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In dem Lande Irgendwo, da war ein großer Wald, und der umarmte eine Wiese, die sich genau darin befand. Diese erstreckte sich in sanften Wellen, in kleinen Senken und leichten Hügeln. Die große Sonne am Himmel beschien die Gräser, Sträucher, Blumen, und vielerlei Getier tummelte sich dort. Der Wind, der alte Gesell, umstrich mal mit leisem, mal mit lauterem Gepuste diese kleine Welt und freute sich an ihr.
In einer kleinen Senke hatte sich eine große Menge Gänseblümchen angesiedelt und heimisch gemacht. Dort genossen sie ihr Leben, verankerten ihre Wurzelstöcke fest im Erdreich, ließen sich von der großen Frühlings - und Sommersonne bescheinen und wuchsen so vor sich hin.
Ein Mamapapagänseblümchen hielt sehnsuchtsvoll Ausschau nach den Bienen, den fleißigen Arbeiterinnen, denn die Zeit erschien ihm reif, um kleine Gänseblümchen in die Welt zu setzen. Also legte es seine weißen Blütenblätter besonders schön, öffnete seinen Blütenkelch und duftete so verlockend es nur konnte - um zu gefallen.
Nicht lange mußte es warten, da summselte ein Bienchen heran, beschaute und beroch das Mamapapagänseblümchen und befand es als genehm. Also machte es sich ans Werk, krabbelte im Blütenkelch umher und befruchtete das Mamapapagänseblümchen mit seinen Beinchen, an denen Pollen klebte. Dann senkte es sein Rüsselchen in den Kelch, um als Lohn den Nektar aus den Tiefen zu saugen.
Wonniglich erschauerte das Mamapapagänseblümchen und das Bienchen flog von hinnen oder von dannen.
Naja, ist ja auch egal wohin, denn das Mamapapagänseblümchen war’s zufrieden, spürte es doch die lebendigen Samenkörner in sich. Dem Bienchen hingegen schmeckte der süße Nektar sehr gut.
Der alte, ehrwürdige und sehr weise Wind beobachtete das Geschehen, denn er konnte überall gleichzeitig sein und die Ereignisse in der kleinen Welt beschauen.
So besann er sich denn beim Anblick des Mamapapagänseblümchens seiner alljährlichen Aufgabe und wehte etwas heftiger, um die Samenkörnchen fein zu verteilen. Gerade als er wohlgemut zu blasen beginnen wollte, hörte er ein winziges Stimmchen:
„Wind, hallo Wind, hörst du mich?“
(hier hielt sich das Nasentier gekonnt die Nase zu und lispelte mit hoher Stimme – ein begnadeter Stimmenimitator!) .
„Wer spricht da und wo?“, fragte der Wind erstaunt.
(dunkel tönte es aus dem Bauch des Nasentiers)
„Ich, na ich hier unten!“
„Wo, was, wie?“ Der Wind war leicht verwirrt.
„Na hier, genau in deinem Gepuste!“, rief das winzige Stimmchen mit leichter Ungeduld.
Da schaute der Wind ganz genau hin und erkannte im Blütenkelch des Mamapapagänseblümchens ein Samenkörnchen, das sich mächtig groß machte, um gesehen zu werden und sich gestikulierend um sich selber drehte.
„Ah, du bist das also!“, sprach der Wind. „Und was möchtest du? Wegpusten muß ich dich doch jetzt, damit du wachsen kannst!“
„Ich weiß, ich weiß“, antwortete das Samenkörnchen altklug, „aber ich möchte dich doch bitten, daß du mich dort nach oben auf diesen Hügel bläst, der ein klein wenig höher ist als all die anderen. Mitten in den grünen vierblättrigen Klee hinein. Ach bitte!“
(mit großer Geste wies das Nasentier auf einen Haufen Erde – nicht nur Stimmemimitator, nein, auch das genuine Schauspieltalent steckt im Nasentier)
„Das kann ich wohl tun,“, sagte der Wind, wurde daraufhin aber sehr nachdenklich.
„Aber du mußt wissen, daß du dort zwar mehr beschauen kannst als andere Gänseblümchen, auch wächst du schöner, weil Sonnenstrahl und Regentropfen dich besser erreichen, aber du wirst eher verblühen als die anderen!“, gab der Wind zu bedenken. „Magst du noch immer?“
(bedenkliches Kopfwackeln beim Nasentier, dann Nase zu)
„Ja, ja, dies und nichts anderes sonst. Verblühe ich auch eher, so ist das Leben vorher doch schöner!“, sprach das Samenkörnchen und glänzte begeistert.
„So sei es denn.“, grummelte der Wind in seinen langen weißen Bart, holte tief Luft und blies das Samenkörnchen vom Blütenkelch in die Lüfte auf den Hügel zu.
(wildes, sinnloses Gestikulieren jetzt, mit beiden Pfoten)
Das Samenkörnchen überschlug sich viele Male, auf das es ihm gar übel schwindlig wurde. Wie wird mir denn?, dachte es gerade noch, aber da fiel es schon mit unhörbarem bums mitten in den vierblättrigen grünen Klee auf die Erde des ersehnten Hügels.
Dem Samenkörnchen allerdings kam dies wie ein ohrenbetäubendes Krachen vor und es hielt sich alsgleich an einer Erdkrume fest und überlegte, ob es denn jetzt brechen müßte oder nicht. Gar zu schlecht war es ihm noch vom Schwindelflug. Dann aber entschied sich das Samenkörnchen nicht zu brechen, wollte es doch nicht gleich seine neue Heimat dreckig machen. Froh war es nun also und beschloß zu wachsen und zu gedeihen.
Die große Sonne beschien das Samenkörnchen, der Regentropfen tränkte es, und so bildeten sich alsbald Stengel, Blätter, Blütenkelch, Blütenblätter und kleine Wurzelchen, mit denen sich das kleine Gänseblümchen im Boden verankerte, so fest es nur immer konnte.

