leise vor sich hin.
„Ich denke nicht, dass es soweit gekommen wäre“, antwortet Erestor und lässt sich auf seinen Stuhl gleiten.
Tief atmet Lindir durch. „Ich weiß, doch du solltest solche Zuneigungsbekundungen auf eure Gemächer beschränken.“ Mit einem schiefen Grinsen blickt er den Schwarzhaarigen an. „Aber amüsant könnte schon die Reaktion mancher Leute sein ...“
Bei dem Gedanken daran, zuckt es auch leicht um Erestors Mundwinkel.
„Du hast mir nie verraten, was deine Aufgabe für den heutigen Abend ist“, bemerkt er nach einer Weile des Schweigens. „Meine ist dir bekannt und ich würde darauf schwören, dass Glorfindel dir seine ebenfalls genannt hat.“
„Ich musste ebenfalls ein Geschenk aussuchen“, antwortet Lindir und senkt in einer beschämt wirkenden Geste den Kopf. „Zwischenzeitlich bin ich jedoch nicht mehr so sicher, ob es das Richtige war, was ich gewählt habe.“
Erstaunt über die Art des Geständnisses zieht Erestor eine Augenbraue hoch, doch bevor er eine entsprechende Frage stellen kann, übertönt ein klingender Ton die Gespräche und zwingt diese zur Ruhe. Celebrian hat sich von ihrem Platz erhoben, in einer Hand noch ein schmales Messer, mit welchem sie ihrem Glas das Klingen entlockt hatte. „Bevor wir zum geselligen Teil des Abends gelangen, sollen nun die Gaben verteilt werden!“, erklärt sie und schreitet zum Tisch. Begleitet wird sie von den anwesenden Kindern, welche um sie herum wirbeln.
„Oh, das wird nun wieder eine ganze Weile dauern, wenn sie wieder jeden Einzelnen nach vorn bestellt!“, seufzt Lindir und rutscht auf seinem Stuhl in eine bequemere Position. Auch Erestor befürchtet dies, so wie wohl manche andere im Saal. Jedoch werden sie überrascht, als gleich darauf die Kinder zwischen Stühle und Tische hin und her flitzen und die Päckchen ihrem Empfänger überbringen.
Amüsiert beobachtet Erestor das Gewusel der Kinder sowie die oft so gesetzt wirkenden Elben, die ihr Geschenk aus dem Papier schälen und sich erfreut und oftmals belustigt über deren Sinn und Unsinn zeigen.
Ein leiser Ton der Verzweiflung erregt seine Aufmerksamkeit und er wendet sich Lindir zu, welcher auf seinem Stuhl zusammengesunken ist. Kaum kann dieser den Blick von einem Elben aus Glorfindels Garde wenden, der gerade eine Schachtel öffnet und ein langes schwarzes Band sowie ein Tuch in derselben Farbe hervorzieht. Etwas hilflos blickt er auf das Schwarz in seinen Händen.
„Ich glaube, ich sterbe gerade vor Scham!“, flüstert Lindir, kann trotzdem nicht die Augen von dem Mann wenden. Fassungslos beobachtet er, wie Glorfindel sich zu ihm über den Tisch beugt und etwas zu ihm sagt, dabei kurz auf das Band deutend. Röte schießt dem Gardisten ins Gesicht und lässt die Ohren glühen, doch schlimmer für Lindir scheint zu sein, dass sich dieser umblickt, als wüsste er, von wem das Päckchen stammt. „Ich sterbe!“, haucht er ein weiteres Mal, das rotglühende Gesicht in den Händen verborgen.

Eine Schriftrolle wird vor Erestor auf den Tisch gelegt. Ein goldfarbenes Band verschließt sie, an welchem eine kleine Karte mit seinem Namen befestigt ist. Mit zitternden Fingern entfernt er das Band und rollt das Papier auseinander. Mit ungläubigem Blick überfliegt er die wenigen Zeilen. Ein Name ist nicht darunter gesetzt, doch folgt er einer Ahnung und lässt die Rolle sinken, blickt zu Glorfindel, der ihn seinerseits nicht aus den Augen lässt.
„Ist das Geschenk von Fin?“, fragt er bestätigungheischend Lindir, der sich inzwischen wieder gefangen hat und zustimmend nickt.
Nachdenklich kaut Erestor auf seiner Unterlippe, schließlich hat er einen Entschluss gefasst. „Lindir, entschuldige mich bei Herrn Elrond und Frau Celebrian!“, bittet er ihn. „Wenn sie fragen sollten, kannst du ihnen gern sagen, dass es ein langer Tag war und ich sehr erschöpft bin.“
Ernst blickt der Meistermusikant sein Gegenüber an, schlussendlich nickt er verstehend. „Ich wünsch dir alles Glück dieser Welt!“

