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Es war einmal ...

Es war einmal ein Land ...
Es war einmal ein Land weit fort von hier ...
Es war einmal ein Land, das war weit fort von hier und hieß ‚das Land Irgendwo’ ...

Eine Wiese war außerdem noch ...
Und diese Wiese befand sich mitten im Lande Irgendwo ...
Und Wald war, der die Wiese umgab, wie ein natürlicher Zaun ...

Und dort nun – man höre oder lese und staune - begab es sich, dass ...

... es im Gebüsch am Waldesrand raschelte.
Dann teilten sich die Blätter und hervor kam eine Nase. Was sonst?
Langsam und vorsichtig schnuppernd schob sie sich Stück für Stück weiter aus dem schützenden Grün – und wurde immer länger dabei. Bis endlich und Gott sei Dank am Ende der Nase ein fertig ausgewachsenes Nasentier sich auf der Wiese befand.
Welches Nasentier? – so der Lesenden Frage. Erstaunen rundet die Augen zu Kreisen. Gibt es Nasentiere denn nicht in Hülle, manchmal auch in Fülle? In Mengen gar mit langer Nase, Knub-belnase, breiter Nase, Rübennase, gebogen nach aufwärts und ebenso nach unten oder alles zusammen und ganz rot die Spitze noch dazu?
Gibt es, gibt es, aber all diese meinen wir nicht, sondern jenes eine, besonders prächtige und zu-dem ausgewachsene Exemplar, dessen Niesen die Gräser im Umkreis zu erschüttern in der Lage ist und Mama Stern sich nach einem Aufwischlappen umsehen lässt. Jenes Nasentier also, dass wir hinfort mit das Nasentier rufen wollen und dessen verschlungene Wanderwege wir schon ge-raume Zeit mit wachem Auge verfolgen.

Gar schön war es anzuschauen, wie es da so stand, sich von der Sonne bescheinen ließ und da-bei sein Hauptorgan mächtig in die Höhe streckte. Regungslos, nur das spärliche Barthaar an der Nasenspitze zitterte leicht,... leichter, schon heftiger, das Gesicht verzog sich wie frisch in die Zit-rone gebissen und zu guter letzt erschütterte ein gewaltiges Niesen die Gräser im Umkreis und drückte sie kurzzeitig zu Boden. Der Rückstoß war derart, daß es das Nasentier von den Beinen hob und es einen Satz rückwärts machte.
Getan! Das Nasentier nahm sein Bündel vom Boden auf. Darin sein Fell - wie gewöhnlich. Hat auch schon je einer ein Nasentier ohne sein Fell gesehen? Natürlich nicht! Wie auch, denn gar zu schön konnte man das Fell ausrollen (wo auch immer), sich drauflegen und die Sterne am Himmel betrachten (oder in geschlossenen Räumen etwa die sich sacht bewegenden Blätter von Topf-pflanzen).
Heute aber war das Bündel anders, wie auch noch so manches an diesem Tag. Größer nämlich war es. Warum wohl? - so die rhetorische Frage. Nun deshalb, weil sich statt des üblichen einen Fells diesmal gleich der Stücken zwei darin befanden.
Zwei ganze Felle für nur ein einziges Nasentier? Das scheint übertrieben! – überrascht stellen es die Lesenden fest. Und recht hätten sie, wenn das Nasentier nicht gänzlich Ungewöhnliches damit vorhätte.
Zu Markte tragen wollte es das zweite Fell nämlich – in gewohnt selbstloser Manier! Sein Ersatz-fell! Das muß man sich überlegen! War das Ersatzfell doch zweitwichtigstes Inventar in den Be-sitztümern eines jeglichen Nasentiers. Denn was konnte dem Erstfell alles für widerwärtige Dinge geschehen. Verlieren und vergessen! Raub und Überfall! Auch konnte der Zahn der Zeit ganze Haarbüschel aus ihm nagen und es so gänzlich unbrauchbar machen! Voller Schrecken allein die Vorstellung schon!
Doch das Nasentier hatte beschlossen und so sollte es geschehen. Unterwegs war es nämlich zur Familie Stern. Morgen schon, das krächzten die Spatzen von den Dächern und die Raben vom Gebälk sollten die ein kleines Sternchen bekommen – ein neuer Stern im Sternenhaushalt, welch freudiges Ereignis! Kugelrund Mama Stern im Aussehen schon, einem Fasse gleich.
Warum aber gerade zu Familie Stern und warum ausgerechnet das Ersatzfell? Nun auch auf sol-cherlei tiefsinnige Fragen läßt sich Antwort schnell finden.
Zwar war die Familie Stern eine recht eigenartige Familie, hantierten sie doch dauernd mit ihren Schätzhölzern, die sie selbst liebevoll >Eibi – em< mit Namen riefen und taten mit ihnen seltsame Dinge, die jedem normalen Nasentier für immer unverständlich bleiben mußten. Doch betrachtete man die Nase von Papa Stern genauer, so ließen sich gewisse Ähnlichkeiten, geknüpft von ver-wandtschaftlichen Banden nicht gänzlich verleugnen. Fast genauso gewaltig wie bei unserem Na-sentier ragte diese aus dem Gesicht. Fast nur, dafür aber leuchtete deren Spitze ewig rot.
Und zum Ersatzfell bleibt eigentlich nur zu sagen, daß das Nasentier sich nichts weiter vorzustel-len vermochte, als daß das kleine Sternchen bestimmt sehr gern darauf liegen würde, um interes-siert die seltsamen Bewegungen der Blätter eben schon erwähnter Topfpflanzen vom weichen Untergrunde aus zu studieren, während Mama und Papa Stern weiter unentwegt mit ihren Schätz-hölzern berechneten. Und überhaupt war da noch...
Nasentier bedenke: das Faß! Dem Überlaufen nahe ist Eile geboten, denn weit noch der Weg und spät schon der Tag.
Auf denn also, sprach das Nasentier zu sich selbst, warf sich sein Bündel auf den Rücken und ging los. Doch halt! Gehen scheint nicht der rechte Ausdruck für diese Art der Fortbewegung zu sein, waren dem Nasentier doch neben der gewaltigen Nase noch wundersam gebogene Säbel-beine gegeben. Nur sollte man von solcherlei Dingen besser schweigen, ist es zugegen, denn wie wir alle wissen ist das Nasentier sehr sensibel.
Also, daß Nasentier säbelte los, da...
... boing, boing, boing ... Was war dieses?? Und schon wieder...
... boing, boing, boing, boing, boing ...
„Sieh da ein Knuddeldingsbums!“, sprach das Nasentier erfreut und sah den Sprüngen des Knud-deldingsbums‘ zu. Doch was waren das für bejammernswerte Sprünge:
........boioing....... bing....... boiiingg............und endlich, es kam wie es kommen muß-te...........Patsch!
Auch das noch!
Schnell säbelte das Nasentier zu der Stelle, wo das Knuddeldingsbums zu Boden gestürzt war, auf das der Staub aufwirbelte. Da lag es also im Dreck und rappelte sich mühselig wieder auf.
„Ja wer bist du denn?“, fragte das Nasentier verwundert.
„Knuddeldingsbums“, sprach das Knuddeldingsbums und fing alsgleich zu schluchzen an. Das Nasentier, das nichts anderes dachte, als das seine lange Nase das Knuddeldingsbums in Angst und Schrecken versetzt hätte, verdeckte diese schuldbewußt mit der Pfote. Doch das Knuddelbilli hörte nicht auf zu schluchzen.
„Keiner ... schluchz ... Keiner hat mich ... schnief, schnief, ... keiner hat mich, keiner hat mich ... liiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieb“
Ganz laut weinte das Knuddeldingsbums, so dass es den ganzen Körper schüttelte. Auf der Stelle mußte jeglicher Stein erweichen zu Pudding oder Weicherem. Schnell schnürte deshalb das Na-sentier sein Bündel auf und breitete das Erstfell vor dem Knuddeldingsbums aus.
„Da, setz dich drauf. Da ist es schön weich und du kannst den Himmel betrachten.“, sprach es, um zu trösten. Doch das Knuddeldingsbums weinte noch immer. Das Nasentier sah sich ratlos um, bis es ein Gänseblümchen entdeckte. Das pflückte es und schenkte es dem Knuddeldingsbums und siehe, da wurde das Weinen leiser.
„Du bist doch ein Knuddeldingsbums und knuddlig siehst du auch aus“, sagte das Nasentier jetzt, noch immer verwundert, „Wieso hat dich dann keiner lieb?“ (Streichel, streichel und das Weinen wurde noch weniger).
„Weil ich keine Freunde habe und so traurig bin, daß ich immerzu schlafen muß.“, antwortete das Knuddeldingsbums und goß mit seinen Tränen das Gänseblümchen.
„??“
„Na, nun guck nicht so!“ Das Knuddeldingsbums war nun fast schon wieder ärgerlich. „Immer wenn ich einen Freund habe, will der auch mit anderen spielen, oder aber wir streiten uns. Nun muß ich ins Gebirge gehen, da soll es nämlich noch welche geben. Freunde meine ich.“ Mit gro-ßer Geste wies das Knuddeldingsbums auf die kleinen Hügel ganz am Rand der Wiese.
„Aber so genau weiß ich das auch nicht.“ Wieder fing das Knuddeldingsbums mit weinen an.
Das Nasentier überlegte hin, das Nasentier überlegte her. Sorgenvoll kratzte es sich am Kopf.
Was tun? Was tun?
Doch nicht umsonst war ihm das Weiß von manchem Jahr ins Haar gefahren und hatte es gar schon ein wenig grau gefärbt. Viel Weisheit war im Nasentier, viel Weisheit! So jedenfalls dachte das Nasentier, obwohl die Gelehrten sich noch immer stritten, ob es nun wohl Weisheit oder doch nur Ärger wäre, was da die Haare färbte – natürlich ohne je zu einem Ergebnis zu gelangen.
Lassen wir es dabei - viel Weisheit also war im Nasentier ... . Nur wie kann man sie sinnvoll ein-setzen? Schließlich fiel sein Blick auf das Gänseblümchen in den Händen des Knuddeldingsbums‘ und da hatte es eine Idee.
„Knuddeldingsbums“, sprach das Nasentier zum Knuddeldingsbums, „ich werde dir ein Märchen erzählen, jawohl!“
Das Knuddeldingsbums riß die Augen auf. Märchen! Nichts schöneres als dieses. Wann hatte es das letzte Märchen gehört. Ach! Und weh! Und ...
Doch ehe es erneut in Trauer versinken konnte hob das Nasentier den Finger und streckte ihn wichtig ganz nach oben.
„So höre!“
Kaum hatte sich das Knuddeldingsbums auf dem Fell zurechtgelegt, da hub das Nasentier auch schon mit sprechen an:

„Dieses also ist das Märchen, was ich dir erzählen will und es ist ein Märchen vom Liebhaben. Und es heißt:


Die Geschichte von Gänseblümchen und kleiner Sonne
(hier nun sei der Lesende auf jene andere Datei verwiesen, denn diese enthält eben jene Geschichte, welche unser Nasentier an dieser Stelle zu erzählen gewillt ist. Schnöde Platzgründe und die Vermeidung von Doppelveröffentlichung ließen mich die Geschichte hier herausschneiden…)


... boing ... boing ... boing ... boing ... boing … ...
Das Nasentier schreckte aus dem Schlaf. Zuerst begriff es gar nichts, doch dann sah es, daß das Fell leer war. Sogar sein Kopf war heruntergerutscht und lag nun im Staub und mit ihm die Nase.
Ganz weit in der Ferne hörte es noch die Sprünge und gar nichts Jammervolles war mehr an ih-nen. Sprünge wie sie eben ein normales Knuddeldingsbums springt.
„He Knuddeldingsbums wo willst du hin?“, schrie das Nasentier mit aller Kraft.
„Ins Gebirge Nasentier. Aber warte, ich komme gleich zurück.“, kam die Antwort ganz schwach zurück. Schon aus den Hügeln.
Und so begann das Nasentier zu warten.
Aus der Morgensonne wurde Vormittagssonne, dann Mittagssonne. Am Nachmittag sah das Na-sentier vor sich eine kleine Schlange. Zu einem Kreis wand sich der schlängelnde Körper und es schien, als würde sich die Schlange beißen – in den eigenen Schwanz. Wie ein Ring schaute sie nun aus. Schlangenring.
Das Nasentier beachtete sie wenig, sondern wartete.
Nachmittagssonne zu Abendsonne und als die langsam unterging, da wußte das Nasentier, daß das Knuddeldingsbums nicht mehr wiederkommen würde.
Oh wie traurig wurde es da. Tränchen tropften ins zitternde Barthaar und die Nase hing ganz e-lendiglich zu Boden. Viel Weiß fuhr dem Nasentier ins Haar.
Das Tageslicht verschwand schon hinter den Hügeln, da entsann sich das Nasentier, warum es eigentlich aufgebrochen war und so machte es sich denn auf mit schlurfendem Gesäble, um nun endlich zur Familie Stern zu gelangen.
Das Fell (das Erstfell natürlich, nicht das was er verschenken wollte! Oder habt ihr anderes erwar-tet, Lesende??!) ließ es liegen wo es war. Was sollte es ihm auch noch?
Vielleicht kam ja auch das Knuddeldingsbums irgendwann einmal wieder hier vorbei und dann hatte es etwas, worauf man sehr schön liegen konnte, um die Sterne am Himmel zu betrachten. So die Gedanken des Nasentieres. Bequem aber machte es sich zuerst einmal das Schlängel-chen darin und verknotete und verrenkte seinen Körper, auf das wahrlich wie ein Ring ausschaute.

Nach langem und beschwerlichen Weg langte das Nasentier nun endlich an. Und siehe, es war wie immer:
Mama und Papa Stern fuchtelten wie üblich mit ihren Schätzhölzern, um ihnen die schon benann-ten, für immer unverständlichen Dinge zu entlocken. Irgend etwas schien nicht zu klappen und fand deshalb keinerlei Wohlgefallen vor Papa Sterns Blick. Flüche murmelten seine Lippen. Wie immer und üblich eben.
Dann erblickten Mama und Papa Stern das Nasentier, wie es in den Eingang säbelte (und das Nasentier erblickte Mama Sterns kugelrundes Aussehen – das Fass hatte gehalten, wenigstens etwas).
Zitterndes Barthaar, glitzernde Tränchen, hängende Nase – ein Bild des Jammers war es jetzt. Da wußten Mama und Papa Stern: irgend etwas stimmte nicht mit dem Nasentier.
„Oh Nasentier, was ist dir?“, sprachen beide recht besorgt.
„Keiner ... schluchz ... Keiner hat mich ... schnief ... liiiiiiiiiieb“, schluchzte da das Nasentier und setzte sich auf den Boden. All das Weiß im Haar half nichts mehr und sehr müde war es.
„??“
Mama und Papa Stern schauten sich einen Moment an.
„Das stimmt doch gar nicht Nasentier!“, sagten dann beide und gingen auf das Nasentier zu.
„Du bist immer ein gern gesehener Gast.“, sprach Mama Stern. Und dann nach kurzem Überle-gen, in dem sie sich die Nase beschaute weiter:
„Nur wenn du Schnupfen hast, mußt du selber aufwischen!“
Da wurde das Weinen schon leiser.
Papa Stern indes schritt zur Tat und warf sein Schätzholz hinter sich.
„Lange Nasen verbinden.“, sprach er schlicht und da hörte das Weinen auf.
Das Nasentier aber besann sich und nahm sein nun geschrumpftes Bündel vom Rücken. Lä-chelnd schon wieder durch den Tränenschleier streckte es beide Pfoten nach vorn. In ihnen das Ersatzfell, wie wir wissen zweitwichtigstes Inventar in den Besitztümern eines jeden Nasentieres.
„Fürs neue Sternchen!“, sprach das Nasentier mit viel Pathos und hoffte, daß das Fell genehm sei.
Was es auch war, denn Mama und Papa Stern freuten sich darüber sehr.
Darüber nun wieder freute sich das Nasentier, schien es doch, als hätte es mit seinem Ansinnen, dass Zweitfell zum Geschenk umzufunktionieren ins Blaue geschossen und ins Schwarze am Sternenhaushaltshimmel getroffen. Und während es sich noch so vor sich hinfreute, glitten die Gedanken des Nasentiers zurück zum gestrigen Abend und dem bösen Nasentiererwachen am nächsten Morgen.
‚Das Erstfell, ja das Erstfell (wichtigstes aller Besitztümer, um es noch einmal zu betonen)’, erin-nerte sich das Nasentier, ‚Irgendwo auf der weiten Wiese, dort wo man schon die leichten Hügel sehen konnte, die manch kleinem Getier durchaus auch als Gebirge erscheinen mochten, da ir-gendwo ließ ich mein Erstfell zurück, das ich gebreitet hatte für ein Knuddeldingsbums zum süßen Schlummer und schlief selbst daneben, das Haupt gebettet auf nackter Erde und mit der Nase im Staub*. Ließ es liegen, denn was sollte es mir noch, nachdem das Knuddeldingsbums gestärkt durch manches Märchen entschwand mit frischen Sprüngen ... und sich verlor in den Weiten der leichten Hügel. Ja ich erinnere mich, als wäre es eben erst geschehen ...’
Es war eben erst geschehen!, bemerkte das Nasentier dann alsgleich und auch, dass es dabei erneut von viel Traurigsein erfasst wurde.
Als es spürte, wie das schüttere Barthaar erneut zu zittern begann und sich im Hals ein großer Klos bildete, der die Worte nicht mehr so ohne weiteres zur Zunge gelangen lassen wollte, da machte es leise: „Mmmhhh ...“ und ließ die Nase hängen.
Und als daraufhin auch ein Brennen in den Augen diese von neuem unter Wasser zu setzen droh-te, so als hätte das Nasentier eine intensive Zwiebelbeschau durchgeführt, da schüttelte das Na-sentier unwillig mit dem Kopf, auf das die Nase nach allen Seiten flog und machte: „Mmmhhh!“
Dann lenkte es seine Gedanken hinfort von den traurigen Begebenheiten des Morgens, denn es war nicht gewillt einen Dauerklos im Hals und eine Brille aus Zwiebelringen zu tragen, sondern wollte sich vielmehr noch ein wenig an des Sternenhaushaltseltern Freude erfreuen.
‚Genug nun also mit dem gemütsverfinsterndem Erinnern! Denn noch vielerlei Begebenheiten har-ren meiner und verlangen danach erlebt zu werden. Und ihnen will ich mich fortan widmen, denn ich will nicht andauernd weinen! So!’, sprach das Nasentier sich selbst Mut zu – und siehe: Es gelang!
Wenn auch mühsam ...


Das Erstfell also liegengelassen und das Zweitfell verschenkt – vollkommen fellentblößt nun also war das Nasentier, wie es da saß im Haushalt der Familie Stern und sich fürs erste ein wenig freu-te und dabei etwas ausruhte. Mitten im sitzen und ausruhen und plauschen aber beschlich das Nasentier mit einem Mal ein gar seltsames Gefühl und dieses mitten in seinem Hauptorgane. Ein Kribbeln war es und ein Krabbeln, was ihm da in die Nase fuhr. Schon begann das schüttere Barthaar zu zittern, nur dieses mal aus anderen Gründen und das Gesicht verzog sich wie frisch in eine Zitrone gebissen. Erschrecken weitete Papa Sterns Augen! Schnell lenkte er seine Schritte in die Sternenhaushaltsküche, um alsgleich mit einem großen Lappen wiederzukehren. Mama Stern indes wich zurück und aus dem Bereich unmittelbarster Gefahr. Dabei sprach sie beschwörend auf das Nasentier ein:
„Nasentier, Nasentier, zwar bist du immer ein gern gesehener Gast, doch wisse: selbst sollst du aufwischen, wenn du niest! Und dazu noch viel Tische, Stühle und Wände putzen!“.
Das Nasentier hörte und handelte! Mit beiden Pfoten hielt es sich gewaltig die Nase zu, versuchte zudem noch die ein oder andere Kralle verstopfend in ein Nasenloch zu zwängen und hielt die Luft an, so doll es nur eben konnte. Ganz rot wurde es im Gesicht dabei vor lauter Anstrengung und die Augen quollen schier aus dem Kopf, bis sie von den Antennen der Gevatterin Weinbergschne-cke kaum noch zu unterscheiden waren. Doch alles umsonst - der Druck wollte nicht weichen, das Kribbeln steigerte sich zum Gewimmel eines Ameisenhaufens, das Krabbeln bekam Ähnlichkeit mit einer Vielzahl um die Wette laufender Tausendfüßler. Alle sahen und erkannten gleichzeitig: Nicht mehr lang konnte das Nasentier standhalten! Nicht mehr lang! Mit dem Sprunge der Verzweiflung warf sich Mama Stern hinter das Sofa, Papa Stern indes brach in die Knie und hielt den Lappen als schützendes Schild vor sich. Keinen Moment zu früh, denn der Druck in unserem Nasentier erreichte nun jene Grenzwertigkeit, an welcher an Umkehr nicht mehr zu denken ist und welcher die Nase aufbläht, auf das sie einem aufgeblasenen Luftballon gleicht. Schon durchlief ein Schütteln den schmalen Körper, schon bog sich der Hals zurück und die Augen wurden von der imaginären Zitrone von ganz allein und vollständig zugezogen.
Dann kam, was kommen mußte, doch es kam anders als es sonst immer gekommen war. Kein gewaltiges ‚Hahahaaaatttschiiiiie‘ hob das Nasentier von den Pfoten, auf das es einen Satz rück-wärts machte, sondern es erklang vielmehr ein gedämpftes, dumpfes ‚Pffffloopppp‘, gerade so als würde man einen Stopfen mit viel Schwung in ein großes Rohr stopfen. Und dieses ‚Pfffflooppp‘ holte das Nasentier von den verbliebenen zwei Pfoten, mit denen es noch auf der Erde stand und warf es auf den Rücken.
Darniedergestreckt vom eigenen Niesen also nun lag es da und schielte argwöhnisch mit beiden Augen auf die eine große Nase, während die beiden zuhaltenden Pfoten langsam locker ließen. Mama Stern kroch hinter dem Sofa hervor und begann den Angstschweiß (welchen sie soeben noch in Erwartung des scheinbar Unvermeidlichen abgesondert hatte) auf Stirn und anderen Stel-len, mit dem Handrücken abzuwischen. Papa Stern dagegen (von einem großen Verlangen nach Minderung jedwed möglicher und auch unmöglicher Gefahr auf immerdar getrieben) hielt nichts-destotrotz das der Kelch noch einmal mit viel Glück an ihnen und ihrem Haushalte vorübergegan-gen zu sein schien den Aufwischlappen in ‚Hab–acht–Stellung‘ und schützend vor sich und Mama Stern. Und auch ein wenig vor sein Schätzholz, welches nun wieder (wie die Lesenden wissen sollten) zu den wichtigsten Besitztümern eines jeden Papa Stern gehört. Doch siehe: gänzlich ließ das Nasentier die eigene Nase fahren und dennoch fiel keinerlei Schnupfen zu Boden.
‚Ha!‘, dachte das Nasentier, ‚Gut gemacht – nichts kam heraus.‘ Dann allerdings bemerkte es, dass die Freude verfrüht war. Etwas wenigstens. Denn zwar kam nichts heraus und Böden, Wän-de und Mobiliar schienen errettet und verschont, doch es kam auch nichts mehr hinein. Luft etwa, wie man sie zieht und einatmet und zum Leben braucht
Die Nase des Nasentieres war gänzlich verstopft!
„Nochmaaa guugeganngn.“, näselte das Nasentier (und es klang so, als würde man sich die Nase zuhalten und dabei sagen: „Noch mal gutgegangen.“). Papa Stern hob bei jenen Lauten erst er-staunt die Augenbrauen, dann legte er die Stirn in unwillige Falten.
„Nasentier, sprich“, sagte er alsdann, „hast du etwa draußen im Wiesengrün geschlafen, ohne unter dir dein Fell ausgebreitet zu haben?“
Das Nasentier kratzte sich am Kopf und versuchte dabei gleichzeitig sowohl recht unschuldig wie auch völlig unwissend auszusehen, ahnte es doch die Dinge, welche Papa Sterns Mund alsgleich entfleuchen sollten. Dann nickte es: „Mmmhhh, iiim Chtaup lak tie Nase.“ (Translationstechnik wie oben: Nase zuhalten und „Mmh. Im Staub lag die Nase.“ sagen...)
Und schon kam es wieder wie es kommen mußte, nur diesmal so, wie es immer gekommen war und zwar in Wort und Tat und immerdar getrieben vom großen Verlangen nach ... nun wir sagten es schon:
Bedenklich nämlich wiegte Papa Stern das Haupt und streckte achtunggebietend den Finger in die Höhe:
„Du weißt, was die Ellis* uns lehrten in den frühen Tagen? Niemals soll die Nase ungeschützt auf nackter Erde liegen, denn Erkältung kann hineinfahren und sie anschwellend machen oder aber Staub hineinrieseln, der dann zum Niesen reizt**!“
„Ichweich“, antwortete das Nasentier (Nase zuhalten und „ich weiß“ sagen – na ihr wisst schon Lesende...), „hap toch aper kein Feechen mehr. Faachenkt unt liekengelassn.“
(die Translation jener Silben in die Sprache und Aussprache mit unverstopfter Nase sei ab jener Stelle hinfort der Intelligenz der Lesenden überlassen, denn wir haben nun wahrhaftiglich keinerlei Lust mehr sämtliche Dinge Ihnen abzunehmen und damit Ihren guten Verstand durch Unterforde-rung aufs Gröblichste zu schädigen – auch wollen wir natürlich unsere Fingerkuppen beim Scrabbelspielen mit der Tastatur etwas schonen. Ab jetzt also: Selbst sind die Lesenden und ihrer Worte Schmied ...)
Um geschehene Unabänderlichkeiten noch zu betonen zuckte es mit den Schultern; um beste-hende Unwissenheit betrefflich der Wandlung von Unabänderlichkeiten in Änderlichkeiten zu ver-tuschen, kratzte es sich erneut am Kopf und erreichte damit nur, dass sich das eh schon wirre Haupthaar noch mehr verwirrte und nach vielen Seiten auf einmal abstand. Sehr ratlos war der Anblick, den das Nasentier bot und sehr ratlos war das Nasentier denn auch. Zu recht wie uns allen scheinen mag, denn verzwickt, verzwackt und alles andere als einfach waren die Umstände, in denen es sich befand (im Gegensatz zu Mama Stern etwa, die nur in anderen Umständen war). Hier half kein Zorn, wie Papa Stern alsgleich bemerkte und so wandelte er vorerst die Zickzackli-nien, in welchen die Unmutsfalten auf der Stirn verlaufen in Wellenlinien der Nachdenklichkeit.
„Verschenkt das eine Fell und liegengelassen das andere.“, sinnierte er laut.
„Unt iiim Chtaup lak tie Nase.“, warf das Nasentier näselnd ein.
„Und im Staub lag die Nase.“, machte sich Papa Stern die verschärften Umstände bewusst, unter denen das Nasentier zu leiden hatte. „Und viel Erkältung fuhr hinein und durch unsachgemäßes Niesen, welches allerdings den Fußboden schonte (Papa Stern vermochte schon immerdar, wenn er obenauf ist, Gnade walten zu lassen, indem er auch die gute Seite einer schlechten Sache zu-gunsten des Nasentieres in seine Überlegungen öffentlich mit einbezieht – mögen die Sterne ihm jene Fähigkeit erhalten ...), verstopft der Schnupfen nun die Nase ganz und gänzlich. Nun kann man zwar die Nase durch vielerlei hin - und herschieben von Milchflaschenputzern wieder frei be-kommen (‚Einigermaßen jedenfalls’, so die Gedanken des Nasentiers dazu. ‚Aber es tut auch ganz schön weh, vor allem wenn der Milchflaschenputzer ein sehr ladenneuer ist ...’), auch scheint es möglich das ein oder andere Literchen Nasenblitz in die dafür vorgesehenen Öffnungen zu schütten (‚Doch ach und weh! – dies sticht die Naseninnenwände sehr fürchterlich...’) und hernach gut durchzuspülen, doch sind solcherlei Lösungen nur scheinbare, denn ohne Fell wird es sein, dass alsgleich neue Erkältung in die Nase fährt, um sie schmählichst zu verstopfen und das er-neut und so weiter.“, wagte sich Papa Stern an die Prophezeiung von zukünftigen Dingen und malte sie zudem noch in düsteren Farben.
„Unt iim Chtaup wiirt sie lieken – tie Nase nämnich.“, vollendete das Nasentier voller Stolz, auch etwas zu den allgemeinen Überlegungen beitragen zu können, bemerkte dann aber, dass es die höchsteigene Zukunft war, die gerade geweissagt wurde ... und schon senkte sich die Nase voll Trauer gen Boden und das Nasentier erschlaffte in Resignation.
Papa Stern indes ließ sich nicht schrecken von den heraufbeschworenen Finsternissen und grü-belte, was das Zeug hielt und der Kopf hergab. Lange, lange, doch nicht ewig, denn alles hat ein Ende und bald schon erschütterte folgerichtig ein Schrei – (Ich hab es!, etwa) – die Wände der Sternenhaushaltbehausung, worauf er auf der Stelle mit Mama Stern zu tuscheln begann. Ge-spannt schaute das Nasentier, als Mama und Papa Stern sich näherten.
„Nasentier!“, sprachen beide, „hier naht die Lösung des Problems!“
Das Nasentier bog sich zum Fragezeichen und sagte: „??".“
„Nun, es ist ganz einfach“, antworteten die Fastschonsternenhaushalteltern, „wir schenken dir ein-fach dein Zweitfell, was du uns geschenkt hast und wieder, äh...nicht und wieder, sondern nun wieder zurück.“
Wallte eben noch Hoffnung in unserem Nasentier, so ballte sich nun nur blauer Dunst noch, der verwehte zu nichts und es schüttelte in erneuter Resignation das Haupt.
„Kechenkd is kechenkd unt wieterholn is kechtoln.“, bemerkte es schlicht mit verstopfter Nase.
Der hohen Ethik und unerschütterlichen Moralität von des Nasentiers Gedanken und Handeln hat-ten Mama und Papa Stern nichts entgegenzusetzen und so mussten sie verstummen. Doch wie ein Blitz aus heiterem blauem Himmel, welcher auch schon mal in zu hoch gereckte Nasen ein-schlägt, auf das sie komische Zickzackmuster auf der Oberfläche bekommen kam Papa Stern plötzlich und unerwartet die alles errettende Idee: „Dann zieh von dannen oder auch von hinnen und hol dir Dein Erstfell zurück.“
„Ichwillnich.“
Alles zu Ende, aus und Schluss! Mit nur drei Worten, welche die verstopfte Nase zu einem einzi-gen verband machte das Nasentier Papa Sterns hohe und kompliziert verschlungene Gedanken-gänge zunichte und warf sie in den Staub der Nutzlosigkeit.
Nun half nur noch eins! Papa Stern wusste es sofort.
Also nahm er die Kurbel, steckte sie in das dafür vorgesehene Loch an der Hinterwand und be-gann sein Schätzholz anzukurbeln, welches er selbst liebevoll mit ‚Eibie – Em‘ beim Namen rief. Mit viel Knistern und Knacken erwachte die Apparatur zu neuem Leben. Kaum wurde auf der Matt-scheibe Licht, wo eben noch Dunkel war, da setzte sich Papa Stern an ein seltsames Brett, welches manche Ähnlichkeit mit einem durcheinandergewürfelten Scrabblespiel hatte. Denn viele Buchstaben lagen darauf ohne jede erkennbare Ordnung verstreut. Nacheinander drückte er auf verschiedene Buchstabenknöpfe, die etwa solches ergaben: nasezufellwegundtraurignochda-zualswärsnichtschongenug – und welches dem Nasentier als ein äußerst magischer Zauber-spruch erschien, gemengt mit jeder Menge Mystik.
Noch einmal überflog Papa Stern das Geschriebene, wohl um es auf Richtigkeit zu prüfen, dann drückte er eine ganz besonders große Taste, worauf das Nasentier das Wort ‚Ente‘ samt einer abgewetzten und damit unleserlichen Hieroglyphe las. Kaum geschehen, da nahm das Knistern und Knacken in den Eingeweiden des Schätzholzes zu. Wurde Knattern. Blaue Fünkchen stoben nach allen Seiten und dann antwortete das Schätzholz, indem auf der Mattscheibe viele Worte neben – und untereinander erschienen:
: nasezu/ ... >Error>
:fellweg/ ... >Error>
:und ... nochdazualswärsnichtschongenug/ ... >not found>
:traurig/ ... suche Dartpfeil (oder Dart-ei oder irgendwas anderes mit D – so recht konnte sich das Nasentier nicht erinnern) 0815.27mal3und20....Horst antwortet
(Horst? Ein Horst im Schätzholz?? – das Nasentier war verwirrt...)
:Traurig/ ... >ein Eintrag gefunden ... komma://tiefenphilosophie/urgründe/des_seins.komma