*

Die Zeit ging ins Land, und aus dem Samenkörnchen auf dem Hügel, der sich etwas höher als die anderen erhob, war längst ein hübsches Gänseblümchen geworden. Es war ganz glücklich und zufrieden, fühlte sich nur etwas einsam und allein, denn seine vielen Geschwister hatte der Wind in eine Senke weitab vom Hügel geweht.
Das ist eben der Preis dafür, daß ich so viel sehen kann und so schön gewachsen bin, dachte das Gänseblümchen. Ich werde schon einen Freund finden. Vielleicht frage ich die kleine Ameise, die meinen Stengel immer so schön krabbelt?
Just in dieser Zeit schickte die große Sonne am Himmel einen ihrer unzähligen Sonnenstrahlen aus. Dieser war besonders groß und lang und warm. Er erreichte die Wiese und sah das Gänseblümchen auf dem Hügel.
„Oh, was bist du doch für ein wunderhübsches Gänseblümchen!“, sagte der Sonnenstrahl.
(der Finger steckte in einem Nasenloch, das Ergebnis: wundervolles näseln – Stimmenimitator, begna...nun, wir sagten es schon)
Das Gänseblümchen, hocherfreut ob solchen Sprechens, streckte gewaltig seinen schmächtigen Stengel, legte die weißen Blütenblätter extra für den Sonnenstrahl besonders schön und sagte:
„Und du bist so lang und groß und besonders warm. Auf dich habe ich schon lange gewartet. Willst du mein Freund sein?“
(heftiges Klappern mit den Augenliedern beim Nasentier, Begehrlichkeit mimend)
Glücklich antwortete der Sonnenstrahl: „Ja, ja!“ und legte sich in einer zärtlichen Spirale um das Gänseblümchen.
Doch dann erinnerte er sich schmerzlich daran, daß er ja ein Sonnenstrahl war.
(Finger ins Nasenloch)
„So gern möchte ich dein Freund sein, Gänseblümchen. Aber ach! Als Sonnenstrahl muß ich dich doch wärmen, und während ich dich wärme, vergehe ich, um von der großen Sonne erneut ausgeschickt zu werden. Wir können uns immer nur kurz sehen. Und vielleicht schickt die große Sonne mich das nächste mal auch ganz woanders hin. Etwa zur alten Kiefer dort, um ihr die Zapfen zu wärmen und das Moos zu trocknen.“
Da wurden beide ganz traurig und wollten gerade Abschied voneinander nehmen, als dem Gänseblümchen plötzlich eine Idee kam.
„Frag doch den Wind, den alten Gesellen. Vielleicht kann er dich zu einer kleinen Sonne machen, so wie er mich auf diesen Hügel geweht hat. Dann kannst du immer und nur für mich scheinen, und ich will dann immer und nur für dich ganz besonders schön blühen.“
„Das ist eine prächtige Idee, Gänseblümchen.“, frohlockte der Sonnenstrahl. „Ganz genau so wollen wir es machen.“
Gesagt, getan.
Der Wind hörte sich den Sonnenstrahl mit nachdenklichem Gesicht an.
„Das ist wohl möglich, Sonnenstrahl. Als kleine Sonne kannst du prächtig für das kleine Gänseblümchen scheinen und dich an seinen weißen Blütenblättern erfreuen. Das können die anderen Sonnenstrahlen nicht. Aber du wirst nur für begrenzte Zeit scheinen und irgendwann mußt du dann verlöschen. Als Sonnenstrahl würdest du immer wieder neu erschaffen und nie verlöschen.“, gab er ihm zu bedenken. „Magst du das wirklich und noch immer?“
„Ja, ja, das und nichts anderes sonst. Scheine ich wohl nicht ewig, so lebe ich doch schöner.“, antwortete der Sonnenstrahl entschlossen und legte sich begeistert zu einer doppelten Spirale um das Gänseblümchen.
Da holte der Wind tief Luft und pustete den Sonnenstrahl zu so vielen Spiralen und Ellipsen, bis diese sich zu einem kleinen Knäuel verstrickten, verknoteten und verwirrten.
Dem Sonnenstrahl wurde es ganz schwindlig ob der vielen Umdrehungen.
Wie wird mir denn? dachte er und bemerkte, daß er nicht verging wie sonst, sondern zu einer kleinen Sonne geworden war. Da war die frischgebackene kleine Sonne ganz glücklich, obwohl es ihr auch recht schlecht ging vor Schwindel und sie überlegte, ob sie wohl jetzt brechen müßte oder nicht. Aber sie brach nicht, wollte sie doch nicht gleich vor dem Gänseblümchen, ihrem besten Freund, ein schlechtes Bild abgeben. Alsdann beschloß die kleine Sonne, fortan und mit allen Kräften besonders schön zu scheinen.

