Seit der Zeit, als der Erste aus dem Hause Durin seinen Fuß in die damals noch unerschlossenen Höhlen des Einsamen Berges gesetzt hatte, gab es eine Vereinbarung zwischen den Völkern der Zwerge und der Elben des Waldlandreiches.
Thráin I erkannte die Vorteile, die eine überaus enge Zusammenarbeit zwischen diesen Elben und seinem Volk einbringen könnte. Zu allem Überfluss hatte er auch keine andere Wahl, denn vertrieben aus den großen Hallen Khaza dûms wären sie zur Heimatlosigkeit verurteilt, wenn er dem nicht zugestimmt hätte. Er hätte auch sein Volk in die Eisenberge führen können, aber wäre dies nur eine Lösung für kurze Zeit gewesen. Zudem hegte er die Hoffnung, dass zwischen ihnen, wie zu Zeiten Eregions, reger Handel beide Reiche vorantreiben könnte.
Doch blieben sie hier nicht für lange Zeit, denn bald führte Thráin I sein Volk fort vom Einsamen Berg in das Graue Gebirge, dessen Schätze reich und unerschlossen im felsigen Boden liegen sollten. Zu den Gründen, die ihn zu dieser Entscheidung bewogen haben mögen, äußerte er sich nicht. Auch gegenüber seinen engsten Vertrauten verschloss er sich und so nahm er das Geheimnis um diese abermalige Wanderung mit sich ins Grab.
Trotz der immer wiederkehrenden Angriffe der Kaltdrachen, die es auf die von den Zwergen aus dem Berg geschlagenen Schätze abgesehen hatten, blieb das Volk Durins. Aber schließlich nahm die Häufigkeit der Überfälle weit über ein erträgliches Maß zu und die Zwerge konnten sich ihrer kaum noch erwehren.
Im Jahr 2590 des Dritten Zeitalters der Kinder Ilúvatars, dessen Zählung mit der Niederschlagung Saurons begonnen hatte, entschied der neue König, Thror II, dass ein weiteres Verweilen in diesen Höhen nicht mehr tragbar wäre. Der Verlust an Leben war einfach zu hoch und konnte den Gewinn, der aus den Bergen zu brechen war in keinster Weise rechtfertigen. So zog ein großer Teil des Zwergenvolk ein weiteres Mal zum Einsamen Berg, um in die einstmals von Thráin I geschaffenen Hallen, zurückzukehren.
Noch jung an Jahren, war Thror bestrebt, in gutem Einvernehmen mit seinem Nachbarn zu leben. Mit offenen Armen empfing er daher Thranduil, der jedoch alsbald auf die Einhaltung der einstmals geschlossenen Vereinbarung drang.
„Es steht geschrieben, dass der König des Waldlandreiches dem Volke Durins unter Herrschaft des Königs unter dem Berge die Nutzung des Holzes aus seinem Reiche gewährt“, las der junge König mit klarer Stimme, nachdem die Ratgeber die Echtheit der Siegel geprüft hatten. „Welcher Art könnte die Begleichung der Schulden aussehen?“, überlegte Thror und blickte sein Gegenüber fragend an. „Dazu steht hier nichts geschrieben!“
Der Waldlandkönig Thranduil blickte den König offen an und hob, wie um Entschuldigung heischend, die Hände. „Dies ist nicht vertraglich festgehalten!“, gab er zu, „jedoch ist es etwas, was im Ermessen der beiden Königshäuser steht!“
Die Jahre zogen ins Land und die Reiche um den Langen See wuchsen und wurden stark. Menschen ließen sich vor dem Tor zum Einsamen Berg nieder, eine neue Handelsmacht erstarkte, neue Fürstentümer entstanden ebenso wie neue Städte. Thal wurde zum Handelsplatz für Elben, Zwerge und auch Menschen. Das Land gedieh, wurde sogar einflußreicher als seiner Zeit Eregion und Khaza dûm! Ein Umstand, den beide Könige begrüßten, ebenso wie die Handelshäuser Esgaroths und das Fürstenhaus in Thal.
Thrór war dank seiner Voraussicht und der Kraft und Geschicklichkeit vieler Zwerge, die augenscheinlich das Leben in den toten Steinen und Metallen spüren konnten, in der Lage, sein Volk zu großem Wohlstand zu verhelfen. Die Schatzkammern des Berglandreiches füllten sich bis zum Bersten und auch die Bürger Esgaroths und Thals konnten sich nicht beklagen. Thranduil fand ebenso wenig Grund zur Klage, war doch Thrór bestrebt, den Vertrag stets einzuhalten und so die Holzlieferungen für die heißen Zwergenfeuer nicht abreißen zu lassen.
Wie in jedem zehnten Jahr, sollte auch an diesem Tage die Begleichung der Schulden erfolgen. Zu diesem Zwecke sowie zum Empfang seines hohen Besuches hatte sich Thrór auf seinem Thron niedergelassen. An seiner Seite stand sein Sohn Thráin II sowie zu seiner anderen dessen Söhne, die ihn mit ebensoviel Stolz erfüllten, als wären es seine eigenen.
Gemessenen Schrittes, als würde er durch die eigene Halle schreiten, ging Thranduil auf die Zwerge zu und ließ seinen Blick dabei über sie gleiten. Er bedachte jeden mit seiner Aufmerksamkeit und neigte grüßend das Haupt.
