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Kapitel 1

 

Zentimeter für Zentimeter suchte Marc das Gemälde ab. Irgendwo musste es sein. Sie hatten es immer so gemacht. Irgendwo war der Hinweis.... Nur für ihn sichtbar.

Samantha war zu jung zum Sterben. Und er hatte sie gerade erst wieder gefunden. Er ballte seine Fäuste, er würde es nicht zulassen das dieser dreckige Bastard Branco ihr etwas antat.

Seit ihren Kindertagen kannten sie sich, hatten sich geliebt, gehasst, geprügelt und wieder vertragen.

Zwei verschiedene Welten waren immer wieder aufeinander getroffen , die der Hüter der Gesetze und die der Hüter des Verbrechens. Polizei gegen Mafiosi. Und sie beide mittendrin.

 

Marc seufzte, das Bild zeigte spielende Kinder, die hinter einem Ball hinterher rannten. Schwarze Kinder, weiße Kinder und kleine Chinesen. Ihr Spielfeld stellte ein freies Terrain vor einer alten, leer stehenden Fabrik dar, der Boden dürr und uneben. Die Fabrik hatte einen alten italienischen Namen, einige Buchstaben hingen nur noch schief an einem Nagel.

Moment! Chinesen? Was hatten Chinesen in Italien verloren?

Das chinesische Kind schoss den Ball in Richtung eines Schwarzen. Lou Cheng und Hank Montgomery! Natürlich, wieso war es ihm nicht schon früher aufgefallen! Er grinste, die Kleine war genial, er hatte es schon immer gewusst. Bei genauerer Betrachtung konnte er auf dem Ball kleine bunte Schiffe erkennen, hieß das sie kamen über das Meer? Er fluchte, wieso war er da nicht selbst drauf gekommen. Logisch, der Landweg war inzwischen viel zu gefährlich für den Drogenschmuggel, zuviele Sicherheitsportale mussten überwunden werden.

Außerdem fiel ihm noch eine leere Zigarrenkiste am Rande des Bildes auf. Sie passte so gar nicht in die Komposition.

Grübelnd machte er ein Foto mit seinem Handy von dem Gemälde, er würde es sich nochmals genauer auf dem Computer betrachten.

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Samantha saß mit gefesselten Händen an der kalten Wand. Seit zwei Tagen schon war sie in diesem Keller gefangen. Sie hatten sie beim Einkaufen gekidnappt, einfach in einen Van gezogen.  Zwar wehrte sie sich lautstark und mit Händen und Füßen, aber keiner der Passanten reagierte auf das was da passierte.

Verärgert zerrte sie zum hundersten Mal an ihren Fesseln, sie saßen bombenfest.

Langsam verließen sie ihre Kräfte. Wo zum Henker blieb Marc?

 

Marc. Lächelnd rief sie sich sein kantiges Kinn ins Gedächtnis. Sein Grübchen. Seine tiefblauen Augen, feine Fältchen umgaben sie inzwischen. Sein blonder Schopf, ständig wild durcheinander. Nur einmal lagen seine Haare perfekt gegelt am Kopf, das war zu seiner Konfirmation. Gott er sah damals schrecklich damit aus!

 

Traurigkeit überkam sie. Wenn sie Pech hatte würde sie ihn nie wieder sehen, sang und klanglos verschwinden. Wie es üblich war, wenn einer aus der Familie seine &Schulden& nicht zahlte. Und daran war nur ihr Bruder schuld. Sie verfluchte ihren Clan insgeheim dafür,  das sie niemals würde ein normales Leben führen  können.

Plötzlich hörte sie eine lautstarke Auseinandersetzung im Stockwerk über ihr. Unruhig rutschte sie hin und her, das bedeutete meist nichts Gutes. Irgendetwas flog durch die Gegend, zerschellte an einer Wand. Samantha versuchte ihre Panik zu unterdrücken, atmete bewusst flacher. Sie schloss die Augen, versuchte die Geräusche auszublenden, aber als ein Schuss fiel war es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei.

Tränen liefen ihr über die Wangen und ihr Körper bebte.

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Branco bohrte bereits das vierte Mal seine Zigarre in Anthonys Haut am Unterarm. Dieser zog scharf die Luft ein, schloss schmerzverzerrt die Augen, sagte aber kein Wort.

"Wir können das noch stundenlang machen, liebster Toni. Oder du sagst mir jetzt Wo. Diese. Verdammten. Fünf. Kilo. Geblieben. Sind!?" Er war nah an Tonis Gesicht und sagte diese Worte gefährlich leise. "Du solltest reden......oder du erleidest das gleiche Schicksal wie dein Kumpane Roger!"

Anthony hatte den Schuss nebenan gehört, es war klar das er Roger nicht mehr lebend wiedersehen würde. Unklar war ob dieser geredet hatte. Schweiss lief ihm den Rücken hinunter, er haderte mit sich. Der Raum in dem er seit Stunden 'verhört ' wurde war finster, nur eine einzelne Glühbirne erhellte schwach den Platz unter dem er auf einem Stuhl gefesselt war.

 

"Außerdeeeem," Branco grinste perfide "haben wir deine Schwester." Genüsslich ließ er die Bombe platzen.

Anthony schaute ihn erschrocken an. Ja, das verfehlte niemals seine Wirkung , dachte sich Branco. Gut das er ein so vorausschauender Mann war.

"Lass sie aus dem Spiel!" knurrte Anthony. "Nur zu gern, Toni, sie ist eine hübsche kleine Lady. Sie wäre das ideale Zugpferd für  meine....sagen wir mal.... neueste Errungenschaft auf dem Vergnügungssektor." Branco feilte an einem seiner Fingernägel herum, begutachtete immer wieder demonstrativ seine Arbeit.

Anthony rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. "Wer garantiert mir das ihr nichts passiert, wenn ich rede?"  Stieß er hervor.

Branco lachte, "na ich, mein Freund!"

"Dann ist es besser ..."

Weiter kam er nicht, die Tür flog auf und vermummte Polizisten stürmten den Raum. "Hände hoch!"

Einer der Polizisten zielte direkt auf seinen Kopf, Branco ließ vor Schreck seine Zigarre aus dem Mundwinkel fallen.

Anthony grinste, ihm waren die Bullen zur Zeit tausendmal lieber als sein Arbeitgeber. Er war versucht Branco anzuspucken, unterliess dies aber. Dazu würde sich noch eine Gelegenheit  ergeben.