*

Wieder ging einige Zeit ins Land ...

Die kleine Sonne schien sehr schön und warm für ihr Gänseblümchen und das Gänseblümchen blühte sehr schön für ihre kleine Sonne und verströmte warmen Duft für sie. Die beiden waren wirklich herzensgute Freunde und hatten sich ganz doll lieb. Die anderen Gänseblümchen weitab in der Senke beneideten ihr Geschwisterchen um sein Glück und die Sonnenstrahlen wären am liebsten auch kleine Sonnen geworden, wenn sie sich doch nur getraut hätten.
Eines Tages begab es sich, daß die kleine Sonne vom vielen scheinen recht erschöpft und müde geworden war und sich deshalb eine Wolke vors Gesicht zog, um sich hinter ihr auszuruhen und ein wenig mit ihr zu plauschen.
Als das Gänseblümchen merkte, daß es auf einmal Schatten wurde, rief es der kleinen Sonne zu:
„He, was ist denn? Warum scheinst du nicht wie sonst? Ich habe doch nichts Böses getan?“
„Nein, hast du nicht, liebes Gänseblümchen, aber ich bin doch recht erschöpft vom vielen Scheinen, möchte nur kurz ausruhen und dabei ein wenig mit der Wolke plauschen.“, sagte die kleine Sonne.
„Das verstehe ich nicht“, antwortete das Gänseblümchen. „Ich blühe doch auch immer schön für dich. Los, scheine wieder!“
„Ach, gedulde dich doch, liebes Gänseblümchen! Nur etwas ausruhen und plauschen noch.“, sprach die kleine Sonne.
(das Nasentier legte das Gesicht in Falten und ließ die Nase zu Boden hängen, während er sie gleichzeitig zuhielt)
„Dann eben nicht! So, und das hast du nun davon!“
Beleidigt war nun das Gänseblümchen und ließ sauer seine Blütenblätter hängen.
Nach einiger Zeit war die kleine Sonne genügend ausgeruht, hatte mit der Wolke genügend geplauscht und schien wieder wie sonst. Das Gänseblümchen grummelte noch einige Zeit vor sich hin, aber dann besann es sich, und die beiden waren wie immer herzensgute Freunde und hatten sich ganz doll lieb.