„Seid in meinen Hallen auf das herzlichste Willkommen, König unter Eiche und Birke!“, begrüßte ihn Thrór und deutete mit der Hand auf eine Schatulle, die in ihren Ausmaßen schon an eine kleine Truhe erinnerte. „Wie Ihr seht, haben wir Euer Kommen bereits erwartet! Steine wie das Licht der Sterne!“
Thranduil warf nur einen Blick in die Truhe, die ein beflissener Zwerg auf einen Wink Thrórs hin geöffnet hatte. Kurz flackerte Begehren in den klaren Augen des silberhaarigen Elben auf bevor er sich dem König des Berglandkönigreiches zuwandte. „Dieses Mal verlangt es mich nicht nach diesen edlen Steinen, die ohne Frage kostbar sind, doch begehre ich etwas, was Euch ungleich wertvoller sein könnte und Euch in entsprechendem Maße vergolten werden wird!“
Thrór neigte sich interessiert vor. „Was könnte den edlen Thranduil so bezaubert haben, dass es den Wert der Steine in den Schatten stellt?“
„Thorin!“ Das Wort war nicht mehr als ein Flüstern und doch wirkte es, als hätte es Thranduil hinausgeschrien. Atemlose Stille erfüllte den hohen Saal, der ein wahrer Tumult folgte.
Ein Brüllen entrang sich Thráins Brust und auch Frerin stand dem in Nichts nach, doch verfiel dieser nicht in blindwütige Raserei, wie sein Vater.
Thrór hatte seinen Sohn gerade noch am Arm zurückhalten können, bevor dieser mit einer der zweischneidigen Streitäxte, die zur Zierde an der Wand angebracht waren, den König des Waldlandreiches angehen konnte. Stattdessen erhob er sich von seinem Thron und seine Stimme troff geradezu vor Herablassung und Abneigung.
„Wie könnt Ihr es wagen, ein solches Ansinnen an mein Haus zu stellen? Das ist eine Beleidigung meiner und meines Sohnes Ehre, die ich nicht unvergolten lassen kann.“ Mit der Hand deutete er auffordernd auf die hohe Tür. „Mit Rücksicht auf unsere bisherige gute Zusammenarbeit, habe ich nur eine Möglichkeit: Nehmt diese Steine als Bezahlung für das Holz, das wir von Euch erhalten haben und geht! Lasst Euch nie wieder in diesen Hallen blicken, sonst kann und werde ich nicht versprechen können, dass Ihr heil an Leib und Seele diesen Berg wieder verlassen werdet!“
Thranduils Blick hatte auf dem dunkelhaarigen Durinerben geruht, der mit undurchdringlicher Miene das Geschehen beobachtete. Dessen Brauen waren zusammengezogen, die Stirn gerunzelt und immer wieder wanderte sein Blick zu dem hochgewachsenen Elben hin.
Zu gern würde Thranduil ihm eine Erklärung für sein Handeln geben, doch hatte es sein Großvater durch seine Worte, wenn auch ungewollt, unterbunden. So schloss er den Mund und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sich Thrór wieder zuwendend, nickte er nur leicht als Zeichen, dass er die Worte des anderen verstanden hätte.
Nach außen hin wirkte er ruhig, als er darauf wartete, dass die beiden Elben, die ihn begleiteten, die Truhe aufgenommen hatten. Ohne sich noch einmal zu den Zwergen umwendend, verließ Thranduil den tief in den Berg gegrabenen Zwergenpalast.
Erst einige Jahre später, als Smaug den Einsamen Berg angriff, sah Thranduil den jungen Zwergenprinzen wieder.
Kundschafter hatten ihm die Nachricht gebracht, dass ein Feuerdrache seit wenigen Tagen am Erebor gesehen worden sei. Sofort ahnte er, was dies zu bedeuten hätte. In kürzester Zeit ließ er eine Elbenarmee von fünfhundert Mann Stärke ausheben. Er selbst führte sie zum Einsamen Berg und musste hilflos zusehen, welch verheerende Katastrophe Smaug über die Stadt Thal und den Zwergenpalast brachte. Tod und Zerstörung, wohin das Auge blickte.
Dann sah er ihn. Die für einen Zwergen hochgewachsene Statur war unverkennbar, ebenso das rabenschwarze Haar.
Mit einem letzten Blick auf den Einsamen Berg wendete Thranduil sein Reittier. So sehr es ihm im Herzen schmerzte, war es ihm nicht möglich, den Zwergen zu helfen. Wie eine Naturgewalt wütete der Drache, so dass ihm in keinster Weise beizukommen gewesen wäre. So entschied Thranduil, dass er seine ihm Untergebenen nicht in einen ausweglosen Kampf entsenden kann, der in keinster Weise von Erfolg gekrönt sein würde.
Was er jedoch nicht sah, war das Entsetzen und die Verzweiflung im Blick des jungen Prinzen, als er die Elbentruppen abziehen sah. 'Warum hilft er uns nicht?', fragte sich Thorin, winkte aufgebracht mit den Armen, um auf sich und die Dringlichkeit von notwendiger Hilfe aufmerksam zu machen.
'Er verlässt dich!', flüsterte ihm eine zweite Stimme zu, der er in seinem Unglück, das ihn gerade umspülte, nur zu gern Glauben schenken wollte.
Thranduil ritt auf seinem großen Hirsch fort und ließ unwissend einen jungen Zwergen zurück, dessen Verzweiflung und Entsetzen schließlich in unbändige Wut umschlug und über die Jahre der Wanderschaft, der Kämpfe und der Verluste zu tiefem Hass degradierte.