Marc kam angespannt in den finsteren Raum und hielt Branco seinen Dienstausweis unter die Nase. "Sie ha­ben das Recht zu schwei­gen. Al­les was Sie sa­gen, kann und wird vor Ge­richt ge­gen Sie ver­wen­det wer­den. Sie ha­ben das Recht, zu je­der Ver­neh­mung ei­nen Ver­tei­di­ger hin­zu­zu­zie­hen. Wenn Sie sich kei­nen Ver­tei­di­ger leis­ten kön­nen, wird Ih­nen ei­ner ge­stellt. Ha­ben Sie das verstanden?" Er schnaubte genervt, sie würden ihn eh wieder laufen lassen müssen. "Ob sie das verstanden haben?" brüllte er nun Branco an.

"Si, si, va bene!" Er hielt seine Hände immer noch locker nach oben und zuckte nur mit den Schultern. Marc zückte die Handschellen und legte sie Branco unsanft an. "Abführen!" Deutete er einem Vermummten.

Dann wandte er sich Anthony zu. "Und jetzt zu dir, mein Freund!"

"Hi, Marc." Wütend musterte Marc seinen ehemaligen Schulkameraden und Freund aus Kindertagen. Er durchschnitt ihm die Fesseln und packte ihn am Kragen seines Jacketts. "Wo ist Sam?"

Anthony schüttelte den Kopf. "Ich hab eben erst erfahren das sie sie haben." Marc stöhnte laut auf und fuhr sich durch seine Haare.

Dann holte er aus und verpasste seinem Freund einen gezielten Kinnhaken. "Ich hoffe für dich das sie noch am Leben ist!" zischte er und verließ schnell den Raum.

Mit seinem Team durchsuchten sie die alte Fabrik, erst nach einer halben Stunde fanden sie die völlig verängstigte Samantha.

"Das wurde aber auch Zeit!" war das erste was die verheulte Samantha Marc an den Kopf warf. Er grinste, es ging ihr also gut. 

"Ach mein kleiner Frechdachs ...... ich glaube ich sollte dich noch ein bisschen hier schmoren lassen." Belustigt und froh das es ihr gut ging hob er sie auf seine Arme. "Wag es ja nicht..."  

Aber da küsste er sie schon.

Kapitel 2

 Der lange Esstisch war heute nur mager besetzt, Vater, Sohn und Tochter nebst der Haushälterin Maria saßen schweigend beim Mittagessen.

Pepe Brescone war sauer, richtig sauer. Sein Cousin Ronaldo hatte ihm mitgeteilt das Anthony wiederholt in einem anderen Revier gesehen worden war. Das Koks-Revier dieses verdammten Branco Statione. 

Das sein Sohn Anthony nach mehr strebte als für ihn gut war, hatte er schon früh erkannt. Seine Gier nach Anerkennung, Macht und Frauen hatten seinen Vater schon manches Mal fast den Kopf gekostet. Aber er war sein Sohn, und ein Camorra ließ seine Familie nie im Stich. Niemals.

Gut, Pepe war froh das keiner seiner Kinder je Blut an ihren Händen gehabt hatten. Aber Drogen zu verticken, und das nicht mal in Millionenhöhe, war eines Brescone nicht würdig. Er vermutete schon länger das eine Abhängigkeit seines Sohnes dahinter steckte. 

Pepe stocherte mürrisch in seiner Minestrone herum, schielte immer wieder verärgert zu Anthony. Dünn war er geworden, sein edler Anzug schlabberte nur so um ihn, verbarg dadurch jedoch seine schlaksige Statur. Seine dunklen Haare lagen eng am Kopf, sein Gesicht hatten kantige, harte Züge bekommen. Wann genau war das passiert? Pepe seufzte tief, wann war er ihm entglitten? 

 

Anthony redete nicht viel, zu tief war er in Gedanken bei seinem nächsten Geschäft mit diesem Afrikaner. Er überlegte krampfhaft welcher Übergabeort geeignet wäre, ohne das sein Vater davon Wind bekommen würde. Er hatte seine Augen und Ohren überall.

Das Geschäft würde ihm die nächsten Monate seinen eigenen Bedarf an Drogen sichern. Um so wichtiger das alles glatt gehen musste. Er grinste selbstsicher, er war im Begriff dem alten Statione den Rang abzulaufen. Nur der wusste noch nichts von seinem Glück. Oder Pech.Wie immer man die Sache betrachtete.

 

Samantha beobachtete ihre Familie mit gemischten Gefühlen. Sie liebte ihren Papa, aber sie konnte seine beruflichen Aktivitäten nicht gut heissen. Erpressung, Mord, Bestechung, sein Repertoire war gross. Seit sie denken konnte, lebte sie in Angst vor Kidnapping, Mord und dem Verlust ihrer Familie.

 

Ihr Vater hatte damals bestürzt zur Kenntnis genommen, dass sie sich seinem Tun nicht anschließen, geschweige denn unterordnen würde. Inzwischen war er mehr als zufrieden mit ihrer Berufswahl, sie studierte Kunstgeschichte und hatte gelernt, präzise, sachlich und umfassend zu beobachten. Sie konnte das Wahrgenommene klar zuordnen und stilistisch einwandfrei referieren, um dann eine Schlussfolgerung anzubieten. All dies hatte sie im kunstgeschichtlichen Studium gelernt, was ihren Vater sehr stolz machte.

Wenn er wüsste das sie hinter seinem Rücken interne Informationen der Camorra an die andere Seite weiter gab....sie wollte nicht an seine Reaktion denken. Ein Grund niemals ein Wort darüber zu verlieren, sondern lediglich versteckte Hinweise zugeben.

 

Diese Familie zerfiel zusehens. Seit die Patronin tot war registrierte Maria das Auseinanderdriften der Mitglieder. Allein die Kleine hatte etwas geschafft, unbeirrt blieb sie an ihrem Studium dran. Der Junge hatte sich zum Nachteil entwickelt, seine Geschäfte missfielen seinem Vater. Das würde noch böse enden.

Ja und der Patrone selbst. Pepe. Schon lange hegte sie Gefühle für ihn, aber er schien noch immer an der Verstorbenen Patronin zu hängenden. Maria hatte schon oft versucht seine Aufmerksamkeit zu erhaschen, leider erfolglos. Sie stand auf und wechselte den Topf mit der Minestrone gegen eine grosse Schüssel  Spaghetti aus. Holte die Sosse und fing an die Teller einzusammeln.