Kapitel 8

 Der hohe Fürst und Heerführer Gondolins, Herr des Hauses der goldenen Blume, Bezwinger des Balrogs, gestorben und wiedergeboren, sowie zu jeder Zeit ehrfurchtgebietend in seinem Auftreten wirkt nach außen hin so entspannt, wie man es an einem geselligen Abend im Hause Elronds nur sein kann. Doch würde man ihn genauer betrachten, könnte man die kleinen Anzeichen seiner inneren Unruhe und Anspannung erkennen. Am auffälligsten wäre wohl in diesem Fall sein Blick, der von Zeit zu Zeit von einem schwarzhaarigen Eldar angezogen wird.
Die Gespräche, welche an seinem Tisch geführt werden, können ihn nur wenig von seiner Unruhe ablenken, die die kleine Szene in ihm erzeugt hat. Immer wieder werden seine Gedanken dorthin gezogen. Dann versinkt er im Glauben, dem Geschmack Erestors auf der Zunge nachspüren zu können, seine Bewegung unter seiner Hand zu fühlen, wie er sich kurzzeitig gegen ihn lehnt und allein dadurch wird wieder die Glut durch seine Adern gespült.
Die Erinnerung an den vergangenen Abend hatte Glorfindel zu den beiden Elben getrieben. Das für ihn in diesem Augenblick sinnvolle Gefühl, vor Lindir seinen Anspruch auf Erestor geltend zu machen, hatte ihn bewogen, sich ihnen zu nähern. Im Nachhinein kann er über sich selbst nur den Kopf schütteln und muss sich gegenüber eingestehen, dass er sich nicht erinnern kann, jemals so besitzergreifend gewesen zu sein. Auch in seiner Jugend, sowie zu späteren Zeiten als er in Turgons Diensten stand, hatte er sich nicht wie ein brünftiger Platzhirsch benommen. Bei dem Vergleich entringt sich ihm ein amüsiertes Schnauben. Ja, anders kann man sein Auftreten wirklich nicht beschreiben.

Eine leichte Berührung am Arm lässt Glorfindel zusammenzucken und gleich darauf wird eine Schachtel vor ihm auf den Tisch abgestellt. „Ein fröhliches Mittwinterfest!“, tönt ihm fröhlich eine piepsige Kleinmädchenstimme entgegen. Sein gemurmeltes „Vielen Dank!“ geht im Lachen des davon eilenden Mädchens unter. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass auch die anderen Männer  beschenkt worden sind und unwillkürlich muss er ein Schmunzeln über die vor Freude glänzenden Augen der gestandenen Kämpfer verbeißen. Wie oft haben sie im Kampf nebeneinander gestanden, die Minen wie versteinert, um keine Regung widerspiegeln zu lassen und nun ein Bild von kindlicher Freude. Verständlich, wenn man die Geschenke sieht, denn häufig sind es Dolche mit ziselierten Griffen, jedes einzelne ein kleines Kunstwerk an Schönheit und Präzision gearbeitet. Nur Daran, der junge Gardist, blickt etwas erstaunt, als er den Deckel seines Päckchen anhebt. Schwarze Samtbänder hält er in den Händen, so dunkel wie die Schwingen eines Raben und unwillkürlich durchzuckt Glorfindel das Bild von ebensolchen Strähnen.
„Wofür sollen diese Bänder gut sein?“, hört er den jungen Mann fragen, dessen Ahnungslosigkeit ihm deutlich ins Gesicht geschrieben steht. „Und ein Schal auch noch dazu?“
Nur mühsam kann der goldhaarige Kämpfer ein Lachen unterdrücken, schlussendlich beugt er sich zu Daran vor. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sich während eines Liebesaktes stärker fallen zu lassen, als es sonst machbar ist“, erklärt er seinem Gegenüber mit leiser Stimme, welcher bei diesen Gedanken rote Ohren bekommt. Kurz deutet Fin auf das Schwarz in dessen Händen. „Der Sicht und der Bewegung beraubt, ist das Höchste, was man dem Partner schenken kann, das Vertrauen.“
Hilflos blickt Daran den anderen an. „Aber wer? Wer würde mir ein solch eindeutiges Geschenk machen?“
Glorfindel zuckt mit der Schulter und lächelt sein Gegenüber mitleidig an. „Findet es heraus, Daran. Nehmt das Geschenk an oder lasst es am Abend auf dem Tisch stehen. Es ist Euch überlassen, wie Ihr Euch entscheidet. Ich vermute, dass sie oder er sich noch in diesem Saal aufhält und es  verstehen wird.“
„Er? Ihr meint, es könnte auch von einem Mann gekommen sein?“, fragt der Gardist mit hochroten Wangen.
„Es wäre durchaus möglich“, stimmt Glorfindel zu und blickt den Jüngeren an, der überlegend an der Unterlippe nagt. „Habt Ihr jemanden in Verdacht?“ Unwillkürlich folgt er Darans Blick, der sich umgewandt hat und nun zum Tisch hinüber sieht, an welchem Erestor und Lindir sitzen.
Ein Lächeln zuckt um seine Lippen, als er den zusammengesunkenen Meistermusikanten erblickt, der wirkt, als würde er sich unsichtbar machen wollen. „Lindir?“, wendet er sich wieder Daran zu. „Ihr denkt, dass das von ihm ist?“ Fragend deutet er auf die Schachtel.
Der Gardist nickt. „Ja, er hatte mich ...“, beginnt er, wird jedoch von einer Handbewegung Glorfindels unterbrochen: „Nein, ich möchte nicht wissen, wie Ihr zu diesem Schluss gekommen seid, doch würde ich ihm durchaus zutrauen, dass es etwas nicht Alltägliches war.“ Die Röte, die sich nach diesen Worten auf Darans Gesicht vertieft ist ihm Antwort genug und mit einem leisen Schnaufen lehnt er sich in seinen Stuhl zurück.
Unwillkürlich blickt er wieder zu Erestor hinüber, welcher wohl soeben sein Geschenk erhalten hat. Fast streckt er die schlanken Finger nach dem schmalen Gegenstand aus, von welchem Glorfindel weiß, dass es eine Schriftrolle ist, sein Geschenk.
Es hatte einige Zeit in Anspruch genommen, sich ein Geschenk zu überlegen und nach dem vergangenen Abend war ihm der Gedanke gekommen. Zudem hatte er sich an Celebrians Worte erinnert, mit welchen sie ihm auf den Kopf zugesagt hatte, dass er „nach etwas verlange, von dem er selbst nichts wüsste“. Nun hatte er es gefunden. Es hatte ihm in die Nase gezwickt und nach seiner Aufmerksamkeit verlangt. Gerade so, wie es die Herrin Bruchtals vorausgesagt hatte.
Die entsprechenden Worte zu finden und sie aufzuschreiben, hatte Glorfindel Überwindung gekostet. Es sollte für ihn wie ein Blick in seine Gefühlswelt sein, sein Verlangen und sein Begehren, welches er nicht nur sich selbst verdeutlichte, sondern es jedem zeigt, der diese Zeilen zu Gesicht bekommt.
Mit angehaltenem Atem beobachtet er Erestor, dessen Miene, welche zum Beginn des Lesens Ungläubigkeit widerspiegelt und zum Ende nachdenklich wirkt. Kurz blickt er zu ihm herüber und Glorfindel glaubt, Zustimmung in dessen dunkle Augen zu erkennen. Gleich darauf wechselt Erestor einige Worte mit Lindir, der ihn zuerst skeptisch ansieht. Schlussendlich nickt er jedoch zustimmend und blickt dem davon eilenden Erestor hinterher.