... und so sprechen die Gelehrten nach vielerlei Disput, dass ‚traurig‘ dasselbe wie die Ab-wesenheit von ‚glücklich‘ ist. Nach urgründlich–tiefenphilosophischer Betrachtungsweise sind in der Regel der Möglichkeiten zwei existent:
1. traurig = erstrebenswert: zu diesem Zwecke beschließe man fortan unglücklich zu sein, d.h. man verrammele Tür und Tor, schließe Jalousien und Augen, sehe nichts, höre nichts, sage nichts und vor allem: auf keinen Fall darf man suchen!
2. glücklich = erstrebenswert: man mache sich auf, das Glück zu finden, und verlerne da-bei das Fürchten. Zu diesem Zwecke suche man im grauen Labyrinth der bunten Türen solange, bis man gefunden hat, wonach man sucht.
(Ausnahme von der Regel: der Schladderadatsch aus beiden Möglichkeiten – aus dem wohl alles besteht)
Ende der D(...) ...

Das Nasentier las, überlegte und begriff ... nichts. Papa Stern las, überlegte erst gar nicht, weil er um die Unbegreiflichkeiten seines Schätzholzes wusste und begriff ebenfalls nichts. Doch ließ er sich nicht schrecken und stellte schnell zwei, drei logische Verknüpfungen in seinen eigenen Win-dungen her, mit denen er die Kiste zu erneutem Funkenregen zu animieren gedachte.
„Des Nasentiers verstopfte Nase ist sein Unglück. Verstopft aber ist sie durch vielerlei Schnupfen, der hineinfuhr. Schnupfen wiederum kann nur hineinfahren, wenn das Nasentier vollkommen fell-entblößt ist und auf kalter Erde schlafen muß. Dies zu den Prämissen und daraus folgt:
Des Nasentiers Glück und freie Nase liegt in seinem Fell. Das Glück aber, so spricht das Schätz-holz (und es ist unfehlbar in seinem Sprechen! – so der Gedanke Papa Sterns, der unbewusst alle nur möglichen Schätzholzdinge umnebelte und dieses auf immerdar ...) suche man im grauen La-byrinth der bunten Türen. Ergo muß das Nasentier in jenem Labyrinth suchen, denn dort liegt ein neues Fell und somit sein Glück!“
Stolz schwellte des Nasentiers Hühnerbrust gewaltig an - etwa weil es mit Papa Stern öffentlich bekannt war, auf dessen Haupt so viel Schläue gehäuft schien und schon öffnete es den Mund zu viel Lobesworten. Aber Papa Stern war wie immer und üblich, wenn es um die von ihm gepriese-nen Schätzholzdinge ging, nicht mehr von dieser Welt, sondern saß tief gebeugt über dem Buch-stabenbrett und sprach tastenklappernd mit der Mattscheibe vor sich:
„labirindgrautürenbuntundwo“ und Ente–Taste.
„Rechtschreibeerror!“, antwortete das Schätzholz und schwieg alsdann beleidigt.
„Hä!?“, sagte Papa Stern und schon klapperte es wieder.
„labyrinthgrauundtürenbuntwo“, Ente–Taste.
Knistern, Knattern, blaue Fünkchen stiebten. Mit einem Geräusch, welches versucht in Buchsta-ben ausgedrückt zu werden etwa wie ‚rümmhhlps‘ aussehen würde, warf das Schätzholz seine Antwort auf die Mattscheibe:
:graues Labyrinth/ ... >Metapher zur metaphorischen Beschreibung der Wirrnisse des Le-bens und ihrer Entwirrung, welche zwangsläufig und ohne jeden Zweifel zu nichts anderem als neuer Verwirrung führt oder und umgedreht
:bunte Türen/ ... Metapher zur metaphorischen Beschreibung der Übergänge von Wirrnis zu Entwirrung und umgekehrt, welches das gleiche, weil das selbe ist<
:wo/ ... >this page is in foreign language< ... :where/ ... >everywhere where you are / that means for example ... go west or go ...
An dieser Stelle aber passierte das, was immer passierte oder wenigstens viel zu oft und Papa Sterns Lippen die ewig gleichen Flüche murmeln ließ: Das Knistern stolperte über sich selbst, das Knattern wurde heißer und fraß sich fest, die blauen Fünkchen beschrieben einen traurigen Bogen gen Boden und verloschen. Im Eimer alle Konfigurationen und dunkel die matte Scheibe und auch entnervtes Hämmern auf die Ente–Taste half nicht mehr. Viel Arbeit sah Papa Stern auf sich zu-kommen, viel Arbeit und die verschob er alsgleich erst einmal auf morgen oder später - und das mit Wonne.
„Nun Nasentier“, sprach er darauf zum Nasentier und tat so, als würde ihn das Schätzholz über-haupt nicht mehr interessieren und außerdem tat er noch so, als wäre alles klar, bestens und in Ordnung, denn er wollte sich vor dem Nasentier nicht blamieren, „gefunden ist die Lösung, denn alles ist klar, etwa wie dichter Morgennebel, der sich lichtet, um sich alsgleich wieder zu verdichten oder wie jetzt? Hä?“ Dabei war ihm so – und dies nicht zu unrecht - als würden sich alle nur mög-lichen Nebelwolken genau um ihn herum versammeln.
Gläubig hingegen lauschte das Nasentier und voller Ehrfurcht.
„Wie ich schon richtig bemerkte (mit auf dem Rücken verschränkten Armen wandelte Papa Stern, ähnlich einem wissenden Dozenten oder dozierenden Wissenden, vor dem Nasentier auf und ab) liegt dein Glück im Fell und dein Fell im grauen Labyrinth. Dann aber (sehr wichtig hob sich jetzt der Zeigefinger in die Höhe) sprach das Schätzholz mit mir in ausländischer Sprache“
Bedeutungsschwangere Pause war auf einmal, wo eben noch Worte waren und bis das Nasentier reagierte, wie es der schwangeren Pause (nicht zu verwechseln etwa mit Mama Sterns Zustand) gebührte:
„Oh“, warf das Nasentier den Regeln solcherlei Pausen aufs Genaueste gerecht werdend betrübt ein, „das ist petrüplich, denn vachtentlicherweiche icht auchlentisch unvachtentlich.“ Dann noch mehr zu sich selbst: „Im Dunkeln much ich tappen.“
Ein überlegenes Lächeln, welches Papa Stern mühsam während der Pause aus seinen Gesichts-zügen ferngehalten hatte malte sich bei diesen Worten auf seinen Zügen. Und schon tätschelte eine Hand beruhigend des Nasentiers Rücken, als er vollkommen beschloss zu vergessen, dass er unwissend wie das letzte Nasentier war ... und trotzdem zu glänzen gedachte:
„Alles andere als unverständlich ist ausländisch, denn mir ist es verständlich und Licht wird werden so im Dunkel!“
„??“, oder wie auch immer man solche Laute ausdrücken möchte.
„So höre!“
„!!“, welches heftiges und sehr ernsthaftes Nicken seitens des Nasentieres bedeuten mag.
„Nicht alles konnte ich behalten, aber das Entscheidende - und dieses findet sich in dem einen Wort ‚gowestorgo‘ versammelt - welches ich alsgleich mit Sinnvolligkeit zu erfüllen gedenke, in-dem ich es von der Sinnlosigkeit zu vieler Buchstaben befreie und es bestens auf die Silben „go-west“ beschneide und das bedeutet schlicht ...“ An dieser Stelle bemerkte Papa Stern jedoch, dass er erstens wenigstens hie und da einmal während des Sprechens Luft holen müsse und zweitens, dass er keineswegs des ausländischen mächtig und den Mund zu voll genommen hatte - und sich deshalb in einer äußerst misslichen, weil peinlichen Lage, befand. Wie Propeller dreh-ten sich die Gedanken um sich selbst, nur ein Ziel anstrebend – dem selbstgebauten Dilemma mit größtmöglich gewahrtem Gesicht zu entgehen und bei alldem noch eine gute Figur zu machen. Geschickt zog er die Silben deshalb in die Länge, um dem Gedankenpropeller Zeit zum drehen zu verschaffen:
„Also es bedeutet ...“
„!!!“, das heftige und sehr ernsthafte Nicken wurde intensiver in beiderlei.
„... nichts weiter ...“
„!!!!“, sachter Wind begann die Blätter der überall herumstehenden Topfpflanzen zu bewegen.
„... und weniger auch nicht ...“
„!!!!!“‚das ekstatische Kopfschütteln eines Nasentiers, welches dem Wahnsinn anheim gefallen ist und manches mehr.
„... und schon gar nichts anderes ...“
„!!!!!!!!!!!!“, wie eine angeschlagene Maultrommel mit Gurkenform rotierte des Nasentiers Nase auf und nieder.
Papa Stern mußte handeln, auf der Stelle und sofort!, sonst geschah ein Unglück. Er wusste es.
„... als .... als ...“, stotterte er in großer Not, „... dass Du da lang gehen musst!“, brach es endlich aus ihm heraus und er zeigte in irgendeine Richtung.
Die Ausrufezeichen minderten sich bis zum Stillstand. Geduldig wartete das Nasentier bis sich die hundert vibrierenden Sternenpapahände vor seinem Auge wieder zu der einen vereinigt hatten und es erkennen konnte, welche Richtung Papa Stern etwa wies.
Papa Stern aber wies in irgendeine Richtung – noch immer.
Irgendeine Richtung ist so gut wie irgendeine andere, dachte das Nasentier bei sich und befand diese irgendeine also als genehm. So packte es denn sein Bündel, welches sehr schlaff, weil ohne Fell und damit leer war, um sich alsgleich auf den Weg zu machen. Papa Stern indes stand daneben und sein Gesicht sprach von jenen Geschichten, die das schlechte Gewissen schreibt, dachte er doch nichts anderes, als dass er das unschuldige und unwissende Nasentier wissentlich in Wildnis, Abgründe und dorthin, wo der Pfeffer wächst*, schickte. Schnell drehte er sich weg und begann in seinen Habseligkeiten zu wühlen. Bald schon hatte er gefunden, nach was er suchte und streckte die Arme aus, in welchen sich nunmehr eine große Flasche Nasenblitz befand (die letzte aus den Vorräten!) und hielt sie dem Nasentier hin.
„Für die verstopfte Nase auf der Reise.“, sprach er dazu mit viel Pathos und da schrieb das schlechte Gewissen schon weniger. Das Nasentier aber verstaute den Nasenblitz im Bündel und warf sich dieses über den Rücken. Machte schlicht einen Knicks zum Dank und sich in Richtung der untergehenden Sonne davon, welche die irgendeine war, die Papa Stern gewiesen hatte.
‚Irgendwas mit west hat das Schätzholz gesprochen‘ grübelte der derweil vor sich hin, während er das Nasentier entschwinden sah. Und: ‚Wo geht die Sonne unter? Wo, wo ...’
Ein Lächeln der Erleichterung zauberte sich auf Papa Sterns Züge, als er erkannte, dass er zwar nicht gewusst hatte was er tat, aber letztlich es wohl doch noch genau das Richtige gewesen war. Die Richtung jedenfalls.
Da hörte das schlechte Gewissen endgültig auf zu schreiben und viel Großzügigkeit packte den Sternenpapa an dessen Stelle, wie es oft so ist, wenn man durch Zufall und viel Glück jenem boh-renden Geschreibsel entgangen ist. Also verschwand er noch einmal in dem Haufen seiner Hab-seligkeiten, denn er trachtete danach, noch irgendetwas zu verschenken.
Kurze Zeit später sah man ihn dem schon ziemlich weit entschwundenen Nasentier mit gewaltigen Sprüngen hinterhereilen, dabei wild mit einem großen und langen Gegenstand fuchtelnd.
„Nimm auch dieses noch mit dir hinfort und auf den Weg!“, sprach er, als er es endlich erreichte und schon war er wieder verschwunden, denn Geräusche begannen die Lüfte zu erfüllen, die viel Ähnlichkeit mit platzenden Fässern hatten und Papa Sterns Anwesenheit dringlich erforderten.
„Grmpfh?“, machte das Nasentier überrascht von soviel und bis dato unbekannter Großzügigkeit, dann aber beschloss es sich nicht weiter zu wundern und steckte den genauso nagelneuen wie überdimensionalen Milchflaschenputzer zum Nasenblitz in sein Bündel.


Die Sonne ging auf im Lande Irgendwo und sie ging unter und noch mal auf und wieder unter und noch mal und wieder und noch und so weiter und überhaupt ...
Unverzagt wanderte das Nasentier immer in die eine Richtung, die die irgendeine war. Am Vormit-tag folgte es der eigenen Schattennase und zwar dorthin, wo diese am längsten war; am Mittag wandelte es zumeist orientierungslos im Kreise und brabbelte Mantras zur Selbstberuhigung vor sich hin; am Nachmittag und Abend lief es da entlang, wo die Schattennase am kleinsten war und die Sonne am meisten blendete. In der Nacht schlief es irgendwo - welches im Lande Irgendwo nicht schwer zu finden ist, denn irgendwo ist dort überall – mit der Nase im Staub und dem Haupt auf nackter Erde. Dies mag zwar gefährlich klingen, ist es aber nicht wirklich, denn die Nase war eh verstopft, was bedeutet: schlimmer kann es nicht kommen und wo nichts herauskommt, kann auch nichts hineinfahren. Schnupfen etwa oder Staub.
Viele Tage zog das Nasentier so seines Weges (mittags seine Kreise) mit sich langsam abwet-zenden Pfoten und dennoch unverzagt. Dann aber kam es an eine große Brücke.
Und diese Brücke war die Grenze des Landes Irgendwo.
Ein kurzes Zittern, ein kleines Zagen und auch das Bündel noch einmal zurecht gerückt, dann betrat es die unbekannten Lande jenseits von Irgendwo.
Schlagartig wurde alles nicht etwa anders, sondern vielmehr blieb alles genauso wie es vorher war und so schritt denn das Nasentier auch mit erneutem oder demselben Unverzagen wie vorher voran.
Es war schon ein gutes Stück gelaufen, da begann der Weg steil abzufallen und an just jener Stel-le war ein gar seltsames Schild am hölzernen Pflock in den Boden gesteckt. Darauf ein mit weni-gen gelben Strichen skizziertes Ententier samt einem dicken roten Ausrufezeichen daneben. Das Nasentier schaute und rümpfte die Nase - als passendes Äquivalent zu etwa unwissendem Schul-terzucken - und ging weiter. Dabei stellte es tiefenphilosophische Betrachtungen an, ob etwa die-ses gemalte Ententier in irgendeine geheimnisvollen Beziehung zu dem Wort ‚Ente’, welches auf Papa Sterns Buchstabenbrett auf der ganz großen Taste geschrieben stand zu bringen sei. Je-doch führten die Überlegungen zu keinem vorzeigbaren Ergebnis und so ließ das Nasentier sie vorerst ruhen und konzentrierte sich auf den Weg und die eigenen Pfoten, über die es nicht zu selten selbst stolperte.
Nach kurzer Zeit das gleiche Schild mit dem gleichen Ententier, nur diesmal mit zwei dicken roten Ausrufezeichen versehen und dann schließlich und endlich auch das dritte Schild mit drei Ausrufe-zeichen. Zusätzlich waren an diesem noch viele Pfeile angebracht, welche in alle nur möglichen Richtungen wiesen, nur nicht in die eine gerade aus und um das Ententier war zudem ein roter Kreis gezogen mit einem Strich mittendurch. Das Nasentier blieb stehen, schaute an sich herab und befand alsgleich, dass all dieses wohl weniger mit ihm zu tun haben könnte, denn nur sehr wage Ähnlichkeiten zu Enten oder anderem Federvieh konnte es an sich feststellen. Also weiter gerade aus, bergab und ins Tal hinein. Je mehr es aber ins Tal ging, um so angenehmer wäre der Geruch gewesen, der dem Nasentier da in die Nase gefahren wäre, wäre diese denn nicht der Verstopfung anheim gefallen.
Das Wort ‚wäre‘, hier als dreifacher Konjunktiv verwendet und damit trotzdem fern allem Realen nützt aber nichts und so mußte das Nasentier erst lesen, was geschrieben stand und sonst im normalen, schnupfenlosen Leben riechbar war, um zu erkennen wo es sich befand.
‚Apfelbaumgrund‘ war in die Rinde des ersten Baumes der vielen Bäume des Haines geritzt, wel-che das Tal füllten. Und schwer hatten die Äste dieses wie auch aller anderen Bäume an ihrer Last zu tragen.
Äpfel, Äpfel, alles voller Äpfel – oh, welch erquickliche Nasentierfreude und schon biss es in den ersten, während die zweite Pfote damit beschäftigt war, so viele Äpfel wie nur möglich an sich zu raffen, um damit das Bündel bis zum Bersten vollzustopfen.
Schwer hatte das Nasentier an seiner Last schließlich zu schleppen, als es das Tal verließ und vor sich hingrübelte, weil es noch immer nicht verstand, was etwa Entenverbotsschilder bei allen Göt-tern des Landes Irgendwo mit Äpfeln zu tun haben könnten. Äpfel und Entenverbotsschilder; En-ten und Entetaste; oder auch Äpfel und Entetaste; und noch schlimmer Enten, Entetaste und En-tenverbotsschilder – allesamt vorerst unergründliche Dinge und Zusammenhänge ... . Da jedoch alles in dieser Welt seine Gründe hat und Zufälle es nur rein theoretisch gibt, wie manche zu wis-sen denken, andere zu ahnen beginnen und noch andere als Glaubensbekenntnis von sich geben, verscheuchte das Nasentier die fruchtlosen Gedanken fürs erste und hoffte auf Lichtung der Dun-kelheiten in späteren Zeiten.
Nicht zu unrecht, doch dazu später in jenen Zeiten, wenn sie denn kommen.
Der Rest der langen Wanderung ist mit wenigen Worten zu beschreiben, denn sie war nur noch kurz. Einzig bemerkenswert war nur noch eine Ansammlung baufälliger Hütten am Wegesrand, an der das Nasentier entlang zog und die den sonderbaren Namen ‚Du-Esel!-Dorf‘ trug und deren Bewohner eine genauso seltsame Art des Sprechens hatten, wie der Name ihres Dorfes sonder-bar war. Sie stellten alles auf den Kopf, sprich sie meinten genau das Gegenteil von dem, was sie sagten. Fürs Nasentier allerdings war dieses im ersten Moment sehr verwirrend, als es etwa von einem der Bewohner (die übrigens allesamt entenähnliches Federvieh waren – sieh da, sieh da! – wenn auch auf irgendeine Art und Weise sie recht abgeschabt aussahen; sprich sie hatten alle-samt gemessen an ihrem Alter zuwenig Federn am Leib – sonderbar, sonderbar) auf folgende Art angesprochen wurde:
„Ha! Du widerwärtige Rübennase, dein Anblick dreht mir den Magen um. Wie lange eigentlich stol-perst du schon über deine eigenen Pfoten und wo willst du endgültig aufs Maul fliegen?“ und der dabei gewinnend lächelte.
Mimik und Worte wollten so gar nicht zueinander passen, so dass das Nasentier vorerst darauf verzichtete, dem wüsten Spötter die Nase um die Ohren zu hauen und statt dessen ein paar schnelle tiefenphilosophische Überlegungen anstellte, deren Ergebnis in einer Weggabelung von zwei möglichen Deutungsmöglichkeiten und damit Erwiderungen der vernommenen Worte mün-dete. Die erste Deutung legte das Hauptgewicht auf die verbalen Laute und ließen nur eine Reak-tion als mögliche zu: nämlich die Nase um die Ohren hauen bis das die Federn fliegen. Die zweite Deutungsmöglichkeit fußte auf dem Primat der Mimik, für das sich das Nasentier dann auch ent-schied und solcherlei Tun ergab eine gelungene Übersetzung der Du-Esel!-Dörfischen Worte in die wohlklingenden Laute der Sprache des Landes Irgendwo. Etwa so: „Hallo! Liebes Nasentier, schön dich zu sehen. Hattest du eine gute Reise und wohin soll es gehen?“
Alsgleich drechselte es an einer passenden höflichen Antwort, übersetzte diese von der Land-Irgendwo-Sprache in das Du-Esel!-Dörfische und legte dazu das Gesicht in freundliche Falten:
„Bejammernswertes Geflügel! Quatsch mich nicht an!“
(auf zweierlei ist hier zwingend hinzuweisen: erstens: das Nasentiertier hat keineswegs auf wun-derliche und nicht beschriebene, weil vergessene Weise auf einmal keine verstopfte Nase mehr und kann deswegen wieder normal reden – keineswegs, keineswegs – die Nase ist weiterhin ver-stopft, die Gründe sind andere und diese und ihre Konsequenzen werden nun dargelegt in
zweitens: Wir haben jetzt und ab dieser Stelle ganz schön die Nase davon voll (um metaphorisch im Text zu bleiben) stets und ständig, wenn das Nasentier im niederzuschreibenden Text irgend-etwas zu sagen hat, ewig und drei Tage lang mit zugehaltener Nase durchs Schreibzimmer zu laufen und mit zugehaltenen Nasen des Nasentiers Worte vor uns hinzusagen, um diese dabei entstandenen Laute dann irgendwie mit Buchstaben zu beschreiben und im Texte niederzulegen. Einmal geht uns das ziemlich auf die Nerven und es ist auch nicht gut für unsere Haare, die wir uns ausraufen bei dem Versuch, passende Buchstaben für die Laute zu finden. Zum anderen tun die Nasen auch schon ziemlich weh und färben sich entzündlich rot dabei. Dies alles ist des Idea-lismus zu viel, befanden wir also an dieser Stelle, und suchen alsgleich nach anderen Wegen, die nicht verfälschen und trotzdem Nasen und Haare schonen - und siehe: schon fanden wir sie:
Nämlich: ab sofort halten sich die Lesenden selbst die Nasen zu, wenn denn das Nasentier etwas zu sagen hat und sprechen die niedergeschriebenen Worte des Nasentieres nach und sie werden die Originallaute bestens und auf der Stelle im eigenen Ohr vernehmen....
Dies alles aber nur so lange, bis wir mit einem deutlichen Stop markieren, dass jenes Gebaren weiterhin nicht mehr notwendig sei!
So, und nun noch Lesende, damit ihr jetzt nicht wegen des viel kursiv Geschriebenen zurückblät-tern müsst, um den Faden erneut aufnehmen zu können, sondern fließend vom kursiven ins nor-male übergehen könnt, ohne Einbußen zu erleiden, soll eine Brücke gebaut werden:
Also:Das Nasentier fand passende Worte der Erwiderung, übersetzte sie erfolgreich ins Du-Esel!-Dörfische und legte dazu das Gesicht in freundliche Falten:
„Bejammernswertes Geflügel! Quatsch mich nicht an!“...)
Dies noch etwas zögerlich, um zu probieren, doch – frappierend, verwunderlich, erhellend – es funktionierte. Der entenähnliche Bewohner nickte wohlgesinnt und meinte:
„Blödersack, aber du redest, als hättest du eine unverstopfte Nase. Es fällt mir deshalb sehr leicht dich zu verstehen, aber es wird schon schief gehen.“,
worauf das Nasentier, um die Konversation am laufen zu halten nachlegte:
„Friss Staub!“
Ein inbrünstiges Rülpsen erschütterte die Lüfte als Antwort, freundliches Schulterklopfen verdeutli-chend. Dann aber verzog sich das Gesicht zu einer Maske des Greuels, als das Ententier den dargebotenen Apfel erblickte.
„Sieh da“, sprach es mit süßer Stimme, „welch lieblich Äpfelchen.“
Schnell packte das Nasentier den Apfel zurück ins Bündel, dem Primat der Mimik gedenkend.
„Äpfel sind dein ersprießliches Labsal und deine ergötzliche Lieblingsspeise noch dazu?“, mut-maßte das Nasentier und lag wieder richtig.
„Oh ja, das Wasser läuft mir im Schnabel zusammen. Nichts schöneres auf der weiten Welt, als ein knackiger Apfel voll von Vitaminen!“, erwiderte freundlich und angewidert das Ententier und jede seiner Federn wurde von einer Gänsehaut einzeln aufgestellt, von denen eine schließlich ausfiel und traurig zu Boden schwebte.
Schnell verließ das Nasentier als einfühlsamer Gesprächspartner jenes Thema, welches dem En-tentier offensichtlich vielerlei Unbehagen bereitete und so redeten sie noch eine ganze Weile im Du-Esel!-Dörfischen Dialekt hin und her, bis dem Nasentier ein Licht aufging, welches seine Über-legungen auf dem Weg durch den Apfelbaumgrund betraf. Nämlich die verschlungenen Dinge, die da mit Schildern, Enten und Tasten zu tun haben. Eines der tiefen Geheimnisse der Natur sollte sich ihm hier offenbaren, als es der Gänsehaut des Ententieres gedachte und die Ursache der Wirkung ‚Gänsehaut’ richtig zuordnete.
‚Das ist es also’, sprach das Nasentier zu sich, ‚Die entenähnlichen Bewohner von Du-Esel!-Dorf mögen keine Äpfel. Die darin enthaltenen Vitamine sind ein Greuel vor ihrem Schnabel und lieber nehmen sie die zu frühe Mauser durch Vitaminmangel in Kauf . Deshalb also die Verbotsschilder vor dem Apfelbaumgrund – zu nichts anderem als des Schutzes von den Enten für die Enten und vor den Äpfeln! Deshalb aber auch das lichte Federkleid der Enten.’
Das Nasentier kratzte sich am Kopf, als es bemerkte, das ein gelöstes Rätsel gleich und sofort und auf der Stelle ein neues aufwirft. Nämlich: Warum bei allen Göttern des Landes Irgendwo ver-abscheuen die Enten die Äpfel, wenn sie diese doch benötigen um ein schönes Federkleid zu be-sitzen. Das Nasentier beschloss nachzufragen.
„Schweig Ententier! Weshalb preisest du die Äpfel in höchsten Tönen, wenn du sie doch gar nicht für dein Federkleid benötigst – oder ist dir vielleicht die zu frühe Mauser nicht lieb?“
„Ich will es dir verschweigen, Rübennase“, sprach da das Ententier, „Aber die Mauser ist uns sehr lieb, vor allem die verfrühte, denn wir sehen gern recht hässlich aus und wollen auch überhaupt nicht fliegen. Nein! Überhaupt nicht! Ganz und gar nicht! Warum wir Äpfel deswegen so gern es-sen, dass weiß ich ganz genau.“ Ganz traurig blickte das Ententier bei seinen Worten an sich her-unter und schüttelte unwissend den Kopf.
Da wurde das Nasentier von Mitleid erfasst und es sagte dem Ententier:
„Grässliches Federvieh, hör mir nicht zu. Ich bin nicht auf dem Weg zum grauen Labyrinth der bunten Türen. Dort liegt nämlich nicht das Glück, welches bei mir kein Fell ist. Vielleicht finde ich ja auch für dich nicht das passende. Zum Beispiel keine Antwort auf die Frage, warum du so gern Äpfel ist und wie diese Sache nicht zu ändern ist. Wenn ich solcherlei nicht finde, werde ich es dir erbärmlichen Federfuchser auf dem Rückwege, den ich niemals nehmen werde, als Allerletztem sagen!“
Da hellte sich das Gesicht des Ententieres auf und auch sein Schnabel bekam etwas Röte.
„Blödsinniges Nasengeschwür, es war mir ein abgrundtiefes Missempfinden, mit dir Worte ge-wechselt zu haben. Lass dich nie wieder sehn und möge dein Vorhaben von tausend schwarzen Abgründen behindert werden!“
Damit trennten sie sich mit freundlichen Gesichtern und der gegenseitigen Gewissheit, zumindest jemand sehr Nettem begegnet zu sein. Zwar hatte das Nasentier noch immer erhebliche Proble-me, sich an die Du-Esel!-Dörfische Ausdrucksweise zu gewöhnen, auch fiel ihm die schnelle und gewandte Übersetzung von einer Sprache in die andere nicht ganz so leicht.
‚Aber was sind schon Worte’, dachte sich das Nasentier, und ihre mitunter komplizierte Überset-zung, wenn die Dinge, die sie zu beschreiben suchen, doch nett und lieb sind? Worte sind dann Worte, die man richtig verstehen muß oder so ähnlich jedenfalls.’
Damit wandte es sich weg vom Du-Esel!-Dorf und strebte dem grauen Labyrinth entgegen, von dem das Nasentier nicht viel mehr wusste, als dass es in Richtung der untergehenden Sonne lag.
Und stolperte ersteinmal und wie so oft über die eigenen Pfoten und landete mit der Nase im Dreck, da es wie immer über dem Bedenken philosophischer Gedanken die Koordination der Pfo-ten vergaß – welches sich rächt. Wieder und wieder nämlich – man ist geneigt, anzunehmen: im-merdar. Doch durch stete Wiederholung des immer Gleichen war das Nasentier an solcherlei Stürze schon mehr als gewöhnt und rappelte sich alsgleich wieder auf, um den Weg voranzuschreiten.
Spät war schon der Tag und wie weit der Weg noch war, war eben unbekannt. Aber als das Na-sentier mit den Augen blinzeln mußte, weil ihm die Sonne mitten ins Gesicht schien, da wusste es, dass es richtig war.