„Herr!“ Die helle Stimme eines jungen Bediensteten riss Thranduil aus seinen düsteren Gedanken. „Zwerge sind abseits der alten Waldstraße gesichtet worden!“
„So, so“, erscholl seine Stimme ruhig, obwohl ihn unwillkürlich unglückselige Hoffnung durchströmte. 'Zwerge!' Seit er dieses eine Wort vernommen hatte, pulsierte das Blut durch seinen Körper und am liebsten hätte er sich auf den Hirsch geschwungen, um die Wahrheit der Mitteilung zu ergründen. Tief atmete er durch, um sich innerlich zur Ruhe zu zwingen.
„Greift sie auf und setzt sie im Kerker gefangen. Sagt den Wachen, dass ich mich zu gegebener Zeit mit ihnen beschäftigen werde!“ Die Order war klar und verständlich, denn so würde mit jedem Reisenden verfahren, der sich unerlaubt von der Straße entfernt.
Und doch …
Die Tür schloss sich leise hinter dem jungen Elben und Thranduil gab sich einen Moment seiner Gefühle hin. Im ersten Augenblick ließ er sich aufatmend auf seinem Thron zurücksinken, nur um gleich darauf nervös aufzuspringen. 'Was soll ich tun, wenn ER unter den Zwergen ist?', schoss ihm in der einen Sekunde durch die Gedanken und fast im selben Augenblick die Angst in den Leib, dass ER nicht unter ihnen sein könnte.
Mit einem enervierenden Seufzen ließ er sich wieder auf dem Thron nieder, versuchte, sich entspannt zu geben und wünschte sich doch nichts sehnlicher, als mit der Wache durch den Düsterwald zu streifen und aus erster Hand zu erfahren, wer sich zu solch unsicheren Zeiten in sein Reich verirrt haben mag.
Zur Mittagszeit des nächsten Tages ließ Thranduil den Anführer vor sich bringen. Obwohl in Handfesseln geschlagen, war er eine beeindruckende Erscheinung.
„Ahh!“, machte er, sein Erstaunen überspielend, denn obgleich ihn die Neugierde geplagt hatte, wer denn in seinem Kerker saß, hatte er sich nicht dazu durchringen können, sich nach diesem zu erkundigen oder gar selbst zu den Zellen hinabzusteigen. „Der große Thorin Eichenschild! Womit habe ich das Vergnügen Eurer Anwesenheit?“
Ein tiefes Grummeln entrang sich Thorins Kehle. „Glaubt mir, Waldelb, ich hätte nur zu gern auf Eure Liebenswürdigkeit verzichtet!“ Ein angenehmer Schauer rann dem hochgewachsenen Elben beim Klang der tiefen Stimme über die Haut und kurz schloss er die Augen vor Verzückung. Nur selten hatte er damals die Stimme des Zwergen gehört und schon zu jener Zeit war deren Klang tief. Doch hatte das Alter eine angenehme Rauheit in die Stimme gezaubert, die dem Elben bis in den Leib zu schießen schien.
Ernst blickte Thranduil auf Thorin hinab und versuchte, sich von den Gefühlen, die ihn überschwemmten, zu befreien und seine Gedanken zu sammeln.
„Ihr wollt zum Einsamen Berg, Euch Euer Geburtsrecht legitimieren, in dem Ihr versucht, an den Arkenstein zu gelangen!“ Thranduil sah, dass er mit seiner Behauptung ins Schwarze getroffen hatte.
„Was geht es Euch an, was ich beabsichtige?“, grollte Thorin, ohne Thranduils Worte direkt zu bestätigen.
Dieser hatte sich von seinem Thron erhoben und kam nun langsam auf den Zwerg zu. „Es liegt in meiner Macht, Euch zu helfen!“
Mit zorndunklen Augen blickte Thorin zum silberhaarigen Elben auf. „Ich benötige Eure Hilfe in keinster Weise!“
Mit einem leisen Lachen wanderte Thranduil um den Zwerg herum, hob eine Hand, als würde er diesen an der Schulter berühren wollen. „Wie wollt Ihr hier heraus kommen, Meister Zwerg?“, flüsterte er und konnte es sich nicht verwehren, eine der schwarzen Strähnen Thorins zwischen seinen Fingern zu reiben. „Ich bin Euer Kerkermeister. Ohne mein Wort, öffnet sich keine Tür für Euch!“
Zu gern hätte Thorin einen Schritt vom Elben fortgemacht und doch war es ihm nicht möglich. Thranduils Nähe schien ihn zu lähmen, beraubte ihm jeden klaren Gedankens. Seine sanfte Stimme, als der Elb ihm die Hilfe anbot, hätte ihn fast schwach werden lassen, doch kam ihm die Erinnerung an dessen Rückzug vor Erebor wieder in den Sinn und fachte die Wut darauf von Neuem in seinem Inneren an.
Mit einer heftigen Kopfbewegung entzog er Thranduil die Strähne, die er noch immer mit seinen schlanken Fingern streichelte. „Wir sind auf die Hilfe von Elben nicht angewiesen, die ihr Heil in der Flucht suchten, während ein ganzes Volk dem Untergang geweiht war.“ Mit Verachtung spie er die Worte hinaus und sah mit einer gewissen Genugtuung die Blässe, die sich über die glatte Haut seines Gegenübers zog.
Kalt glitzerten ihn nun die hellen Augen Thranduils an. „Ach, daher weht der Wind!“, meinte der Elbenkönig mit einem ironischen Auflachen. „Ihr seid nicht nur stur sondern auch nachtragend!“
Thorin wurde vom Duft seines Gegenübers geradezu umspült, als sich dieser ihm zuneigte. Dessen Atem fächerte wie ein Streicheln über sein Gesicht und ließ ihn erschauern.