"Danke Maria," gurrte Pepe und schaute sie lächelnd an. Marias Herz hüpfte und sie trug ihm als erstes seine Mahlzeit auf. 

Samantha grinste ihren Vater wissend an. Dieser räusperte sich leicht verlegen, schaute interessiert auf seinen Teller und aß schweigend weiter. 

Samantha hatte nicht besonders viel Hunger. Die zwei Tage im Keller sassen ihr noch in den Knochen. Vielleicht sollte sie langsam damit aufhören. Aber sie musste ihrem Bruder Einhalt gebieten, wie konnte er so viel Leid über die Menschen bringen!

Sie hatte gesehen was Drogen aus ihrer Mutter gemacht hatten, nein, das sollte kein anderer durchmachen müssen.

Ihr Vater hatte es viel zu lange ignoriert, seine Geschäfte stets vorgeschoben. Das ihre Mutter immer dünner wurde damals, das sie immer öfter wie leblos in ihrer Wohnung lag, tagelang. Nicht ansprechbar für ihre Kinder. Zugedröhnt mit Koks, später sogar Heroin spritze. Wenn sie an diese schwere Zeit in ihrer Kindheit zurück dachte lief jedes Mal ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken.  

 

Samantha schob ihren Teller von sich und wollte sich erheben.

"Setzten!" Schnauzte ihr Vater und sein Ton ließ keinen Widerspruch zu.

Sie verschränkte maulend die Arme vor ihrer Brust. 

"Wohin so eilig, Schwesterherz?" feixte Anthony. Ein wütender  Blick traf ihn, den er mit einem gespielten "Aua!" auffing.

 

"Ich muss mit euch sprechen. Einzeln." Sowohl Samantha als auch Anthony zogen verwundert eine Augenbraue nach oben. Was wollte er schon wieder?

Pepe leerte gemächlich seinen Teller und stand dann auf um in Richtung Büro zu gehen. "Sammy, du zuerst."  Augenverdrehend folgte sie ihrem Vater, setzte sich schwungvoll in den alten Sessel. Erwartungsvoll und mit zusammengekniffenem Mund sah sie ihn an.

'Wie ihre Mutter' dachte Pepe grinsend. Er nahm sich eine Zigarre aus der Kiste auf seinem Schreibtisch und setzte sich dann ächzend in seinen Bürostuhl. 

Samantha schlug ihre Beine übereinander und verfolgte genau wie ihr Vater die Zigarre köpfte, sie sich dann mit einem Streichholz anzündete. Wieder verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und beobachtete wie Pepe nach dem ersten Zug kleine Kringel in die Luft austiess. 

"Nun, wie du weißt gefallen mir die Geschäfte deines Bruders nicht besonders." Pepe suchte nach Worten und zog genüsslich an seiner Zigarre. 

"Was hab ich damit zu tun?" Murrte Samantha.

"Du wirst mit deinem Bruder zusammen ziehen und ein Auge auf ihn haben." 

Die Empörung stand Sam ins Gesicht geschrieben. "Wie bitte?!" 

Pepe lächelte.  "Und damit dir das Ganze leichter fällt streiche ich dir im Gegenzug nicht deine Unterstützung zum Studium." 

Bam. Das saß. Er konnte regelrecht sehen wie es in ihrem hübschen Köpfchen rotierte.

"Das.....das ist Erpressung!" Stieß sie empört hervor und ihre grünen Augen funkelten ihn an.

"Das würde ich nie wagen, meine Kleine." Er zwinkerte ihr zu und zog erneut an seiner Zigarre.

"Ich will einen wöchentlichen Bericht, was dein Bruder so treibt." 

Schnaubend sprang Samantha vom Sessel und wand sich zum Gehen.

"Ach und Spätzchen? Ich liebe dich." 

Sie murmelte irgendetwas und stürmte aus dem Büro.  

 

Anthony betrat mit einem mulmigen Gefühl das Büro seines Vaters. Dem Gesichtsausdruck seiner Schwester nach, würde es unangenehm werden.

"Toni, mein Junge, setz dich." "Was gibt's? " fragte dieser ohne Umschweife. "Ich mach mir Sorgen um deine Schwester. Sie braucht....wie soll ich sagen....eine starke Hand." 

Verwundert kratzte sich Anthony am Nacken. Was hatte Sam angestellt?

"Du wirst auf sie aufpassen. Ich habe dir hier die Schlüssel zu einer Wohnung, sie sollte gross genug für euch beide sein." Pepe kramte in seinem Schreibtisch und beförderte einen Schlüsselbund zu tage.

Anthony sog scharf die Luft ein. Etwas Blöderes hätte ihm nicht passieren können. Gerade jetzt.

"Meinst du nicht sie kann auf sich selbst aufpassen?" Nörgelte er.

"Sie wird bei dir wohnen, basta." Der Ton war unmissverständlich und Anthony fügte sich. 

Sam und er würden das schon unter sich regeln. Irgendwie.

 

Kapitel 3

 Wenn er etwas definitiv hasste waren es diese verflixten Berichte, die man nach jedem Einsatz verfassen musste. Marc fuhr sich genervt durch die Haare. Wie sollte er sie da wieder raushalten können?

Er kniff die Augen zu Schlitzen, legte seine Stirn in Falten und dachte an früher. 

Im Gegensatz zu seiner Schwester hatte sich Anthony zum Schlechten hin entwickelt.

 

Er wusste noch genau wie es angefangen hatte. Seine Familie war damals frisch hierher gezogen.

An seinem ersten Schultag landete er direkt auf dem Platz neben Anthony. 

Er war gerade elf geworden und man hatte ihn eine Klasse tiefer eingestuft.

Mann so was Nerviges, ein ganzes Schuljahr ging durch diesen Umzug flöten. Im Nachhinein betrachtet war es sein Glück. Er und Anthony waren sich sofort sympathisch und hingen ab dato nur noch zusammen rum.

Oft war er bei ihm zuhause und da sah er sie das erste Mal.

Samantha, diese hübsche Kleine mit ihren ungewöhnlichen grünen Augen und diesen herrlichen kastanienbraunen Locken.

