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Karl bestellte uns ein Bier. Neben uns saßen zwei Frauen um die dreißig und nickten uns freundlich zu. Ich nickte zurück. Die eine trug ein tragisches Outfit. Eine blau-weiße Hose mit massenhaft Aufdrucken, die nichts sagende Markennamen präsentierten. Dazu trug sie ein Oberteil Größe XXL, ebenfalls hoch unmodisch bedruckt mit kleinen und großen gebatikten Punkten in verschiedenen Farben. Sie war außerordentlich fett und hatte einen ganz furchtbar großen Zinken. Die andere hatte etwas mehr Glück. Sie war mittelmäßig schön und etwas schlanker, trug jedoch etwas ähnlich Grauenhaftes wie ihre dicke Freundin.
»Hallo«, sagte die Fette.
»Tach«, sagte ich und trank einen Schluck von meinem Bier.
»Ich heiße Petra und das ist Susi.« Sie deutete auf ihre Freundin. »Wir sind aus Krefeld.«
»Schön«, sagte ich und drehte mir eine Zigarette.
»Die Klamotten auch?« mischte Kar, mein bärenartiger, großer Kumpel, sich plötzlich ein, der über die Mode der Damen eine ähnliche Meinung haben musste wie ich.
»Die Klamotten? Ja, die sind auch aus Krefeld. Ich habe eine kleine Boutique, wo ich die verkaufe. Schön, ne?«
Bevor ich antworten konnte, fing auch die andere an zu reden.
»Und wo kommt ihr her?«
»Aus Unterschlörzingen bei Oberschlörzingen«, sagte ich.
Sie guckte fragend.
Ich reagierte nicht.
»Uih. Da seid ihr aber weit gefahren. Und was macht ihr hier in Berlin?«, fragte Petra.
»Ma gucken und so.«
»Was geht bei euch Süßen so ab?« fragte Kar plötzlichl, der total stoned aus der Wäsche schaute. Ich sah, dass die fette Petra sich sehr geschmeichelt fühlte.
»Lust zu tanzen, starker Mann?« fragte sie Karl.
»Jo, wenn du mir sagst in welcher Falte ich mich einklemmen darf«, sagte er und lachte.
Petra hatte auch schon mehrere über den Durst getrunken, guckte kurz streng, schnappte sich dann aber Karl und zerrte ihn auf die Tanzfläche. Es sah seltsam aus. Karl war eigentlich ziemlich groß und auch breit, aber neben der fetten Petra schien er klein und hauchzart wie ne Scheibe Herta-Schinken neben nem XXL-Burger.
Ich stellte mir das bildlich vor, wie Burger und Schinken tanzen würden und musste lachen. Susi sah mich schräg von der Seite an.
»Haste was gegen Dicke?«
»Nee«, sagte ich, »wieso?«
»Weil du so lachst. Sie is echt ganz nett«, sagte Susi.
Ihre Meinung über ihre Freundin scherte mich nicht, ich war jedoch sehr an ihrer Meinung über Dicke interessiert.
»Du hast also nix gegen Dicke?« fragte ich.
»Ich? Nein.«
»Du findest Dicke also geil.«
»Wie meinst du das?«
»Naja. Findest du Dicke geil? Vögelst du gern Männer, die so fett sind wie deine Freundin da?«
»Nee, natürlich nicht.«
»Aha. Natürlich nicht. Ich dachte du hast nix gegen Dicke.«
»Hab ich auch nicht.«
»Und warum vögelst du dann keine?«
»Weil... das nicht schön ist.«
»Also sind Dicke nicht schön?« ließ ich nicht locker.
»Also... doch. Dicke können schon schön sein. Zum Beispiel Petra. Sie ist zwar dick, aber schön«, sagte sie.
»Abgesehen davon das sie aussieht wie ne Hämmorrhoide in Billigmode ist sie unheimlich fett. Und du hast gesagt, dass das nicht schön ist. Also...«, sagte ich.
»Also das stimmt so nicht. Dick sein ist nicht schön, aber die Dicken können doch trotzdem schön sein.«
»Du redest Unsinn, gute Frau. Entweder sind Dicke schön oder nicht. Du kannst doch nicht beides behaupten«, sagte ich.
»Du bist ja total breit«, sagte sie.
»Na und? Gerade deswegen musst du`s mir ordentlich erklären.«
»Also: Dick sein ist nicht schön, aber Dicke können – abgesehen von der Tatsache, das sie dick sind – trotzdem schön sein.«
»Versteh ich nicht.«
»Macht nix. Du hast also doch was gegen Dicke, sagte sie.«
»Du doch auch. Das sag ich deiner Freundin«, grinste ich und lachte über diesen stupiden Kindersatz.
»Ach, leck mich.«
»Du würdest also mit Petra vögeln?«
»Wie kommst´n jetzt da drauf?«
»Na weil du gesagt hast, dass sie zwar dick, aber schön ist.«
»Aber sie ist ne Frau.«
»Na dann halt, angenommen du wärst lesbisch.«
»Ich würde sie doch nicht vögeln...«
»Wen?« fragte die fette Petra, die gerade mit Karl von der Tanzfläche zurück kam.
»Ach nix«, sagte Susi.
»Wen würde sie nicht vögeln?« fragte Petra mich.
»Ah. Wenns ums vögeln geht, stellen sich deine Schweineöhrchen auf, wa?« grinste ich blöd.
»Ich klatsch dir gleich´n paar, du Stinker«, sagte Petra.
»Dich«, sagte ich, »sie würde dich nicht vögeln, weil du so fett bist.«
Zack, hatte ich eine sitzen.
»Aua. Das war jetz aber nicht nötig. Frag sie halt, du olle Zicke«, sagte ich und hielt mir die Hand an die Wange.
Petra schaute ihre Freundin fragend und irgendwie gekränkt an. Scheinbar vertrug sie das Thema über ihre Figu nicht, was ich seltsam fand, da sie ja bestimmt nicht erst seit gestern so aussah und bestimmt ein halbes Leben lang zeit gehabt hatte, sich daran zu gewöhnen.
»Ich habe nur gesagt, dass ich nicht mit Dicken vögeln würde«, verteidigte sich Susi.
»Außerdem findet dich niemand zu dick, sondern du bist zu dick, eindeutig«, sagte ich und duckte mich vorsorglich.
»Du kriegst gleich noch eine«, sagte Petra zu mir und drehte sich dann wieder zu ihrer Freundin. »Hast du was gegen Dicke?«
»Ich hab nichts gegen Dicke, och Mensch, es ist doch gut jetzt, Petra. Der Typ da hatn Scheiß erzählt, okay? Jetzt lass uns hier nicht rumdiskutieren.«
»Karl findet mich süß«, sagte die fette Petra eingeschnappt und zwinkerte meinem Kumpel zu. Dann packte sie ihn am Arm und zerrte ihn in die Toilette. Ich und Susi wurden keine Freunde mehr, Karl und Petra wohl auch nicht. Ich vernahm einen leisen Hilfeschrei aus den Toiletten...

Impressum

Texte: aus dem Roman: Startschwierigkeiten © 2008 epubli-Verlag Berlin
Tag der Veröffentlichung: 26.05.2009

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