„Nun hört mir gut zu, mein Prinz“, flüsterte Thranduil dicht an Thorins Ohr. „Ich war gekommen, um Eurem Volk meine Hilfe zu gewähren. Doch musste ich erkennen, dass ein Einschreiten meinerseits nur zu noch mehr Tod und Vernichtung geführt hätte.“ Kurz schwieg er, bevor er die letzten Worte wie ein sanftes Streicheln hervor brachte. „Aber ich sah Euch und Ihr erschient mir unversehrt!“
Atemlos versuchte Thorin, sich auf das soeben Gehörte zu konzentrieren. Alles in ihm drängte darauf, sich aus der Reichweite des Elbenkönigs zu entfernen. Zu verführerisch umwob ihn sein Duft, zu einschläfernd und weich erklang seine Stimme. Wie würde dann erst seine Berührung sein?
Alles in ihm bäumte sich gegen die Gefühle auf und doch war er dazu verdammt, hier auszuharren.
„Was verlangt Ihr für Eure 'Hilfe'?“, brachte er schließlich hervor, das letzte Wort dem König entgegenspeiend.
„Ihr wisst, was mein Begehren ist!“ Die leise Stimme des Elben erschien dem Zwergen wie ein lauer Sommerregen, der über seine Haut perlte. Unwillkürlich straffte er die Schultern, um sich gegen das warme Gefühl zu wappnen, welches sich in seinem Leib ausbreitete.
Vehement schüttelte Thorin den Kopf. „Nein! Woher soll ich wissen, was in einem Elbenhirn vor sich geht?“
Die Stimme Thranduils war kaum mehr als ein leises Schnurren. „Oh, doch, Ihr wisst es! Ich sehe es in Euren Augen und kann es trotz des Schmutzes, der vom Düsterwald noch an Eurer Haut klebt, riechen.“ Sanft fächerte sein Atem über Thorins Haut an Hals und Ohr und schien ihm direkt tief in den Leib zu fahren. „Ihr wehrt Euch noch, aber es ändert nichts daran, dass Ihr auch dieses Begehren spürt!“
„Ich werde mich Euch niemals ergeben!“, grollte Thorin und funkelte den Elben mit dunklen Augen wütend an.
Thranduil richtete sich auf, tat einige Schritte vom Zwergen fort. „Niemals ist eine lange Zeit, Thorin!“ Auf einen Wink hin erschien ein Elb, der den Gefangenen am Arm ergriff. „Mir gehört die Ewigkeit! Die Spanne Eures Lebens ist für mich nicht mehr als ein Wimpernschlag. Kehrt in Eure kleine Zelle zurück und überlegt, ob Eure Weigerung den Verzicht auf den steinernen Thron im Berg rechtfertigen könnte!“
Thorin hatte bereits die hohe Flügeltür erreicht, als er sich noch einmal umwandte: „Ich werde niemals Euer Angebot annehmen! Lieber verrotte ich in den Tiefen Eures Kerkers!“
„Sturer Zwerg!“, murmelte Thranduil, als sich die Tür mit einem leisen Klacken hinter den beiden Männern geschlossen hatte.
Am Nachmittag des folgenden Tages wurde Thorin aus dem Kerker geholt. Entgegen seiner Annahme wieder in den großen Thronsaal gebracht zu werden, fand er sich in den privaten Gemächern Thranduils wieder. Dieser saß an einem fast filigran wirkenden Sekretär und erledigte mit fließenden Bewegungen seine Korrespondenz.
Thorin beobachtete ihn und musste ihm eine ansprechende Eleganz zugestehen, die absolut nichts weibisches an sich hatte. Allein schon, wie der Elbenkönig die Feder führte und den Kopf beim Schreiben hielt, verrieten ihm, dass er sich absolut sicher war, bei dem, was er tat. Kein zögerndes Innehalten und Überlegen unterbrach das leise Kratzen, mit dem die Feder über das Pergament glitt und nur ab und an vom leisen Knistern des Kaminfeuers übertönt wurde.
Ein leichter Duft nach Kräutern hing in der Luft, nicht unangenehm, eher erfrischend. Und der Zwerg ertappte sich dabei, wie er den Geruch tief in die Lungen sog.
„Das ist das Athelas“, erklang Thranduils Stimme vom Schreibtisch her. „Es ist das Vorrecht eines Königs das nutzen zu dürfen, was einem König gebührt.“ Erklärte er mit der ihm üblichen Arroganz in der Stimme, während er die Feder zur Seite legte und sich vom Schemel erhob. Langsam kam er auf Thorin zu, betrachtete diesen dabei von oben bis unten. „Ich hoffe, dass man Euch in meinem Kerker gut behandelt hat?“
Thorin fühlte sich dem Blick des Elben preisgegeben, glaubte ihn wie Finger über seinen Körper streichen zu spüren. Unwillkürlich rann ihm ein Schauer über die Haut und er spürte, wie sich der warme Knoten wieder in seinem Leib bildete. Heiß schien das Blut in seinen Adern zu pulsieren, seit des Königs Blick auf ihm ruhte und es war ihm nicht möglich, etwas dagegen zu unternehmen. Die Hilflosigkeit den Gefühlen gegenüber machte ihn wütend und heizte ihn nur noch weiter an bis er glaubte, in seinem Leib eine Kugel aus Magma zu beherbergen. Trotzdem versuchte er, nach außen ruhig zu wirken, konnte jedoch ein Grollen tief aus seiner Kehle nicht zurückhalten.