Dann , eines Tages, begab es sich, daß die kleine Ameise mit einem mal ausblieb, die den Stengel des Gänseblümchens jeden Tag so wonniglich kitzelte, auf daß es eine Gänsehaut bekam. Auch war das Kitzeln nötig, damit die Feuchtigkeit aus dem Erdreich besser von den Wurzeln zu den Blütenblättern gelangen konnte.
Die Ameise war wohl anderswo hingegangen, um sich zu sonnen und mit den anderen Ameisen zu spielen. Da war das Gänseblümchen traurig und ließ die Blütenblätter hängen.
Die kleine Sonne bemerkte das und fragte:
„He, Gänseblümchen! Was ist mit dir los? Warum läßt du traurig die Blütenblätter hängen? Ich hab doch gar nichts Böses getan und scheine schön und warm für dich wie immer.“
„Ja, das stimmt, liebe kleine Sonne.“, sagte das Gänseblümchen. „Es ist nur so, daß die kleine Ameise, die sonst so wonniglich meinen Stengel kitzelte, heute einfach nicht gekommen ist.“
„Das verstehe ich nicht.“, sagte die kleine Sonne. „Los, blühe wieder schön für mich!“
„Ach, hab etwas Geduld, liebe kleine Sonne. Nur noch ein wenig traurig sein, dann werde ich wieder wie sonst blühen.“, rief das Gänseblümchen zurück.
(Nase nach unten und ein Finger ins Nasenloch)
„Dann eben nicht! So, und das hast du nun davon!“ Beleidigt war jetzt die kleine Sonne und zog sich sauertöpfisch eine Wolke vors Gesicht.
Da wurde das Gänseblümchen ganz böse:
(dem Nasentier quollen fast die Augen aus dem Kopf, alles nur um den Ärger möglichst lebensecht zu gestalten – welch glänzendes Gebaren!)
„Du wolltest damals auch ausruhen und plauschen und hast dir deswegen eine Wolke vors Gesicht gezogen, und ich habe doch da schön geblüht! Du hast mich bestimmt nicht mehr lieb... und überhaupt.“
Die kleine Sonne schrie zurück:
(ganz rot das Nasentier jetzt im Gesicht)
„Und du bist traurig wegen einer kleinen Ameise und brauchst ihr Krabbeln und Kitzeln! Du hast mich bestimmt nicht mehr lieb... und überhaupt.“
Und so stritten sie sich gewaltig und immer mehr.
Da höhnten die neidischen Gänseblümchen aus der Senke und die Sonnenstrahlen in der Luft:
(mit dem Mute, der an Todesverachtung grenzte, steckte sich das Nasentier einen Finger in den Hals bis die Stimme nur ein Krächzen noch war, dabei versuchte es außerdem gleichzeitig einen Mundwinkel verächtlich nach unten zu ziehen – alles andere als einfach: große schauspielerische Leistung, begnadet, genuin, etc.)
„Seht ihr, wir haben doch gleich gewußt, daß ihr beiden Verrückten auf dem Hügel da oben niemals nicht lange glücklich sein werdet. Das habt ihr nun davon! Ätsch! Hi hi! Und dafür habt ihr auch noch auf langes oder gar ewiges Leben verzichtet. Das ist eben der Lohn für eure Unvernunft! Ätsch!“
Auf einmal wurden Gänseblümchen und kleine Sonne ganz still, weil sie weinen mußten. Es war nämlich gar zu traurig, den anderen traurig zu sehen. Außerdem war es auch traurig, von den anderen verhöhnt zu werden.
„Liebe kleine Sonne, du hast recht und ich entschuldige mich.“, schluchzte das Gänseblümchen. „ Du bist mein herzensguter bester Freund und ich habe dich ganz doll lieb und überhaupt.“
Mit tränennasser Stimme stammelte die kleine Sonne:
„Du hast auch recht, liebes Gänseblümchen, und ich entschuldige mich auch. Und du bist mein herzensguter bester Freund und ich habe dich ganz doll lieb und überhaupt.“
Da war alles vergessen und vergeben. Die kleine Sonne und das Gänseblümchen waren wie sonst, wurden von den anderen beneidet ob ihres Glücks und beschlossen, sich nie wieder zu streiten.