Nun begab es sich, als es schon ein ganzes Stückchen weit fort vom Du-Esel!-Dorf war, dass das Nasentier an einen breiten Flusslauf gelangte. Etwa sechsmal größer schien dieser als alle be-kannten Flüsse im Lande Irgendwo und das Nasentier blieb beeindruckt ob des großen Wassers stehen, an dessen gegenüberliegender Seite sich graue Ufer erhoben.
Nicht allzu sehr beeindruckt war es allerdings, als es den Blick rundum schweifen ließ und kein, aber auch gar kein Hilfsmittel sah, mit dem es dieses Wasser überwinden konnte. Kein Boot, kei-ne Fähre. Kein Floß und von einer Brücke ganz zu schweigen. Nicht einmal ein trauriges, aber genügend großes Holzstück, an das man sich zur übergroßen Not hätte klammern können, trieb auf den Wellen. Aber da die Sonne derweil schon untergegangen war und des Nasentiers Nase demnach keinen Schatten mehr werfen konnte, wusste es so und so nicht, welche Richtung über das Wasser hinweg weiterhin einzuschlagen wäre und so beschloss es, am Ufer des Flusses zu rasten und das Nachtlager aufzuschlagen.
Beides – das Rasten, wie auch das Nachtlager aufschlagen - war wie immer ohne Anstrengungen in die Tat umzusetzen. Denn die zu errichtende Lagerstatt für die Nacht bestand darin, sich einen Apfel aus dem Bündel zu holen und das Bündel alsdann sich unters Haupt zu schieben. Rasten ist für ein Nasentier – also auch für unser und das Nasentier – noch viel einfacher zu bewerkstelligen, denn dazu gehört eben nur, den Kopf auf das Bündel zu legen (den Nasentierkörper aufs Fell – so man hat), die Sterne am Himmel zu betrachten und dabei in den Apfel zu beißen (ebenfalls so man hat – aber wenigstens dieses hatte das Nasentier zu jenem Zeitpunkt).
So lag denn also das Nasentier auf dem Nachtlager und rastete und bemerkte dabei, wie sich langsam Schlaf auf die Augen senkte. Nach sehr alter Nasentiertradition, welche besagt, dass man kurz vor dem Einschlafen an das denken soll, von dem man träumen will, dachte das Nasen-tier noch schnell seine Einschlaflieblingsgedanken, um seinen Lieblingstraum hernach zu träumen. Nämlich an zwei trockene Stückchen Streuselkuchen, die so gern ein Stück Apfeltorte werden wollten und derlei bunte Bilder mehr. Und siehe: schon war das Nasentier entschwunden in das Land des Lächelns, nur dass diesmal nicht Streuselkuchen und Apfeltörtchen darinnen wohnten, sondern vielmehr zwei ausgetretene Badelatschen, die sich aufmachten ein hellblauer Turnschuh zu werden. Gerade aber als die beiden Badelatschen nach mannigfaltigen Irrungen und Wirrun-gen begannen, blaue Farbe anzunehmen und somit dem glücklichen Ende zustrebten, ward das Blau zu Schwarz und Glitzrighellgrau und außerdem begann irgendetwas, die Nase des Nasentie-res zu kitzeln. Und zwar ganz erbärmlich!
Langsam wurde der Blick der gerade erwachten oder besser aus dem Schlaf gerissenen Nasen-tieraugen deutlicher und erkannten, dass das Schwarz ein Mantel, das Glitzrige eine Ring an einer Hand, das Hellgrau ein langer Bart und lange Haare und das Kitzeln ein Grashalm in der Hand mit Ring eines alten, geheimnisvollen Mannes waren, der damit dem Nasentier an seinem Hauptorgan herumfuchtelte und der dabei vor sich hin lächelte.
(hier ist eine Stelle im Märchen, an welcher wir alsgleich in eigener Sache eine Streitschrift verfas-sen müssen. Es begibt sich nämlich gerade, als wir diese geflügelten Worte des Märchens darnie-derschreiben, dass manch spöttisch Kritisierender sich über unsere Schultern beugt, um mit hin-terhältigem Grinsen im Gesichte zu sprechen: „Mal wieder dasselbe! Kein Märchen und kein Schreiberling, der Märchen verfasst, ohne geheimnisvollen alten Mann mit grauem Bart und eben-so grauem, wallendem Haar.“ Und so weiter und so weiter...und immer dasselbe von jenen Leuten – jeder Schreiberling auf Erden wird sie und ihre Worte des Spotts kennen, welche ein Graus sind vor unserem Angesicht.
Und so wollen wir denn ihre gesprochenen Worte mit der Macht der geschriebenen Wörter aufs Fürchterlichste geißeln, die da lauten: “Möge den Spötter der böse Katarrh ereilen und seine Stimmbänder mit garstigem Krächzen schlagen! Der alte Mann bleibt – allem Spott zum Trotze, denn der alte, geheimnisvolle Mann samt wallend hellgrauem Haar und Bart ist im Reich des Mär-chens Institution!“ (...Kichern ringsum im Schreibezimmer nach jenem Einwurf wider den Spott, welches erzeugt wird gleichermaßen von uns und den Spöttern, welche uns wiederum doch so lieb sind ...))
Also da saß nun ein alter geheimnisvoller Mann mit hellgrau wallendem Bart und Haar (das Ki-chern versiege! Und zwar jetzt, sofort und auf der Stelle!!) vor dem Nasentiere und hörte gerade auf, dessen Nase zu kitzeln.
„Sieh da, eine große Nase mit einem Dingsbums hintendran.“, sprach der alte, geheimnisvolle Mann, „Ja, wer bist du denn, und woher und warum?“
„Ein Nasentier.“, antwortete das Nasentier, „Und losgelaufen bin ich aus dem Lande Irgendwo und unterwegs, um mein Fellchen zu suchen, welches mein und meiner Nase Glück, weil Un-verstopftsein ist und welches allesamt im grauen Labyrinth der bunten Türen liegt. Dieses Laby-rinth aber (das Nasentier hob wichtig die Kralle einer Pfote) liegt in irgendeiner Richtung, die Papa Stern mir wies, nachdem er sein Schätzholz befragte.“
(... sagte irgendjemand was von Stop?? Nun also ...!)
Der alte geheimnisvolle Mann kratzte sich ob der Worte des Nasentiers nachdenklich am Kopf: „Sag Nasentier oder besser noch: mache es mir mit Gesten und ohne Worte klar, so du meine Worte verstehen kannst – wie kommt es, dass ich die Laute, welche du von dir gibst nur sehr un-vollkommen verstehen kann? Sind die Laute deiner Sprache etwa ein Ausländisch, welches mir nicht verständlich ist, obwohl ich sehr viel verschiedenes Ausländisch ganz gut kenne?“
„Das liegt daran, dass die Nase im Staub lag, weil ich mein Fellchen auf der Wiese im Lande Ir-gendwo liegengelassen habe. Staub fuhr mir alsdann in die Nase, so das es krabbelte wie ein Ameisenhaufen und durch anschließendes unsachgemäßes Niesen verstopfte die Nase, auf das die Worte einen gar wunderlichen Klang erhalten. Das ist also kein Ausländisch, weil ich auslän-disch nicht verstehen und schon gar nicht reden kann. Papa Stern aber kann es und ...“, erklärte das Nasentier auf Nasentierteufel-komm-raus, wurde aber von dem alten, geheimnisvollen Mann unterbrochen.
„Hä?“ Und noch einmal: „Wie??“
„... überhaupt ...“, beendete das Nasentier seinen Monolog, erkannte es doch, dass Worte wahr-lich wenig zu nützen schienen. Statt dessen erinnerte es sich seines schauspielerischen Talentes und begann, seinen Leidensweg mit übertriebenen Gesten und ohne Worte vor dem alten, ge-heimnisvollen Mann auszubreiten.
Es zeigte auf die Haare seines Fells und rupfte der Stücken drei aus. Sagte trotz aller Selbstbe-herrschung „Autsch!“ dazu und begann mit flinken Krallen aus den drei Haaren ein imaginäres Fell zu flechten. Dann breitete es das imaginäre Fell auf den Boden und schmiss sich daneben. So anschaulich dies alles, dass die Nase nicht nur im Staub lag, sondern sich fast in den Boden bohr-te. Alsgleich tat das Nasentier, als ob es schliefe. Dabei allerdings streuselte es sich geschickt ein paar Krümel Staub in jedes Nasenloch und zwar so, dass dies der alte, geheimnisvolle Mann auf jeden Fall sehen mußte. Nach nur zwei Sekunden sprang das Nasentier wieder auf die Pfoten, würgte sich selbst am Hals bis es rot im Gesicht wurde. Umfasste sodann mit beiden Pfoten die Nase und stopfte zwei Krallen verstopfend in die Nasenlöcher. Hernach tat so, als überkäme es der gewaltige Niesreiz, sagte endlich laut: „Pffffloopppp“ und warf sich erneut rückwärts zu Boden. Dann schaute es erwartungsvoll den alten, geheimnisvollen Mann an.
„Aha!“, sagte dieser, „Du hast also dein Fellchen gebreitet, dich dann aus irgendwelchen Gründen daneben geschmissen und hast angefangen zu schlafen. Dabei rieselte Staub in die Nase und als du deshalb niesen musstest, niestest du unsachgemäß, welches, wie fast jeder weiß, zu einer verstopften Nase führt. Daher die Worte, die kein normaler alter geheimnisvoller Mann verstehen kann“
Eifrig nickte das Nasentier, hielt dann aber inne, weil ihm ganz und gar nicht recht war, das der alte, geheimnisvolle Mann nicht verstand, warum es neben dem Fellchen lag. Irgendwelche Grün-de waren dem Nasentier zu wenig, denn es wollte sich verstanden wissen. Zu tief waren die Ein-schnitte in des Nasentiers Leben eben, die zum Verlust von Fell und freier Atmung durch die Nase geführt hatten.
Es überlegte also hin und es überlegte her. Nämlich wie es denn dem alten geheimnisvollen Mann begreiflich machen könnte, dass es neben dem Fellchen die ganze Nacht über lag, weil darauf das Knuddeldingsbums schlief. Und außerdem, dass das Nasentier das Fellchen liegengelassen hatte am nächsten Tag, zum einen, weil das Knuddeldingsbums mir nichts dir nichts einfach so verschwunden war, und zum anderen, weil das Nasentier darüber so traurig war, dass es meinte, auch das Fellchen wäre ihm nun zu nichts mehr nütze.
Gedanken, an denen viel Wahres haften mag, denn das Fellchen allein nützt wohl wahrlich recht wenig, wenn niemand einen lieb hat. Aber sehr schwer ist es, solche Gedanken und vor allem ihre Folgen nur in Gesten und ohne jedes Wort auszudrücken.
Während das Nasentier noch so überlegte, fiel sein Blick auf das Glitzrige an des alten geheim-nisvollen Mannes Hand. Und siehe, das Glitzrige war ein Ring und der Ring hatte die Gestalt einer Schlange, die sich nach drei Umdrehungen um den Finger in den eigenen Schwanz biss. Augen-blicklich erinnerte sich das Nasentier an das kleine Schlängelchen, welches es sich auf dem ver-lassenen Fell gemütlich gemacht hatte und ebenfalls dabei wie ein Ring ausgeschaut hatte.
Alsgleich hatte es die zündende Idee.
Es breitete das imaginäre Fell ein zweites Mal, zeigte auf den Ring des alten, geheimnisvollen Mannes, zog ihn imaginär vom Finger und schmiss ihn auf das ebenso imaginäre wie auch zum zweiten Mal gebreitete Fell. Daraufhin wendete sich das Nasentier ab, schirmte die Augen mit ei-ner Pfote und lief los, nach allen Seiten und besonders in die irgendeine Richtung Ausschau hal-tend, wobei es mit der anderen Pfote die ausgerissenen drei Haare dem alten geheimnisvollen Manne vor die Nase hielt.
„Aha!“, sprach da der alte, geheimnisvolle Mann, „Du ließest aus irgendwelchen Gründen, die mit meinem Schlangenring zu tun haben – was ich allerdings nicht verstehe, denn der Schlangenring ziert schon immer meine Hand – dein Fellchen liegen, nachdem du dich aus irgendwelchen Grün-den vorher daneben geschmissen hast. Und nun bist du auf der Suche nach einem neuen Fell-chen, welches du vermutlich in westlicher Richtung zu finden hoffst.“
Freudig nickte das Nasentier, weil sein Vorhaben richtig aus seinen Gesten entschlüsselt wurde. Dann allerdings bemerkte es, dass es ihm nicht gelungen war, die Gründe für den Fellverlust an-schaulich zu verdeutlichen oder aber der alte geheimnisvolle Mann mit zu wenig Schläue erfüllt war, um verstehen zu können – welches im Ganzen ganz egal und dasselbe, weil das Ergebnis das Gleiche ist. Nämlich: der alte, geheimnisvolle Mann verstand das Nasentier nicht und das Na-sentier vermochte es nicht, sich verständlich auszudrücken. Die Gründe blieben irgendwelche, das Ergebnis hieß hier Missverständnis ... und das Nasentier erschlaffte ob der Nutzlosigkeit seiner Bemühungen in Resignation. ‚Wie nun weiter’, grübelte es und kam zu keinem Ergebnis ...
(An dieser Stelle mögen sich auch die Lesenden fragen: „Wie nun weiter?" Es scheint, dass das Märchen in eine aussichtslose Sackgasse geraten, aus der es keinen anderen Ausweg gibt, als mit dem sinnlosen Gekritzel aufzuhören, den Entwurf zu verwerfen und erneut und noch einmal von vorn zu beginnen.
„Hi hi ...“, grinsen wir da in uns hinein ...)
... und kam noch immer zu keinem Ergebnis, das Nasentier, denn es grübelte noch immer: ‚Wie nun weiter?’
Der alte, geheimnisvolle Mann indes betrachtete das Nasentier, wie es in Grübelei und Resignati-on erschlafft war und ein geheimnisvolles Lächeln stahl sich in seine Züge.
„Nun, es will mir scheinen,“, sagte er alsdann, „dass viel Traurigkeit sich auf deine Nase senkt, weil ich nicht verstehe, was du mir zu verstehen geben willst mit deinem Vielmaß an schauspiele-rischem Talent.“
Das Nasentier horchte auf, denn es fühlte sich in seiner Resignation verstanden und schon be-gann eben jene Resignation Ähnlichkeit mit nichtigem Spinnengeweb vor dem Niesen eines jeden Nasentieres anzunehmen. Der alte, geheimnisvolle Mann, der dieses auf der Stelle erkannte, be-schloss, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, und fuhr alsgleich in seinem Sprechen fort:
„Merke auf, du große wandelnde Nase! Denn hier naht die Lösung des Dilemmas!“ Wichtig erhob sich Glitzriges gen Himmel, denn dieses war ein erhobener Finger des alten, geheimnisvollen Mannes und zwar der mit dem Schlangenring daran.
„Wenn Gesten zur Verständigung nicht genügen, muß das gesprochene Wort hinzugezogen wer-den. Deine Worte aber ergeben in meinem Ohr unverständlichen Kauderwelsch, weil deine Nase verstopft ist. Ergo: Deine Nase muß vom Schnupfen befreit werden und schon gleicht unser Di-lemma blauem Dunst, der hoch am Himmel verweht ...“
‚So schlau bin ich auch.’, dachte sich das Nasentier und: ‚Ist das alles, was ein alter, geheimnis-voller Mann zu bieten hat? Die Märchen, welche ich in meiner Kindheit vernahm, müssen allesamt lügen!’
Der alte, geheimnisvolle Mann, der wohl keine Gedanken lesen konnte, sprach unbeeindruckt wei-ter: „Um aber nun den Schnupfen, welcher deine Nase verstopft, dem Vergessen anheim fallen zu lassen, gibt es im Lande Irgendwo ein wirksames Mittelchen. Für verstopfte Nasen nämlich, die so groß sind, dass sich ausgewachsene Rüben ob ihrer Unwichtigkeit selbst wieder im Erdboden vergraben möchten, benutzt man dort Nasenblitz und Milchflaschenputzer. Und schon ist jedwede Nase von beliebiger Größe wieder frei, wie etwa ... wie etwa ... ähem (der alte geheimnisvolle Mann suchte nach einem ansprechenden Bild) ... wie etwa ... ja – wie der Wind, der über eine Wiese im Lande Irgendwo vor sich hin bläst.“
‚Bla, bla, bla ...’ Das Nasentier winkte ab. Hier schienen keine neuen Erkenntnisse möglich zu sein. Da es aber von freundlicher Wesensart war, nahm es sein Bündelchen, schnürte es auf und zeigte dem alten geheimnisvollen Mann das Literchen Nasenblitz und den nagelneuen Milchfla-schenputzer, welches es alles beides von Papa Stern mit auf die Reise bekommen hatte. Dann machte es dem alten, geheimnisvollen Mann mit knappen und aussagekräftigen Gesten klar, dass die jetzige Benutzung von Nasenblitz und Milchflaschenputzer etwa von der Sinnvolligkeit war, als würde der alte geheimnisvolle Mann seinen Schlangenring vor die Säue werfen. Weil ohne Fell, ist nach der nächsten Nacht aller Schnupfen, den man vorher mit den letzten Reserven an Nasenblitz und Milchflaschenputzern herausgeholt hat, wieder darinnen. Und zwar so, als wäre nichts ge-schehen. – Allen Lesenden, selbst den Spöttern, ist solches klar und einleuchtend. So natürlich auch dem alten, geheimnisvollen Mann. Dies aber ist die Stelle, auf die dieser schon lange gewar-tet hatte, denn jetzt sollte sich zeigen, was wirklich in einem alten, geheimnisvollen Mann steckt:
Das Lächeln in seinem Gesicht erstarb und seine Augen umgaben sich mit mystischem Glanze. Dann sagte er:
„Ich weiß.“
Dem Nasentier blieb nicht anderes zu antworten, als: „??“
Der alte geheimnisvolle Mann aber fuhr mit einer Nebensächlichkeit in seiner Stimme fort, als wä-re alle Weisheit dieser wie auch anderer Welten nichts anderes als Fliegengesumm in seinen Oh-ren:
„Aus irgendwelchen Gründen schliefest du neben deinem Fellchen und aus den selben Gründen ließest du es liegen. Das du mir diese Gründe nicht begreiflich machen kannst und weil ich sie nicht begreife, erschlaffst du in Resignation. Ist es so?“
Das Nasentier erstarrte in Bewunderung ob der Klugheit des alten, geheimnisvollen Mannes, denn es war so. Kaum das es noch bestätigend nicken konnte.
„Weiter also. Dein Unglück besteht in deiner verstopften Nase, weil unter anderem du dich nur noch schwer verständlich machen kannst. Eine verstopfte Nase aber hast du, weil du geschlafen hast, ohne dein Fellchen unter dir gebreitet zu haben. Und eine verstopfte Nase wirst du immer haben, solange du kein neues Fellchen hast, denn dein eigenes ließest du liegen. Ergo: Dein Glück liegt im Fellchen oder dein Fellchen ist dein Glück. Du bist also unterwegs, um dein Glück oder dein Fellchen zu finden ... Pause ... – was das Selbe, weil das Gleiche ist.“
Die letzten sieben Worte konnte sich der alte geheimnisvolle Mann nun doch nicht verkneifen, denn es waren seine sieben Lieblingsworte.
‚Des Sternenpapas Worte – fast getreulich die selben und das fern von daheim!!!’ – das Nasentier war aufs Allerschwerste beeindruckt. Doch es sollte noch nicht alles sein. Das Nasentier mußte erleben, das seine Grenzen bezüglich der Beeindruckung irgendwo jenseits von ‚allerschwerst’ liegen mussten, denn der alte, geheimnisvolle Mann fuhr schlicht fort:
„Du kannst Nasenblitz und Milchflaschenputzer beruhigt jetzt und hier verwenden, denn du wirst sie danach nicht mehr brauchen ... weil, - du bist am Ziel deiner Reise.“
Das Nasentier schaute verdutzter noch als verdutzt drein und sah sich um. Es konnte kein graues Labyrinth mit bunten Türen und schon gar kein herumliegendes neues Fellchen entdecken, son-dern nur ein großes Wasser und ein jenseitiges graues Ufer und bog sich deshalb ganzkörperlich zum Fragezeichen „?“.
Der alte Mann ließ den mystischen Glanz seiner Augen verschwinden, grinste erneut und sprach:
„Vertrau mir.“
Auf der Stelle verwandelte sich das Nasentier in festes Misstrauen, konnte es doch nur glauben, was es sah, und wollte es doch nicht den letzten Nasenblitz so sinnlos verwenden, als würde es ihn vor sich in den Staub gießen.
Doch viel Weisheit war im alten geheimnisvollen Mann. Mehr, als wahrscheinlich sich zeitlebens in einem Nasentier ansammeln könnte, und so wusste der alte geheimnisvolle Mann, dass die Zeit gekommen war, einen überzeugenden Vertrauensbeweis dem Nasentiere zu geben.
Und so sprach er: „Ich sehe, du kannst mir nicht glauben, weil du nur glauben kannst, was du siehst ...“
Schon wieder sah sich das Nasentier durchschaut und sein Innerstes erkannt, als würde dieses und seine Gedanken durchsichtig sein wie Luft.
„... und deshalb will ich dir mein Wertvollstes geben, welches du behalten sollst, wenn ich nicht die Wahrheit gesprochen habe. Und dieses Wertvollste magst du eintauschen können gegen soviel Nasenblitz und Milchflaschenputzer, wie du nur willst und tragen kannst, denn sehr wertvoll ist mein Wertvollstes. Und zudem noch wichtigstes Inventar in den Besitztümern eines jeden alten, geheimnisvollen Mannes. So etwa wie bei dir das Fellchen.“
Sprachs, zog den Schlangenring vom Finger, und gab ihm dem Nasentier in die Pfote.
Das Nasentier nahm den Ring, beschaute den Ring, steckte den Ring an eine seiner Krallen, sah dem alten, geheimnisvollen Manne ins Gesicht, gewahrte keine Tücke und auch keine versteckte Hinterlist, sondern Güte und Ehrlichkeit und viel Geheimnisvolles noch dazu – und vertraute.
Sprich, es stellte sein Bündel auf den Boden, nahm Nasenblitz und Milchflaschenputzer heraus, begann mit seinem Werk - und musste erkennen, das Vertrauen im Geiste anderes ist, als dieses Vertrauen in die Tat umzusetzen.
Denn es nahm den Nasenblitz in die Pfoten und versuchte, ihn sich in die Nase zu schütten – doch siehe, die Pfoten waren zu kurz und die Nase zu groß. Das Nasentier gelangte mit der Fla-sche nicht zu den Nasenlöchern! Doch so schnell aufgeben ist nicht des Nasentiers Sache. Also warf es sich auf den Rücken und bog die Nase soweit es nur konnte. Gerade konnte das Nasen-tier den Nasenblitz so einfüllen und mußte aber alsgleich die Nase wieder gen Himmel recken, damit der Nasenblitz nicht zurücklief und auf den Boden tropfte. Dieses also gerade so geschafft und schon begann es in den Naseninnenwänden gar fürchterlich zu stechen. Nun der Milchfla-schenputzer, um durch Hin– und Herschieben die Nase frei zu bekommen. Was aber mit dem Nasenblitz noch möglich war – mit dem Milchflaschenputzer schien es unmöglich! Dieses Ding in die Nase zu bekommen, stellte sich als ein Ding der Unmöglichkeit heraus. Selbst im Lande Ir-gendwo hat man dazu seine Helfer. Und so drehte und wand sich das Nasentier vergeblich und verbog die Nase auf unglaubliche Weise – es sollte alles nichts nützen. Gerade war es dabei, den Milchflaschenputzer mit den Borsten nach aufwärts in den Boden zu rammen, um hernach die Nase über dem Milchflaschenputzer und nicht wie üblich den Milchflaschenputzer in der Nase hin und her zu schieben, da erbarmte sich der alte, geheimnisvolle Mann, der sich bald nicht mehr halten konnte vor unterdrücktem Lachen, und legte höchst selbst Hand an.
Mit beiden Händen packte er also den Milchflaschenputzer und putzte damit des Nasentiers Nase wie ein altertümliches Kanonenrohr.
Stop!
„Ach tu cheiche, tut tach weh. Ach tu cheiche ... ach tu cheiche ... Ach du ... ach du lieber Himmel – nun ist’s aber genug, denn sie ist frei!“, ließ sich das Nasentier vernehmen und dann war es ge-schafft.
„Geschafft!“, sagte es denn auch noch einmal. Aber weit gefehlt, denn dieses war erst der Anfang, wie das Nasentier eigentlich hätte wissen müssen, doch immer wieder vergaß.
„Gescha ... ha ... Haa ... HAA .. .HAA ...“ Um die Wette rennende Tausendfüßler in großer Zahl; Gewimmel von gleich zwei Ameisenhaufen; ein Gesicht, wie es ein Beutel voll von Zitronen macht; eine Nase wie eine zusammengepresste Ziehharmonika; ein alter, geheimnisvoller Mann, der sich im Hechtsprung hinter eine Bodenwelle warf und dort gekonnt abrollte:
„HHHAAAAAATTTSCHIIIII!!!!!“ Vom Rückstoß der blitzartig auseinandergezogenen Nase getrie-ben ging es drei Schritt rückwärts.
„Platsch!“ - das war der Schnupfen, der aus der Nase und zu Boden fiel.
„Puhhh!“ - das war das Nasentier, welches sich die Tränen aus den Augen wischte.
„Ächz!“ – das war der alte, geheimnisvolle Mann, der neben geheimnisvoll eben auch schon recht alt war und sich soeben mühselig aus seiner Deckung erhob.
Während er noch seine Gliedmaßen sortierte, sammelte das Nasentier schon mit beiden Pfoten Staub vom Boden auf, um alsgleich damit den Schnupfen zu bedecken.
„Was tust du da?“, fragte der alte geheimnisvolle Mann, als er näher kam. „Lass den Schnupfen doch einfach liegen. Der trocknet schon.“
Das Nasentier schaute nur kurz auf und zwar erstaunt und schüttelte ärgerlich mit dem Kopf.
„Noch nicht getrockneter Schnupfen ist schlimmer noch in seiner Wirkung als eine liegengelasse-ne Bananenschale. Böses Erwachen für jeden, der ohne zu ahnen hinein tritt, denn seine Nase wird sich in den Dreck bohren – und das mit Schwung. Weißt du das nicht?“
‚Und alte, geheimnisvolle Männer sind wohl doch nicht so allwissend, wie es die Märchen glauben machen wollen’, setzte es in Gedanken hinzu.
„Oder stell dir die Gevatterin Weinbergschnecke vor.“, sprach das Nasentier weiter, während es unverdrossen Staub auf Schnupfen häufte. „Wenn sie mal wieder, wie es ihre Art ist, vorwärts kriecht, und dabei mit den Stielaugen nach hinten guckt und schon mir nichts dir nichts im Schlad-deradatsch festsitzt. Oder ein Ententier, welches sich alle verbliebenen Federn verklebt und so nicht mehr fliegen kann. Oder ein Knuddeldingsbums, wie es ... boing .. .mitten drin landet, auf das es nach allen Seiten spritzt und es dann nicht mehr richtig hüpfen kann, weil es andauernd festklebt. Oder ein alter, geheimnisvoller Mann, der ausrutscht oder ... “
„Schon gut, schon gut.“, brummelte der alte, geheimnisvolle Mann, der vor den Worten des Na-sentieres, welche von großem Verantwortungsbewußtsein sprachen, verstummen mußte. Also sagte er sich: ‚Schweig still, alter, geheimnisvoller Mann und beginne lieber selbst mit eigener Hand Staub aufzusammeln und dem Nasentiere zu helfen, statt weiterhin unsinnige Worte zu sa-gen.’ Was er dann auch tat.
Bald schon war so das Werk getan und der alte geheimnisvolle Mann klopfte sich den verbliebe-nen Staub von den Händen – das Nasentier den seinen von den Pfoten. Dann steckte es sich den Schlangenring an der Kralle zurecht und schaute sich um. Noch immer war jedoch ringsum kein graues Labyrinth und am anderen Ende des großen Flusses nur graues Ufer zu sehen.
„Hm,“, sagte es da zum alten, geheimnisvollen Mann, „du sagtest zwar, ich sei am Ziel, aber ich sehe kein Ziel, weil hier nirgends ein graues Labyrinth sich befindet und bunte Türen auch nicht. Wo nun also?“
Der alte, geheimnisvolle Mann aber winkte gelassen ab. „Weißt du, Nasentier, eigentlich suchst du ja kein graues Labyrinth, sondern zuallererst dein Glück, welches deiner Meinung nach ein Fell-chen ist oder umgedreht oder wie auch immer und welches sich nur in so etwas wie einem grauen Labyrinth befinden soll.“
Das Nasentier horchte auf. Dieses klang nach bekannten Dingen, dies schien vertrauter Boden zu sein, denn dies hörte sich so ziemlich nach Tiefenphilosophie an. Und das Nasentier philosophier-te gern und oft und an allen möglichen und auch unangebrachten Stellen - immerzu und ununter-brochen.
„Und dein Glück kannst du überall finden.“, philosophierte der alte, geheimnisvolle Mann indessen weiter, „Wie jedes Tierchen und Dingsbums in dieser unserer Welt auch. Nur sucht es eben jeder und jedes und jede woanders oder besser in verschiedenen Dingen. Die einen suchen nach einem gewissen Stein-der-Weisen-Ding, welcher das Glück bringen soll; andere hingegen forschen son-derbarerweise gar nach einem Ei-des-Koller-um-und-rum-Buss-Tieres und du bist auf dem Weg zu einem oder dem grauen Labyrinth der bunten Türen. Da alle aber hinter den verschiedenen Dingen das gleiche zu finden hoffen, wie auch du Nasentier – nämlich Glück – und dieses überall zu finden ist, müssen auch Stein oder Ei oder Labyrinth und erst recht bunte Türen ebenfalls ü-berall zu finden und zu sehen sein. Q.E.D.“
„Das Schätzholz aber sprach nicht von Stein-der-Weisen-Ding oder Ei-des-Koller-um-und-rum-Buss-Tieres, sondern nur von Labyrinth.“, warf das Nasentier seinen Beitrag zum Disput ein. „Se-hen kann ich von all den Dingen trotzdem nichts und was q.e.d. bedeutet, weiß ich auch nicht.“
Der alte, geheimnisvolle Mann zuckte verächtlich mit den Schultern.
„Schätzhölzer sind fehlbar und zwar im Sinne der Vollständigkeit und auch so recht oft.“, sagte er schlicht.
‚Oh, wenn das Papa Stern hören würde ...’, dachte sich das Nasentier dazu und sah vor seinem inneren Augen dunkle Wolken des Streits heraufziehen.
„Und sehen kannst du nicht, weil du bisher nicht gelernt hast, die Dinge auch mal anders zu se-hen, als du sie bisher gesehen hast. So!“
Hier allerdings fragte sich das Nasentier besorgt, wie das denn auch funktionieren soll: etwas zu sehen, was man nicht sehen kann, weil man es nicht gelernt hat zu sehen und deshalb nicht sieht und immer so weiter im Kreise herum bis einem schwindlig wird. Hilflos kratzte es sich am Kopf. Ehe es sich aber ob der Unlösbarkeit des Gedankenknäuels mit beiden Pfoten und allen Krallen ins Haupthaar fahren konnte, auf das dieses alsgleich wirr nach allen Richtungen abstehen sollte, beschloss der alte, geheimnisvolle Mann, dem Nasentier hilfreich unter die Pfoten zu greifen.
„Und was q.e.d. bedeutet, ist erst mal egal, weil es Wichtigeres gibt. Zum Beispiel, wie man ein blind herum tappendes Nasentier sehend macht. Und das geht so: Wenn der herkömmliche Verstand versagt und bestehende Dunkelheiten nicht zu erhellen vermag, nehme man, wie in Märchen üblich, märchenhafte Dinge, gemengt mit viel Zauber und Magie, in Anspruch.“
Das Nasentier schaute alles andere als verständig drein.
„Nun stell dich nicht so an, Nasentier.“, sagte dazu der alte, geheimnisvolle Mann mit einem Anflug von Ungeduld, „Was denkst du, ist der Schlangenring an deiner Kralle? Na? Ein? Ein? ... ?“
„ ... Zauberring?“, mutmaßte das Nasentier.
„Richtig!“, antwortete der alte, geheimnisvolle Mann, „Dreh ihn also dreimal um deine Kralle und du wirst sehen, was du zu erblicken trachtest.“
„Wieso gerade dreimal?“ Schon wieder begann das Nasentier zu zweifeln und brachte damit den alten, geheimnisvollen Mann langsam, aber recht sicher, zur Verzweiflung. Die Hände schlug die-ser über dem Kopf zusammen und stöhnte ob der Begriffsstutzigkeit des Nasentieres laut auf. Doch noch wollte er nicht aufgeben.
„Im Märchen ist die Zahl Drei eine ganz besondere Zahl.“, sagte er, „Denn viel magischer Zauber haftet an ihr.“
„???“
„Oh Nasentier, Nasentier!“ Der alte geheimnisvolle Mann raufte sich Haupt – und Barthaar. „Es ist doch so einfach! Also: Wie viele Wünsche hat man in jedem Märchen?“
„Etwa ... ähem ... drei??“, versuchte sich das Nasentier und fühlte sich sehr unsicher, weil unwis-send.
„So und nicht anders ist es! Und weiter: Aller guten Dinge sind?“
„Äh ... drei?“, warf das Nasentier gestärkt durch vorherigen Erfolg mit weniger Zögern ein.
„Richtig! Wie lautet also die magische Zauberzahl?“
„Drei!“
„Jau! Über wieviel Brücken musst du gehen?“
„Drei!!“
„Falsch – sieben.“
„???“
„Es gibt, wie du siehst, immer eine Ausnahme. Und nun dreh den Ring und zwar dreimal, Himmel-herrgottsakrament!“
Das Nasentier wagte keinen weiteren Widerstand und Einwand und fügte sich in das, was es noch immer nicht so richtig verstand. Aber es dachte sich, dass das Schlimmste, was geschehen konn-te, wenn es dem Willen des alten, geheimnisvollen Mannes willfährig war, gar nichts wäre. Und so begann es, den Schlangenring an seiner Kralle zu drehen.
Die erste Umdrehung – und es geschah nichts ... oder besser fast nichts, denn irgendetwas ge-schah schon. Nur wusste das Nasentier nicht, was.
Die zweite Umdrehung – und es geschah schon etwas mehr als fast nichts.
Die dritte Umdrehung – und das Nasentier sagte: „Aua!“, denn es hatte sich soeben die Nase an etwas Hartem gestoßen. Verblüfft trat es einen Schritt zurück und erkannte eine große schwarze Tür, an der links und rechts lange graue Mauern verliefen, soweit das Auge blickte.
Auf der großen schwarzen Tür aber stand in Buchstaben des Landes Irgendwo: ...
Ehe jedoch des Nasentiers Augen lesen konnten, schaute das Nasentier woanders hin.