Auf Thranduils Worte antwortet er nicht. Wie auch? Würde er ihm doch mit jeder Antwort in die Hände spielen! Daher blickte er nur starr an dem in goldfarbene Seide gekleideten Elbenkönig vorbei. Er konzentrierte sich auf einen Punkt hinter Thranduil und versuchte, die verwirrenden Gefühle, die allein schon der Anblick des hochgewachsenen Elben in ihm auslöste, zu ignorieren.
In dem Moment tat Thranduil einen letzten Schritt auf Thorin zu und neigte sich ihm wie am Tag zuvor zu. „Aber an Euch klebt noch immer der Gestank des Düsterwaldes!“
Thorin schloss die Augen. 'Welcher Gestank?', wollte er den Elben fragen, konnte er doch in dem Augenblick nichts anderes wahrnehmen, als den Duft, den Thranduil verströmte.
„Das Bad ist gerichtet!“ Zu verführerisch ist die Stimme des Elben. „Steigt hinein und wascht den Schmutz der vergangenen Wanderschaft ab!“ Einladend deutete Thranduil auf einen Vorhang, auf dem im Schattenspiel des Kaminfeuers deutlich das Abbild einer Wanne zu erkennen war. Selbst der Dampf, der sich in der leichten Zugluft dicht über dem Wasser kräuselte, war zu sehen.
Unwillkürlich fühlte Thorin sich versucht, dem verführerischen Angebot des Elben nachzugeben. Zu verlockend war die Aussicht auf das warme Bad.
Auf ein Handzeichen Thranduils hin trat eine Wache heran und nahm dem Zwerg die Handfesseln ab, um dann mit schnellen Schritten den Raum zu verlassen. Mit erstaunt erhobenen Augenbrauen blickte Thorin auf die geschlossene Tür.
„Warum?“, fragte er schließlich.
Erstaunt wandte Thranduil sich ihm zu. „Warum?“, wiederholte der Elb. „Ist das nicht offensichtlich? Weil Ihr wie die Pest stinkt!“
Verzweifelt schüttelte Thorin den Kopf, unfähig seine durcheinander wirbelnden Gedanken in Worte fassen zu können. Ein leises Stöhnen entrang sich ihm und insgeheim hegte er die Vermutung, dass dieser Elb es darauf angelegt hatte, ihn zu ärgern und zu verhöhnen. Aber in dieser Art und Weise? Was bezweckte er damit? Nur ein Grund wollte ihm in den Sinn kommen und dieser ließ ihn erschauern, verstärkte den heißen Knoten in seinen Eingeweiden, so dass es bis in seinen Lenden zog. Allein schon die Vorstellung ließ ihn erzittern. „Ich bin in Eurer Hand. Warum so viel Aufwand, wenn Ihr Euch einfach nehmen könntet, nach was Euch verlangt und ich es nicht verhindern kann?“, fragte er ihn schließlich mit herausforderndem Blick.
Thranduil trat an den Zwerg heran, ein kleines entschuldigendes Lächeln um seine Lippen. „Glaubt mir, daran hatte ich auch gedacht. Aber warum sollte ich mir etwas mit Gewalt nehmen, wenn ich es aus freien Stücken erhalten kann?“
Unwillkürlich zuckte auch um Thorins Mund ein leichtes Lächeln. „Ihr vertraut sehr auf Eure Verführungskünste!“ Fast gierig sog er den Duft des Elben in seine Lungen, als sich dieser ihm wieder zuneigte und dessen Atem über seine Lippen fächerte.
„Wenn ein Mann kein Vertrauen auf seine eigenen Stärken hat, worauf sollte er sich dann verlassen können?“, war die arrogante und selbstsichere Antwort des Silberhaarigen.
Bevor der Zwerg etwas antworten konnte, zog sich Thranduil einige Schritte zurück. „Genießt Euer Bad, Thorin. Es wartet noch Arbeit auf mich, dessen Erledigung keinen Aufschub verträgt. Danach können wir uns über den Sinn und Unsinn dieser Welt weiter unterhalten.“
Erst als sich Thorin in das warme Wasser sinken ließ wurde ihm bewusst, wie sehr er diese Annehmlichkeit in den vergangenen Monaten vermisst hatte. Nach und nach entspannten sich seine Muskeln als die Wärme des Wassers in seine Knochen kroch. Die Hitze des Kaminfeuers und der Duft der Kräuter, die auf der Oberfläche schwammen, taten ihr übriges hinzu.
Das leise und gleichmäßige Kratzen von Thranduils Feder wirkte einschläfernd und sehr bald merkte er, dass es ihm immer schwerer fiel, die Augen offen zu halten.
Eine leichte Berührung am Hals ließ Thorin den Kopf zur Seite neigen. Wie in einem Traum fühlte er sich gefangen und ließ das Streicheln mit einem leisen Seufzen geschehen.
Schlanke Finger verflochten sich mit seinem langen Haar, das in nassen Strähnen an Hals und Schulter klebte. Der festere Griff schien ihn gleichsam aus dem Traumgefühl herauszuzerren. Er blickte in lustverhangene Augen, die den Anblick des Zwergenkörpers in sich aufzusaugen schienen. „Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, begehre ich dich“, hauchte er mit rauer Stimme. Seine weichen Lippen pressten sich auf Thorins Hals wo hart der Puls hämmerte.
„Ist es nur das, was du für die Freiheit meiner Gefährten und mich verlangst?“, flüsterte Thorin mit kratziger Stimme.
Kaum merklich nickte der Elb. „Nur ein einziges Mal will ich dich lieben. Danach kannst du gehen, wohin dich deine Füße tragen mögen.“
Thorin zögerte. Wie sollte er sich verhalten? Einerseits gehörte er nicht zu den Zwergen, die sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlten und doch jagte das Blut heiß durch seinen Körper. Gleichzeitig wäre dies die einfachste Lösung dafür, wieder in Freiheit zu gelangen.