 

Schon damals konnte er sich oft nicht nicht mehr auf das was Anthony vom Stapel liess konzentrieren, weil er sie ständig anschauen musste. Irgendetwas faszinierte ihn sofort an ihr. 

Sie redete nicht viel, kritzelte aber ständig etwas in ihr Heft. Wenn er ihr über die Schulter schauen wollte, klappte sie ihr Heft sofort zu, blitzte ihn mit ihren grünen Katzenaugen an, und giftete "geht dich nichts an." Es reizte ihn dann dermassen sie zu ärgern, so dass er an ihren Zöpfen zog, oder ihre Stifte entwendete.

Sie konnte richtig wütend werden sobald es um ihre Zeichnungen ging. 

 

Im Laufe der Jahre lernte er dies zu respektieren und eines Tages zeigte sie ihm freiwillig ihre Bilder. Ihm verschlug es die Sprache, fast fotografische Zeichnungen füllten ihre Hefte. Bilder von ihm und ihrem Bruder, als sie das erste Mal eine Zigarette testeten. Oder wie sie am Strand Ball spielten oder im Meer schwammen. Detailgetreu bis in die Fingerspitzen. Fortan schwang in jeder seiner Blicke Bewunderung für ihr riesiges Talent mit.

Und bald nicht mehr nur für ihr Talent. Denn Samantha entwickelte sich alsbald zu einem wunderschönen Teenager, ihre Figur wurde weiblicher, ihre Bewegungen geschmeidiger und aufreizender. Er fing an von ihr zu träumen, und ihn zerfrass bald die Eifersucht, wenn sie wieder mal mit einem seiner Mitschüler ausging. Oder wenn sie sich im Schulhof mit einem Jungen unterhielt, sich dabei durch ihr Haar fuhr. Er glaubte bis heute war es ihr nicht einmal bewusst, welche Wirkung sie auf das männliche Geschlecht ausübte. 

Zu gern hätte Marc sie damals ausgeführt, aber sowohl der Umstand das er aus einer Polizistenfamilie stammte, als auch der Umstand das sie sich seit Kindesbeinen an kannten, ließ es nicht zu. Eine unsichtbare Barriere befand sich zwischen ihnen.

 

Wann immer es ihm möglich gewesen war, hatte er Samanthas Namen aus den Berichten gelassen. Bei Anthony war es mit den Jahren schwieriger geworden. Erst waren es kleinere Delikte mit Drogen, dann größere Dinge wie Einbruch,  Erpressung und neuerdings Schmuggel. Mit was genau, war er sich noch nicht sicher, denn dieser neue Kontaktmann war hierzulande fast ein Unbekannter. Zeit seinem alten Kameraden einen Besuch abzustatten, grinste Marc vor sich hin. Vielleicht war die Kleine ja auch anwesend.

 

Ein Karton auf zwei hübschen nackten Beinen kam ihm entgegen, als er die Auffahrt zu den Brescones erreichte. Ein Möbelwagen stand vor dem Haus und Anthony kam gerade ebenfalls mit einem Karton heraus. Marc parkte am Wegesrand und stieg aus.

Samantha schaukelte gefährlich mit dem Riesenkarton Richtung LKW, sie keuchte unter dem Gewicht. Sie konnte nichts sehen, wollte nur so schnell wie möglich zur Laderampe, als ihr zwei große Hände den Karton kurzerhand aus den Armen riss. Erschöpft ließ sie los und schaute dem muskulösen Rücken ihres Helfers nach. 

"Danke",  platzte sie heraus und lächelte Marc warm an. "Ciao, Sam." Er zwinkerte sie ebenfalls lächelnd an. Marc musterte sie unauffällig. Sie trug feste Turnschuhe, kurze Jeans-Pants und ein enges schwarzes Shirt, ihre Haare trug sie auf einer Seite locker zusammengebunden. 

"Was machst du hier?" drängte sich plötzlich Anthony zwischen beide. Marc registrierte amüsiert Samanthas Verrärgerung, denn sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und blitzte ihren Bruder an. "Ciao Toni, was geht denn hier ab?" Konterte Marc sofort mit einer Gegenfrage. "Der Alte will das wir ausziehen", grummelte Anthony. "Wem wir das wohl zu verdanken haben?" giftete Samantha und sah gar nicht mehr so nett aus. 

"Los, du Zwerg, dein Zimmer ist noch voller Kartons!" Empört stemmte sie ihre Hände in die Hüften und starrte ihren Bruder an. Dieser schnalzte mit der Zunge und 

klatschte ihr mit einer Hand auf den Hintern. "Hopp, hopp!" 

Lachend sahen sich die Männer an und Samantha ging schmollend ins Haus. Wie in alten Zeiten, zwei gegen einen! Unmöglich! 

 

"Warte, ich helf dir", rief Marc und folgte ihr dicht. Schon lange war er nicht mehr in ihrem Zimmer gewesen, es stapelten sich wirklich noch eine Menge Kartons und es herrschte ein heilloses Durcheinander. Sich an seiner rechten Wange kratzend besah er sich das Chaos und zog dann entschlossen seine Jacke aus. 

"Welcher als nächstes? " Fragte er. "Egal", seufzte Samantha und beobachtete mal wieder fasziniert sein Muskelspiel an seinen Armen. "Machst du uns solange einen Kaffee, Michelangelo?" Samantha grinste ihn dankbar an. "Aber gern, Sherlock Holmes." Mit schwingenden Hüften lief sie vor ihm die Treppen hinunter in die Küche und erfüllte seine Bitte. 

Charmant wie immer, dachte sie. Die Jeans sitzt auch wie immer knackig und seine Muskeln waren doch auch mehr geworden, oder täuschte sie sich? Was waren denn das für Gedanken? 

Kopfschüttelnd nahm sie zwei gefüllte Tassen mit nach draußen und reichte sie den Männern. Dankbar schlürften sie das heisse Getränk und unterhielten sich über belanglose Dinge. Marcs Blicke wanderten immer wieder automatisch zu Samanthas Beinen, weiter hoch über ihren Körper zu ihrem Gesicht. Mehr als einmal trafen sich unverhofft ihre Augenpaare, und irgendetwas war verdammt nochmal anders als sonst. 

 

Kapitel 4

 "Hey Sam!"

Alessandro jumpte hinter ihr in den Zeichensaal.

Sam schaute kurz zurück, richtete dann jedoch ihre Staffelei.