Erst als Erestor den Saal verlassen hat, entspannt sich Glorfindel, atmet tief durch und lehnt sich wieder bequem zurück. Ihm wird bewusst, wie sehr er von Erestors Reaktion abhängig ist, wie sehr sein Handeln das eigene Leben bestimmen kann, denn mit dem Schreiben hat er ihm die Wahl gelassen, eben jene, wie Daran sie erhalten hat. Und ebenso hätte Erestor seine Ablehnung durch dessen Verbleib im Saal zeigen können. Doch nun … spürt er eben solche Freude durch seine Adern rinnen, als hätte er ein überaus kostbares Geschenk erhalten.
Obwohl alles in ihm danach strebt Erestor zu folgen, bleibt Glorfindel auf seinem Platz, begleitet den anderen nur in Gedanken durch die Flure Bruchtals. Ihm ist es nicht gegeben, einfach den Saal zu verlassen, denn als Fürst hat er Regeln der Höflichkeit einzuhalten, welche fordern, dass er sich persönlich vom Gastgeber und dessen Familie zu verabschieden hat. Da jedoch Celebrian noch immer mit den Geschenken beschäftigt ist, wird es noch einige Zeit in Anspruch nehmen. So wartet er ungeduldig eine gefühlte Ewigkeit wie ihm erscheinen will. Doch endlich kann er sich verabschieden und eilt mit der ungeöffneten Schachtel durch die Flure, durch welche vor kurzer Zeit Erestor geschritten war.
Vor der Tür des Ratgebers bleibt er schließlich stehen. Ihm ist der Raum bekannt, der sich hinter dem dunklen Holz verbirgt, war er doch bereits einige Male hier. Es waren aber stets offizielle Aufträge, die ihn hier geführt hatten und eine überaus schnelle Entscheidung Erestors bedurften.  Heute jedoch steht er hier, obwohl nur eine Notwendigkeit für ihn selbst besteht, weil er es sich wünscht und doch krallt sich ein unbestimmtes Gefühl in seinem Bauch fest, lässt ihn nur zögernd die Hand heben, um sacht an das dunkle Holz zu klopfen. Was ist, wenn er sich seinen Hoffnungen zu früh hingegeben hat? Was soll ein Mann wie Erestor mit einem altgedienten Kämpfer, wie er es ist? Auch wenn er einen großen Namen trägt und Lieder auf seine Heldentaten gesungen werden, so ist er trotzdem nur ein Mann, dessen Haut von Narben gezeichnet ist.
Seine Hand hat das Holz noch nicht berührt, noch immer könnte er gehen, alles auf sich beruhen lassen. Bestimmt wird Erestor es ihm nachsehen, dass er sich für kurze Zeit in einem Traum verzettelt hat.
Langsam lässt er die erhobene Hand sinken und blickt auf die Schachtel hinab. 'Und was ist mit dem Brief? Viele schöne Worte, waren es nur wohlgesetzte Phrasen, ohne Sinn?' Zischend zieht er die Luft durch die Zähne. Nein, das waren sie bei weitem nicht! Wieder hebt er die Hand, nun energischer, ohne Zögern, doch bevor er anklopfen kann, wird die Tür geöffnet.
Erstaunt und auch etwas überrumpelt blickt Glorfindel in Erestors leicht gerötetes Gesicht. „Guten Abend, mein Herr!“, flüstert dieser mit lächelnden Lippen und doch liegt eine Frage in ihnen versteckt. „Ich befürchtete, dass Ihr einfach vorbei gehen würdet!“
Betreten senkt Glorfindel den Blick. „Ich gestehe, dass ich mit dem Gedanken gespielt hab.“
Kurz zieht Erestor fragend die Augenbrauen hoch, nur um dann eine einladende Handbewegung zu machen. „Wenn du es wünschst, können wir darüber bei einem Glas Wein reden.“
Wenn Erestor das Zögern Glorfindels aufgefallen ist, so lässt er es sich nicht anmerken. Mit der Hand deutet auf den Kamin, in welchem das Feuer wie unter einem heftigen Windstoß heftig aufflackert. „Tritt ein und fühle dich wie daheim!“
Er weiß, dass die letzten Worte mehr eine Floskel sind und doch scheinen sie Glorfindel einen Teil seiner Anspannung zu nehmen. Das Päckchen legt er auf einem kleinen Tisch ab, welcher mit Gläser und Weinkaraffe eingedeckt vor dem Kamin steht und wendet sich Erestor zu. Dieser hat die Tür leise hinter sich ins Schloss fallen lassen und lehnt nun mit vor der Brust verschränkten Armen dagegen. Wie am Abend zuvor hat er den Rock abgelegt und das Weiß des Hemds hebt sich im flackernden Licht des Kaminfeuers deutlich von der dunkleren Umgebung ab.
„Hast du etwa Angst vor mir?“, hört Glorfindel ihn herausfordernd fragen. Beim warmen Klang der Stimme rinnt ihm ein Schauer über die Haut, löst die Krallen aus den Eingeweiden, nur um sie heiß über seine Lenden ziehen zu lassen und lässt ihn seine zuvor gefühlten Bedenken zur Nichtigkeit schrumpfen.
„Nein, es ist eher so, dass du mich verunsicherst“, antwortet er und stellt fest, dass dem wirklich so ist. „Du weckst Gefühle in mir, denen ich mich in meinem bisherigen Leben noch nicht in diesem Ausmaß stellen musste und das ängstigt mich, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.“
„Also hast du doch Angst vor mir? Doch wie soll ich deine Furcht werten?“, murmelt Erestor, den Kopf fragend zur Seite geneigt.
Glorfindel schweigt, als müsse er seinem Inneren nachspüren. Ein leichtes, traurig wirkendes  Lächeln huscht schließlich um seine Lippen. „Es ist wohl so, dass ich Angst habe“, stimmt er leise zu. Im nächsten Moment ist er dicht an Erestor herangetreten, lehnt sich ihm entgegen und birgt sein Gesicht an dessen Hals. „Mich erfüllt die Furcht, dass du dich wieder von mir abwenden könntest, dass ich dich verliere könnte!“, murmelt er an Erestors Haut.
Wie ein Seufzen geht es durch den Körper des Schwarzhaarigen und gleich darauf spürt Glorfindel, dass Erestor die verschränkten Arme löst und sie in einer tröstenden Geste um ihn schlingt. „Ich habe meinerseits befürchtet, dass du vorbei gehen wirst!“, hört er ihn flüstern. „Ich hatte Angst, dass du einfach an meiner Tür vorbei gehst und die Worte, die ich von dir erhalten habe, nichts weiter als leere Floskeln gewesen wären!“
Widerstrebend löst sich Glorfindel von Erestor, um ihm in die Augen blicken zu können. „Der Gedanke ist mir gekommen, weil du etwas besseres verdienst als einen alten Krieger wie mich“, gesteht er zögernd und erhält ein entrüstet klingendes Schnauben zur Antwort.
„Du hast keinerlei Ähnlichkeit mit Círdan, als dass du dich als alt bezeichnen könntest.“ Ein Finger streicht über Glorfindels Gesicht, folgt der Kinnlinie. „Und lass es meine Sorge sein, was mein Verdienst und für mich das Beste ist.“ Lippen folgen dem Finger, ziehen auf Glorfindels Haut eine heiße Spur bis zu seinem Mundwinkel hin.
Im nächsten Moment ist es um Glorfindels Beherrschung geschehen. Gierig nimmt er mit einem leichten Neigen des Kopfes die Lippen gefangen, lässt seine Zunge über sie streichen und lustvolle Erregung durchflutet ihn, als sie sich unter seiner Berührung öffnen. Seine Hände gleiten über Erestors Körper, wünschen, ihn gleichermaßen an sich zu ziehen und ihn gegen das warme Holz der Tür zu pressen. Unter seinen Fingern spürt er Hitze, die durch den dünnen Stoff des Hemdes dringt, als sie an Erestors Seiten hinabstreichen.