*

„Wenn wir uns nicht mehr streiten wollen, müssen wir etwas tun.“, überlegten beide gemeinsam.
(schwierigste aller Übungen – sprechen im Chor: sich gleichzeitig ein Nasenloch und die ganze Nase zuzuhalten – doch auch das gelang, wenn auch unter Mühen)
„Es darf keine Wolke und keine kleine Ameise mehr geben, dann haben wir auch überhaupt keinen Grund zu streiten. Wollen wir den Wind fragen, ob er uns helfen kann?“, fragte das Gänseblümchen die kleine Sonne.
„Oh ja, das machen wir! Und wenn wir uns dann nicht mehr streiten, ist immer alles schön.“, antwortete die kleine Sonne überzeugt.
Und beide waren glücklich und begeistert wegen ihrer Klugheit.
Also erzählten sie dem Wind, was sie beschlossen hatten und baten ihn um Hilfe.
Der Wind bekam große, tiefe Sorgenfalten, und antwortete den beiden dann recht unwirsch:
„Nun gut, ich will euch helfen, aber mir scheint, ihr wollt das eine ohne das andere. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.“ Dann holte er tief Luft und blies die kleine Ameise und die Wolke weit fort. Als dies geschehen war, hörte er auf zu wehen und legte sich schlafen. Kein Lüftchen regte sich mehr.
Die kleine Sonne schien fortan immer sehr schön und warm für ihr Gänseblümchen, und das Gänseblümchen verbreitete warmen Duft und blühte sehr schön für seine kleine Sonne. Beide waren sehr glücklich.
(begehrliche Blicke jetzt beim Nasentier, etwas übertrieben, aber bestens geeignet die Worte zu untermalen)
Obwohl, insgeheim fehlte der kleinen Sonne ihre Wolke doch, die sie ja auch ganz gern sah. Aber für ihr Gänseblümchen beherrschte sie ihr Verlangen, denn niemals wieder wollte sie sich streiten und hatte ihr Gänseblümchen auch ganz doll lieb.
Das Gänseblümchen dachte manchmal heimlich an ihre kleine Ameise, die sie ja auch ganz gern hatte, denn gar zu wonniglich krabbelte und kitzelte die seinen Stengel. Aber für die kleine Sonne beherrschte es sein Verlangen, denn es hatte sie ganz doll lieb und wollte auch nie und nimmer mehr streiten.
Irgendwann im Plauschen erzählten sie sich von ihren heimlichen Wünschen und freuten sich über ihre Ehrlichkeit und daß sie gar nicht stritten, stellten sie doch fest, daß es ihnen beiden genauso erging.
„Ich hab dich lieb.“, sagte das Gänseblümchen zu ihrer kleinen Sonne.
„Ich dich.“, sagte die kleine Sonne zu ihrem Gänseblümchen.
„Hauptsache, wir haben uns. Alles andere ist überhaupt nicht wichtig.“, sprachen beide, waren glücklich und wurden von den anderen darum beneidet.
(hier stand das Nasentier eng umschlungen – von den eigenen Armen)

Der Wind, der alte Gesell, indes wehte nicht, schlief und kein Lüftchen regte sich.

Nach langer Zeit des Glücks bemerkte das Gänseblümchen, daß seine Blütenblätter sich einzurollen begannen. Immer trockener wurden sie, weil die Wurzeln im Erdreich kaum noch Feuchtigkeit fanden und keine Ameise den Stengel kitzelte, damit die Feuchtigkeit besser zu den Blütenblättern gelangte. Die kleine Sonne hingegen stellte fest, daß ihre Leuchtkraft immer mehr abnahm, denn sie konnte sich ohne Wolke nicht mehr ausruhen.
(mit verlöschender Stimme sprach nun das Nasentier und bewegte sich mit seltsam schwankenden Schritt um das Knuddeldingsbums, die Zunge hing aus dem Hals)
„Gänseblümchen, ich will mit aller Kraft für dich scheinen. Aber nun scheine ich immer weniger, weil ich mich nicht hinter der Wolke ausruhen kann. Sei mir nicht böse - ich versuche alles, aber es geht nicht.“
„Ich versteh dich gut, liebe kleine Sonne. Ich will auch für dich blühen mit aller Kraft. Aber nun vertrockne ich, weil meine Wurzeln keine Feuchtigkeit mehr finden und keine Ameise meinen Stengel kitzelt.“
Da fiel es beiden wie Schuppen aus den Haaren und wie Schnupfen aus der Nase. Die Wolke und die kleine Ameise fehlten ihnen - die Ameise zum Stengelkrabbeln und die Wolke zum Ausruhen und Regentropfenmachen.
Jetzt bemerkten das Gänseblümchen und die kleine Sonne, daß ihre herzensgute Freundschaft zwar das Wichtigste war, aber alles andere eben nicht völlig unwichtig sein konnte. Wolke und Ameise zum Beispiel. Da wußten sie, daß zum Liebhaben auch das Streiten gehört, und sie hatten ein Einsehen, aber auch Angst, daß ihre herzensgute Freundschaft vertrocknen oder an Überarbeitung eingehen muß. Und das alles, weil sie nur das Schöne wollten.
„Der Wind, der Wind! Vielleicht kann er uns ein letztes Mal helfen und Ameise und Wolke zurückpusten. Aber er wird uns böse sein, weil wir uns für so klug hielten.“, sagten beide. „Aber wir wollten doch nur ohne zu streiten glücklich sein, weil wir uns so lieb haben.“
„Gänseblümchen, wir müssen uns Asche aufs Haupt streuen!“, sprach die kleine Sonne.
„Jawohl, das müssen wir, sonst werden wir vor der Zeit verenden. Aber wenn ich vertrocknen muß, dann werde ich nichts bereuen, denn wir haben nichts Böses gewollt.“, antwortete das Gänseblümchen.
„So ist es. Nur dumm waren wir.“, sagte die kleine Sonne. „Wenn ich auch aufhöre zu scheinen - Hauptsache zusammen!“