Atemlos blieb er neben ihr stehen.

"Was gibt's, Alesso?"

Bewundernd musterte er ihren schlanken Hals, der wieder einmal verführerisch unter ihren herabhängenden Locken hervorblitzte. Wie immer hatte sie ihre Haare schnell zu einer Banane hochgesteckt, und wie jedes Mal fielen vereinzelt Strähnen heraus. 

"Hast du morgen schon was vor?" Sam überlegte angestrengt, aber ihr fiel keine Ausrede ein. Also schüttelte sie ihren Kopf und schraubte verbissen weiter an ihrer Staffelei.

"Morgen ist die Feier meiner Cousine Sandra....und ich hab mich gefragt ob du mich begleitest?" Hoffnungsvoll sah er sie mit seinem Dackelblick an.

Sam seufzte, da würde sie wohl nicht drum herum kommen. Zu oft hatte sie nun schon abgelehnt. Sie blickte zu ihrem Studienfreund Alessandro, der abwartend mit seiner Mappe neben ihr stand.

"Na gut, weil du's bist." Alessandro konnte sein Glück nicht fassen und umarmte die verdatterte Samantha, drückte ihr einen Wangenschmatzer auf. "Danke!" flüsterte er und begab sich fröhlich an seinen Platz. Samantha musste lächeln. Was war das denn?

Sie arbeitete weiter konzentriert an diesem neuen Projekt. Die Aufgabe die sie gestellt bekommen hatten war schwer umzusetzen. "Malen sie Ihr Innerstes!" hatte Professor Giovanni gesagt. Wie sollte sie ihr Innerstes auf Papier bannen?! Wo das gerade sowieso alles durcheinander geraten war.

 

Das sie mit Anthony künftig eine Wohnung teilen musste ging ja noch, aber das sie ihn für ihren Vater ausspionieren sollte, war allerhand. Am Wochende waren sie bereits umgezogen, Marc hatte nicht schlecht gestaunt als er die Wohnung betreten hatte.

Die Wohnung lag etwas ausserhalb der Stadt, in einem alten Fabrikgebäude, mit riesigen Fensterfronten. Samantha hatte nicht einmal gewusst das in diesem Gebäude Wohnungen vermietet wurden.

Als sie das erste Mal mit Anthony dort gewesen war, hatte sie sofort ein gutes Gefühl gehabt. Man betrat die Räumlichkeiten durch eine schwere Eisentür, gelangte dahinter sofort in einen grossen lichtdurchfluteten Raum, rechter Hand befand sich eine offene Galerie, linker Hand eine Küchenzeile mit Theke. Kurz vor der Zeile führte ein schmaler Flur zum Bad und dem dahinter liegenden Zimmer.

Das einzigste abschließbare Zimmer hatte sich natürlich sofort ihr Bruder geschnappt. Hieß, sie hatte sich im offenen Raum ihre Malecke einrichten müssen und würde auf der Galerie schlafen. Was für Samantha jedoch kein Problem darstellte. Vorerst musste das gehen, später würde sie sich einen Job suchen. Denn von ihrem Vater abhängig sein, wollte sie immer weniger

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Routiniert hatte Marc die neue Wohnung der Geschwister Brescone nach Gefahrenquellen abgesucht. Er war nicht ganz zufrieden, wollte er Samantha doch in Sicherheit wissen. Er würde noch einen Sicherheitsriegel besorgen, Anthony war wirklich oft unterwegs, und das Kidnapping von Samantha hatte ihn ziemlich aus der Bahn geworfen. 

Nachdem er sämtliche Werkzeuge und den Verriegelungsmechanismus besorgt hatte, machte er sich auf den Weg. Der abenteuerliche Lastenaufzug quietschte und ächzte während er den Weg nach oben fuhr. Das Gitter war auch nicht mehr das Neueste und ließ sich nur schwer beiseite schieben. Ölen, notierte er sich gedanklich.

 

Marc klopfte hart gegen die Eisentür, eine Klingel konnte er nirgends entdecken. Ohne groß Nachzudenken öffnete Anthony die Tür und begrüßte ihn. "Du machst auch jedem gleich auf, was?" wunderte sich Marc und trat ein. "Dir auch einen schönen Abend", antwortete Anthony sarkastisch. Als er Marcs Utensilien sah, zog er eine Augenbraue nach oben und schüttelte den Kopf. "Panzerriegel? Echt jetzt?!" 

"Du solltest nicht nur an dich denken", brummte Marc ärgerlich und hielt Ausschau nach Samantha. "Wo ist Michelangelo?" 

"Sie ist im Bad, macht sich zurecht. Willst du was trinken?" "Hast du 'n Bier?" "Klaro." 

Gezielt griff Anthony nach zwei Flaschen im Kühlschrank und köpfte die Kronkorken. 

Er überreichte Marc ein Bier und sie stiessen nach alter Feierabendmanier mit den Flaschen klirrend an. Nach einem zügigen Schluck fing Marc an den Türriegel anzubringen. Anthonys Handy klingelte, er entschuldigte sich und verzog sich in sein Zimmer.

Nach einer Weile ging die Badezimmertür auf und Marc hörte tappsige Schritte auf ihn zukommen. Samantha hatte geduscht und kam nun nur mit einem Handtuch bekleidet heraus, rubbelte ihre Haare mit einem anderem Tuch trocken. 

Marc kniete vor der Haustür und versperrte halb den Flur, so dass Samantha ihn nicht rechtzeitig bemerkte und in ihn hinein lief. Schwankend hielt sie vor Schreck das Handtuch an der Brust umklammert, und hätte Marc sie nicht mit beiden Händen an den Hüften festgehalten, wäre sie gestürzt. 

Perplex starrte sie ihn mit offenen Mund an, keiner Regung fähig. Marc empfing ein süßer Duft aus Kokos und Vanille, und diese betörende Mischung vernebelte ihm kurz die Sinne.

Er fing sich als erster und erhob sich, so dass Samantha ihn nun von unten anstarrte.

Seine Hände lagen noch immer auf ihrer Taille und seine Augen hafteten fest an ihren. Sein Blick glitt eine Etage tiefer und sein Gesicht zierte ein amüsiertes Grinsen.

 

"W-was...t-tust du hier?" Stotterte Samantha ohne sich zu rühren. Marc nahm seine Hände von ihr. Er deutete auf die Tür. "Ich bringe einen Sicherheitsriegel an." 