Erestor hat die Arme um den Nacken des hochgewachsenen Noldors geschlungen, schmiegt sich an ihn, während er sich kaum in der Lage fühlt, seine Lippen von der Haut Glorfindels zu lösen. Gierig saugt er dessen Geschmack in sich ein, ist wie berauscht von seinem Geruch. Ihn erfüllt der Wunsch, in dem anderen versinken zu wollen und gleichzeitig ihn tief in sich zu spüren. Das Verlangen danach heizt ihn immer weiter an, lässt ihn sich gegen den Körper des anderen bewegen und zur gleichen Zeit stößt seine Zunge in den anderen vor, fordert ihn heraus, sich endlich gehen zu lassen.
Ein tiefes Grollen entringt sich Glorfindels Brust und im nächsten Moment fühlt sich Erestor heftig gegen die Tür gepresst. Fast gewaltsam drängt sich ein Bein zwischen seine Schenkel, zwingt sie auseinander. Er lässt es geschehen, kommt es doch seiner eigenen Begierde entgegen. Hart presst sich ein Körper gegen seinen Leib, bewegt sich gegen ihn, so wie er sich gegen den anderen. Und doch ist es ihnen nicht genug. Hände legen sich um Erestors Gesäß, heben ihn und zwischen dem warmen Holz der Tür und der heißen Haut Glorfindels gefangen, schlingt er seine Beine um dessen Hüfte. Fühlt sein Stoßen ebenso wie das Reiben seines harten Körpers, heizt die Gier immer weiter an bis es schmerzhaft pocht.
Erestor stöhnt unwillkürlich an Fins Lippen. Hilflos nimmt er die Gefühle in sich auf, lässt sich von ihnen forttragen, gehalten nur in dieser Welt von schlanken Fingern, die sich mit den seinen verschränken, hartem Fleisch, das sich an ihm reibt. Kaum ist zu unterscheiden, wessen Keuchen lauter im Raum klingt.
„Ich liebe dich!“, hört er Glorfindel heiser flüstern. Mit dunklen Augen blickt Erestor ihn an, glaubt im Blau zu ertrinken. Dies ist der Moment, in welchem es in heiß überrollt. Stöhnend ergießt er sich  in seine Beinkleider. Nur wenige Augenblicke später hört er den Goldhaarigen laut keuchen, Schauer rinnen durch den Körper, den er umschlungen hält und sich schließlich schwer gegen ihn lehnt.
Miteinander verschränkte Finger lösen sich, umschließen stattdessen Glorfindels Gesicht. Lippen streichen noch einmal über dessen Mund. „Du bist alles, was ich mir jemals wünschen könnte.“
Die Lippen verziehen sich zu einem leisen Lachen, welches in Glorfindel zu vibrieren scheint. „Ich fühle mich wie ein junger Elb, der allein nur vom Gedanken an einen schönen Körper in seine Kleider spritzt.“
Kurz aber heftig presst sich ein Mund auf Erestors. „Solang ich es bin, an den du denkst, mag es mir egal sein, wie oft du am Tag deine Unterkleidung wechseln musst“, murmelt Glorfindel schließlich, schlingt die Arme um den schmaleren Körper. „Werden deine Beine dich tragen können?“
Ein leichtes Kopfschütteln bekommt er zur Antwort und glaubt, ein schelmisches Lächeln um dessen Mund zucken zu sehen. „Ich fürchte, dass du mich zu Bett bringen musst“, entschuldigt er sich mit einem leisen Lachen in der Stimme.
„Und wie einen kleinen Elb für die Nacht betten?“
Als würde er über die Frage nachdenken, neigt Erestor den Kopf. „Es kommt wohl darauf an, wie klein der Elb ist.“