Da lachte der Wind, der schon längst aufgestanden war und schon eine geraume Weile zuhörte.
„So ist es recht, ihr beiden, und sterben müßt ihr nicht,“, säuselte er vergnügt und hatte große, tiefe Lachfalten im Gesicht, „denn wenn ich wehe, kommen Wolke und Ameise von ganz allein dorthin, wo sie hingehören und gebraucht werden. Drei Wünsche hattet ihr.“
(Hier bemerken wir ,daß das Nasentier mittlerweile unter Mißachtung aller Regeln des Märchenerzählens seine Geschichte spann und wir rümpfen die Nase. Wo um alles in der Welt kommen jetzt auf einmal drei Wünsche her?? Das Nasentier hatte sich wohl selbst in Feuer geredet und achtete solcherlei kleinliche Regeln in der Hitze des Sprechens gering. Mehr noch - es trat die hohe Schule des Märchenerzählens bedenkenlos in den Staub. Wenn man nicht alles selber macht! Doch sehen wir es ihm nach, vor allem da das Knuddeldingsbums derlei Feinheiten eh nicht zu interessieren schienen und lauschen weiter dem Wind und seinen verblüffenden Offenbarungen...)
„Das Samenkorn wollte auf den Hügel und der Sonnenstrahl zu einer kleinen Sonne gepustet werden. Das waren zwei. Der dritte wäre euer Verhängnis bald geworden. Doch ihr habt gelernt und erkannt. Ab jetzt lebt ohne Wünsche an mich, denn mehr als drei gewähr ich nich(t). Eure letzte Bitte ist nicht nur Wunsch, sondern hohe Aufgabe. Meine nämlich. Merkt euch das gut!“
Damit blies er wie sonst, und es erschien eine Wolke vor dem Gesicht der kleinen Sonne und warf Regentropfen auf die Erde. Das Gänseblümchen bemerkte ein wonnigliches Krabbeln am Stengel und bekam eine Gänsehaut.
„Gut gemacht, ihr beiden!“, hörten sie den Wind von fern noch rufen und wehen, dann sauste er davon, und Gänseblümchen und kleine Sonne hörten seitdem nichts mehr von ihm, fühlten nur sein Gepuste.

*

Die Zeiten vergingen (was sollten sie auch sonst tun?) ...