Ohne sich über sein weiteres Tun Gedanken zu machen, richtete er sich so plötzlich auf, dass sein Gegenüber keine Möglichkeit hatte, nach hinten auszuweichen. Wasser schlug über den Wannenrand und durchtränkte Thranduils Seidengewand. Doch wurde dies zur Nebensächlichkeit, als sich Thorins Lippen hart auf seine pressten. Fast gierig bewegte der Zwerg seinen Mund auf dem des anderen.
Thorin spürte, dass sich der Elb im ersten Moment zurückziehen wollte, doch dann bewegten sich dessen Finger streichelnd in seinem Nacken. Ein angenehmer Schauer rann durch seinen Körper, ausgelöst durch das sanfte und rhythmische Streicheln und unwillkürlich entrang sich ihm ein leises Stöhnen. Durch die halbgeöffneten Lippen schob sich gierig eine warme Zunge in seinen Mund. Weich stieß sie gegen seine, lockte ihn, sich gehen zu lassen.
Eine schlanke Hand glitt über seine Brust. Warme Finger kämmten das dichte Brusthaar, das sich bis über den flachen Bauch hinab zog und folgten den Linien der deutlich definierten Muskeln unter der Haut. Die Finger rieben hart über seine Brustwarzen und das Gefühl fuhr ihn als heißes Kribbeln in die Lenden. Er konnte spüren, dass sich die Lippen Thranduils zu einem Lächeln verzogen, als sich dessen Finger schließlich um seine Härte schlossen, worauf er mit einem lauten Keuchen voller Genuss reagierte.
Hitze rauschte pulsierend durch seinen Körper und schob auch die letzten wohlüberlegten Gründe für sein Handeln in den Hintergrund. Begierde nach tieferen und intensiveren Berührungen durchströmte den Zwergenkörper. Sie ließen ihn erbeben und sich der streichelnden Hand Thranduils entgegen heben. Voller Leidenschaft vergrub er seine Hände in dem langen Haar des Elben, zog ihn noch dichter zu sich herab. Nun konnte er dessen Keuchen in seinem Rachen spüren, als er seine Zunge tief in den Mund des anderen gleiten ließ. Gleichzeitig reagierte er mit einem unzufriedenen Stöhnen, als ihn die streichelnden Hände verließen, um den Elbenkörper vor einem Sturz in die Wanne zu bewahren.
Kurz löste sich Thorin vom Mund des Elben. „Ich will dich!“, flüsterte er grollend. „Jetzt, sofort!“
„Aber nicht hier!“, war die ebenso leise Antwort. Gleich darauf spürte er, dass sich Arme um Schultern und unter die Knie schoben und ihn aus dem Wasser hoben. Atemlos blickte er zum Elben auf, der ihn scheinbar ohne Anstrengung durch den Raum trug. Unwillkürlich kam ihm seine Bemerkung in den Sinn, dass sich Thranduil auch mit Gewalt hätte nehmen können, nach was es ihn verzehrte. Die Vorstellung ließ ihn erschauern.
Das Laken fühlte sich kühl auf Thorins überhitzter Haut an und nahm ihm etwas von der euphorischen Benommenheit, die Thranduils Berührungen in ihm ausgelöst hatten. Mit erstauntem Blick beobachtete er den Elben, der vor dem Bett stand und sich mit fließenden Bewegungen des goldfarbenen Seidengewandes entledigte, das durch die Feuchtigkeit mehr von seinem Körper betonte als es verbarg.
Nackte, glatte Haut kam darunter zum Vorschein. Ohne dem kleinsten Härchen oder Muttermal präsentierte er seinen Körper in gestaltgewordener Perfektion. Sein langes Haupthaar floss ihm über Schultern und Brust und betonte nur noch mehr die Vollkommenheit Thranduils Körper.
Thorins Brust entrang sich ein leises Keuchen. Nichts wünschte er sich in diesem Moment mehr, als diese Haut, glatt wie polierten Marmor, zu berühren. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen, sie über den Körper gleiten zu lassen, der Linie des Rippenbogens zu folgen und die klar definierten Muskeln nachzuzeichnen, so, wie der Elb es erst vor kurzer Zeit bei ihm gemacht hatte.
Unwillkürlich biss er sich auf die Lippe, als sich der Elbenkönig über ihn neigte. Die Matratze gab leicht unter seinen Knien nach, als er sich neben dem Zwerg niederließ.
Hände strichen seine Beine hinauf, Finger streichelten die zarte Haut der Kniekehlen. Lippen legten sich auf die Innenseite eines Beines, zogen eine heiße Spur hinauf zu Thorins Lenden, der sich unruhig unter dem Elben bewegte.
Seine Hand krallte sich schließlich in die silberne Haarflut, zog ihn hinauf bis sich beider Lippen wieder berührten und er die Zunge in den Mund des anderen gleiten lassen konnte. Leise seufzte er, als er die Schwere von Thranduils Körper auf seinem spürte, der sich zwischen seine Schenkel geschoben hatte. Nie hätte er gedacht, dass es sich so köstlich anfühlen könnte, wenn eines anderen Mannes Haut seine berührte.
Genüsslich begann er, sich gegen Thranduil zu bewegen. Seine Hüfte hob sich ihm entgegen und seine Finger vergruben sich voller Leidenschaft in die Haut des Elben, kneteten die Muskeln auf seinem Rücken bis hinab zum festen Gesäß.