„Na also! Es geht doch.“ Das sagte der alte, geheimnisvolle Mann.
‚Am Ziel! Am Ziel! Am Ziel!’ Das dachte das Nasentier und viel Freude erfüllte sein Herz. Mit Stau-nen schaute es auf den Schlangenring an seiner Kralle, dann zur schwarzen Tür, dann wieder zurück zum Schlangenring.
„Wie funktioniert dieses ... äh ... Ding?“, fragte es und Erstaunen rundete seine Augen zu Kreisen, zu Untertassen und schließlich zu Wagenrädern.
Der alte geheimnisvolle Mann grinste sich eins und klopfte dem Nasentier beruhigend auf die Schultern. „Wie es die Dinge tut, ist doch egal. Aber ich kann dir sagen, was es für Dinge tut.“
„Was für welche?“
„Nun, wenn du den Schlangenring an deiner Kralle trägst und ihn dort dreimal drehst, zeigt er dir dein Glück – und zwar so, wie es dein inneres Auge sieht und deine eigentlichen Augen es nicht sehen können, weil du es nicht gelernt hast.“
„So ist das! So ist das! Aha, aha.“, sagte das Nasentier und kratzte sich am Kopf. Dann zog es behutsam den Ring von der Kralle, betrachtete ihn voller Erfurcht und reichte ihn dem alten, ge-heimnisvollen Mann.
„Alter, geheimnisvoller Mann! Du hast wohl die Wahrheit gesprochen vorhin, als es um Nasenblitz und Milchflaschenputzer ging. Ich bin wirklich am Ziel und brauche wohl deshalb deinen Ring nicht mehr, um ihn gegen nasenbefreiende Dinge einzutauschen ...“.
Das Nasentier unterbrach sich und schaute in tiefsten Gedanken versunken vor sich hin. Das Grinsen des alten, geheimnisvollen Mannes wurde wohlwollend und immer wohlwollender dabei.
„ ... aber sag mir: Wie lernt man zu sehen, was das innere Auge sieht?“
Der alte, geheimnisvolle Mann schaute wissend drein. „Willst du denn lernen?“
„Ja.“
„Nun, wenn du denn willst, dann ist es recht einfach,“, sagte da der alte geheimnisvolle Mann, „du musst dazu nur hie und da am Schlangenring dreimal drehen, welcher dir dann zeigt, was dein inneres Auge als dein Glück sieht und dieses solange tun, bis sich deine richtigen Augen daran gewöhnt haben und sie es auch ohne Schlangenring schaffen zu sehen. Mehr nicht.“
„Aber dazu brauche ich doch ... ich muß doch aber ... ich wollte schon, wenn ich könnte ... kann ich denn aber, da doch ...?“ – Das Nasentier wurde von Moral und Begehren hin– und hergerissen – der alte, geheimnisvolle Mann sah es wohl.
„Du kannst ihn behalten für die Zeit des Lernens.“, sagte er.
Da freute sich das Nasentier sehr; wunderte sich gleichzeitig erneut, wie der alte, geheimnisvolle Mann so stets und ständig seine Gedanken zu erraten schien; und sprach seine letzten morali-schen Bedenken aus: „Aber dann hast du doch keinen Schlangenring mehr!“
Da aber lachte der alte, geheimnisvolle Mann laut und lauter und drehte sich dabei in Kreisen, die wie Spiralen anmuteten und begann alsgleich zu reimen vor Vergnügen:

„Ob sie nun lachen oder weinen,
denkend sie drehen sich in Kreisen,
doch Schlangenringe gibt es nicht nur einen,
wie mancher sagt und manche meinen.
Nein, nicht und nimmer es so sei!
Wie auch der Kreis wohl eh’r Spirale ist,
sind’s zwei, vielleicht auch drei.
Doch heut ist dies noch einerlei.“

Der Künstler im alten, geheimnisvollen Manne! Das Nasentier war aufs Neue schwer beeindruckt vom alten, geheimnisvollen Mann und zwar von dessen Versen und dann gleich noch einmal. Nämlich als es an des alten, geheimnisvollen Mannes Finger erneut und neues Glitzriges erblick-te. Ein weiterer Schlangenring – da waren es also schon zwei. Der alte, geheimnisvolle Mann sprach wahr. Selbst in Reimen!
„Du siehst also, Nasentier, ich habe trotzdem einen Schlangenring, auch wenn du einen hast. Nimm ihn also und lerne! Wenn du meinst, genug gelernt zu haben, dann lege den Ring Irgendwo hin und ich werde ihn finden.“
‚Irgendwo? Aha, er meint zuhause’, dachte sich das Nasentier, das ja aus dem Lande Irgendwo stammte und war stolz darauf, nun auch einmal den alten, geheimnisvollen Mann durchschaut zu haben.
... Das sollte sich rächen.
„Nun denn, Nasentier!“, sprach der, „mach du dich also auf durchs Labyrinth, wie du wohl vor hast und ich werde meiner Wege ziehen.“ Dann nahm er sein Bündel auf, welches recht schwer zu sein schien und gewahrte den Blick des Nasentieres, der auf das Bündel gerichtet war.
„Wein.“, sagte der alte, geheimnisvolle Mann darauf und wie es schien, ziemlich zusammen-hangslos.
„Was hast du da in deinem Bündel, das es so schwer aussieht?“, fragte das Nasentier und schrecklich zumute war ihm im selben Augenblick. Denn das Nasentier erkannte, dass es so dermaßen durchschaut war, dass es die Antwort eher bekam, als es die dazu gehörige Frage stellen konnte.
„Wein ist ein Getränk und gehört zu den Wohltaten der Götter. Ein alter, geheimnisvoller Mann, der genug davon trinkt, hat keine bösen Träume. So schläft er sorgenfrei wie das gemeine Was-serschwein.“, sprach der alte, geheimnisvolle Mann unberührt von des Nasentiers Schrecknissen weiter.
„Was ist das – Wein?“, stellte das Nasentier die erneut verspätete Frage und gab gleich danach auf und beschloss, nicht mehr zu sprechen. Ohne Wirkung bezüglich des Durchschauens aller-dings, denn der alte geheimnisvolle Mann antwortete auch auf gedachte Fragen:
„Na sicher doch! Bei einem Nasentier wirkt der Wein genauso und genauso sicher kannst du ei-nen kleinen Tontopf voll abbekommen.“
Das Nasentier beschloss, auch das Denken zu beenden.
Es nahm den kleinen Tontopf voll Wein, den ihm der alte, geheimnisvolle Mann reichte und ver-staute ihn zu den Äpfeln in sein Bündel. Welches er sich auf den Rücken warf und alsdann auf das graue Labyrinth zulief.
„Eines noch, Nasentier, bevor du hinein gehst.“, rief der alte, geheimnisvolle Mann ihm hinterher. Das Nasentier drehte sich um und sah den alten, geheimnisvollen Mann sehr ernst dastehen.
„Du wirst im Labyrinth viele bunte Türen finden, so wie sie dein inneres Auge sieht. Die Türen werden sicher alle offen sein. Hüte dich aber, eine Tür, welche du durchschritten hast, noch ein-mal rückwärts zu durchschreiten! Hüte dich! Vor allem vor den bunten Türen, die eigentlich nicht bunt sind, da sie nicht mit Farbe, sondern Schwarz oder Weiß angemalt sind.“
Das Nasentier nickte ernsthaft, gedachte es doch, einen ernsthaften Rat ernsthaft zu berücksich-tigen und das voller Ernst und ohne Flachs und Krümel.
Da grinste der alte, geheimnisvolle Mann, wie er immer grinste und hob fröhlich die Hand zum Abschied. Auch das Nasentier winkte und schon wollte der alte, geheimnisvolle Mann verschwin-den. Ein paar Reime erschütterten noch die Luft, bis auch die langsam verhallen sollten:

„Schlangenringe windend,
verbindend und dreifach verdreht.
Schimmernd am Nasentihiere,
flimmernd an meiner eigenen Hand.
Des Schäfers Wolle und der Brille Schärfe, -
unverstopft die Nase, wenn beides sich fand“

Das Nasentier versuchte erst gar nicht, Sinn in jenem ungereimten Zeug zu finden, sondern rief statt dessen dem alten, geheimnisvollen Mann hinterher: „Dank dir, alter, geheimnisvoller Mann. Dankeschön für Rat und Ring und Wein!“
Dann drehte es sich um und stand vor der großen schwarzen Tür. Hinter ihm begann gerade der neue Tag und die Sonne ging im Rücken des Nasentieres auf, so das seine Nase einen großen Schatten nach vorn warf und die irgendeine Richtung aufs Genaueste anzeigte. Auf der großen schwarzen Tür aber stand in den Buchstaben des Landes Irgendwo:

DAS NEUE BEGINNEN

‚Nun denn!’, dachte sich das Nasentier, ‚Beginnen wir.’ Und ging durch die Tür. Schlagartig blieb nicht etwa alles gleich, sondern wurde ganz und gar anders. Nämlich die große schwarze Tür ging geräuschlos zu und verdeckte so die Sonne völlig. Die Nase warf keinerlei Schatten mehr und vor sich sah das Nasentier viele verschiedene Wege, die in verschiedene Richtungen gingen und allesamt von grauen Mauern umgeben waren. Keine Ahnung hatte das Nasentier ohne seine Schattennase, wohin es sich nun wenden sollte. Welcher Weg der rechte wäre und wo das Glück in Form eines neuen Fellchens wohl liegen könnte. Ohne groß zu überlegen wendete es sich deshalb um, um dem alten, geheimnisvollen Mann hinterher zu laufen und ihn dazu zu befragen. Vielleicht wusste ja er, der so viel zu wissen schien, was das Nasentier nicht wusste. So des Na-sentiers Gedanken und schon hatte es die große schwarze Tür wieder erreicht und geöffnet.
Doch da geschah Schreckliches! Eisiger Hauch schlug dem Nasentier entgegen, so das es wie angewurzelt stehen blieb und die Nase von einer Gänsehaut überzogen wurde. Mit genauso eisi-gem Fauchen fuhr eine kalt glänzende Sense im selben Augenblick durch die Luft - genau an der Schwelle der Tür, auf der das Nasentier stand und mähte dort die Gräser nieder. Nur einen Schritt weiter und die Sense hätte keine Gräser, sondern Nasentierpfoten gesenst!
„Keinen Schritt weiter!!!“, ertönte eine schreckliche Stimme und das Nasentier sah erschrocken auf.
Und da war er wieder – der alte, geheimnisvolle Mann. Doch wie hatte er sich verändert! Gar nicht vorteilhaft – überhaupt nicht! Ganz knochig war er geworden! Der schwarze Mantel schlotterte an den Gliedern, als umschlösse er ein Gerippe und die Hände die aus den Ärmeln schauten, waren dürr und lang. Aus leeren Augenhöhlen schaute er aufs Nasentier. In den Händen aber hielt der alte geheimnisvolle Mann die Sense und schon wieder fauchte die nur um ein Winziges am Na-sentier vorbei.
„Keinen Schritt weiter!!!“ Wieder die schreckliche Stimme. Doch sie hätte nicht erklingen müssen – das Nasentier stand wie von Bindemittel übergossen und hatte ganz fürchterlich Angst.
„Ich wollte doch nur ... ich wollte ...“, stammelte es.
„Schweig!!!“, donnerte der alte geheimnisvolle Mann. Und: „Dummkopf!!!“ Und: „Hat dir die Sonne das Hirn zu Brei erweicht und hast du deinen Kopf nur, um die Nase herumzuschleppen?!!! Was bei allen möglichen Göttern sagte ich dir eben erst??!“
Trotz Bindemittel und viel Zittern und Zagen – diese Worte klangen dem Nasentier gar nicht lieb-lich in den Ohren.
Und schließlich und in der normalen alter-geheimnisvoller-Mann-Stimme fuhr der fort: „Nun gut! Zwar gibt’s eigentlich nur der Dinge drei von mir – und die bekamst du, nämlich Rat und Ring und Wein – doch geben wir heut mal eine Zugabe. Aber nur, weil du gerade noch so auf der Schwelle verharrtest. Das gilt also noch nicht. Einen Schritt weiter aber und es wäre um dich geschehen gewesen!“
Um seine Worte nochmals zu unterstreichen, das Nasentier vor sich selbst zu schützen und auch selbst nicht die Dinge tun zu müssen, die ein alter, geheimnisvoller Mann in solchen Situationen eben tun müsste, brüllte der alte, geheimnisvolle Mann noch einmal mit schrecklicher Stimme: „Also: Keinen Schritt weiter!!!“
Dann holte er Luft, dass die Knochen im Umhang klapperten und murmelte dabei unablässig vor sich hin, während er sich vor lauter Aufregung mit den dürren Fingern durchs schüttere Haar fuhr. Dem Nasentier war es so, als würde der alte, geheimnisvolle Mann sagen: „Gut, gut! Auf der Schwelle ist nicht über die Schwelle. Das geht gerade noch so. Gerade noch so ... Das gilt nicht ... das gilt nicht ...“
Dann pustete der alte, geheimnisvolle Mann die Luft wieder aus, dass die Knochen im Umhang klapperten und gab dem Nasentier Antwort auf die Frage, die dieses vor lauter Zittern und Zagen nicht stellen konnte.
„Welchen Weg du gehen sollst, kann ich dir auch nicht sagen. Ich weiß es nicht. Nur du ... ir-gendwie. Auch ist es nicht so, das man einen Weg gehen kann und dann, wenn man meint, he-rausgefunden zu haben, wie es funktioniert, noch mal von vorn zu beginnen. Überall werden die ersten und letzten Türen eines Weges schwarz oder weiß sein. Überall zwischen schwarz und weiß werden andere bunte Türen den Weg säumen. Sie einmal zu durchschreiten liegt im Wesen des Vorwärtsgehens. So ist das Leben. Sie aber rückwärts zu durchschreiten wird wohl etwas mit Leid und Unglück zu tun haben. Immer mehr, je weiter rückwärts. Bis am Ende die Sense hinter einer schwarzen oder weißen Tür wartet. Auch so scheint das Leben zu sein. Verstehst du?“
Das Nasentier erwachte aus der Erstarrung, denn es wurde etwas gefragt. Und wenn man etwas gefragt wird, kann alles gar so schlimm nicht mehr sein. So dachte das Nasentier und so tat es.
„Du meinst also,“, antwortete das Nasentier, „ich kann nur herausfinden, ob ein Weg richtig ist, indem ich ihn gehe?“
Der alte, geheimnisvolle Mann nickte, dass die Knochen im Umhang klapperten. Bestärkt durch das Nicken fuhr das Nasentier fort:
„Du meinst also weiter, dass ich wohl nie vorher wissen kann, ob der Weg, den ich einschlage, am Ende der Richtige war, weil ich die anderen möglichen nicht kennenlernen werde?“
Nicken und Knochen-im-Umhang-Klappern.
„Das bedeutet, dass ich immer unvorbereitet sein werde und deshalb mich nicht weiter mit Vorbe-reiten aufhalten sollte, sondern jetzt loslaufen und zwar vorwärts? All das, weil auf diese Art und Weise irgendwie jeder Weg der Richtige irgendwie ist? So also ist das Leben?“
Der alte, geheimnisvolle Mann kicherte wie in seiner anderen Gestalt, nur das dabei die Knochen im Umhang jetzt dazu klapperten.
„Nasentier, du wolltest lernen?“
Nicken beim Nasentier, welches in geschlossenen Räumen wohl die Blätter der Topfpflanzen sanft bewegt hätte.
„Nasentier – du lernst schnell.“
Pause.
„Und nun geh.“
Das Nasentier ging und die große schwarze Tür ging zu.
Das Nasentier machte: „Puuuhhh, noch mal gutgegangen ...“ und wendete sich ein letztes mal um zur großen schwarzen Tür. Auf der großen schwarzen Tür von der Seite des Labyrinthes her gesehen aber stand in Buchstaben des Landes Irgendwo:

DER TOD

Dann ging das Nasentier los. Und es nahm irgendeinen Weg, denn irgendein Weg ist so gut wie jeder andere.
Vor dem Labyrinth aber stand der Tod, der auch der alte, geheimnisvolle Mann war und umge-kehrt und manches mehr noch dazu und stützte sich auf seine Sense. Während er gerade wieder in die Gestalt des alten geheimnisvollen Mannes zurück transformierte, ohne das die Knochen im Umhang klapperten, machte er: „Puuuhhh, noch mal gutgegangen ...“. Denn der Tod kennt doch eigentlich nur Schwarz und Weiß in der Welt des Nasentiers und kein Wenn, Aber und Erbarmen. ‚Aber es stand ja noch auf der Schwelle ... und das gilt nicht’, sagte sich der alte geheimnisvolle Mann immer wieder, wie zur Selbstberuhigung.
(... und da er damit aller Wahrscheinlichkeit nach für den Rest des Märchens genug zu tun haben wird, entschwindet er nun aus der Geschichte, um ebenfalls sehr wahrscheinlich nicht mehr wie-derzukehren. Aber wer weiß das schon so genau? ...)

Das Nasentier aber und also ging nun los in irgendeine Richtung und mitten in das graue Laby-rinth hinein. Gewählt hatte es einen Weg, der aussah wie alle anderen möglichen und links und rechts von hohen grauen Wänden begrenzt war. Und auch darin unterschied sich dieser Weg nicht wesentlich von allen anderen möglichen Wegen. Nun ja ... .
Ohne noch zu zögern lief unser Nasentier, sein Bündel auf dem Rücken, und war ganz in Gedan-ken versunken.
‚Schraaappp’ – das waren des Nasentiers Krallen, die gedankenverloren an der einen grauen Wand rechts von ihm entlangschrappten, so wie man es in anderen als des Nasentiers Welten beim Laufen mit den Fingern am oder im Maschendraht oftmals beliebt zu tun.
‚Schraaappp ... Schraaappp ... Schraaappp ...’
‚Bing ... Bing ... Bing ...’ – das war der Schlangenring an des Nasentiers einer Kralle, mit dem es genauso gedankenverloren an eben diese Wand in Abständen bingte.
‚Bing ... Bing ... Bing...’
‚Klopf ... Klopf ... Klopf ...’ – „Horch!“, sprach das Nasentier, hob eine Kralle in die Höhe und blieb überrascht stehen. Denn das Klopfen kam nicht von ihm, sondern von der anderen Seite der grauen Wand. Eine geraume Weile, die eigentlich recht kurz war, stand es so und wartete auf die Dinge, die geschehen sollten. Aber es geschahen keine. Gerade als es sich in der Frage Einbil-dung oder Realität für eine Sinnestäuschung entschieden hatte, machte es erneut:
‚Klopf? ... Klopf?’ – um zu fragen und was in der Klopf-und-Bing-Zeichensprache etwa bedeutet: „War das ‚Bing’ eine Sinnestäuschung oder hat da wirklich was gebingt?
‚Bing!’, antwortete das Nasentier, welches in der Translation bedeutet: „Dieses ‚Bing’ ist Realität, um die du dich, wer immer du auch sein magst, nicht drücken kannst und also keinerlei Täu-schung!“
‚Bing? ... Bing?... Bing?…’ (Wer bist du und wohin gehst du und überhaupt?)
‚Klopf! ... Klopf? ... Klopf? ...’ – kam die Antwort von der anderen Seite (Keine Ahnung, was du mir sagen willst, aber wer bist du und woher kommst du?).
‚Bing ...’ (Aha...)
‘Klopf … Klopf …’ (das dachte ich mir ...)
‚bbing ...’ (ähm ... mmh ...jaja ... Schulterzucken und Ähnliches)
Pause ...
... Warten
Immer noch!
‚Bing? ... Bing? ...’ (Bist du noch da?)
Pause ... Warten ... noch immer ...
‚Bing!!! ...’ (He, du kannst dich doch nicht einfach so verkrümeln, ohne Tschüß zu sagen!)
Pause.
‚Schraaappp!’ (Dann eben nicht! So!)
‚Klopf ... Klopf ... Klopf ... Klopf ... usw. ...’ (Hallo! Nicht weggehen. Bin nur gerade hingefallen und habe mir mein Dings verstaucht ...)
‚Bing ... Bing ...’ (Also, was ich dir noch sagen wollte ...)
‚Klopf ... Klopf ... Klopf ...’ (ich gehe schon mal weiter ...)
‚Bing?! ... Biiiiiiinnnnng ...’ (Hä?! Warte ich komme mit ...)
‚Klopf? ...’ (Hallo? ...)
‚Biiiiiiiiiinnnng ...’ – das Nasentier bremste, als es bemerkte, dass es übers Ziel hinausgeschossen war.
‚Biiiiiiiiinnng ...’
‚Klopf ... Klopf ... Klopf? ...’ (Wollen wir uns mal treffen irgendwo?...)
‚Bing ... Bing ... Bing ...’ (Schokolade esse ich ganz gerne, ja ...)
‚Klopf ...’ (Na dann, los ...)
‚Bing ... Bing ... BING ...’ (Ich habe eine große Nase ...)
‚Klopf ... Klopf! ...’ (du redest zuviel ... Komm schon!)
‚Biiiinng? ...’ (Was rennst du nur andauernd so? ...)
‚Bing ...’ (Also ...)
Gerade wollte das Nasentier mit Bingmorsezeichen erklären, dass zuviel Schokolade dick macht, aber das ganz und gar nichts mit einer großen Nase zu tun hat, da verschwand die Kralle mit dem Schlangenring dran beim Versuch, ein nächstes ‚Bing’ zu machen, einfach in der Wand.
Dann traf sie auf etwas Weiches.
Dann ertönte empörtes Schnattern und dann verspürte das Nasentier zu guter Letzt, wie ihm et-was auf die Kralle schlug.
„Aua!“, sagte das Nasentier, dann bemerkte es, dass die Kralle nicht in der Wand verschwand, sondern die Wand einfach zu Ende war, weil zwei verschiedene Wege des Labyrinths sich hier zu einem vereinigten.
Des weiteren entpuppte sich das Weiche nicht als eine irgendwie verweichlichte Wand, sondern als ein Entilein, welches das Nasentier unabsichtlich, wenn auch recht unsittlich, berührt hatte. Dieses Entilein stieß darauf nun jenes empörte Schnattern aus, erlitt eine kurze Schreckmauser, auf das die Federn flogen, und machte mit dem Schnabel statt ‚Klopf ...’ an die Wand ‚Klopf!!!’ auf des Nasentiers Kralle.
Zuerst wurde das Nasentier rot über die ganze Nase, dann sagte es: „Ähem ... äh ...“, denn es war ihm doch sehr peinlich. Als das empörte Schnattern daraufhin sich zu einem Schnattern wan-delte, wie es jedes normale Entilein eben so schnattert, da verbannte das Nasentier die Röte von der Nase und fasste sich ein Herz.
„Ja wer bist du denn?“, fragte es.
„Nicht das Entilein.“, sagte das Entilein und verzog den Schnabel zum Grinsen. „Und du? Ich will gar nicht wissen, was du für ein übles Nasengewächs bist!“ Das Grinsen wurde fast kreisförmig.
‚Das kenne ich doch’, dachte sich das Nasentier bei diesen Worten samt dazu gehöriger Mimik und drechselte alsgleich an einer passende Antwort und übersetzte diese mit diesem Ergebnis: „Nicht aha oder ich verstehe keinen Ton. Du bist also nicht das Entilein und kommst sicherlich auch nicht aus Du-Esel!-Dorf.“
„Genau so ist es nicht.“, antwortete das Entilein und nickte.
„Schlecht, schlecht – ich bin nicht das Nasentier.“
„Überhaupt nicht aha.“
„Ich bin sehr munter.“, flocht das Nasentier das Gespräch weiter, „Und will mich jetzt kein biss-chen ausruhen. Ruhst du dich vielleicht nicht ein bisschen mit aus? Ach, und da habe ich noch ein paar keine Äpfel in nicht meinen Bündel. Ich esse jetzt keinen. Du willst bestimmt auch einen, stimmts nicht?“
„Da hast du unrecht blödes Nasenteil.“, antwortete das Entilein, „Einen Apfel will ich auch und zwar jetzt und immer wieder. Aber Ausruhen tue ich sehr ungern und schon gar nicht jetzt und mit dir. Bin nämlich auch sehr munter.“
Und so setzten sich Entilein und Nasentier und rasteten. Das Nasentier aß einen Apfel. Das Enti-lein aß keinen, schnatterte aber vergnügt vor sich hin. Und so unterhielten sie sich sehr viel und ganz doll. Dann aber geschah, was so sehr oft geschieht und zwar mit dem Nasentier, wenn es sich zu lange sehr anstrengen muß. Denn des Nasentiers Gehirn ist - wie man wissen muß - ein recht wundersam Konstrukt. Strengt sich das Nasentier nämlich über längere Zeit mit Denken zu sehr an, überhitzten sich die grauen Windungen und das Gehirn wird weich dabei wie Brei. Ist es erst soweit gekommen – und das weiß jedes normale Nasentier – beginnt es Unsinn zu reden und schwafelt dummes Zeug, das andere verwirrt.
Das Nasentier wusste und handelte!
Das Nasentier wusste, dass die Überhitzung daher stammte, dass es andauernd des Entileins Worte vom Kopf auf die Füße stellen mußte, um sie zu verstehen. Die seinen aber umgekehrt von den Füßen auf den Kopf, damit das Entilein verstand.
Das Nasentier handelte, indem es alsgleich aufhörte, sich zu unterhalten, als seltsame Hitzewel-len sich zwischen Nase und Hinterkopf bemerkbar machten. Statt dessen begann es, so schnell es eben konnte, in Kreisen um das Entilein herumzurennen. Dieses nun wieder, um mit dem da-bei entwickelten Fahrtwind das Gehirn zu kühlen. Dem Entilein allerdings wollte es scheinen, dass das Nasentier dem Wahnwitz anheim gefallen sei und so fragte es mit aufgerissenen Augen: „Oh Nasenbeule – was ist dir nicht??“
Das Nasentier, welches gerade die Graue-Windungen-Normaltemperatur erreicht hatte ließ sich ganz außer Puste neben dem Entilein zu Boden fallen. Eine kurze Weile rang es noch nach Luft, ehe es antworten konnte.
„Die Birne wollte weich werden.“
„Wenn die Birne weich wird, wieso rennst du dann nicht herum?“ Das Entilein war erstaunt ob so-viel unlogischen Zeugs, denn auch es wusste sehr wohl, das man herumrennen muß, um Fahrt-wind zu erzeugen, um ein überhitztes Gehirn zu kühlen. Und das Nasentier war ohne jeden Zwei-fel herumgerannt – das hatte das Entilein ja gesehen – und sagte trotzdem, jedenfalls in Du-Esel!-Dörfisch, das die Birne im Normalzustand wäre. Wundersam, wundersam ... jedenfalls fürs Entilein.
Das Nasentier, um neuerliche Überhitzung zu vermeiden vermied das Antworten und die Diskus-sion, nahm das tausendfach verwickelte Missverständnis in Kauf, winkte ab und sagte: „Wollen wir sitzen bleiben jetzt und nicht weitergehen, denn kurz ist noch der Weg und jung noch der Tag?“
„Nein.“
Also erhoben sie sich und schulterten ihre Bündel. Denn – na sicher doch! – hatte auch das Enti-lein ein Bündel, weil jeder sein Bündel zu tragen hat. Nur war des Entileins Bündel recht groß und schien dabei recht leicht zu wiegen. Das Nasentier sah noch, wie das Entilein die bei der Schreckmauser abgefallenen Federn in seinem Bündel verstaute und überlegte kurz, ob denn in dem Bündel noch mehr von dem Federzeugs wäre. Aber es fragte nicht weiter nach dem Inhalt, denn es wollte nicht übersetzen und sich der Überhitzungsgefahr aussetzen.
So gingen die beiden also zusammen weiter auf dem einen Weg, der vormals zwei verschiedene Wege gewesen war, weiter und voran. Die Sonne beschrieb ihren großen Bogen über dem Laby-rinth, leuchtete schon am Ende der irgendeinen Richtung ganz am Rand und wollte gerade hinter den grauen Mauern untergehen, da gelangten Entilein und Nasentier an eine große blaue Tür. Auf der großen blauen Tür aber stand in den Buchstaben des Landes Irgendwo geschrieben:

DER BLAUE TRAUM / DER WEG IN DIE ZUKUNFT

‚Nun denn’, sagte sich das Nasentier, ‚Hindurch! Denn diese Tür scheint die rechte zu sein.’. Und hatte schon die Klinke in der Pfote. Da aber ertönte aufgeregtes Geschnatter. Ruckartig wandte sich das Nasentier um und erblickte ein Entilein, das wild gestikulierte auf das die Federn stoben und mit entsetzensgeweiteten Augen auf die blaue Tür starrte.
„Ja da hindurch! Ja, ja auf jeden Fall! Immer! Immer!! Immer!!!“
Das Nasentier sagte: „?“ und noch mal: „??“ und ein letztes mal: „???“ und verstand noch immer nicht. Bis ihm auf einmal die blitzartige Erleuchtung kam:
Was ist, wenn das Entilein nicht nur in Du-Esel!-Dörfisch spricht und hört, sondern auch liest? Das Nasentier nahm all seine Schlauheit zusammen, raffte sämtliche Klugheit zum Haufen und versuchte die Schrift an der blauen Tür mit des Entileins Augen zu lesen. Und siehe: Langsam wandelten sich die Buchstaben und so der Sinn der Worte an der blauen Tür und das Nasentier las:

DER BLAUE ALBTRAUM / DER WEG IN DEN NIEDERGANG

Dann verfiel es in tiefes Nachdenken. Dann schaute es auf das Entilein, das da stand und schon viele Schreckmausern erlebt haben mußte, denn manch kahle Stelle wies das Federkleid auf. Das da stand, voller Angst die blaue Tür anstarrte und dabei weitere Federn verlor. Dann verfiel das Nasentier wieder in tiefes Nachdenken. Dann sah es, wie das Entilein die eben ausgefallenen Federn aufhob und im Bündel verstaute.
Dann hub das Nasentier mit Sprechen an.
„Widriges Entilein! Ich habe keine Bitte an dich und möchte hinterher dir keine ein zwei drei Fra-gen stellen. Darf ich nicht?“
„Nein!“
„Schlecht! Also hör nicht zu! Ich würde jetzt ungern in meiner Sprache reden. Und kannst du bitte nicht in meiner Sprache zuhören und auch reden? Denn wenn ich jetzt weiter nicht in Du-Esel!-Dörfisch rede, wird sich mein Hirn nicht wieder überhitzen und zu Brei erweichen. Kannst du es mir zu liebe ... äh ... ich meine mir zum schlechten nicht versuchen?“
„Ich kann es nicht versuchen.“, antwortete das Entilein und nickte.
„Gut.“
Das Entilein bekam Zornesfalten, als es als Erwiderung zischte: „Wieso sagst du gut, wenn ich es nicht versuchen will??!!“
Das Nasentier machte statt einer Antwort mit den Pfoten eine Geste, die besagte, dass das Enti-lein die gehörten Worte vom Kopf auf die Füße stellen sollte.
Das Entilein begriff und sagte: „Nicht aha ... ähhh ... aha!“ Kurz danach: „Nun, dann frage, wenn du möchtest.“
„Dann sag Entilein: Warum bist du hier und wie bist du bis hierher gekommen?“
„Ich bin hier, um mein Unglück ... ähem ... Glück zu finden. Und wie ich bis hierher gekommen bin, ist ganz einfach: Ein alter, geheimnisvoller Mann schob mich rückwärts durch eine weiße Tür, auf deren Rückseite in großen Buchstaben ‚UNSCHULD’ stand. Was auf der Eingangsseite stand, konnte ich nicht lesen, weil ich ja mit dem Rücken zuerst durch bin. Der alte geheimnisvolle Mann sagte noch, ich sollte einen Weg im Labyrinth vorwärts gehen, bis ich fände, wonach ich suche. Also hab ich mich dann rumgedreht und bin losgelaufen“
„Der Tod.“, sagte das Nasentier und starrte vor sich hin.
„Was?“
„Auf der anderen Seite der weißen Tür steht geschrieben ‚DER TOD’“, sagte das Nasentier und schaute heimlich, ob das Entilein etwa einen Schlangenring am Entenfuß hätte. Es hatte keinen. Dann stellte das Nasentier seine nächste Frage:
„Sag Entilein: Bist du schon an vielen Türen vorbeigekommen?“
Das Entilein schaute auf. Der Schnabel begann zu zittern. Der Schnabel bog sich ganz traurig nach unten. Dann auf einmal begann das Entilein ganz bitterlich zu weinen:
„Ja ... schnief .... viele ... schluchz ... alle blau ... schnief und schluchz ... dahinter dachte ich, fin-de ich nun endlich etwas, was mich liee...schluchz und schnief ... aber es wurde immer schlimmer und trauriger und immer wenn ich zurück wollte, war die Tür verschwunden und ich konnte nur vorwärts gehen ... vielmal schnief ... und nach jeder blauen Tür fielen mir noch mehr Federn aus und immer schrecklichere Albträume habe ich ... vielmal schluchz ... und ich finde nicht mehr her-aus aus dem Labyrinth ... vielmal schluchz und schnief ... und will doch nur etwas finden das mich liii ... schluchz ... keiner ... schnief ... hat mich ... schluchz ... schnief ... schluchz ... liieee ...“
„Lieb.“, sprach das Nasentier aus, was das Entilein nicht aussprechen konnte.
„Woher weißt du das, Nasentier?“, fragte das Entilein und Erstaunen trocknete seine Tränen.
‚Ja woher wohl?’, dachte sich das Nasentier, ‚weil ich das kenne, diesen Ausspruch – vom Knud-deldingsbums etwa.’ Und dann einen Lichtaufgehsekundenbruchteilmoment später: ‚Der alte, ge-heimnisvolle Mann! – Macht er es etwa genau so? Sind meine Gedanken und Wünsche für ihn erkennbar wie die Nase am Nasentier, weil er die Dinge, welche in meinen Windungen und Wor-ten herumgeistern, schon erlebt hat und deshalb kennt?’
Doch hinfort mit den Gedanken über wieso und warum und statt dessen zum Entilein:
„Wissen? Woher? – Egal! Aber ich habe eine Idee, Entilein.“ Denn das Nasentier hatte wirklich eine, wenn es an den Inhalt seines Bündels dachte und an manches mehr.
„???“
„Also hör zu, Entilein“
„!“ – der Schnabel ging ernsthaft auf und nieder.
„Wollen wir zusammen weitergehen und das Labyrinth überwinden?“
„!!“ – sachter Wind kam auf.
„Und dabei die Albträume mindern, bis sie sich auflösen in blauem Dunst, der verfliegt hoch oben am Himmel über dem Labyrinth?“
„!!!“ – wie eine angeschlagene Maultrommel rotierte der Entileinschnabel.
„Dann lass uns zusammen durch diese blaue Tür hier gehen.“
„Nein, niemals nicht!“
Das Nasentier kratzte sich wissend am Kopf:
„Mmhh, ich glaube, es wird nichts passieren. Du musst nur die Worte an der blauen Tür hier nicht in Du-Esel!-Dörfisch, sondern so lesen wie du jetzt sprichst – dann kann, glaub ich, nichts passie-ren. Vertrau mir!“
Das Entilein verhärtete sich auf der Stelle in festes Misstrauen und setzte sich da, wo es stand, hin, um sich überhaupt nicht mehr zu bewegen. Doch darauf hatte das Nasentier nur gewartet.
Schon band es sein Bündel auf und kramte darinnen umher, denn vom alten, geheimnisvollen Mann hatte es gelernt: Jetzt war die Zeit für einen Vertrauensbeweis gekommen!
Schon hatte es im Bündel gefunden, wonach es suchte und schon fuchtelte das Nasentier mit dem kleinen Tontopf voll Weines vor des Entileins Schnabel umher.
„Sieh Entilein.“, sprach es dazu, „Dieses ist Wein. Und diesen Wein schenkte mir der alte, ge-heimnisvolle Mann. Und dieser Wein, so sprach der alte, geheimnisvolle Mann, ist eine Wohltat der Götter. Denn wenn ein Entilein genug davon trinkt, hat es keine bösen Träume und schläft fein, wie ein gemeines Wasserschwein. Dieses hier aber ist genug und ich will den Wein dir schenken. Du kannst also, selbst wenn das mit dem Lesen nicht so klappt, wie ich glaube, hinter der blauen Tür flugs den Wein trinken und hast trotzdem keine Albträume.“
Es klappte – das mit dem Vertrauen jedenfalls. Denn das Entilein schaute hin, überlegte her und erkannte kein Falsch in des Nasentiers Gesicht und Worten.
„Nun denn!“, sprach es, warf sich sein Bündel auf den Rücken und nahm den Tontopf unter einen Flügel. Dann nahm das Entilein all seine Schlauheit zusammen, raffte alle Klugheit zum Haufen und versuchte die Worte auf der blauen Tür mit des Nasentiers Augen zu lesen. Und siehe: es gelang!
„Ich lese seltsame Worte.“, sagte das Entilein, „Ich lese Traum statt Albtraum; Zukunft statt Nie-dergang.“
„Vorwärts!“; sagte das Nasentier und stieß die blaue Tür weit auf.
Und sie gingen über die Schwelle und die blaue Tür ging hinter ihnen zu.