Warme Haut schmiegt sich an Erestors Rücken während Finger über seinen Körper gleiten. Nägel kratzen leicht über den Bauch bis zur Leiste hinab, umspielen seine Mitte, die sich trotz seiner Schläfrigkeit hart der streichelnden Hand entgegenreckt. Weiter zieht sie ihren Weg über seine Brust wieder hinauf. Helle Augen beobachten ihn, nehmen jede einzelne Regung in sich auf und folgen ebenso den Bewegungen der streichelnden Hände.
Er spürt, wie die Berührungen das Blut erhitzen und ihn atemlos machen. Mit leisem Stöhnen schmiegt er sich in die Wärme, hebt seinen Körper den Händen entgegen. Goldfarbenes Haar gleitet über seine Haut, als sich der andere über ihn beugt, mit den Lippen eine Spur von Schulter zum Hals hin zieht, Zähne über die weiche Haut im Nacken schaben. Schauer um Schauer rinnen über seinen Körper, lassen das Blut in seinen Adern rauschen. Streichelnd gleitet die Hand wieder über Brust und Bauch hinab, folgt den Konturen der Muskelstränge unter der glatten Haut. Erwartungsvoll bewegt sich Erestor ihr entgegen, windet sich unter den Berührungen und keucht genussvoll, als sich die Finger endlich um ihn schließen.
Eine Zunge streicht sein Ohr entlang, verharrt kurz an dessen Spitze, während Finger sein Glied in der gleichen Art streicheln. „Guten Morgen!“ Die Worte sind wie ein weiches Grollen, welches ihn bis in sein Innerstes erbeben lässt. Lächelnd und mit einem tiefen Seufzen wendet er den Kopf. „Den wünsche ich dir ebenfalls“, antwortet er leise, bevor sich Lippen auf seine pressen.
Keuchend bewegt sich Erestor unter Glorfindels Händen, spürt dessen Härte an seiner Haut, gegen die er sich gierig presst. „Ich will dich“, flüstert Erestor mit fiebriger Stimme, lässt seine Finger über die Haut des anderen gleiten, soweit er sie erreichen kann.