Das Gänseblümchen und die kleine Sonne lebten, blühten und schienen, waren herzensgute Freunde und hatten sich ganz doll lieb, und manchmal stritten sie sich auch. Aber sie waren zufrieden und glücklich und wurden von den anderen beneidet um ihr Glück.
Dann eines Tages bemerkte das Gänseblümchen, daß ihm die Blütenblätter auszufallen begannen, und die kleine Sonne schien immer weniger, ihre Leuchtkraft ließ nach.
„Liebe kleine Sonne,“, sagte das Gänseblümchen traurig, „ich glaube, unsere Zeit ist gekommen.“
„Ja, liebes Gänseblümchen, nun müssen wir wohl sterben.“, entgegnete die kleine Sonne leise.
Da lachte es aus einer entfernten Senke:
„Siehst du nun Gänseblümchen, du vermessenes Geschwisterlein, wir leben noch lange.“
„Ätsch!“, erschallte es von oben, von den Sonnenstrahlen, „Wir werden immer wieder neu, du vermessener Sonnenstrahl, der du unbedingt eine kleine Sonne werden wolltest.“
„Das ist wahr, ihr Geschwister dort weitab in der Senke.“, sagte da das Gänseblümchen, „Aber ich bereue nichts und würde alles noch einmal genauso machen.“
„Auch ihr habt recht, ihr Sonnenstrahlen dort oben, weit weg von mir.“, sagte da die kleine Sonne, „Aber ich bereue nichts und würde alles wieder tun.“
(Die Zeit war gekommen - jetzt war es am Nasentier alles was drin war mit einem mal aus sich herauszulassen. Mit beiden Pfoten fuhr es sich ins Haupthaar, auf daß es wirr nach allen Seiten stand. Mit gewaltigen Gesten und irrwitzigen Sprüngen peitschte es die Tragödie ihrem Höhepunkt entgegen. Welch unglaubliche Dramatik! Mit großen Ohren hing das Knuddeldingsbums an den schon etwas schäumenden Lippen und zitternd vor Aufregung ergriff es eine Pfote des Nasentiers und klammerte sich daran fest)
„Ich hab dich lieb, liebe kleine Sonne.“, sprach das Gänseblümchen zur kleinen Sonne.
„Ich hab dich lieb, liebes Gänseblümchen.“, sprach die kleine Sonne zum Gänseblümchen.
„Hauptsache zusammen!“, riefen beide mit letzter Kraft, dann vergingen ihre Körper.

*

(um die Wirkung noch zu vergrößern und ins Unermeßliche zu steigern ließ das Nasentier eine lange, bedeutungsschwangere Pause, ehe es weitererzählte)

Aber Wunderliches ging vor sich - ihre Sinne vergingen nicht ...

„Liebe kleine Sonne, ich bin zwar gestorben, aber ich bin noch da!!“, sagte das Gänseblümchen.
„Ich auch, aber wieso redest du mit meiner Stimme, liebes Gänseblümchen??“, antwortete die kleine Sonne.
„Wieso ich mit deiner?? Du redest mit meiner!!“
„Aber es ist doch auch meine!“
„Eben - ich merke es auch langsam.“
„Ich versteh überhaupt nichts mehr!“
„Ich auch nicht!“
(Pause, Schweigen - hochschwangerbedeutungsvoll)
„Liebes Gänseblümchen?“
„Ja, liebe kleine Sonne?“
„Komm, wir machen die Augen auf.“
„Ich trau mich nicht!“
„Na los doch!“
„Du zuerst.“
„Ich kann aber nicht!“
„Wieso nicht?“
„Du hältst mir meine Augen doch zu!“
„Was? Wieso?? Warum???“
„Los, dann mach eben deine zuerst auf!“
„Ich kann doch auch nicht!“
(Wieder Pause, wieder Schweigen; verständnislos schaute das Knuddeldingsbums. Das aber freute das Nasentier und es frohlockte, denn um so mehr mußte die überraschende Pointe einschlagen - wie Schnupfen auf dem Boden etwa, wenn das Nasentier nieste)
„Liebes Gänseblümchen?“
„Ja, liebe kleine Sonne?“
„Wir machen unsere Augen gleichzeitig auf!“
„Gut, - und hauhauruck!!!!“

Dann machten sie beide die Augen auf. Sofort wurde ihnen schwindlig, denn sie schauten von großer Höhe auf den Erdboden und hatten beide Höhenangst.
Da sahen sie einen gewaltigen Stengel mit großen grünen Blättern.
„Ach du lieber Gott, bist du groß geworden, liebes Gänseblümchen!“
„Ja, ich kann’s gar nicht fassen. Aber wo bist du, liebe kleine Sonne?“
„Na hier!“
„Wo?“
„Na hier oben!“
„Ja, bin ich denn mit Blindheit geschlagen?“
„Hier oben, liebes Gänseblümchen. Das Sonnengelbe!“
Jetzt sahen sie große herrliche, sonnengelbe Blütenblätter, die einen großen erdbraunen Blütenkorb umgaben.