In dem Moment wurde Samantha bewusst das sie nichts weiter als ein feuchtes Handtuch trug und lief rot an. Mit gesenktem Kopf tappste sie zu ihren bereit gelegten Klamotten, riss sie an sich und verschwand wieder in Richtung Bad.

 

Schmunzelnd arbeitete Marc weiter, Gott die Kleine sah sowas von sexy aus. Was für sinnliche Lippen, und sie roch so gut. Er hatte Mühe sich auf die letzten Schrauben zu konzentrieren. 

 

Samantha zog sich mit zittrigen Knien ihre Unterwäsche und das schwarze Etuikleid an. Was zum Teufel brachte sie so durcheinander? Diese blauen Augen hatten sie anders als sonst angesehen, so als ob er sie das erste Mal richtig angeschaut hätte. Sie lächelte, Marc war aber auch attraktiv geworden. Seine norwegischen Vorfahren konnte man eindeutig erkennen. Diese kühle Iris, die kräftige Statur, diese blonden Haare. Samantha seufzte laut, wie er sie angegafft hatte. Sie musste kichern als ihr das bewusst wurde.

Sie bändigte ihre Haare mit einem schwarzen, breiten Band und legte Mascara auf. Die Schultern straffend trat sie in den Raum und fand Marc an der Theke gelehnt sein Bier trinkend. 

Er verschluckte sich fast, als er sie sah. Hustend stellte er das Bier ab und Samantha eilte ihm zu Hilfe, klopfte ihm kräftig auf den Rücken. Abwehrend hob er die Hände, "schon gut, schon gut."

Grinsend holte Samantha ihre schwarzen Pumps hervor und schlüpfte vor seinen Augen hinein. 

Sie drehte sich vor ihm und schaute ihn mit schräg gelegtem Kopf an. "Was meinst du?" Provozierte sie ihn. Marc traute seiner Stimme nicht und räusperte sich erst einmal. "Du siehst zauberhaft aus", brummte er und sein Blick sprach Bände. 

"Danke", zwinkerte sie ihm erfreut zu, griff nach ihrer Jacke und dem Schlüssel und verschwand durch die schwere Eisentür.

"Pass gut auf dich auf", flüsterte er ihr noch hinterher. Sie hinterließ einen mehr als verwirrten Marc.

 

Kapitel 5

Kapitel  5

Gediegene Jazz-Musik ertönte aus den Lautsprechern, der Raum war bereits mit murmelden Gästen gefüllt, als sich Alessandro mit Samantha unter die Menge mischte. Der Qualm der Raucher legte sich wie ein feiner Nebel über die feiernden Leute, umhüllte gnadenlos auch sofort Samantha, die es bereits jetzt bereute, zugesagt zu haben. Mehrmals musste sie husten, raubte ihr der Qualm den Atem, der rücksichtslos von den Umstehenden in ihr Gesicht geblasen wurde. Sie hüstelte und Alessandro schaute sie besorgt an.

"Ich besorg uns was zu trinken", sagte er und machte sich eilig in Richtung Bar davon.

 

Unschlüssig stand Samantha in einer Ecke des Raums, beobachtete die Frauen und Männer. Menschen waren für sie immer wieder Inspiration, zahlreiche Ideen für Bilder schossen ihr durch den Kopf.

Alessandro kam strahlend mit zwei Gläsern Sekt zurück, seine Cousine im Schlepptau. Er reichte ihr ein Glas und dankbar nahm Samantha sofort einen Schluck. "Das ist Sandra", raunte er ihr ins Ohr. "Die Gastgeberin." Ein dezenter Hinweis für Samantha, dem Geburtstagskind zu gratulieren. Was sie auch sofort erledigte.

"Alles Gute zum Geburtstag, Sandra. Und danke für die Einladung." Sandra musterte sie schnell, lächelte sie dann gewinnbringend an. "Dankeschön. Alessos Freunde sind auch meine Freunde", nickte sie. "Bedient euch, dort hinten ist das Buffet, langt zu, und habt Spaß! " Damit drehte sie sich zu einem Mann um, der sie bereits wieder fort zog. Entschuldigend zog sie ihre Schultern hoch und verschwand mit ihm in der Menge.

Alessandro verwickelte sie in ein Gespräch, ließ sie dabei nicht aus den Augen. Angeregt unterhielten sie sich über Jazz, eine Stilrichtung die Samantha nicht wirklich lag.

Nach zwei Gläsern Sekt knurrten ihre Mägen, sie schnappten sich jeder einen Teller und beluden sie mit kleinen Köstlichkeiten.

Alessandro konnte nicht widerstehen und schob ihr ab und an ein Häppchen von seinem Teller in den Mund. Samantha machte gute Mine zum bösen Spiel, denn es behagte ihr schon eine ganze Weile nicht mehr, wie er sich ihr gegenüber verhielt.

Klar waren sie Kommilitonen, aber mehr auch nicht. Sie beschloß etwas mehr Abstand zu nehmen und gab vor auf die Toilette zu müssen.

 

Sie ließ sich Zeit, blickte seufzend in den Spiegel. Wie gern würde sie jetzt auf der Terrasse ihrer neuen Wohnung liegen. Aber es half nichts, sie musste da wieder raus. Sie wusch sich die Hände und kühlte ihre heißen Handgelenke mit dem Wasser.

 

Kaum das sie den Raum wieder betrat, empfing sie Alessandro und zog sie auf die Tanzfläche. Hatte er sie etwa verfolgt?

Der Jazz wurde nun von Swing und Blues abgelöst,  und Alessandro zog sie näher an sich, als ihr lieb war an sich. Seine Hände fuhren über ihren Rücken, sein Gesicht vergrub er in ihrer Halskuhle. Er betaschte ihr Hinterteil und Samantha bekam Panik.

Sie drückte ihn mehrmals von sich, hatte aber den Eindruck das es nichts half. Er ließ nicht locker, Samantha kam es vor, als wären seine Hände überall.

 

Marc betrat mit seinem Kumpel Ben den Saal. Beissender Qualm schlug ihnen entgegen, angewidert folgte er Ben. Er hatte sich von ihm überreden lassen ihn auf diese Geburtstagsfeier seiner Cousine zu begleiten. Leicht bekleidete Mädchen tanzten mit angesäuselten Männern, in manchen Ecken ging es nicht gerade jugendfrei zu. Überhaupt schien ihm hier einiges sehr locker zuzugehen, in den Augen einiger Leute konnte er stark erweiterte Pupillen erkennen. Eindeutig Drogenkonsum. Sich selbst tadelnd, beschloss er seinen Feierabend zu genießen.