Thranduil ging geradezu begeistert auf das Entgegenkommen des Zwergen ein. Er spürte die Hitze, die von ihm ausging und ihn an einen Schmiedehofen erinnerte, wenn man sich in dessen Nähe aufhielt. Zusätzlich heizte das begehrliche Keuchen Thorins sein Blut an. Begierig ließ er seinen Mund über die heiße Haut gleiten, seine Zunge umspielte die Brustwarzen. Der Geschmack Thorins explodierte in seinem Mund und ließ ihn gierig nach mehr verlangen. Sein Duft umwehte ihn, fuhr ihm in den Leib und pulsierte in seiner Härte.
Eine Hand fand den Weg hinab zu Thorins Mitte. Amüsiert verzog Thranduil die Lippen, als er Thorins enttäuschtes Grollen hörte, weil seine Hand dicht an dessen harten Schaft vorbei geglitten war. Stattdessen massierten seine Finger nun spielerisch dessen pralle Hoden, um dann den Weg zu seinem Eingang zu finden.
Aufmerksam beobachtete der Elbenkönig das Gesicht Thorins, als sein Finger leicht um dessen Eingang kreiste. Nachtschwarze Augen blickten zu ihm auf und die Lider schlossen sich halb, als sich ein Finger in Thorin versenkte.
Thorin reagierte mit einem tiefen Stöhnen und einem leichten Verkrampfen seines Körpers.
„Lass es geschehen“, murmelte Thranduil an dessen Lippen und langte gleichzeitig nach einem kleinen Fläschchen. Sich auf die Knie aufrichtend, blickte er auf Thorin hinab. Er ließ Öl auf die Handfläche laufen, welches er in den Händen erwärmte.
„Lass mich dich lieben!“, hörte ihn Thorin murmeln und glaubte, darin eine Bitte zu erkennen. Zur gleichen Zeit spürte er wieder den Finger in sich dringen. Dieses Mal weicher, glatter, ohne unangenehmen Druck und Schmerz bewegte er sich in ihm. Ein zweiter Finger folgte bald und entlockte dem Zwerg ein verzücktes Stöhnen.
Mit dunklen Augen beugte sich der Elb wieder über Thorin und suchte gierig dessen Mund während sich seine Finger in ihm bewegten. Wie in einem wilden Rhythmus schienen sie miteinander zu ringen.
Suchend glitt Thorins Hand über Thranduils glatte Haut, streichelte über die Seiten und den Bauch hinab, um sich um das heiße Fleisch des Elben zu schließen. Die Haut war weich und samtig unter seinen Fingern und der Schaft schien allein schon von der Berührung in seiner Hand zu pulsieren. Das leichte Gleiten seiner Finger über die Härte entlockte Thranduil ein heiseres Stöhnen, welches von Thorins Mund gedämpft wurde und diesen nun zufrieden Lächeln ließ.
Thranduil trennte sich zögernd von Thorin und sich beidseits von ihm aufstützend, blickte er auf ihn hinab, als würde er auf dessen Zustimmung warten. Dieser runzelte erst kurz die Stirn, hob ihm dann aber nur einladend die Hüfte entgegen. Trotzdem zuckte er leicht zusammen, als er Thranduils Härte spürte, die gegen ihn drückte.
Der Elbenkönig sah das Zögern in Thorins Gesicht und konnte fühlen, dass er kurz davor war, sich wieder zu verkrampfen. Sich zum Zwerg niederneigend, nahm er wieder seine Lippen in einen intensiven Kuss gefangen. Sofort entspannte sich Thorin wieder und hob sich sogar dem Elben entgegen.
Dieser keuchte als er langsam in die Enge Thorins eindrang, kurz verharrte er, um diesen an sich gewöhnen zu lassen.
Doch Thorin wollte ihn in sich spüren, sein Gleiten in sich fühlen. Sein Blut pulsierte heiß in den Adern und das Verlangen wollte gestillt werden. Nichts schien ihm in dem Augenblick erstrebenswerter, als von diesem Elben geliebt zu werden.
Mit einem Grollen schlang er die Beine um Thranduil, verhinderte so, dass sich dieser zurück ziehen konnte. Das Becken weiter anhebend gab er ihm die Möglichkeit, noch tiefer in ihn einzudringen.
Thranduil konnte sich nicht mehr zurück halten. Immer wieder stieß er in die Enge und glaubte, nie etwas erotischeres und schöneres als einen in Leidenschaft gefangenen Zwergen gesehen zu haben.
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'Wie weit musste es kommen?', hämmerte es in Thranduils Kopf. 'Wie weit hast du uns getrieben, dass es zu einem Krieg kommen musste?' Fragen, auf die nur Thorin eine Antwort geben konnte. Nun lag er hier. Zerschlagen an Körper und gebrochen im Willen. Auf der anderen Seite kniete Bilbo, das Gesicht von Tränen überströmt, war er ein Bild zum Gotterbarmen. „Du wirst leben!“, flüsterte der Hobbit immer wieder. „Du wirst sehen: Alles wird wieder gut! Halte nur durch …!“ Alles schien in einem einzigen gefühlvollen Geplapper unterzugehen.
Es sollten Worte sein, die dem Verletzten Mut machten, ihn zum Festhalten an einem qualvollen Leben aufforderten.
Doch Thranduil konnte nur das tiefe Leid in den Augen Thorins sehen.
Ohne auf die Worte Bilbos zu reagieren, hatte Thorin den Kopf in Richtung des Elbenkönigs gewandt. „Sie sind gestorben“, flüsterte er nur. „Wegen mir sind sie tot!“
Thranduil wusste, von wem Thorin sprach. Ohne Zögern langte er nach der ausgestreckten Hand, konnte den schwachen Druck von Thorins Fingern spüren.