Glorfindel seufzt unter Erestors gierigen Berührungen, Finger, die über Hüfte und Gesäß streichen, während sich dessen Körper gegen ihn presst. „Ich will dich in mir!“, hört er ihn seinen Wunsch bekräftigen. Allein die Vorstellung, sich in der Hitze zu versenken lässt Glorfindel in einem Wohlgefühl erschauern. „Ich benötige Öl“, flüstert er an Erestors Haut und erhält gleich darauf ein tiefes Seufzen und eine unbestimmte Handbewegung zu einem kleinen Schrank hin. Tatsächlich findet er im obersten Fach ein Fläschchen, welches sich beim Öffnen als wohlduftendes Körperöl entpuppt.
Erestor hat sich zu ihm umgewandt und nun blicken seine dunklen Augen ihm entgegen als er an das Bett heran tritt. Mit der freien Hand greift er nach dem Laken, welches sich der Schwarzhaarige bis über die Hüfte gezogen hat. Mit leichtem Zug zieht er das Tuch bis zu Erestors Füße hinab, dabei gleitet sein Blick über die freigelegte Haut.
Die Matratze senkt sich unter Glorfindel als er sich auf sie niederkniet und mit Fingern und Lippen den Weg des Lakens zurück folgt. Seine Zunge leckt über weiche Haut, schmeckt das Salz der vergangenen Stunden. Unter ihm bewegt sich Erestor unruhig, als würde er sich den Berührungen entziehen wollen und doch keucht er zufrieden auf, als Lippen seine Lenden berühren.
Hände öffnen seine Schenkel für eine Zunge, die über seine Hoden streicht sowie eine feuchte Spur über sein Glied zieht. Lippen schließen sich um ihn, nehmen ihn in sich auf und unwillkürlich entringt sich Erestors Brust ein tiefes Stöhnen. Eine Hand hält ihn nieder, während Finger über seinen Eingang streichen und sich einer langsam in ihn versenkt. Bald darauf folgt ihm ein weiterer Finger, welcher ihn massierend dehnt, während Lippen ihn immer noch umschlossen halten.

Erestor hat die Hände in die Laken gekrallt, stöhnt ungehalten darüber, sich nicht das nehmen zu können, nach was es seinen Körper verlangt. Glücklicherweise ist das Gefühl des Schmerzes schnell gewichen und Hitze durchströmt ihn pulsierend. „Fin!“, grollt er schließlich, bevor ihn die Glut überrollen und davon tragen kann. Fast erleichtert atmet er auf, als Glorfindel von seinem harten Fleisch ablässt und sich weiter über ihn erhebt. „Ich will dich endlich spüren!“, fordert er mit heiserer Stimme von ihm.
Wie zur Antwort neigt Glorfindel den Kopf tief über Erestor bis sich ihre Lippen fast berühren. „Wie mein Herr es befiehlt!“, flüstert der Goldhaarige lächelnd, dessen Atem über die Haut Erestors fächert. Gleich darauf werden seine Beine angehoben bis sie fast seine Brust berühren und warme Flüssigkeit über seine Hoden rinnt. Finger verteilen die Wärme auf seiner Haut, massieren sie in ihn hinein, reizen ihn zum haltlosen Stöhnen. Kurze Zeit später fühlt er Glorfindels Härte, die sich gegen seinen Eingang presst und langsam in ihn dringt. Der befürchtete Schmerz bleibt aus, stattdessen hat er nur das Gefühl des Ausgefülltsein, des Dehnens, doch wird es bald von Lust abgelöst, als sich Glorfindel langsam in ihm zu bewegen beginnt.
Erestor hebt sich ihm entgegen, schlingt die Beine um den hochgewachsenen Noldor, zieht ihn noch dichter an seine Haut, als würde er mit ihm verschmelzen wollen. Hitze umspült ihn, Glut pulsiert durch seine Adern, sammelt sich in ihm, konzentriert auf einen  Punkt, über welchen Glorfindel bei jeder Bewegung immer wieder streift. Der Höhepunkt überrollt ihn, reißt ihn mit sich und lässt ihn atemlos zurück. Nur Augenblicke später versenkt sich Glorfindel ein letztes Mal tief in Erestor und verharrt mit geschlossenen Augen über ihm, das Gesicht wie im Schmerz verzogen. Schauer rinnen durch seinen Körper, lassen ihn erbeben.
Deutlich kann Erestor das Pulsieren in seinem Inneren spüren, dessen Hitze, die sich in ihm ergießt.