„Liebes Gänseblümchen?“
„Ja, liebe kleine Sonne?!
„Ich glaube, wir sind eins geworden!“
„Das glaub’ ich auch!“
„Deshalb haben wir ein und dieselbe Stimme.“
„Ja, und wir haben auch nicht zwei oder vier Augen, sondern drei!“
„Ja, aus zwei wird eins, und aus vier wird drei.“
(Hier versuchte das Nasentier, alle Weisheit zusammenraffend und wie es seiner Art entsprach, geschickt tiefsinnigste philosophische Betrachtungen über die Urgründe allen Seins in die Geschichte einzuspinnen. Doch wie so oft verwirrte sich der Gedanke zu unentwirrbaren Knoten. Das Nasentier mußte scheitern, schaffte es jedoch sich unbeschadet aus der Affäre zu ziehen, indem es geistesgegenwärtig in normalere Formen der Kommunikation abbog)
„Hä?? - Wie jetzt???“
„Ach, ist ja auch egal...“

Auf einer Wiese, die sich in sanften Wellen erstreckte, mit kleinen Senken und leichten Hügeln, auf einem Hügel, der etwas höher war, als all die anderen, stand eine große und wunderschöne Sonnenblume.
(„schöööööön“ – das war das Knuddeldingsbums)
Sie ließ sich von der großen Frühlings - und Sommersonne bescheinen und bemerkte gerade, daß sie mit sich selber sprach.

„Gut gemacht, ihr beiden - oder sollte ich lieber du sagen?“, rief der Wind, der alte Gesell, und umwehte die Sonnenblume.
„Du kannst ja wieder sprechen, Wind!“, bemerkte erstaunt die Sonnenblume.
(das Nasentier sprach mit gereifter Stimme, nichts war mehr in ihr vom hohen Lispeln, auch hielt es sich die Nase nicht mehr zu)
„Na klar! - Neues Leben - alles neu.“
„Auch drei Wünsche, Wind?“
„Auch drei Wünsche, Sonnenblume, oder besser vier!“
„Wir - äh - ich habe erstmal keinen, schaue lieber nach den Bienchen, den fleißigen Arbeiterinnen aus, denn die Zeit ist reif dafür.“, sagte die Sonnenblume, legte ihre Blütenblätter schön und duftete so verlockend sie nur konnte.
„Gut gemacht, Sonnenblume!“, rief der Wind und sprang im Sauseschritt von hinnen oder von dannen.
Ist ja auch egal, wohin, denn just in jenem Augenblick nahten drei Bienchen, senkten sich in den Blütenkorb, krabbelten herum und befruchteten die Sonnenblume mit ihren Beinchen, an denen Pollen klebte. Sie tauchten ihre Rüsselchen in die Tiefen und saugten zum Lohn den Nektar. Gleich dreimal erschauerte die Sonnenblume wonniglich.“

Das Nasentier hörte auf zu sprechen. Die Geschichte war ja nun auch fast zuende und gerade bemerkte es, daß das Knuddeldingsbums eingeschlafen war. Mitten auf dem Fell lag es da und hielt noch immer die Pfote des Nasentieres fest umklammert.
Als das Nasentier sich niederbeugte, sah es das glückliche Lächeln auf dem Gesicht des Knuddeldingsbums. Da wallten warme Gefühle in ihm auf und ganz vorsichtig legte es seine Nase um das Knuddeldingsbums und seinen Kopf auf das äußerste Ende vom Fell. Um nichts in der Welt wollte das Nasentier den Schläfer wecken, sondern lieber (sehr, sehr spät war schon der Tag) gleich mitschlafen. Das neue Sternchen wird wohl noch im Bauche von Mama Stern schlafen - das Fass wird wohl noch halten, beruhigte es sich selbst.
Leise flüsterte es dem Knuddeldingsbums die letzten Worte des Märchens ins Ohr:

„In der Ferne sang der Wind sein Lied dazu, umstrich mal mit leisem, mal mit lauterem Gepuste diese kleine Welt in dem Lande irgendwo und freute sich an ihr.“

Dann schlief es ein und begann auch gleich zu träumen.
Von zwei trockenen Streuselkuchen etwa, die so gern ein Stück Apfeltorte werden wollten und derlei bunten Bilder mehr.

Impressum

Texte: ...und die Nase soll dir langgezogen werden aufs Erbärmlichste und auch ein Bein Dir hinterhältig gestellt werden, auf das du lang hinschlägst in den Staub, so du missbräuchlichen Miss-brauch treibst mit jenen Ergüssen!... Druck und Bindung: SKÜB Jena Copyright © 2000 Gabriell Wundersam
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2010

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