Schlagartig wurde nicht etwa alles anders, sondern im Gegenteil: alles blieb wie es war. Fürs Na-sentier jedenfalls. Denn fürs Entilein veränderte sich manches. Nicht nur, daß es durch eine blaue Tür gegangen war, durch die es nie wieder gehen wollte. Nein, die Tür verschwand auch nicht wie sonst. Sie blieb wo sie war! Auch fiel keine Feder aus dem Federkleid wie sonst immer und mach-te es noch lichter und so begann das Entilein vor sich hin zu grinsen. Schnell schaute es noch einmal unter den Flügel, ob der Wein für die Nacht noch da wäre. Dann nickte es dem Nasentier zu und beide gingen vorwärts und ihrem Glück, so wie sie meinten, entgegen.
Und sie gingen nicht mehr lange, da wandelte sich das Licht in Zwielicht und dunkel wurde es ringsumher im Labyrinth.
„Zeit zu rasten und das Nachtlager aufzuschlagen.“, sagte das Entilein und das Nasentier nickte dazu. Also warf das Entilein sein Bündel zu Boden und stellte den Tontopf voll Weines daneben. Das Nasentier tat es dem Entilein gleich und dann bekam es ein Problem. Nämlich während es sein Bündel aufschnürte, um einen Apfel herauszunehmen wurden ihm schmerzlich mehrere Din-ge auf einmal bewusst. Zum Ersten hatte es kein Fellchen, um sich darauf in der Nacht zu betten. Das bedeutete, es würde ganz sicherlich Staub in die Nase rieseln und Schnupfen hineinfahren. Das wiederum ergab fast zwangsläufig eine verstopfte Nase. Diese ganz zum Schluss ist aber des Nasentiers Unglück. Zum Zweiten hatte das Nasentier auf Anraten des alten, geheimnisvollen Mannes sämtliche Vorräte an Nasenblitz und Milchflaschenputzern erschöpft. Das bedeutete, wenn Schnupfen und Staub in die Nase kommen und diese daraufhin verstopft, gibt es keine Chance, die Nase wieder frei zu bekommen. Dieses bedeutet ganz zum Schluss, dass das Un-glück nicht mehr zu wenden ist. Zum dritten – das Nasentier schaute sich um und rum – war weit und breit kein herumliegendes Fellchen zu sehen. Das bedeutete nun wirklich ganz zum Schluss, dass das Nasentier des anderen Morgens unglücklich erwachen würde, das Unglück nicht mehr zu wenden vermochte und außerdem noch unglücklich bleiben würde.
Das Nasentier grübelte und dachte über die schier ausweglose Situation nach. Ohne Ergebnis! Und gerade wollte es in Resignation erschlaffen, da blitzte etwas in sein Auge und das Nasentier erkannte mit einem mal: da blitzte die Rettung, denn da an der Kralle befand sich des alten, ge-heimnisvollen Mannes Schlangenring.
Dreimal an der Kralle drehen und der Schlangenring zeigt den richtigen Augen das Glück, wie es das innere Auge sieht – so erinnerte sich das Nasentier an die Funktionsweise des Ringes. ‚Also,’, schlussfolgerte das Nasentier messerscharf, ‚muß ich nur dreimal drehen und der Ring zeigt mir ein Fellchen, was irgendwo hier herumliegen muß und welches meine Augen nicht sehen, mein inneres Auge jedoch sehr wohl.’
Gedacht und getan!
Das Nasentier drehte einmal und es geschah nichts, oder besser fast nichts. Das zweite mal ge-dreht und es geschah schon etwas mehr als fast nichts. Das dritte mal gedreht und es passierte – überhaupt nichts!
Das Nasentier konnte sich drehen und wenden – es erblickte kein Fellchen. Was es erblickte war ein Entilein, welches neben seinem Bündel auf dem Boden saß und den Tontopf voll Weines be-trachtete. Das Entilein aber saß auch schon vor dem Ringdrehen da, wo und wie es jetzt saß.
‚Das Entilein ist doch kein Fellchen.’, dachte das Nasentier, ‚Oder soll ich es etwa zu einem Fell-chen breitschlagen? Auswalzen? Langziehen?’
‚Nein, das kann es irgendwie alles nicht sein.’, dachte das Nasentier weiter, ‚Mein inneres Auge muß mit Blindheit geschlagen sein oder es sieht wirklich, wo mein Glück liegt – nämlich nirgend-wo.’
Dachte es und erschlaffte in Resignation.
Dieses allerdings erkannte das Entilein sofort und auf der Stelle, war das Nasentier bis jetzt doch vollkommen anders und nun auf einmal ganz schlaff. Und schon kam es schnatternd zum Nasen-tier gelaufen.
„Oh Nasentier!“, sprach es, „Was ist dir?“
„Das Unglück wird mich ereilen, Entilein!“, antwortete dieses betrübt, „So wie der Staub und der Schnupfen in dieser Nacht meine Nase.“
Auf einmal begann des Nasentiers Nase zu zittern und im nächsten Moment fing es auch schon an ganz bitterlich zu weinen:
„Ooohhh ... schluchz ... bin ich unglücklich ... schnief ... und niemals wieder ... schluchz und schnief ... werde ich ... vielmal schluchz und schnief ... glücklich seeeeiiiiin ...“
Das Entilein wurde von viel Mitleid erfasst und legte beruhigend dem Nasentier einen Flügel um die Nase.
„Wie das? Wie das?“, fragte es dazu das Nasentier. Und: „Ist ja gut. Ist ja gut.“
Und all das so lange, bis das Nasentier sich soweit beruhigte, dass es wieder sprechen konnte. Zwar wurde dieses noch von manchem Schluchzen und Schniefen geschüttelt, aber es begann trotzdem, dem Entilein von seinem Leid mit dem Fellchen samt allen damit zusammenhängenden Folgen für Nase und Nasentierwohlergehen zu erzählen.
Während das Nasentier also so berichtete, fing das Entilein auf einmal an zu grinsen. Und das immer breiter, bis der Schnabel fast abfallen wollte. Als das Nasentier nun mit seiner Geschichte zu Ende war, da lachte es endlich ganz laut und sprach zu Nasentiere:
„Nasentier hör zu und trockne deine Tränchen! Denn hier naht die Lösung des Problems.“
Das Nasentier verstand nicht und sah auch genau so aus.
„Nun denn.“, sprach das Entilein weiter und schnürte sein Bündel auf. Darinnen war alles voll Fe-dern, die das Entilein in mancher Schreck– und anderer Mauser verloren hatte und die es sorg-sam allesamt immer aufgesammelt hatte.
Das Nasentier verstand noch immer nichts und machte: „?“.
„Verstehst du nicht?“
„Nein!“ und weiterhin: „?“.
„Na, dann will ich es dir erklären.“, sagte das Entilein und schüttete die Federn zu Boden.
„Dieses hier ist so was wie ein Fell – nur in Einzelteilen.“, sagte das Entilein und zeigte auf den Haufen Federn, „Wir müssen sie nur irgendwie zusammen machen. Verstehst du jetzt?“
„Du meinst ...?“
„Genau das!“
Und kurze Zeit später sah man ein Entilein und ein Nasentier, wie sie aus vielen einzelnen Federn ein Fellchen knüpften, knoteten, flochten. Und nach einer weiteren kurzen Zeit war das Fellchen fertig. Glücklich saßen Nasentier und Entilein dann nach vollendeter Arbeit auf dem neuen Fell-chen aus Federn und wollten sich gerade ihre Bündel unter den Kopf schieben zum Schlafen, da begann das Entilein schon wieder zu grinsen.
„Nasentier?“
„Ja, Entilein?“
„Ich habe noch eine Idee.“
„Welche?“
„Nun, hier ist noch der Tontopf voll Wein, den du mir gegeben hast. Wollen wir den jetzt vorm Schlafengehen noch zusammen trinken?“
Mit einem Ruck war das Nasentier wieder oben.
„Aber das geht doch nicht, Entilein. Wenn das mit der Tür vorhin doch nicht geklappt hat, dann musst du wieder Albträume träumen und dann brauchst du ganz sicherlich allen Wein des Tontop-fes.“.
„Ah, ich glaube nicht.“, antwortete da das Entilein, „Ich glaube, du hast vorhin recht gehabt, als du geglaubt hast, es kommen in dieser Nacht keine bösen Träume. Ich glaube es funktioniert, wenn auch anders als du glaubst.“
„Wie das? Wie das?“ – das Nasentier war aufs höchlichste erstaunt. Aber das Entilein wollte nicht erklären und sagte statt dessen: „Erzähl ich dir morgen, wenn’s geklappt hat.“
Das Nasentier gab sich damit zufrieden – weil es wohl mußte und was sollte es auch sonst tun. Und so entstöpselten sie den Tontopf voll Weines und reichten ihn hin und her bis er alle war.
Was nicht lange dauerte, denn der Tontopf war ein sehr kleiner Tontopf. Doch sowie Entilein und Nasentier den Wein tranken, wurden sie sehr, sehr müde. Und zwar sehr viel schneller als sonst. Der Schnabel wurde magisch vom Erdboden angezogen, die Nase auch und beiden vielen die Augen zu. Und schon lagen sie da auf dem Fellchen voll Federn. Das Nasentier konnte gerade noch so die Nase ordentlich auf dem Fellchen zurechtlegen, damit keinerlei Staub den Weg ins Nasenloch finden konnte und auch ein kleinwinzig bisschen um das Entilein herumbiegen. Nach uralter Nasentiertradition aber noch an das zu denken, wovon es nach dem Einschlafen träumen wollte – dazu reichte es nicht mehr. Der letzte Gedanke, den das Nasentier dachte, bevor die Lich-ter im Kopf ausgingen, war: ‚Er hat die Wahrheit gesprochen ... der Schlangenring zeigt wirklich ... rrrhhh ...’
Dann war es auch schon eingeschlafen und träumte gar nichts. Neben ihm, umrandet von der Nase, schlief zufrieden das Entilein und reckte dabei den Schnabel in die Höhe.

„Schnatterschnatterschnatter ... usw. ...“ – Das Nasentier fuhr hoch und aus dem Schlaf. Und er-blickte ein Entilein, welches lustig herumflatterte und im Entileingesicht eine Entileingrinsen, so als wolle der Schnabel gleich zweimal abfallen.
„Es hat geklappt! Es hat geklappt! Es hat geklappt!“, schnatterte es immer wieder.
„Was hat geklappt, Entilein?“, fragte das Nasentier noch recht schläfrig.
„Das mit dem Schlafen ohne Albtraum und noch manches mehr.“, schnatterte das Entilein die Ant-wort.
„Oh!“ – das Nasentier war auf einmal hellwach und freute sich mit dem Entilein. Dann stand es endgültig auf und putzte sich die Nase, so wie es jedes ordentliche Nasentier jeden Morgen eben tut. Dabei bemerkte es, dass die Nase innendrin frei von Schnupfen und Staub war. Keinerlei Niesreiz krabbelte an den Naseninnenwänden. Keinerlei Schnupfen wirkte verstopfend. Das neue Fellchen hatte funktioniert! Da freute sich das Nasentier noch viel mehr, weil es sich nicht nur mit dem Entilein freute, sondern auch für sich und seine Nase noch dazu.
‚Das Glück hat mich wieder.’, dachte es, ‚Und das Entilein auch. Oder beides und umgedreht.’
Alsdann waren sie beide vergnügt und räumten das Nachtlager zusammen. Das Nasentier rollte das Federfell zusammen und das Entilein verstaute dieses in seinem Bündel. Aus dem seinigen Bündel holte das Nasentier einen Apfel, machte Frühstück und erntete dafür vom Entilein ein herzhaftes: „Igittigittigitt ...“. Und schon bald warfen sich beide ihr Bündel auf den Rücken und marschierten weiter im grauen Labyrinth umher, auf der Suche nach dem Glück und weiteren bun-ten Türen.
Ganz ausgeruht fühlte sich das Nasentier vom vielen Rasten auf dem Nachtlager und vergnügt war es außerdem noch und die Birne fühlte sich demzufolge alles andere als weich an.
Ganz im Sinne von gerechter Lastenverteilung und erfüllt vom guten Gerechtigkeitssinne, so wie ihn die Ellis in frühen Nasentierkinderzeiten lehrten, sprach es denn auch bald zum Entilein: „Enti-lein! Die Birne ist nicht weich und es schwappt auch nicht im Gehirnkasten rum wie Pudding, son-dern alles ist so, wie es besser nicht sein kann. Deshalb kann ich mich jetzt wieder ein bisschen anstrengen – mit Hin – und Herübersetzung vom und ins Du-Esel!-Dörfische etwa. Und du kannst dich ein wenig ausruhen und in deiner normalen Sprache reden.“
Das Entilein grinste zwar seit dem Aufstehen mehr oder minder dauernd vor sich hin, jetzt aber erschien erneut das Schnabelabfallgrinsen auf dem Gesicht.
„Das ist es, Nasentier! Das ist es!“
„Was ist was?“
„Nun, es ist das, was ich dir gestern Abend nicht erklären wollte. Nämlich das, was funktioniert, aber anders als du glaubst.“
„???“
„Also – das mit dem andersrum lesen hat geklappt. Das mit der blauen Tür hat geklappt Das mit dem Träumen hat geklappt und zwar – Wein oder nicht Wein – so gut, dass ich soviel grinse, wie in vieler Zeit vorher nicht zusammen. Und dieses liegt, glaube ich, nicht an Lesen und Wein allein – sondern – ich bin fast sicher – am Reden!“
„Horch! Horch!“, das Nasentier horchte auf und war verblüfft
Das Entilein drehte sich vergnügt im Kreis und sprach alsgleich weiter: „Seit ich nämlich in deiner Sprache spreche, die alles rumdreht oder wohl besser auf die Füße stellt – was übrigends so schwer nicht ist, sondern nur ungewohnt – ist nämlich noch ganz anderes geschehen. Sie doch!“ Und das Entilein wies mit den Flügeln stolz auf manche kahle Stelle in ihrem Federkleid.
Das Nasentier schaute ganz genau hin und sieh da: es erkannte. Überall auf den kahlen Mauser-stellen bildeten sich neue Federn. Als sanfter Flaum zwar nur zu erkennen, doch unverkennbar neu und Kahlstellen bedeckend. Sofort dachte das Nasentier an drei Dinge gleichzeitig: Erstens – das Reden macht’s also. Einfach nur genau so reden wie die Dinge sind ... so einfach soll es sein? Zweitens – das Ententier aus Du-Esel!-Dorf. Drittens – Äpfel.
Dann sprach es zum Entilein: „Gut, gut, reden wir also weiter in der Sprache des Landes Irgend-wo. Dich also freut es, wenn sich die kahlen Stellen bedecken?“
„!!!“ – heftiges Entileinnicken und auf und nieder rotierender Schnabel.
„Dann, oh Entilein horch auf, denn hier naht die Lösung für noch schnelleren und besseren Fe-derwuchs!“
Noch ehe sich’s das Entilein versah, hatte das Nasentier sein Bündel aufgeschnürt und im nächs-ten Augenblick lief es vor dem Entilein wie ein wissender Dozent oder dozierend Wissender auf und ab – dabei den Apfel in der Pfote wichtig hochhebend. Und es argumentierte, dass die Schwarte krachte, es philosophierte, bis die Balken sich bogen, es redete, bis die Zunge ausfrans-te und wie ein Buch. Über den Vitamingehalt des Apfels, über die Wichtigkeit der Vitamine für den Federwuchs, über die Notwendigkeit des Apfelessens für ein jeglich Entilein und auch sonstig an-deres Getier.
Das Entilein hörte aufmerksam zu, dann weniger aufmerksam, dann gar nicht mehr, weil sich sei-ne Gedanken begannen zu verwirren. Dann endlich, als der Wörterschwall noch immer nicht en-den wollte und es überhaupt nicht mehr aufnehmen konnte, was das Nasentier eigentlich sprach, sagte es: „Du redest zuviel!“.
Das Nasentier hielt abrupt inne, weil es auf der Stelle bemerkte, dass es über das Ziel hinaus ge-schossen war und das Entilein wohl recht hatte. Noch aber hoffte es – denn die Eitelkeit ist kei-nem Nasentier fremd, so auch nicht dem Nasentier – dass das Entilein vielleicht in Du-Esel!-Dörfisch gesprochen hätte und fragte: „Sprichst du jetzt vielleicht in Du-Esel!-Dörfisch?“
Die Hoffnung trog.
„Nein!“ Dazu verneinendes Kopfschütteln beim Entilein.
Da wurde das Nasentier kleinlaut und wollte soeben ebenso kleinlaut den Apfel zurück ins Bündel tun. Da aber hielt etwas seine Pfote auf und dieses Etwas war eine Entileinflügel.
„Probieren kann ich es ja mal.“, sagte das Entilein und da wusste das Nasentier, dass seine An-strengungen zwar wie so oft viel zu viel des Guten waren, aber nicht gänzlich umsonst.
Nach all diesen hier beschriebenen Dingen, die nach dem Aufstehen geschahen, machten sich Entilein und Nasentier aber nun endlich richtig weiter auf den Weg immer im grauen Labyrinth herum und auf der Suche nach dem Glück und weiteren bunten Türen.
Und sie gingen und gingen. Und die Wege gabelten sich vielmal, vereinigten sich manchmal mit anderen. Um immer ging es um neue Kurven herum. Und im grauen Labyrinth wies keine Schat-tennase die irgendeine Richtung. Und oft glaubten Entilein und Nasentier, dass sie im Kreise gin-gen. Und zum Schluss, nach langem Gehen, hatten sie endgültig die Orientierung verloren und blieben ratlos stehen. Bunte Türen aber waren weit und breit nicht in Sicht. Da war es schon Nachmittag und die Nasentierpfoten und die Entileinfüße ziemlich schwer und müde.
Also setzten sie sich hin und rasteten und wussten nicht weiter.
„Mäkel, mäkel.“, machte das Entilein und knabberte missvergnügt am Apfel.
„Was machen wir nun?“, fragte das Nasentier.
„Ich weiß nicht.“, antwortete das Entilein und machte: „Mäkel, mäkel.“ Und warf den angeknabber-ten Apfel weg.
Das Nasentier aber betrachtete das Entilein und vor allem dessen Flügel, wo sich die kahlen Stel-len schon merklich gemindert hatten.
Dann hatte es eine Idee und sagte: „Ich habe eine Idee.“
Das Entilein überlegte, wie es denn wohl den Apfelgeschmack aus dem Schnabel kriegen könnte und antwortete missvergnügt: „Nadabinichjamalgespannt.“
„Wie wäre es,“, fuhr das Nasentier fort, „wenn du hochfliegst über die grauen Mauern und von dort nach dem Weg schaust?“
Das Entilein sah auf, überlegte und schüttelte dann den Kopf. „Zu wenig Federn noch am Flügel. Das mit dem Abheben wird nicht klappen.“
„Und wenn ich dich hochwerfe?“
„Und wenn ich mich in der Luft nicht halten kann und abstürze und mir den Schnabel breche?“, kam die Gegenfrage.
„Und wenn wir das Federfell unten ausbreiten, damit du weich landest, wenn du abstürzt?“, kam die Gegenfrage der Gegenfrage.
„Mmhh“, machte das Entilein und dann: „Mmhh“ und dann: „Nein, nein und nochmals ... ja, wir können es ja mal versuchen.“
Gesagt, getan!
Das Entilein hob den Flügel, um den Wind zu prüfen und legte dann das Federfell so aus, dass die aerodynamischen Abdriftsegeldinge berücksichtigt waren.
Das Nasentier hob alsdann das Entilein auf und warf es mit aller Kraft der schwachen Pfoten nach oben. Wild schlug das Entilein mit den Flügeln, gewann auch wirklich Höhe, erreichte die Ober-grenze der grauen Mauern, fiel mit einem mal aber ab, breitete die Flügel zum Segelflug abwärts, berührte mit den Füßen den Boden, begann so schnell zu rennen wie es konnte, bremste und stand schließlich unversehrt wieder vor dem Nasentier.
„Es fehlt nicht viel.“, sagte es dann, „zwei drei große, ausgewachsene Federn vielleicht. Aber ich kann es nicht schaffen.“
Das Nasentier war ratlos. Nun aber betrachtete das Entilein das Nasentier und vor allem dessen große Nase. Dann hatte es eine Idee und sagte: „Ich habe eine Idee.“
„Welche?“, fragte das Nasentier.
„Nun, wie wäre es, wenn du mit deiner Nase versuchst, eine Tür zu erschnüffeln?“
„Ich kann doch keinen Farbton erschnüffeln!“
„Mmhh“, sagte das Entilein und überlegte weiter. Dann, ganz plötzlich begann es wieder zu grin-sen, wie etwa am Morgen beim Aufstehen. Es hatte noch eine Idee und sagte: „Ich habe noch eine Idee.“
Das Nasentier horchte auf und das Entilein flüsterte ihm etwas ins Ohr. Erst schaute das Nasen-tier ganz ungläubig, dann kratzte es sich am Kopf, dann schüttelte es den Kopf und sagte: „Ich trau mich nicht.“
„Feigling“, bemerkte dazu das Entilein.
Das aber sagt man einem Nasentier nicht zweimal, denn es stachelt seinen Stolz an und so traute es sich doch.
Gesagt (wenn auch von den Lesenden nicht gehört...), getan!
Das Entilein riss sich eine ganz kleine Feder aus und das Nasentier formte seinen Körper zum Halbkreis, so das die Nase gänzlich nach unten gerichtet war. Dann begann das Entilein mit der Feder die Nase des Nasentiers aufs Erbärmlichste zu kitzeln. Mit aller Kraft der schwachen Pfoten hielt sich das Nasentier die Nase zu und das Entilein kitzelte und kitzelte jämmerlichst und aufs Widerwärtigste weiter.
Das Kribbeln von zwei Ameisenhaufen. Das Krabbeln von zweimal einer Vielzahl um die Wette laufender Tausendfüssler. Dann ließ das Nasentier die Nase los.
„Ha ... HA. .. HHHAAA ... HHHAAA ... Hhhhhhaaaaaatttschiiiiieeee ...“
Die wie eine Ziehharmonika zusammengefaltete Nase faltete sich explosionsartig auseinander. Der Rückstoß des Niesens und der Ziehharmonika war durch die Nase geschickt auf den Boden gerichtet und ergab so einen gewaltigen Impuls und das Nasentier schoss wie eine Rakete gen Himmel. Erst weit über den grauen Mauern war der Scheitelpunkt der Flugbahn erreicht. Einige Sekunden hielten sich Auf– und Abwärtstrend an der höchsten Stelle der Flugamplitude die Waa-ge.
Dann allerdings ging es abwärts!
Unten hastete das Entilein wie angestochen mit gen Himmel gerichteten Blick und dem Federfell in den Flügeln hin und her, denn es trachtete danach das Federfell genau auf die Stelle zu werfen, wo das Nasentier herunter kommen mußte. Dabei rannte es mit dem Schnabel gegen eine grüne Tür, die auf einmal da war, wo vorher nur graue Mauer war. Doch mit solcherlei Nichtigkeiten konnte sich das Entilein jetzt nicht abgeben oder aufhalten – denn jetzt kam das Nasentier!
„aaaaaaaaahhhhhhhhhh!!!!!!!“ und: „PLATSCHBUMMKRACH!!!“
Nach allen Seiten stoben die Federn, als das Nasentier mitten im Federfell landete. Dann stand es hustend und Federn ausspuckend auf und betrachtete seine Glieder und Nase. Alles schien heil-geblieben – den Göttern und dem Entilein sei Dank. Dieses nämlich stand völlig erschöpft vom Hin - und Herrennen vorm Nasentier und keuchte was das Zeug hielt und die Lunge hergab.
Alles schien heilgeblieben, doch alles schien umsonst, denn dem Nasentier war auf seinem Flug soviel Fahrtwind ins Gesicht gefahren, dass seine Augen vor lauter Fahrtwindtränen nichts als einen grauen Schleier aus der Höhe erblicken konnten.
So zuckte es ratlos mit den Schultern, während das Entilein mit ermatteter Flügelgeste seitwärts wies. Da erkannte auch das Nasentier – die grüne Tür, die auf einmal da war, wo sonst nur graue Mauern sich befanden – und es beschloss, gar nicht erst zu beginnen, sich zu wundern. ‚Graue Labyrinthe sind ein geheimnisvoll Ding’, dachte es, ‚Und unergründlich in ihrer Undurchschaubar-keit. Es macht also keinen Sinn, zu rätseln, denn des Rätsels Lösung liegt wohl weit jenseits aller Nasentierdinge.’
(Dies übrigens auch ein guter Grund, warum Labyrinthe der verschiedensten Art bei Märchen schreibenden Schreiberlingen so beliebt sind, so dass sie in jedem dritten Märchen auftauchen – sie sind immer rätselhaft, geheimnisvoll und ziemlich unergründlich noch dazu und vermögen so jedweder Handlung, die sich aus sachlogischen Gründen festfressen will, durch geheimnisvolle Dinge eine überraschende Wendung zu geben! ... nur der alte, geheimnisvolle Mann ist noch bes-ser und so kommt er auch in fast jedem Märchen vor ...)
Da also war sie – die den ganzen Tag über gesuchte bunte Tür. Und die bunte Tür war grün. Auf der grünen Tür aber stand in großen Buchstaben des Landes Irgendwo geschrieben:

HOFFNUNG

Das Nasentier kratzte sich an der Nase und schaute zum Entilein.
„Sag Entilein, was kannst du auf der grünen Tür lesen?“, fragte es.
Das Entilein kniff die Augen zusammen, um besser zu erkennen und strengte sich beim Lesen ganz sehr doll an. Nämlich um mit des Nasentiers Augen zu lesen.
„Ha ... Hi ... Ho ... Hoffnung.“, sagte es dann mit manchem Stottern.
‚Das ist es!’, dachte das Nasentier.
„Vorwärts!“, sagte das Nasentier und stieß die grüne Tür weit auf.
Zusammen gingen Nasentier und Entilein durch die grüne Tür und hielten sich dabei an Pfote und Flügel. Und hinter ihnen ging die grüne Tür zu und verschwand nicht.
Auf einmal wurde nicht etwa alles anders, sondern alles blieb vielmehr so wie es war. Bis auf ei-nes jedenfalls. Entilein und Nasentier fanden hinter der grünen Tür nicht etwa wieder und wie so oft im grauen Labyrinth viele verschiedene Wege in noch verschiedene Richtungen vor, welche die Fähigkeit des Entscheidens aufs Äußerste strapazierte. Nein und Nicht! Sondern und stattdes-sen fanden sie sich in einem geschlossenen Geviert wieder, an dessen gegenüberliegendem En-de sich eine gelbe Tür befand.
„Also das ist ein Zeugs mit dem Labyrinth!“, sagte das Nasentier, als es die gelbe Tür erblickte und das Entilein nickte dazu.
„Erst rennt man den ganzen Tag herum und muß suchen und dabei Nase und Schnabel riskieren und dann mir nichts dir nichts brauch man auf einmal gar nicht mehr zu suchen und alles liegt vor Nase und Schnabel und geht ganz von alleine.“
„So ist das Leben.“, antwortete dazu das Entilein altklug, „Wenn’s denn kommt, kommt’s dicke.“
Das Nasentier nickte dazu.
Da nun vorerst keine weiteren Anstrengungen nötig zu sein schienen, um im grauen Labyrinth vorwärts zu kommen, beschlossen Entilein und Nasentier, dass erstens die gelbe Tür ihnen nicht davon laufen würde, auch wenn sie sie nicht gleich und auf der Stelle durchschritten und zweitens, wenn dem also so ist, man auch erst mal rasten könnte. Was sie denn auch auf der Stelle und sofort taten.
Das Nasentier schnürte also sein Bündel auf und holte einen Apfel heraus. Das Entilein schnürte sein Bündel auf und wollte das Federfell herausholen. Doch das Federfell war nicht im Bündel!
‚Ach so, drüben vergessen.’, dachte es sich und stand auf, es zu holen.
„Ich geh mal schnell das Federfell holen.“, sagte es und ging los. Das Nasentier nickte beiläufig dazu, denn es war gerade mit seinem Apfel beschäftigt. Dann machte das Entilein die grüne Tür ein zweites mal auf, um hindurch zu gehen und das Federfell zu holen. Und auf einmal erkannte das Nasentier, was vor sich ging!
Mehrere Gedanken gingen ihm, schneller als ein Blitz, auf einmal durch den Kopf. Etwa: ‚... der alte, geheimnisvolle Mann ... Hüte dich davor, die bunten Türen ein zweites mal rückwärts zu durchschreiten ... bei allen Göttern - das Entilein! ... ich hab’s ihr vergessen zu sagen ... tausende Worte wegen eines Apfels – keines über die wichtigen Dinge! ... ich hätte es wissen müssen ... ich hätte es wissen müssen ... UM ALLER GÖTTER WILLEN! ...’
„...NEEEIIIN!!!“, schrie das Nasentier und sprang mit allen vier Pfoten in die Luft. Der Apfel rollte unwichtig zur Seite. „Nicht, Entilein! Nicht durch die Tür!“
Aber es war schon zu spät!
Das Entilein hatte die Schwelle überschritten und so wie es den Entileinfuß auf die andere Seite der Tür gesetzt hatte erschienen auf der grünen Tür Buchstaben in der Sprache des Landes Ir-gendwo.
Das Nasentier aber hörte schon das eisige Fauchen der kalt glänzenden Sense und sah das nie-dergemetzelte Entilein!
Doch – oh Wunder! – es geschah nichts! Das Entilein ging unbeschadet auf die andere Seite, roll-te das Federfell zusammen und kam zurück. Die grüne Tür ging zu und verschwand nicht. Das Entilein breitete das Federfell aus, setzte sich darauf und verstand die ganze Aufregung des Na-sentieres nicht. Denn dieses beäugte das Entilein aufs Misstrauischste, so als ob es erwartete, dass im nächsten Moment der Entileinschnabel abfallen müsste oder die Flügel verdorren sollten oder alle Federn mit einem mal ausfielen. Nichts! Gar nichts geschah. Das Entilein schien wie sonst und so beruhigte sich das Nasentier langsam und begab sich zum Entilein auf das Federfell.
Dort also saßen sie nun und rasteten. Schauten sich ganz lieb an und hielten sich bei beiden Pfo-ten und Flügeln.
Die grüne Tür aber verschwand nicht und die Buchstaben darauf ebenso wenig.
Und da Entilein und Nasentier meinten, dass sie viel Zeit zum Rasten hatten – die gelbe Tür blieb, wo sie war – begannen sie mit Erzählen. Ein bisschen plauschten sie hin, ein bisschen plauschten sie her – und wie es im Erzählen so ist, begann das Nasentier von Erlebnissen zu berichten, die es erlebt hatte. Von vielerlei Dingen aus der Nasentierkindheit zum Beispiel, etwa von da begin-nend, wo die jetzige wahrhaft große Nase noch nichts anderes als eine ganz gewöhnliche Stups-nase war. Auch vom Knuddeldingsbums sprach das Nasentier und wie es diesem das Märchen von dem Gänseblümchen und der kleinen Sonne erzählt hatte und noch manches mehr.
Das Nasentier redete und redete, wie es nun einmal seine Art war und wurde auf einmal leiser. Schon stockte manches Wort und dann verstummte es endgültig. Weil: Irgendetwas war seit einer geraumen Zeit anderes geworden. Etwa ab den Dingen, die vom Knuddeldingsbums gesprochen wurden und dann fiel dem Nasentier auch ein, was anders geworden war. Nämlich Stille war – nur das Nasentier hörte man sprechen - seit geraumer Weile schon.
‚Mist, verdammicher!’, dachte da das Nasentier, denn es dachte nichts anderes, als das es mal wieder und wie so oft zuviel geredet hatte und das Entilein damit verschreckt hätte.
Und so sah das Nasentier schuldbewusst auf und erblickte das Entilein und an dem Entilein des-sen Schnabel. Und der Schnabel hatte sich grünlich verfärbt!
Einen kurzen Augenblick war noch Stille, dann aber wurde diese jäh durchbrochen.
Vom Entilein.
Vom Entilein mit bitter verzogenem Schnabel.
Vom Entilein mit bitter verzogenem Schnabel und ebenso bitterlich scharfem Geschnatter.
“Aha!!“, sagte es schneidend, „Das hab ich mir gleich gedacht!“
„Was?“, fragte das Nasentier erstaunt und höchst unwissend.
„Frag nicht noch, was! – Als wär’s nicht schon genug! Jetzt tust du auch noch so, als wüsstest du nicht, was!!“ Ganz sehr doll beleidigt entzog das Entilein dem Nasentier seinen Flügel und drehte sich weg.
„Was? ... Wie?? ... Hä???“ Nun war es am Nasentier, noch mehr erstaunt und noch viel mehr un-wissend zu sein.
„Jajaja!!!“, erregte sich das Entilein immer mehr, „Mit mir hier Flügel in Pfote rumlaufen und dabei hat es mit anderen schon erzählt. Mit so einem ... einem ... Dingsbums! Fehlte nur noch, das es auch noch mit anderen schon gespielt hat! Du bist halt doch nur wie alle anderen Nasentiere!“
„Na, ich bin doch aber auch ein Nasentier.“, sagte das Nasentier, „Wieso soll ich da anders sein, als andere Nasentiere? - Na und, klar habe ich auch mit anderen schon gespielt. Spielen ist doch schön und wichtig. Mit dem Moschustier von meinen Ellis zum Beispiel. Das hatten die nämlich immer zuhause, damit es im Haushalte immer gut riecht. Oder einem Naffeltier, welches ein Kat-zentier war mit Namen Naffel. Oder einem anderen Katzentier, welches Toto hieß und deshalb ein Tototier war. Und erzählt hab ich auch schon mit vielen. Mit der ganzen Familie Stern nämlich und dem Knuddeldingsbums und auch dem Ententier aus Du-Esel!-Dorf und dem alten, geheimnisvol-len Mann und so weiter ...“, fügte es noch hinzu und konnte sich überhaupt nicht vorstellen, warum es all diese Dinge nicht hätte tun sollen.
Tun sollen hin, nicht tun sollen her – das mit dem Hinzufügen eben hätte das Nasentier besser unterlassen, denn jetzt bekam das Entilein neben einem grünlichen Schnabel noch einen hochro-ten Kopf dazu und schon brüllte es vor Wut und Verletzung los:
„Du bist ein ganz erbärmliches Nasentier! Dir macht es nämlich überhaupt nichts aus, dass du schon mit anderen erzählt und gespielt hast. Und nicht etwa mit mir zum ersten mal alles gemacht hast!“
„Aber was ist daran so schlimm, dass du einen roten Kopf bekommen musst, Entilein?“, fragte das Nasentier noch immer verblüfft ob der Entileinbefindlichkeit, „Das alles ist doch bei dir ganz be-stimmt genauso gewesen.“
„Das ist was anderes.“, sagte da das Entilein auf einmal recht ruhig, stemmte die Flügel in die Sei-te und schaute mit einem mal wie ganz sehr gelangweilt am Nasentier vorbei.
Dem verschlug es die Sprache ob der offen zutage liegenden Ungerechtigkeit. Und dann aber war es am Nasentier, eine ganz schön rote Nase zu bekommen.
„Das ist ungerecht!“, sagte es und begann zu kochen.
„Bähh.“, machte das Entilein und begann mit der ganzen Litanei noch mal von vorn und konnte damit gar nicht wieder aufhören.
Und schon sah man ein Entilein und ein Nasentier sich streiten und streiten und streiten und all das in der Nähe der grünen Tür. Und auf der grünen Tür stand in großen Buchstaben des Landes Irgendwo geschrieben:

EIFERSUCHT

Dann verschwand die Tür und nur graue Mauern blieben.
Mit dem Streiten ging es noch eine ganze Weile so weiter. Schließlich aber hörten Entilein und Nasentier auf damit. Ob vor Erschöpfung oder weil sie sich geeinigt haben – das konnte man nicht sagen. Egal jedoch vorerst, denn nun besannen sie sich beide darauf, warum sie eigentlich waren, wo sie waren – nämlich im grauen Labyrinth und um das Glück zu suchen und um bunte Türen zu finden und zu durchschreiten.
Beim Stichwort Glück allerdings wanderte des Nasentiers Blick zum Schlangenring an der Kralle und bevor sie das Lager abbrachen, drehte es diesen dreimal um die Kralle, um zu sehen, was das innere Auge sah. Denn nach dem Streit mit dem Entilein begannen leichte Zweifel im Inneren des Nasentieres zu wachsen und zu nagen.
Es geschah nicht viel. Das Nasentier sah wie vordem das Entilein, wie es so da stand. Mit grünli-chem Schnabel jetzt und – ja da war wohl vielleicht doch etwas anders – ein kleinwinzig bisschen durchsichtig schien es zu sein.
Durchsichtig sein oder undurchsichtig sein war nun also des Nasentiers Frage und es entschied sich bei deren Beantwortung für eine Sinnestäuschung.
Mittlerweile war alles zum Aufbruch bereit und Entilein und Nasentier liefen zur gelben Tür, auf der geschrieben stand:

DIE NEUE KLARHEIT

„Sag Entilein,“, sprach das Nasentier vor der gelben Tür und ziemlich zögernd, weil etwas unsi-cher gegenüber dem Entilein, „Kannst du ...“
„Klar! Logisch! Die neue Klarheit.“, antwortete das Entilein mit spöttischem Untertone, „Oder meinst du, ich kann schlechter lesen als die anderen, mit denen du erzählt hast?“
„Äh ... nein, nein ...“, beeilte sich das Nasentier zu versichern, „Ich würde gern vorwärts gehen. Möchtest du ...“ Dabei stieß es die gelbe Tür weit auf.
„Hihi ...“, grinste das Entilein vergnügt und der Schnabel sah dabei ein wenig weniger grünlich aus, „Klar! Na los, gehen wir und zwar zusammen.“
Dann reichte das Entilein dem Nasentier den Flügel, wiewohl die Federn daran noch etwas ge-sträubt waren. Und das Nasentier reichte dem Entilein die Pfote. Grinsend wie immer sahen sie sich an und der Schlangenring zeigte dem Nasentier nach dreimaligem Drehen ein Entilein ohne erkennbare Durchsichtigkeit.
‚Also doch nur Sinnestäuschung’, sprach es zu sich und zusammen gingen sie durch die gelbe Tür und die gelbe Tür ging hinter ihnen zu.
Auf einmal ... blablabla ... blablabla ... blieb alles wie es war.
Nur - war eben noch alles ganz einfach im grauen Geviert mit den beiden bunten Türen, so schien das graue Labyrinth jetzt und hier alles an Kompliziertheit nachholen zu wollen.
Viele verschlungene Wege sahen Entilein und Nasentier vor sich. Ecken, Kurven, Sackgassen und hinter jedem grauen Mauervorsprung befanden sich neue und noch schwierigere Wegekom-binationen.
Ein graues Labyrinth im grauen Labyrinth! So schien es Entilein und Nasentier zu sein. Mehrmals drangen sie in das Wirrwarr von Wegen ein und genau so oft fanden sie sich auf kurz oder lang am selben Ausgangspunkte wieder oder liefen in Sackgassen und mussten deshalb umkehren.
Nach geraumer Anzahl fruchtloser Versuche breitete das Nasentier das Federfell aus, setzte sich darnieder und begann zu überlegen. Nämlich wie man am besten vorwärts käme.
Es dachte nach und dachte nach und schaute einmal auf dabei und sagte:
„Nicht schon wieder!“
Denn es erblickte ein Entilein mit sehr grünem Schnabel und bitterem Blick.
„Aha!“, sprach dieses auch schon.
„Nein, ich denke nach wie wir hier weiter kommen und nicht an irgendwelche anderen.“, antworte-te das Nasentier auf die unausgesprochene Frage des Entileins.
„Du sitzt hier rum und denkst bestimmt an die anderen, mit denen du gespielt und erzählt hast?“, sagte das Entilein und verwunderte sich, dass es die Antwort auf seine Frage bekommen hatte, bevor es diese überhaupt stellen konnte.
Dem Nasentier hingegen fiel auf, das es antwortete, bevor es gefragt wurde. Alsgleich hörte es auf, über Wege nachzudenken, sondern erinnerte sich an den alten, geheimnisvollen Mann. Dabei wurde dem Nasentier schlagartig klar, warum dieser des Nasentiers Fragen beantworten konnte, bevor das Nasentier eigentlich gefragt hatte. Nämlich aus dem selben Grund, aus dem das Na-sentier voraussehen konnte, was das Entilein fragen wollte: Der grün verfärbte Schnabel war Indiz genug für alles, was hinterher kommen mußte.
Ehe das Nasentier allerdings weiter denken konnte, mußte es aufhören zu denken, denn das Enti-lein stupste es mit dem Flügel vor die Nase und sprach:
„Na, dann denk mal an die anderen. Ich aber ...“ Den Rest ließ das Entilein offen. Statt dessen nahm es sein Bündel und ging in das Wirrwarr der Wege hinein. Noch einmal schaute es hinter einem Mauervorsprung hervor, grinste ganz hintergründig und sagte noch:
„Fang mich doch!“ Und schon war es verschwunden.
Das Nasentier war ganz erschreckt, dass das Entilein mit einem mal verschwunden war. Das ein-zige, was vom Entilein blieb, war eine Feder, die ihm soeben ausgefallen war. Schnell rollte das Nasentier das Federfell zusammen, steckte es in sein Bündel zu den verbliebenen Äpfeln und lief ebenfalls los. Hinter der ersten Ecke aber merkte es, dass das Entilein keineswegs verschwunden war, sondern an der nächsten Gabelung wartete.
Kaum aber erblickte dieses das Nasentier, grinste es wieder sehr hintergründig und verschwand aufs neue.
„Fang mich doch!“ Und erneut fiel eine Feder.
Das Nasentier lief los.
Und so ging es viele male immer wieder. Das Entilein lockte und verschwand – das Nasentier lief hinterher. „Fang mich doch! Fang mich doch!“ – Hinterherlauf ... hinterherlauf ... die verlorenen Federn wiesen den Weg...
Bis dem Nasentiere langsam die Puste ausging von dem vielen Hinterhergerenne. Das war, als beide wie so oft in dem labyrinthischen Durcheinander am Ausgangspunkt angelangt waren. Hier jedoch blieb dem Entilein kein Weg mehr, in den es verschwinden konnte, denn es konnte nur noch vorwärts, weil hinter ihm das Nasentier hinterhergelaufen kam.
Kein Weg mehr, bis auf einen. Und den nahm das Entilein, um sich ein letztes mal verstecken zu können. Dem Nasentier fehlte die Puste, um das Entilein noch zu erreichen und es fehlte ihm auch die Puste, um das Entilein mit warnenden Worten zu stoppen.
„Fang mich doch!“, waren die letzten Worte, die das Nasentier vernahm, dann hatte das Entilein die gelbe Tür weit aufgemacht und war auf der anderen Seite verschwunden.
Wie es aber die Schwelle überschritten hatte und auf der anderen Seite war, da erschienen auf der gelben Tür Buchstaben in der Sprache des Landes Irgendwo. Und sie ergaben das Wort:

NEID

„Nein!“, rief das Nasentier, als es wieder zu Puste gekommen war, „Ich fang dich nicht mehr. Ich lauf auch nicht mehr hinterher. Schluss damit!“
„Oooochhh!“ – sagte da das Entilein und kam zurück durch die gelbe Tür. Im Gesicht deutliche Anzeichen für Enttäuschung und auf dem grünlichen Schnabel deutliche gelbe Flecken.
„Du bist wohl neidisch, weil du nicht durch die Tür gehen willst und du mich deshalb nicht gekriegt hast?“, fragte es weiter hoffnungsvoll. „Oder willst du lieber wieder mit den anderen spielen?“, setzte es eifersüchtelnd hinzu.
„Nein! Nichts von alldem.“, antwortete das Nasentier, „Ich muß ausruhen, um zu Puste zu kom-men. Und einen Apfel will ich essen.“ Damit schnürte es sein Bündel auf.
„Oh, hast du aber schöne Äpfel.“, sprach hierzu das Entilein, als es einen Blick in des Nasentiers Bündel warf.
„Und so viele! Gibst du mir einen ab?“
Das Nasentier reichte dem Entilein einen Apfel.
„Gibst du mir auch noch einen? Den besonders schönen Roten dort?“
Das Nasentier gab dem Entilein den besonders schönen Roten, auf den der Flügel wies.
„Und noch einen?“
Das Nasentier gab dem Entilein noch einen.
„Und noch und mehr?“
Das Nasentier sah auf und erkannte der Dinge zwei. Zum ersten, dass das Entilein gar nicht vor-hatte einen Apfel zu essen, denn es warf die schon bekommenen Äpfel achtlos zur Seite. Und zum zweiten den lauernden Blick des Entileins. Ehe das Nasentier jedoch etwas sagen konnte, war wieder das Entilein an der Reihe.
„Gibst du mir alle?“
„Nein.“
„Aha!“
Das Nasentier winkte ab, denn es erkannte: alsgleich würden sich wieder dunkle Wolken des Streites ringsum verdichten. Und so war es auch.
Die bittersten Vorwürfe fuhren in des Nasentiers Ohren und klangen gar nicht lieblich darinnen: ... nicht mal alle Äpfel würde es verschenken, obwohl sie doch Pfote in Flügel im Labyrinth wandelten ... dabei hätte das Nasentier neben den Äpfeln außerdem noch so eine große Nase ... ob das nicht genug wäre ... und dazu noch viele Krallen ... Barthaare, wenn auch spärlich ... und immer so weiter ... .
Immer unsinniger wurden die Vorwürfe, etwas zu haben, was das Entilein nicht hätte – immer haupthaarsträubender die begründenden Worte und immer weiter gingen Entilein und Nasentier dabei an der grauen Mauer lang, die links oder rechts neben der gelben Tür begann ... .Und die einen großen Halbkreis um alle möglichen Wege und Irrwege beschrieb.
Irgendwann konnte das Nasentier dem Entilein nicht länger zuhören, wollten es nicht riskieren, dass ihm die Haupthaare ausfielen und so übernahm es die Initiative. Es redete, bis die Zunge ausfranste. Es redete sich das Maul fusslig und wie gleich zwei Bücher – doch es half alles nichts. Das Entilein wollte die Ausführungen nicht verstehen oder konnte nicht. Egal! Denn sie blieb im-mer beim Selben und fing immer mit dem Gleichen an. Bis das Nasentier resignierte und ver-stummte. Bevor es aber vollkommen in Resignation erschlaffen konnte, begannen auf einmal viele Gedanken gleichzeitig um die Benutzung des Nasentierhirns zu buhlen. Und wie diese sich so drehten und wendeten wie Fischottertiere im seichten Wasser, da wurden dem Nasentier mit ei-nem mal drei Dinge auf einmal klar: Erstens – es macht keinen Sinn, dem Entilein hinterher zu laufen, denn man kommt nur außer Puste dabei und sonst passiert nichts. Zweitens – ein jegli-ches Nasentier kann wahrscheinlich sogar wie drei Bücher reden und es wird nichts nützen, wenn der andere gar nicht zuhören will oder kann. Drittens – da eins und zwei nunmehr bekannt sind, ist das alles nicht mehr so schlimm, denn ab jetzt und sofort kann man alles besser machen.
Gedacht, getan und vor sich hingebrabbelt: „Denn es macht keinen Sinn sich verrückt zu machen, bei dem Versuch, nicht verrückt zu werden.“
„Schnatterschnatterschnatterundsoweiterunddassehraufgeregt...!!!“
Das Nasentier fuhr herum zum Entilein und dachte nichts anderes, als dass es um dieses nun mehr geschehen sei und es dem Wahnwitz anheim gefallen wäre. Und wahrhaftiglich: Das Entilein schnatterte und flatterte, dass es eine Art hatte und auch die schlimmste Nasentierbefürchtung mit nichts anderem als schlimmster Untertreibung zu zichtigen wäre.
Und das Entilein hörte nicht auf zu flattern und zu schnattern und wies mit den Flügeln dabei im-mer in eine Richtung.

Und diese Richtung aber war die irgendeine!

Und das Nasentier blickte in die irgendeine Richtung und alle Worte, die es seit Anfang der Ge-schichte vernommen und gewechselt hatte, wurden wahr. Alle Dinge, die es erlebt hatte und das seid Anfang der Geschichte und die allzu oft voller Rätsel blieben, bekamen Sinn. Und alle Haupt-haare standen wirr nach allen Seiten, als sich das Nasentier mit beiden Pfoten und allen Krallen hineinfuhr, während es auf den verbliebenen zwei Pfoten wie irrwitzig herumhüpfte.
Denn Entilein und Nasentier erblickten und standen kurze Zeit später vor einer großen Tür.
Und diese Tür war rot.
Und diese Tür war nicht nur rot, sondern magmarot.
Und diese Tür war nicht nur magmarot, sondern auch regenbogenrot noch dazu.
Diese rote Tür war die röteste Tür, die man je erblickt hatte.
Und diese röteste Tür war die schönste Tür, wie es keine Schönere im Lande Irgendwo oder in Du-Esel!-Dorf oder sonst wo geben konnte.
Und auf dieser schönsten Tür stand in großen Buchstabe des Landes Irgendwo geschrieben:

LIEBE

Und vor der roten Tür mit der Aufschrift ‚Liebe’ mußte sich das Haupthaar des Nasentieres glätten und die Nase frei sein, wie sie nur frei sein konnte.
Und vor der roten Tür mit der Aufschrift ‚Liebe’ mussten die gelben Flecken und die grünliche Tö-nung auf des Entileins Schnabel verblassen und die kahlen Stellen sich mit neuen Federn bede-cken.
Und vor der roten Tür schließlich mußte sich der Schlangenring von ganz allein an des Nasentiers Kralle dreimal drehen.
Doch das Nasentier sah gar nicht hin, was der Schlangenring zeigte, denn es hatte alle Augen nur für ein Bild: Das Entilein mit prächtigem Federkleid und das Nasentier mit großer freier Nase vor der schönsten aller roten Türen.
Der Schlangenring aber zeigte nichts anderes, denn er konnte nichts anderes zeigen, wenn inne-res und die normalen Augen übereinstimmend das Selbe sahen.
Ohne ein Wort zu sagen fassten sich Entilein und Nasentier bei Flügel und Pfote und zusammen stießen sie die große rote Tür weit auf und gingen hindurch.
Die große rote Tür aber ging nicht zu, sondern blieb auf.
Sie kamen in ein großes Rund ohne jeglichen Irrweg. Nur groß war es und rund, was da von einer großen grauen Mauer umschlossen war. Und ein Weg – genau für zwei breit genug, die neben-einander gehen – führte von der großen roten Tür aus gerade nach vorn zu einem kreisförmigen Stück Wiese.
Dahin gingen Entilein und Nasentier nun alsgleich und breiteten das Federfell aus und rasteten wie so oft. Dort fassten sie sich bei Flügel und Pfoten und waren sehr glücklich. Dort erzählten sie viele Dinge und alles war gut. Dort aßen sie die Äpfel und wollten niemals wieder wo anders sein. Dort auch blühten Gänseblümchen und die Sonne schien von oben auf sie herab.
Und der Schlangenring – er flimmerte und glitzerte dazu.
Nach einiger Zeit, die nicht gemessen werden kann, schauten sich Entilein und Nasentier um und erkannten, das die Wiese genau in der Mitte des großen Rundes lag und dass der Weg das große Rund in genau zwei gleich große Halbrunde teilte. Dann noch, dass jedes Halbrund etwa in der Mitte eine Tür hatte. Die eine war Lila, die andere von unbestimmbarem Grau.
Entilein und Nasentier rasteten weiter, denn sie hatten genug gesehen. Und dann, nach einer wei-teren Zeit, die vergangenen war und die ebenfalls nicht gemessen werden kann, erzählte das Na-sentier auch endlich, was es mit den bunten Türen auf sich hatte. Nämlich das, was es vom alten, geheimnisvollen Mann erfahren hatte und vor allem, dass man eine bunte Tür niemals ein zweites mal rückwärts durchlaufen sollte.
Hier aber schaute das Entilein sehr verständnislos, war es doch der felsenfesten Überzeugung, das mit ihm nichts geschehen sei, als es grüne und gelbe Tür rückwärts durchlief. Von den vielen blauen Türen, die es vorwärts und nur einmal durchlaufen hatte, ganz zu schweigen. Mit allen Er-klärungen vom Laufen und der Art zu Sprechen, welche Einfluss auf die Türen hatten nach des Nasentieres Meinung, biss das Nasentier auf Granit. Das Entilein verstand nicht und wollte nun seinerseits dem Nasentier beweisen, dass es unrecht in seinen Interpretationen hatte.
Dem Nasentier begann Schreckliches zu schwanen: Sollte etwa beim Durchlaufen der großen roten Tür manche Erinnerung und Erfahrung in Unwichtigkeit verblassen, wie etwa die Verfärbun-gen an des Entileins Schnabel??
Und: Habe ich jetzt mit meinen Worten zu viel argumentiert und damit genauso viel Gegenargu-mentation heraufbeschworen??
„Entilein, du hast recht!“, sprach deshalb das Nasentier auf der Stelle und schnell, bevor irgend etwas Schlimmes passierte.
Doch es war zu spät.
Das Entilein wollte auf jeden Fall dem Nasentiere beweisen, das es recht hatte und beim Rück-wärtslaufen durch bunte Türen nichts passieren konnte. Da Worte aber nichts zu nützen schienen, lief es los, um mit dem praktischen Versuche das Nasentier zu widerlegen. Es war auf dem Weg zur großen roten Tür!
Das Nasentier sprang auf. Das Nasentier säbelte los, was die Pfoten hergaben. Das Nasentier langte noch vor dem Entilein an der großen roten Tür an. Das Nasentier verstellte dem Entilein den Weg. Es versuchte, es mit Worten von seinem Vorhaben abzubringen.
Es fruchtete nichts.
Das Entilein wollte weiter gehen und schob das Nasentier zur Seite.
Das Nasentier ließ sich nicht zur Seite schieben und hielt das Entilein mit aller Kraft der schwa-chen Pfoten fest.
Es fruchtete nichts.
Denn das Entilein wurde wütend. Und als das Nasentier bemerkte, wie sich der Entileinschnabel aufs Neue begann grünlich mit gelben Flecken zu verfärben, da wusste es: Es konnte das Entilein nicht aufhalten.
Und ließ es los.
Und ließ es ziehen.
Und alles hatte keinen Zweck.
Und das Entilein ging rückwärts durch die große rote Tür und die Tür ging hinter ihm zu.
Eine Weile, die sehr wohl gemessen werden konnte, denn sie schien fast unendlich lang - aber eben nur fast - passierte gar nichts. Dann ging die große rote Tür wieder auf und das Entilein kam zurück.
Doch was war mit dem Entilein geschehen!
Der Schnabel dunkelgrün! Die gelben Flecken darauf groß und stechend.
Der Kopf dazu dunkelrot.
Dunkelrot vor Wut!
Und schon brüllte das Entilein los und die Federn stoben dazu, als wären sie nicht am Entileinkör-per festgewachsen, sondern nur irgendwie darauf gelegt: „Siehst du nun, du blödes Nasenge-wüchs, dass nichts passieren kann! Siehst du’s nun endlich ein!! Nun endlich!!!“
Das Nasentier konnte nur noch Schadensbegrenzung tätigen. Es wusste es sofort. Und versuchte es:
„Jaja, ich seh es ein. So wie du sagst – so muß es sein.“
Doch es war nicht nur zu spät – es war alles zu spät.
Die Worte erreichten das Entilein nicht mehr und schon wieder schäumte es:
„Ich kann dich nicht leiden! Noch nie konnte ich dich leiden!! Und du glaubst es immer noch nicht, dass du unwissend bist!!! Also werde ich es dir noch mal beweisen!!!!“
Und schon war das Entilein erneut durch die große rote Tür gegangen und die Tür ging hinter ihm zu. Auf der großen roten Tür aber erschienen in diesem Augenblick Buchstaben in der Sprache des Landes Irgendwo und das Nasentier las:

EXTREMISMUS


Dieses mal dauerte es nur eine kurze Weile, in der nichts passierte, dann wollte die große rote Tür wieder aufgehen. Oder besser – das Entilein wollte sie auf der anderen Seite wieder aufmachen, denn es rüttelte gar sehr daran. Aber die große rote Tür wollte nicht mehr. Oder besser – sie ging einfach nicht mehr auf. Zweimal ließ sie sich öffnen – ein drittes mal nimmermehr!
Das Entilein rüttelte und rüttelte – umsonst!
Die große rote Tür begann langsam weniger intensiv rot zu sein.
Dann war Ruhe und das Nasentier überlegte, was es denn tun könne, da geschah auf einmal et-was, mit dem es überhaupt nicht gerechnet hatte:
‚Klopf ... Klopf ...’ (Bist du noch da?)
‚Bing’ – (Ja, wenn das ja auch recht hoffnungslos klingt.)
‚Klopf! ... Klopf!! ... Klopf!!!’ (Blöde Tür! Ich krieg die blöde Tür nicht auf!! Blödes Ding!)
‚Bing ... Bing ... Bing ...’ (Ich glaube die Tür kann wenig dafür ... höchstens wir.)
‚Kllllooppff’ (Ich geh mal hier weiter.)
‚Bbiiiinnnn’ (Ich komm mit.)
Schließlich stand das Nasentier, während es dem Klopfen folgte, an der lila Tür.
‚Klopf? ... Klopf ?...’ (Soll ich rüber kommen?)
‚Bing ... Bing ... Bing ...’ (Du hast dein Federfell vergessen.)
Rüttel ... Rüttel ... – das war das Entilein, das vergeblich an der lila Tür rüttelte, denn die ging aus irgendwelchen Gründen nicht auf. Die große rote Tür aber verlor noch mehr an Farbe.
‚Na dann versuch ich es eben’, dachte sich das Nasentier und ging auf die lila Tür zu, auf der ge-schrieben stand:

DER LETZTE VERSUCH

Und machte sie auf. Ging hindurch und die Tür ging hinter ihm zu.
Das Nasentier erblickte das übliche graue Labyrinth wie es leibte und lebte und darinnen das Enti-lein. Der Schnabel war unverfärbt und es hatte etliche kahle Stellen im Gefieder. Es sah so aus, wie es das Nasentier am Anfang des grauen Labyrinthes kennengelernt hatte. Außer das vielleicht eine zusätzliche neue kahle Stelle im Gefieder sich aufgetan hatte.
„Ha! Sieh weg – eine blöde Gurkennase!“, sprach das Entilein und grinste ganz normal dazu.
Du-Esel!-Dörfischer Dialekt – das Nasentier bemerkte es sofort. Das Entilein schien völlig so zu sein, wie es einmal gewesen war. Das Nasentier bemerkte auch noch etwas anderes. Nämlich im Rücken des Entileins eine blaue Tür!
Nicht nur beim Entilein – alles schien von vorn zu beginnen. Das Nasentier kratzte sich am Kopf und wusste weder ein noch aus.
„Wollen wir nicht zusammen durch diese unblaue Tür nicht gehen?“, fragte das Entilein.
Das Nasentier kratzte sich noch immer am Kopf und wusste überhaupt nicht mehr ein und aus. Gedankenverloren ging es zu der blauen Tür und rüttelte leicht daran. Die blaue Tür gab nicht nach.
‚Auch ist es nicht so, dass man einen Weg gehen kann und dann, wenn man meint herausgefun-den zu haben, wie es funktioniert, noch mal von vorne beginnen zu können’ – die Worte des alten, geheimnisvollen Mannes gingen dem Nasentier durch den Sinn und es begann zu ahnen, dass sich die Wege von Entilein und Nasentier hier trennen müssten. Aber noch wollte das Nasentier nicht aufgeben. Noch nicht, nach allem, was gewesen war. Noch nicht!
Noch gab es den Schlangenring und damit den Blick des inneren Auges!
Und so drehte das Nasentier den Schlangenring dreimal an der Kralle und siehe: ... es sah nichts. Kein Entilein, kein graues Labyrinth. Oder besser: Bevor es nichts sah, sah es sehr wohl ein Enti-lein. Es sah ein Entilein, wie es ganz am Anfang war; ein Entilein, welches sich veränderte bis hin zum prächtigen Federkleid und dann ein Entilein, dass ganz schnell und unerbittlich durchschei-nend wurde, bis es gänzlich unsichtbar war. Dunkelheit blieb, nur Dunkelheit. Dann bekam die Dunkelheit auf einmal weiße Flecken. Dann schwang die Dunkelheit mit den weißen Flecken auf wie eine Tür. Und dann sah das Nasentier die Wiese im Lande Irgendwo, wo es wohnte; sah Fa-milie Stern und den Sternenhaushalt und sah manch hohen Berg, den es zu erklimmen galt.
„Ja, Entilein.“, sagte das Nasentier mit traurigem Blick, „Ja, ich kann auf jeden Fall mitkommen.“
„Schade, oh wie schade.“, sagte das Entilein und ein Tränchen glitzerte in den Augen.
Das Nasentier bemerkte, dass das Entilein alle Kraft zusammennahm und versuchte, in der Spra-che des Landes Irgendwo zu sprechen.
„Ich komme durch die blaue Tür nicht mehr, so wie du nicht durch die lila Tür. Es ist unmöglich und es ist mir sehr traurig dabei, Entilein.“, erklärte das Nasentier und wusste gleichzeitig, das es außer diesem nicht mehr viel zu sagen gab.
Und so wollte es lieber ein Ende machen, dass ganz schnell geht, denn jedes Ende schmerzt doch sehr.
„Du warst mir lieb, Entilein, aber ich muß gehen, wie du auch, denn wir können nicht ewig hier bleiben. Meine Türen aber sind nicht länger deine und deine nicht länger meine.“, sprachs und ging.
Kurz vor der lila Tür hielt das Nasentier noch einmal inne, denn es war ihm noch etwas eingefal-len.
“Dein Federfell – ich hol es dir.“, sagte es noch, dann machte es die lila Tür ein zweites mal auf, um sie rückwärts zu durchschreiten. Auf der lila Tür aber stand geschrieben:

TRAUER

„Behalt es – das Federfell, meine ich. Und gehab dich wohl. Und finde, was du suchst.“, waren die letzten Worte des Entileins, die das Nasentier vernahm, dann war die lila Tür durchschritten und ging hinter dem Nasentier zu.
So, wie sie zuging, verschwand sie. So wie die lila Tür verschwand, verschwand auch die wunder-schöne große rote Tür. Nur Grau blieb, wo eben noch das Glück lachte und nur ein Ausweg blieb, so wie das Grau.
‚Ach Entilein mein’, dachte das Nasentier, ‚gehab auch du dich wohl und pass bloß mit den bunten Türen auf. Und dein Federfell – ich will es in Ehren halten.’ Dachte es, setzte sich hin, wo es war und schon tropfte manches Tränchen ins schüttere Barthaar.
Nur Grau blieb, wo eben noch das Glück lachte und nur ein Ausweg blieb, so wie das Grau.
So wie die anderen Türen verschwanden, so begann die letzte Tür sich von unbestimmbarem Grau hin zu Schwarz zu verfärben. Auch einige weiße Flecken bildeten sich darauf und wurden größer und größer, bis etwa die Hälfte der schwarzen Tür geweißt war.
Das Nasentier ging auf die Tür zu und konnte schon von weitem erkennen, was darauf in den Buchstaben des Landes Irgendwo geschrieben stand. Und zwar:

DAS NEUE BEGINNEN

Und noch etwas mehr in kleinerer Schrift. Doch erst als das Nasentier an der Tür war und sie aufmachte, konnte es sie entziffern. Da stand nämlich noch:

UND WIE ES AUF DEINEM WEGE DURCHS GRAUE LABYRINTH MIT DER
UNSCHULD
AUSSAH, MUSST DU SELBER WISSEN

‚Nun ja, ganz und gar so schlimm kann es mit der Unschuld nicht aussehen, sonst währt ihr si-cherlich nicht da, ihr weißen Flecken’, dachte sich das Nasentier, als es die Worte las.
Dann war es durch die schwarze Tür mit den weißen Flecken. Nur einmal noch verharrte es kurz auf der Schwelle und schaute sich um, um zu probieren. Und siehe, es geschah, wie vom Nasen-tier erwartet: Je mehr es den Kopf drehte, um so eisiger wurde das Fauchen. Das Fauchen einer kalt glänzenden Sense, welche die Gräser an der Türschwelle niedermähte und auch vor Nasen-tiergliedmaßen nicht halt machen würde. Das Nasentier wusste ohne zu sehen. Wusste wer die Sense schwang; wusste was das bedeutete; wusste nun auch was die Rückseite vom neuen Be-ginnen und von der Unschuld war, wusste, dass sich zwischen Nasentier und Entilein wohl Un-überwindbares befand.
Zusammengefasst: Das Nasentier wusste, dass es vorbei war.
Während es noch überlegte, ob die weißen Flecken auch groß genug wären, oder ob sie weitaus größer hätte gestaltet werden können, verschwand die Tür.
Und mit der Tür verschwand das ganze graue Labyrinth der bunten Türen. Und zwar so, als wäre es nie gewesen.
Das Nasentier stand da, sein Bündel mit dem Federfell auf dem Rücken, den Schlangenring an der Kralle. Es drehte sich um und sah aufs jenseitige graue Ufer, von denen es die Wasser des großen Flusses trennten. Einen Augenblick nur blieb das Nasentier noch stehen, dann wandte es sich um und zwar entgegengesetzt in die irgendeine Richtung, in der das Du-Esel!-Dorf, weiter noch der Apfelbaumgrund und noch viel weiter das Land Irgendwo liegen mußte und ging los.

„Ah, sieh mal weg, der Blödesack ist nicht wieder da.“ Gewinnend grinste das Ententier aus Du-Esel!-Dorf dazu und sah sehr abgerissen mit seinem zerflederten Federkleid aus. Das Nasentier blieb stehen und bemerkte, dass es sehr erwartungsvoll angeschaut wurde.
Vom Ententier.
Da erinnerte sich das Nasentier, dass es dem Ententier Botschaft bringen wollte aus dem grauen Labyrinth. Nämlich Antwort auf die Frage, warum das Ententier so gar nicht Äpfel essen wollte, die es doch wegen der Vitamine für das Federkleid so dringend benötigte und wie die Sache zu än-dern wäre.
Das Ententier aber schaute noch immer sehr erwartungsvoll.
Da fühlte sich das Nasentier geschmeichelt, weil so viel von ihm erwartet wurde und schon wollte es loslegen mit tausend Worten der Weisheit und des Belehrens und ...

WIE ES ABER MIT DER UNSCHULD AUSSAH, MUSST DU SELBER WISSEN ...

... verstummte und Zweifel begannen im Inneren des Nasentieres zu nagen. Sollte es wieder so viel erzählen und das Ententier damit verwirren? Sollte es gar nichts erzählen und das Ententier stehen lassen? Sollte es dies? Sollte es das?
Was nun? Und wie?
Das Ententier aber schaute erwartungsvoll – sehr und noch immer und würde wohl damit nicht aufhören.
Versprochen ist versprochen – daran führt wohl kein Weg vorbei und so begann das Nasentier zögerlich zu sprechen.
„Weißt du, Ententier – es ist nicht so einfach.“, begann das Nasentier und das Ententier schaute verständnislos.
‚Aha’, dachte das Nasentier.
„Weißt du nicht, blödes Geflügel – es ist sehr einfach“, begann das Nasentier erneut und dieses mal in Du-Esel!-Dörfisch. Und das Ententier schaute aufmerksam:
„!“
„Du könntest nicht versuchen, damit gar nicht erst zu beginnen ...“
„!!“
„... nichts, was du nicht sprichst nicht vom Kopf auf die Füße zu stellen.“
„!!!“
„Ich meine nicht, das du schwer nichts andersherum sprechen sollst.“
„!!!!“
„Nicht vielleicht, aber auch nur nicht vielleicht geht es so nicht.“
„?“
„Also, wenn du möchtest – versuch es liebes Ententier.“
Das Ententier prallte zurück.
Das Nasentier lächelte das Ententier an und sagte erneut:
„Versuch es, wenn du möchtest – ich glaube, es geht so vielleicht.“
Das Ententier glotzte ungläubig.
„Versuch es, liebes Ententier.“ Das Nasentier lächelte so lieb es eben konnte.
Im Ententier begannen die Gedanken zu rotieren und es dachte nach und dachte nach und lang-sames Verstehen malte sich auf den Gesichtszügen.
Als das Nasentier das erkannte, nickte es, sprach: „Mmhh, das meine ich.“, nahm sein Bündel und machte sich auf den Weg.
Ein klein bisschen war es schon gegangen, da rief das Ententier hinterher:
„Mach es nicht .. .äh ... mach es gut, blödes ... äh ... liebes Nasentier.“
Das Nasentier drehte sich um und sah das Ententier winken und sah es so dastehen und hörte, dass es das Ententier versuchte und wusste, dass es so gut war.

Die irgendeine Richtung (nur entgegengesetzt) wies das Ziel und diesem strebte das Nasentier nun entgegen.
Am Morgen wanderte es da entlang, wo die Sonne am meisten blendete, am Vormittag, wo die Schattennase am kleinsten war, am Mittag lief es einfach gerade aus und am Abend dahin, wo die Schattennase am größten wurde.
Am Apfelbaumgrund kam es vorbei und füllte alle Zwischenräume des Bündels mit neuen Äpfeln. An die Brücke gelangte es, welche das Land Gowest vom Lande Irgendwo trennte und überquerte sie.
Und schließlich und endlich – wie lange das Nasentier wandern mußte, weiß man nicht mehr – langte es auf der Wiese im Lande Irgendwo an, wo es wohnte. Dort breitete es das Federfell aus, legte sich danieder und rastete. Während es so an einem Apfel knabberte, da plötzlich:
‚Kreuch ... kreuch ...’
„Horch!“, machte das Nasentier und streckte eine Kralle in die Luft und dann: „Ah, sieh da – ein Moschustier!“
Und dann: „Dies Moschustier will ich mir nehmen, auf dass das Federfell und ich immer gut rie-chen.“
Zum Moschustiere muß man wissen, dass man mit diesem nicht gut reden konnte. Denn es verstand nicht zu sprechen und auch die Land-Irgendwo-Sprache verstand es nur sehr unvoll-kommen bis gar nicht. Nur kreuchen konnte es. Aber wenn man das Moschustier nahm und es etwa so auswrang wie einen Waschlappen – nur etwas weniger doll, damit es dem Moschustier nicht weh tat – dann sonderte es den Gutriechsaft ab, den man dann zum Beispiel aufs Federfell oder auch ins Haupthaar tröpfeln konnte. Nicht, das dieses Auswringen dem Moschustier beson-ders gut gefiel. Nein, nicht! Unangenehm war das schon, aber wenn es etwas dafür bekam, ließ es sich das Auswringen so recht und schlecht eigentlich gefallen.
Und das Moschustier aß sehr gern Apfel! So gern aß es Apfel, dass es Apfel lieber mochte als alle andere Nahrung. Und es ging nicht wieder weg, solange noch ein Stückchen Apfel übrig blieb und zu erhaschen war.
Das Nasentier also nahm ein Stück Apfel und hielt es dem Moschustier immer vor die Nase. Das gefiel dem Moschustiere sehr gut und schon saß es auf des Nasentiers Schoß und schnurrte und fraß Apfel und ließ sich hinterher auch auswringen. Nach dem Auswringen saß das Moschustier weiter auf des Nasentiers Schoß und schnurrte weiter, denn es hatte Hoffnung auf weitere Apfel-stücke. Dem Nasentier hingegen tat das Schnurren sehr gut, war es doch wegen des Entileins noch sehr traurig und ein schnurrendes Moschustier auf dem Schoß konnte man streicheln und mit Schnurren und Streicheln ist Traurigkeit besser zu bewältigen. Und so dachte das Nasentier: ‚Dies Moschustier will ich mir nehmen, auf das es schnurre und ich es streicheln kann und somit weniger traurig bin.’
Dann ließ das Nasentier das Moschustier einen Blick in das wohlgefüllte Bündel werfen und was mußte das Moschustier erblicken? – Den Moschustierhimmel mitten im Lande Irgendwo!
Und so blieb es denn beim Nasentier und das sehr gern. Und das Nasentier roch fortan sehr gut und das Federfell auch und das Moschustier wurde dick und rund und das Nasentier ein wenig weniger traurig dabei.
Dann aber – das Nasentier wusste es – war es an der Zeit, die Familie Stern zu besuchen nach der langen Abwesenheit und so machte es sich auf den Weg. Das Moschustier kreuchte getreu-lich dem Apfelgeruch aus des Nasentiers Bündel hinterher.

Nun war es schon so weit und das Nasentier näherte sich nach kurzem Wege dem Sternenhaus-halt der Familie Stern. Doch bevor es noch die Schwelle überschreiten konnte, erreichten seltsa-me Geräusche sein Ohr:
„Ningel ... ningel ... ningel ...“ Und dann. „Schmatz ... schmatz ... schmatz ...“ Und dann: „ gecker-geckergeckerundfröhlichnochdazu ...“ Und dann war mit einem mal Ruhe.
Das Nasentier überschritt die Schwelle zum Sternenhaushalt und schon erblickten Mama und Pa-pa Stern das Nasentier.
„Oh sie da, das Nasentier.“, riefen beide im Chor und ganz leise, „Du bist immer ein gern gesehe-ner Gast, aber sehr leise musst du sein!“
Und das Nasentier erblickte Mama und Papa Stern und machte: „?“, denn gar wunderlich sahen beide aus. Papa Sterns Augen zierten wundersame Ringe von lila Farbe und seine Haare standen wirr vom Kopfe ab. Bei Mama Stern sah es noch seltsamer aus. Nämlich die Umstände in denen sie sich befand hatten sich geändert und waren nicht mehr andere, sondern noch andere. Auch einem Fasse glich sie nicht mehr. Überhaupt nicht! Ganz und gar nicht!
Und dem Nasentiere begann zu schwanen, was hier geschehen war. Und es hatte recht mit seiner Ahnung, denn schon führten Mama und Papa Stern das Nasentier in ein abgelegenes Gemach des Sternenhaushaltes. Und da konnte es sehen:
Das neue Sternchen, welches aufgegangen war am Sternenhaushaltshimmel. Und wahrlich: Es stellte alles Bekannte an Geist und Schönheit in den Schatten, so schön und mit viel Geist über-häuft lag es da.
Und es lag da und schlief.
Und es lag da und schlief und zwar auf dem Ersatzfell des Nasentieres.
Und neben dem Ersatzfell des Nasentieres stand eine große Topfpflanze, deren Blätter das neue Sternchen vom weichen Untergrunde aus sehr schön studieren konnte, wenn es denn aufwachte. Und all das sah das Nasentier gern, denn gar lieblich war das Bild vor seinen Augen.
Und Liebliches fuhr auch Mama und Papa Stern – nein nicht ins Auge und auch ins Ohr nicht – sondern in die Nase. Das Nasentier nämlich hatte sein Bündel noch nicht abgelegt und dem Ap-felgeruch aus dem Bündel folgte das Moschustier getreulich. Nur eben konnte es nicht so schnell kreuchen, wie das Nasentier säbeln und so kam es erst just in jenem Momente an.
Alles war gut im Sternenhaushalt – nur die Augenringe von Papa Stern sprachen von noch ande-ren Dingen, mit denen das Sternenhaushaltsglück wohl erkauft werden muß. Und das jeden Tag im Lande Irgendwo aufs neue. Das Nasentier ahnte es wohl. Das Moschustier hingegen ahnte ganz andere Dinge. Langjährige Moschustierlebenserfahrung nämlich sagte ihm, dass Mamas, Papas, Nasen – und andere Tiere, welche deutliche Zeichen von verschiedenster Anstrengung trugen sehr begierig nach kosmetischen Dingen waren. Das galt besonders für Augenringe!
Und schon ging es los.
„Oh, sieh da, ein Moschustier.“, rief Papa Stern beglückt mit deutlichen Anzeichen von Begehrlich-keit in den Augen. Das Moschustier überlegte ernsthaft, ob es wohl besser schnellstmöglich hin-fortkreuchen sollte. Wenn da nur nicht dieser Apfelduft wäre. Wenn er doch nicht wäre, wenn er ...
„Darf ich mal kurz?“, fragte Papa Stern kurz und dann war es auch schon zu spät fürs Moschus-tier. Denn schon bemerkte es, wie sein Körper sanft zur Spirale gedreht wurde und es ein paar Tropfen vom Gutriechsaft absonderte. Ob es nun wollte oder nicht.
‚Würdelos und ohne jede Tugend ist es, behandelt zu werden wie ein Waschlappen.’, dachte es trübsinnig und betrauerte sein Los ein wenig. Doch nicht mehr lange sollte das Moschustier grummelige Gedanken hegen und pflegen, denn bald schon schob sich ein Gegenstand in sein Gesichtsfeld. Und dieser Gegenstand war rund und löschte mit seinem Geruch alle Bitternis im Moschustiergemüt aus. Denn dieses war ein Apfel in Papa Sterns Hand und dieser Apfel war ein-deutig fürs Moschustier bestimmt. So jedenfalls dachte das Moschustier und so handelte es, in-dem es den Apfel packte, in eine ruhige Ecke kreuchte und zu schmatzen begann.
Doch hinfort vorerst mit solchen Berichten, denn nun war es am Nasentier, zu erzählen– von sei-ner Reise und von allem, was es erlebt hatte.
Und das tat das Nasentier, wie es seine Art war – mit tausenden Worten und noch mal tausend dazu. Es erzählte vom alten, geheimnisvollen Mann, vom grauen Labyrinth, den bunten Türen und auch dem Entilein und wie traurig es war, als Entilein und Nasentier verschiedene Wege gehen mussten. Auch vom Schlangenring erzählte das Nasentier und da hatte es eine Idee. Alsgleich sprach es zu Papa Stern:
„Was der Schlangenring macht und wie er funktioniert, habe ich dir erzählt. Willst du mal probie-ren, was er dir zeigt?“
Papa Stern überlegte hin. Papa Stern überlegte her. Und schaute Mama Stern an und die sagte:
„Warum nicht?“
Gesagt, doch ehe es noch getan werden konnte, kam aus dem abgelegenen Gemach fröhliches Gegecker. Das kleine Sternchen war erwacht und schon stürzte Mama und Papa Stern und auch das Nasentier hinterdrein zum Sternchen. Und das lag da und grinste. Und sah Mama und Papa Stern dabei sehr ähnlich und an.
Und Papa Stern steckte sich den Schlangenring an einen Finger und drehte dreimal, wie es Schlangenringvorschrift ist. Dann sah er angestrengt und spähte nach den Dingen, die es zu erbli-cken galt. Nach einen kurzen Moment aber nahm er den Schlangenring vom Finger und reichte ihn dem Nasentier zurück.
„Der ist bestimmt kaputt. Ich sehe nichts Außergewöhnliches, wie man es von einem Zauberring erwarten könnte.“
„Was hast du denn gesehen?“, fragte das Nasentier.
„Nun, das, was hier ist.“, antwortete Papa Stern, „Mama Stern und das kleine Sternchen ganz viel. Ein bisschen Nasentier noch, den Sternenhaushalt. Diese Dinge.“
Da fing das Nasentier an zu grinsen, dass die Nase bald abfallen sollte und Mama Stern grinste mit, denn sie verstand noch eher als Papa Stern, dem alsgleich ebenfalls die Nase abfallen wollte vor Grinsen, als auch er verstand.
„Gut, gut.“, sprachen alle und das Sternchen geckerte fröhlich dazu. Dann säbelte das Nasentier zurück auf seine Wiese. Einmal nur drehte es sich grinsend kurz noch um, denn das konnte es sich dann doch nicht verkneifen:
„Sag, Papa Stern,“, fragte es, „Hast du mit dem Schlangenring etwa auch dein Schätzholz gese-hen?“
Papa Stern kratzte sich am Kopf. „Aus den Augenwinkeln und am Blickfeldrand vielleicht. So et-wa?“
Noch einmal grinsten alle, dann war das Nasentier verschwunden.
‚Schon wieder!’, dachte das Moschustier, denn zwar war das Nasentier verschwunden, der Apfel-geruch aber noch nicht ganz. Bevor dieser aber sich vollständig in Luft auflöste und nicht mehr zu riechen war, mußte das Moschustier handeln. Dieses nämlich ist Moschustierschicksal, dieses ist der wahre Sinn des Moschustierlebens. So jedenfalls dachte das Moschustier und so handelte es, wenn auch wiederwillig. Denn sehr vollgefressen war es von lauter Apfel. Doch letztlich hilft alles nichts: Will die Apfelquelle schmählichst entfleuchen, muß man schleunigst kreuchen – und zwar hinterher!

Auf seiner Wiese lag es dann auf dem Federfell und fütterte das Moschustier mit Apfelstückchen, denn dieses war vom vielen Hinterherkreuchen sehr erschöpft und schon wieder genauso hungrig. Während das Nasentier dem Moschustier nun Stück um Stück des Apfels in den Rachen warf überlegte es, wie es denn nur so weit kommen konnte – damals im grauen Labyrinth und mit dem Entilein. Nicht über die weißen Flecke auf der letzten Tür dachte es nach, sondern über die schwarzen Anteile. Immer wieder und immer wieder und es kam zu keinem anderen Ergebnis, als immer wieder dem selben:
Des Nasentiers Dinge und wie es diese getan hatte – daran konnte es nicht unbedingt liegen. Es blieb nur eines: Das Sprechen! Das Sprechen hatte das Nasentier wohl nicht beherrscht. Zu viele Worte, wo weniger mehr gewesen wären. Unwichtige Worte, wo andere wichtiger wohl waren. Zu oft die falschen Worte zur richtigen Zeit und die richtigen Worte zur falschen Zeit.
‚So etwa!’, resümierte das Nasentier und einen Augenblick später beschloss es die Dinge, die es nun tun wollte.
Und diese Dinge waren: Das Nasentier beschloss, das Sprechen zu lernen. Es wollte ausziehen, es wollte, um das Sprechen zu lernen und es wusste auch schon wo.
Zum sehr weisen Brillentier wollte es säbeln, das da auf einer anderen Wiese lebte und dort Scha-fe hütete. Zum Brillentier, das Schafe hütete und fast niemals lachte! Denn wo, wenn nicht dort konnte man richtiges Sprechen lernen? Nirgend anders sonst – so des Nasentiers Antwort, die es sich selbst gab.
Das Brillentier also, das sehr weise. Und das so genannt wurde, weil es eine sehr große Brille im-merzu trug.
Und diese sehr große Brille trug es immerzu, damit es die Welt schärfer betrachten konnte.
Und Schafe hütete das Brillentier auf seiner Wiese, weil Schafe hüten eine sehr einfache Aufgabe war. Man brauchte nur ein paar Ziegen unter die Schafe zu mischen, damit diese den Schafen zeigten, was sie tun sollen, sowie ein Hundetier, welches immerzu um die Schafe herumlief, um sie beieinander zu halten.
Schafe hütete das Brillentier also, weil es wenig zu tun gab beim Schafe hüten und es so viel Zeit hatte, über die Dinge, welche es mit der scharfen und sehr großen Brille betrachtet hatte, nachzu-denken. Damit nämlich wurde das Brillentier weise und immer weiser.
Warum das Brillentier fast niemals lachte – das vermochte keiner zu sagen, und so auch das Na-sentier nicht. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.

Und wenn das Nasentier nicht gestorben ist, dann wird es wohl, dann wird es wohl ... ja was wird es dann eigentlich? Nun, bei näherem Nachdenken vermag das wohl auch keiner zu sagen, und so auch das Nasentier nicht. Aber erleben wird es das Nasentier und dann soll sie erzählt werden, die Geschichte.

Derweil aber war eine Wiese mitten im Lande Irgendwo.
Und auf dieser Wiese saß das Nasentier auf dem Federfell.
Und auf dem Schoß des Nasentiers saß das Moschustier und schnurrte und fraß Apfel.

Und das Nasentier streichelte das Moschustier und wurde ein wenig weniger traurig dabei.
Und dann dachte das Nasentier an seine unverstopfte Nase.
Und dann daran, dass das Federfell die Nase auch weiterhin vor Schnupfen bewahren würde.

Und dann rührte etwas an des Nasentiers Herz und es wünschte dem Entilein in Gedanken alles Gute und bemerkte dabei, wie das Traurigsein verflog und ...

... der Schlangenring an des Nasentiers Kralle glitzerte dazu ...

Impressum

Texte: ...und die Nase soll dir langgezogen werden aufs Erbärmlichste und auch ein Bein Dir hinterhältig gestellt werden, auf das du lang hinschlägst in den Staub, so du missbräuchlichen Miss-brauch treibst mit jenen Ergüssen!... Druck und Bindung: SKÜB Jena  2000 Gabriell Wundersam
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

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