Mit einem tiefen Seufzer lässt sich Glorfindel auf Erestor sinken, genießt die körperliche Verbundenheit. Finger streichen über seinen Rücken, malen unbekannte Symbole auf die Haut.
„Ich möchte an jedem Morgen so geweckt werden“, hört er den Schwarzhaarigen flüstern.
„An mir soll es nicht liegen!“, antwortet Glorfindel leise mit atemloser Stimme, spürt Hände, die über seinen Hals streichen und sich mit seinem Haar verflechten. „Ich fürchte nur, dass es Herrn Elrond nicht recht sein wird, wenn du stets erst in der Mittagszeit in deinem Arbeitszimmer erscheinst“, murmelt er.
„Heute ist heute“, antwortet Erestor mit einem unbestimmten Lächeln und nimmt mit der Zunge einen Schweißtropfen von Glorfindels Hals auf, der über die Haut perlt.

Epilog

Ruhe ist endlich im Letzten Gastlichen Haus eingekehrt und die Lichter sind gelöscht. Nur im Gemach des Herrn von Bruchtal und dessen Gemahlin verbreiten die Flammen zweier Kerzen ihren sanften Schein. Eine von ihnen hat Elrond auf einem Tischchen abgestellt, welches neben seinem Bett steht und ihm so erlaubt, noch einige Seiten in einem abgegriffenen Folianten zu studieren.
Das weiche Licht der zweiten Kerze beleuchtet Celebrian, welche sich mit langen Strichen das silbern schimmernde Haar bürstet. Im Spiegel kann sie ihren Gemahl beobachten, welcher sich in einer müde wirkenden Geste über das Gesicht streicht und gleich darauf das Buch zur Seite legt.
Wieder einmal wird Celebrian bewusst, wie sehr er ihr Leben bestimmt, in seiner ruhigen Art Einfluss auf ihre Entscheidungen nimmt. Trotz seiner unbestreitbaren Macht widmet er sich auch den kleinen Dingen, behandelt sie mit der gleichen Wichtigkeit, welche er einst jenen Gil-galads angedeihen ließ. Stets betont er, dass er nicht von solchen Nichtigkeiten ausgeschlossen sein will, obgleich es eine mehrfache Belastung für ihn bedeutet.
„Ich denke, dass ich zum kommenden Mittwinterfest wieder alles in die eigenen Hände nehmen werde“, sagt sie schließlich in die Stille des Raumes hinein. Deutlich kann sie die Reaktion Elronds im Spiegel erkennen, dessen erstaunt hochgezogene Augenbraue.
„Der Abend ist doch wirklich außergewöhnlich ruhig und äußerst angenehm verlaufen und soweit mir bekannt ist, sind alle mit ihren Geschenken mehr als zufrieden.“
„Ja, ich habe ebenfalls nichts Negatives vernommen und doch …“ Kurz überlegt Celebrian bevor sie die Bürste zur Seite legt und die Kerze löscht.
„Dieses andauernde Gefühl, etwas übersehen oder vergessen zu haben, macht mich nervös. Zudem sind ständig Fragen an mich heran getragen worden, die andere klären mussten“, hört Elrond sie sagen und auch das leise unzufriedene Seufzen. Gleich darauf hebt Celebrian die Bettdecke und lässt sich in die weichen Kissen sinken.
„Das Fest ist erst seit zwei ganzen Stunden vorüber“, murmelt Elrond, während er auch sein Licht löscht und dann tiefer unter die Decken rutscht. „Lass die Zeit auf dich zukommen und gucken, was sie an neuen Gedanken und Ideen für den nächsten Mittwinter bringen mag.“
Ein Arm schlingt sich um seine Brust und der weiche Körper Celebrians schmiegt sich an seine Seite. „Im Grunde genommen, war die Idee nicht schlecht gewesen, jedoch fehlt mir einfach der Überblick, was sich in meinem Haus tut.“
„Ich denke, dass du sehr gut weißt, was sich im gesamten Tal tut“, antwortet Elrond mit einem leisen Seufzen in der Stimme. Finger tanzen über seinen Körper, berühren ihn durch den glatten Stoff seines Nachtgewandes.
„Ich möchte gar nicht wissen, was sich in der heutigen Nacht zuträgt“, lacht Celebrian. „So weinselig, wie manche unserer Gäste waren, will ich doch hoffen, dass sie noch ihr Bett gefunden haben und nicht in irgendeiner Ecke ihren Rausch ausschlafen!“
„Das werden wir erst am Morgen erfahren, wenn uns entsprechende Klagen zugetragen werden“, schmunzelt Elrond und spürt das zustimmende Nicken Celebrians an seiner Schulter.
„Ja, so wie in jedem Jahr“, seufzt sie schließlich ergeben. Gleich darauf hebt sie den Kopf, um ihren Gemahl anzublicken, die feingeschnittenen Augenbrauen überlegend zusammengezogen. „Ich hätte eine Bitte an dich und hoffe, dass du sie mir erfüllten wirst.“
Erstaunt und wohl auch etwas überrascht nickt Elrond zögernd. „Wenn es in meiner Macht steht, werde ich dir jeden Wunsch erfüllen. Das ist dir doch sehr wohl bewusst!“
„Da es eine sehr persönliche Bitte ist, könntest du sie ablehnen. Doch will ich sie dir sagen und du entscheidest dann, ob du mir diese erfüllen willst.“ Geradezu atemlos wartet sie auf die Zustimmung Elronds, welche ihr ein Lächeln auf die Lippen zaubert. „Ich freu mich sehr für Erestor und es gibt wohl kaum jemandem im Haus, dem ich es mehr wünschen würde, glücklich zu sein und doch mache ich mir Gedanken darüber, ob es wirklich das ist, was er sich wünscht. Nun wäre meine Hoffnung, dass du ihn fragst, ob sein Wunsch in Erfüllung gegangen ist.“
Ungnädig bewegt Elrond die Augenbrauen. „Meine Liebe!“, beginnt er mit ernster Stimme. „Ich bin mir nicht sicher, wie Erestor zu einem Thema in unserem Schlafgemach werden kann, während wir uns zum Schlafen gebettet haben. Noch vor wenigen Stunden hast du mir gut zugesprochen, mich mit diesem Paar abzufinden und nun machst du dir Gedanken darum? Wenn du dir in dieser Beziehung nicht sicher bist, dann warte einige Zeit ab und sprich selbst mit ihm. Ich bin sicher, dass du die einfühlsamste Person im ganzen Haus bist und er dir es wohl kaum nachtragen wird, wenn du ihn darauf ansprichst.“
„Ja, mein Herz, so werde ich es handhaben“, stimmt Celebrian ihrem Gemahl schlussendlich zu und lehnt ihren Kopf wieder an seine Schulter.
Stille breitet sich zwischen ihnen aus und Elrond glaubt, dass Celebrian eingeschlafen ist, denn gleichmäßig und leicht geht ihr Atem und ruhig liegt ihre Hand auf seiner Brust. „Ich weiß, dass ich dir eines Tages den Wunsch erfüllen werde, dir ein weiteres Kind schenken zu dürfen“, hört er sie flüstern und ebenso wie sie spürt er die Wahrheit ihrer Worte.
„Ich weiß, mein Herz!“, antwortet er ihr in seiner ruhigen Art und zieht sie in einer liebevollen Geste noch dichter an sich. Gleich darauf zupfen Finger am glatten Stoff seines Nachtgewandes und ein leises Lachen durchbricht die Stille im Gemach. „Und du weißt sehr wohl, mein Liebster, wie sehr ich diese langen und hochgeschlossenen Schlafgewänder verabscheue, in denen du wirkst, als würdest du meine Eltern empfangen wollen!“