Fest ergriff er die Hand, versuchte, ihm etwas von seiner eigenen Stärke zu geben. „Sie hätten es nicht anders gewollt!“, flüsterte er, sich zum König unter dem Berg herabbeugend. „Auch wenn du sie gebunden hättest, hätten sie einen Weg gefunden, dir auf dem Schlachtfeld zur Seite zu stehen!“
Tief holte Thorin Luft und ein krampfartiger Husten erschütterte seinen geschundenen Körper. „Ich weiß, dass es so ist und doch kann es mir kein Trost sein!“
Thranduil schmerzte es zutiefst, den starken Krieger so gebrochen zu sehen. „Wenn du Trost willst, dann lebe! Komm mit mir! Wenn nicht, dann versinke in deinem Grab aus Gram, welches du dir selbst schaufelst!“
Thorin schloss die Augen, die Brauen wie in Schmerzen zusammengezogen. „Wie kann ich den Berg verlassen, wenn so viele für ihn ihr Leben gelassen haben?“
„Willst du bis zum Ende deines Lebens in der Vergangenheit leben und dem nachtrauern, was nicht geändert werden kann?“, fragte der Elbenkönig. „Du bist dem Berg nicht verpflichtet! Eisenfuß ist nun dein legitimer Nachfolger und wohl auch in der Lage, die Anforderungen an einen König zu erfüllen!“ Tief beugte er sich zum Zwergenkönig hinab. „Ich bitte dich, komme mit mir!“
Trotz der Schmerzen blickte Thorin erstaunt zum Elben auf und selbst ein ungläubiges Lächeln schien an seinem Mundwinkel zu zupfen. „Du bittest?“
Ergeben hob Thranduil die Hände. „Wie du siehst, bin ich mir selbst dafür nicht zu schade – wenn du nur mit mir kommst!“
Thorin schloss die Augen. Es war deutlich zu sehen, wie sehr er mit sich rang.
„Warum bist du gegangen?“, fragte Thranduil leise, ungeachtet des Hobbits, der über diese Frage nur erstaunt die Brauen hob und zwischen den beiden Königen hin und her blickte.
„Ich musste nachdenken“, murmelte Thorin. „Und das konnte ich nicht, wenn du neben mir liegst.“
Ein unterdrücktes Geräusch ließ beide aufblicken. Bilbo hatte sich erhoben und blickte mit einem leisen Seufzen auf Thorin hinab. „Ich werde Dáin und Balin holen!“, meinte er nur und wendete sich zum Gehen.
Thranduil lachte leise und streichelte Thorins Hand, die er immer noch hielt. „Wie mir scheint, hat der Hobbit wohl schon für dich entschieden!“
Der Verletzte genoss die Berührung, die ein leichtes Summen und Wohlgefühl durch seinen Körper sendete.
Kurze Zeit später standen die beiden Zwerge vor Thorin und Thranduil setzte sie mit wenigen Worten über das weitere Vorgehen in Kenntnis.
„Ihr könnt ihn doch nicht einfach mitnehmen!“, erboste sich Balin, dessen Gesicht vor Sorge und Zorn gerötet war. „Lasst Thorin erst im Berg genesen! Für solch eine Reise ist er zu geschwächt!“
Begütigend aber schwach hob Thorin die Hand. „Balin, lass es gut sein! Ich verlasse euch! Mach mir den Abschied nicht schwerer, als er mir schon fällt, nachdem ich euch so viel Leid und Verlust gebracht habe. Dáin ist der neue König unter dem Berg und damit Schluss mit der Diskussion!“
Balin wollte widersprechen, wurde jedoch von Bilbo am Arm berührt, woraufhin der weißhaarige Zwerg den Mund wieder schloss.
Da Thorins Beine ihn nicht tragen wollten, half Dwalin, den König anzuheben. Thranduil nahm ihn sich auf die Hüfte, wie es auch eine Mutter mit ihrem Kind machen würde. Ungeachtet des Blutes und des Schmutzes zog Thranduil den Körper dicht an sich heran, hielt ihn mit einem Arm, während Thorin beide Arme um Schulter und Hals des Waldlandkönigs schlang. Den Kopf legte er einfach auf der Schulter ab und schloss die Augen.
Bilbo und die Zwerge beobachtete den langsam davon schreitenden Elben mit seiner Last.
„Sie lieben sich!“, flüsterte Bilbo zu niemand besonderem.
Balin, der direkt neben ihm stand, blickte den Hobbit nur kurz an. „Ich weiß. Sollen wir es ihnen sagen oder wollen wir warten, bis sie selbst dahinter kommen?“
Erstaunt blickte Bilbo den weißhaarigen Zwerg an und sah das Schmunzeln in seinem faltigen Gesicht. „Ihr wusstet es?“
„Aber natürlich! So viel Hass wie Thorin empfand, kann in keinem Herzen stecken. Nur enttäuschte Liebe kann ein ähnliches Gefühl bewirken!“
„Ihr seid ein schlauer alter Zwerg!“, lachte Bilbo, nun nicht mehr traurig und entsetzt über den Fortgang Thorins.
Balin lachte. „Ich weiß! Das wurde mir bereits des Öfteren gesagt!“ Einen letzten ernsten Blick warf er auf die beiden Könige und Sorge zeichnete sein Gesicht. "Trotzdem hätten sie warten können, bis Thorin genesen ist!"
Tag der Veröffentlichung: 05.01.2016
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Widmung:
Danke Yami :-*