 

Nachdem sich beide ein Bier ergattert hatten, drängelten sie sich durch die heiße Masse an den Rand des Geschehens. Marcs Gedanken schweiften zu einer gewissen Person ab, er sah sie noch genau vor sich. Ihre Augen hatten einen verführerischen Glanz gehabt, als sie ihn um seine Meinung gefragt hatte. Grinsend nahm er noch einen Schluck seines Bieres, als ihm ein Pärchen auffiel, das sich wohl nicht ganz einig wahr. Die Frau versuchte sich von dem Mann zu lösen, was dieser jedoch vehement verhinderte. Der junge Mann grabschte weiter an ihr herum, schien nicht mehr ganz nüchtern zu sein.

Seinem Instinkt folgend presste er sich in Richtung des Pärchens durch.

 

"Verdammt, Alesso lass mich los!" Herrschte Samantha ihren Begleiter nun schon zum dritten Mal an. "Komm schon, is doch grad so kuschelig...." nuschelte er in ihr Haar.

"Was davon hast du nicht verstanden,hä?" Sagte plötzlich eine dunkle Stimme laut hinter ihr. Alessandro hielt inne, diese Stimme ließ keinen Zweifel zu, das er gemeint war. Marc stand, die Hände in den Hüften gestemmt, hinter Samantha und starrte bedrohlich auf ihn herab. Alessandro grinste nur dämlich und zog sie demonstrativ näher an sich heran.

Samantha keuchte bereits, sie wollte nur noch weg von diesem Grabscher, stemmte ihre Hände gegen seine Brust.

Kurzerhand griff Marc ein, trennte Alessandros Arme unsanft von ihr und zog Samantha hinter sich. Drohend baute er sich vor ihm auf, ließ jedoch Samanthas Handgelenk nicht los.

"Verschwinde, oder ich polier dir sowas von deine Fresse!" Zischte Marc den Typen an. Verärgert schaute Alessandro ihn an, traute sich aber allein schon wegen des Grössenunterschieds nicht sich zu wehren. Er drehte um und schob in Richtung Bar ab. Marcs Blick folgte ihm bis er in der Menge verschwand.

Schnaubend wendete sich Marc um und erkannte erst jetzt,  wen er da vor sich hatte.

"Saaaam?" Ungläubig glitt sein Blick über ihr verängstigtes Gesicht. Er ließ ihr Handgelenk los, als hätte er sich verbrannt. Samanthas Züge entspannten sich sofort als sie ihn erkannte, sie schlang ihre Arme um seine Taille und flog an seine Brust.

"Danke!" Stieß sie erleichtert hervor. Marc legte automatisch seine Arme um ihre Schultern und küsste sie aufs Haar. Ihr Duft stieg ihm sofort in die Nase, was dazu führte, das er sie nicht so schnell wieder los lassen wollte.

Er fing an sich sanft mit ihr im Rhythmus der Musik zu bewegen. Samantha wehrte sich nicht, sie genoss seine Präsenz. Er roch nach Heimat und Geborgenheit.

 

"Kanntest du den Typen?" "Hm, ja. Das war Alessandro, ein Kommilitone von mir."

"Du solltest vorsichtiger sein, mit wem du dich abgibst, Samantha." Sie hob den Kopf und schaute ihn schief an. "Vielleicht hast du recht, aber woher weiß Frau das vorher?" Marc legte ihren Kopf wieder an seine Brust. Sein Herz schlug schnell, immer würde er sie nicht beschützen können.

"Sag mal, ist dir irgendetwas in Richtung Drogen hier heute abend aufgefallen?" Sein Blick schweifte unmerklich im Raum umher, ihm schien, als liefen immer mehr Schwankende mit glasigen Augen herum.

Samantha legte ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn zu sich herunter und legte ihre Wange an seine. "Der Typ hinten rechts an der Bar hat heute abend schon fast jedem hier etwas in die Hand gedrückt." Wisperte sie bedeutungsvoll in sein Ohr.

 

Marc nickte kaum merklich und tanzte mit ihr Richtung Ausgang. Erst kurz vor der Tür ließ er sie widerwillig los. "Ich bring dich jetzt nach Hause." Sein Blick deutete keinen Widerspruch und Samantha fügte  sich.

Kapitel 6

 Marc schlenderte mit Samantha Hand in Hand zu seinem Auto, schloß auf und wies sie an, Platz zu nehmen. Nachdem er die Wagentür geschlossen hatte, zückte er sein Handy und rief einen seiner Kollegen an. Das Gespräch ging schnell über die Bühne,  Angabe der Adresse und der Verdacht auf Dealerei genügte meist schon. 

Er legte auf und setzte sich hinters Lenkrad. Als er startete hörten sie bereits die Sirenen der Polizei. "Lass uns verschwinden." Murmelte er und fuhr zügig die Strasse entlang. 

Samanthas Kleid war über ihre Knie nach oben gerutscht, immer wieder zerrte sie nervös am Saum. "Sam, das Kleid wird nicht länger dadurch", raunte Marc amüsiert der verdatterten Samantha zu. "Außerdem kannst du es tragen", zwinkerte er ihr zu. Sein Blick wanderte kurz zu ihren nackten Knien, zu gern hätte er sie berührt. 

Samantha öffnete bereits den Mund, um etwas darauf zu kontern, schloss ihn aber wieder und grinste ihn an.

"Warum warst du heute da? Ich meine auf der Party." Fragend musterte sie ihn von der Seite. Marc fuhr konzentriert im dichten Verkehr, runzelte bei seiner Antwort die Stirn. "Mein Kumpel Ben hat mich mitgeschleppt. Ich wäre heute lieber zuhause geblieben." Samantha legte ihre Hand auf seinen Unterarm. "Gut das du das nicht bist." Flüsterte sie und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. 

Marc stimmte ihr gedanklich zu, legte seine Hand kurz über ihre und konzentrierte sich wieder auf die Strasse.

Am Gebäude angekommen, hielt er ihr wieder die Wagentür auf. Verlegen stand sie vor ihm und starrte auf seinen Bauch. Ob er einen Sixpack hatte? 