 

**********


Mit einem zufriedenen Seufzen lehnt sich Lindir in die Kissen zurück, genießt das Gefühl eines warmen Körpers dicht neben dem seinen. Er muss nur die Hand heben, um mit seinen Fingerspitzen über die Haut Darans streichen zu können. Dieser hat sich etwas zur Seite geneigt, präsentiert so Lindir den Rücken, unter dessen Haut sich die Muskelstränge deutlich abheben.
Ohne sein Zutun, hebt sich Lindirs Hand, seine Finger folgen den Bewegungen, zeichnen Figuren auf der glatten Haut bis zum entblößten Gesäß hinab. Dem Gardisten entringt sich ein leises Keuchen, als die Finger unter das Laken tauchen, der Linie seines Rückens immer weiter hinab folgen. Bevor sich jedoch die Hand zwischen die halb geöffneten Schenkel Darans schieben kann, wendet sich dieser um.
Mit einem triumphierend wirkenden Lächeln hält er Lindir die schwarzen Samtbänder entgegen. „Ich will das!“, erklärt er mit hochroten Wangen. „Ich will dein Geschenk!“
Im ersten Augenblick sieht der Meistermusikant Daran erstaunt an, greift dann jedoch nach den Bändern. Sich auf Knien über den anderen erhebend, zieht er ihn in einen tiefen Kuss während sich Finger um Darans Handgelenke schließen, ihn das Schwarz bindet. Vertrauensvoll lässt er sich in die Berührungen fallen.


**********

 

Leises Rascheln und Knistern lässt Erestor aufblicken, seine Augen finden schnell den Verursacher. Ein leises Lächeln legt sich auf seine Lippen, als er Glorfindel sieht. „Hast du endlich dein Geschenk geöffnet?“
Dieser nickt kauend und tritt mit der Schachtel an das Bett, lässt sich auf die Bettkante nieder. „Ich hätte nicht gedacht, dass man sie sogar essen kann“, sagt er und schiebt sich einen weiteren der bunten Kekse zwischen die Lippen.
Erestor langt nach der Schachtel, doch nimmt Glorfindel sie aus seiner Reichweite. „Das ist mein Geschenk“, erklärt der Goldhaarige lachend. „Du hattest deines bereits erhalten!“
„Und wenn ich dir etwas als Gegenleistung anbiete?“, fragt der Schwarzhaarige herausfordernd mit samtiger Stimme.
Glorfindel glaubt, das Versprechen in den Worten spüren zu können. Es rinnt als heißer Schauer über seinen Rücken, doch gibt er sich den Anschein, über das Angebot nachdenken zu müssen. „Was hast du anzubieten?“
Lächelnd zieht Erestor die Decke zur Seite, gewährt einen Blick auf seinen Körper. „Wäre dies ausreichend?“
Glorfindel lässt den Blick über die makellose Haut gleiten, die sehnigen Gliedmaße und fühlt, wie sich Hitze wieder in ihm sammelt. „Nein“, murmelt er mit dunkler Stimme. „Aber es könnte eine Anzahlung sein.“

 


Ende

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.02.2016

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