"Sam?" Erschrocken blickte sie ihm ins Gesicht, bei was hatte er sie denn jetzt ertappt? "Alles in Ordnung?" 

"Ja, danke für...alles....und... lass dich mal wieder sehen." Sie reckte sich und drückte ihm einen flüchtigen Schmatzer auf die Wange. "Schlaf gut", sagte er heiser und schaute ihr nach, bis sie im Gebäude verschwunden war. 

Seine Wange brannte, dieser kleine unschuldige Kuss brachte ihn völlig durcheinander. Er blieb noch so lange im Auto sitzen, bis in ihrer Wohnung das Licht brannte. Dann fuhr er zufrieden nach Hause.

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Samantha schmiss ihre Schlüssel auf die Theke und schleuderte ihre Pumps von den Füßen. "Anthony?" Keine Antwort. Dann war sie wohl wieder mal allein. Lustlos zog sie ihr Kleid aus und wechselte in bequeme Schlafklamotten. Sie putze sich die Zähne und stieg in ihr Bett. 

An Schlafen war jedoch nicht zu denken. Ihre Finger wanderten zu ihren Lippen, seine Wange war stoppelig gewesen, sein Duft so männlich und fruchtig. 

Was war das noch gleich? Irgendwie roch er nach -  Zitrone? Orange? Ja das könnte es gewesen sein. Herrgott er sah so sexy aus heute abend. Immer wieder tauchten seine Gesichtszüge vor ihren Augen auf. Gerne hätte sie länger mit ihm getanzt. Ob er eine Freundin hatte? Sicher nicht, denn sonst wäre er bestimmt nicht mit diesem Ben zur Party gekommen. 

Gott, wie sollte sie sich nur künftig Alesso gegenüber verhalten? Sein Gegrabsche  ging ihr gegen den Strich, sie würde morgen ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen. Sie kuschelte sich in ihre Decke und löschte das Licht. 

Ein letztes Mal tauchten Marcs Augen vor ihr auf und seufzend schlief sie ein. 

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Es war bereits drei Uhr nachts, als Anthony mit der Tür in die Wohnung polterte.

Im Schlepptau eine aufgetakelte Blondine. Er hatte ziemlich viele Drinks intus und achtete deshalb nicht besonderst darauf leise zu sein. 

Samantha war sofort wach. Blinzelnd beobachtete sie die Fummelei ihres Bruders an dem Kleid der Blondine. Diese kicherte immer wieder, feuerte Anthony immer wieder schrill an. Bis sie in seinem Zimmer knutschend verschwunden waren, lagen High heels, Jacken und Handtasche im Flur. 

Samantha stieß heftig Luft aus ihren Lungen, das würde sicher keine ruhige Nacht werden. Tatsächlich dauerte es nicht lange und das Stöhnen mit spitzen Schreien hallte an ihre Ohren. Verzweifelt hielt sie sich erst diese zu, um sich dann ihr Kissen über den Kopf zu stülpen. Papa, ich bring dich um! Das du mir das antust! 

Sie verfluchte Anthony und seine Weiber, jetzt war sie hellwach.

Genervt machte sie Licht und stieg von der Galerie. Das musste sich eindeutig ändern, das hielt ja kein Mensch aus. Wer bitteschön wollte schon wissen wie und wann der Bruder Sex hatte? 

Sie musterte die am Boden liegenden Jacken, als sie sah, das aus Anthonys Jackett ein schwarzes Büchlein heraus ragte. 

Sie vergewisserte sich, das er noch beschäftigt war und angelte sich das Teil.

Neugierig blätterte sie in der Klatte und überflog Anthonys Termine. Die meisten Namen und Orte sagten ihr nichts. Aber dabei fiel ihr auf, das die Termine mit verschiedenen Farben eingetragen worden waren. Interessant. Das hatte sicher eine Bedeutung. Und welche, das würde sie noch herausfinden. Hastig steckte sie das Büchlein wieder in die Brusttasche des Jacketts und ging ins Bad. Keine Sekunde zu früh, denn als sie wieder heraus kam, waren die Klamotten weg.....

 

Kaffeeduft zog durch die Wohnung als Anthony am nächsten Morgen ins Bad schlappte. Die Kleine hatte alles aus ihm heraus geholt, grinsend gönnte er sich erst mal eine heiße Dusche. Heute morgen war sie bereits verschwunden, das Beste an diesen One-Night-Stands, keine Frage. 

Samantha stand bereits an ihrer Staffelei, bemerkte ihn erst nicht. "Morgen,  Schwesterherz", brummte er. Samantha erschrak, so vertieft war sie in ihrer Skizze. "Morgen", murmelte sie und schenkte ihm einen eisigen Blick. 

"Ja, ja, tut mir leid." Versuchte er sie sofort zu besänftigen, denn er wusste genau was ihr Blick bedeutete. "Wenn ich schon mit dir hier zusammen leben muss, dann halt dich an die Regeln." Schnautzte sie ihn an. Anthony angelte sich eine Tasse und goss sich Kaffee ein. Die heiße Flüssigkeit rann seine Kehle hinunter und weckte seine Lebensgeister. "Es war nicht meine Idee die Wohnung mit dir zu teilen", seufzte er. 

"Meine etwa?!" Entrüstet drehte sie sich zu ihm. "Ich bin ein Mann", zuckte er mit den Schultern. 

"Was würdest du sagen, wenn ich hier mit einem Typen rummachen würde?" Sie wurde wütend, schmiss die Kreide aus ihrer Hand und setzte sich zu ihm an die Theke.

"Hast du denn jemanden?" Hakte Anthony mit zusammen gekniffenen Augen nach und beobachtete seine Schwester genau. Das würde seinen Vater sicher interessieren. 

Samantha erwiderte nichts, einen Teufel würde sie tun und ihren Bruder über ihre Gefühlswelt informieren. Aber eines war sicher, sie brauchte dringend einen Job. 

Denn das ihr Vater sie gegeneinander ausspielte war so offensichtlich. Und das würde sie nicht mit sich machen lassen. 

 

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Texte: © COPYRIGHTS (Urheberrecht) 2015 Alle Rechte sind dem Autor OlalaSuse / Olala Suse (S.Hornschuh) vorbehalten, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form.
Tag der Veröffentlichung: 15.05.2015

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