Prolog:
Nicht alles ist so wie es scheint.
Sie gehört nicht hierher, sie gehörte nie in diese Welt, aber sie ist ein Teil meiner Welt. Ein Teil dieser Welt.
Sie kam von wo anders, sie kam in mein Leben, veränderte alles, brachte alles durcheinander. Sie machte mich wütend und wieder glücklich. Ich konnte sie wie ein Buch lesen. Ihre Gedanken, Träume, Sehnsüchte einfach alles, doch blieben mir die meisten verborgen.
Jetzt muss ich mich entscheiden ob ich zu ihr halte, oder ob ich mich gegen sie entscheide. Wenn ich ihre Hand loslasse würde ich sie für immer verlieren, doch sie fest zu halten würde mich mein Leben kosten. Ich muss mich meinem Schicksal stellen, denn die Entscheidung stand schon fest als wir uns das erste Mal sahen.
Vorgeschichte:
Sie ließ sich auf die Knie fallen und fing an zu weinen. Ihre Schultern zuckten
und ihr Schluchzen glich einem verzweifelten Laut eines verwundeten Tiers. Ihr silbernes Kleid war nicht mehr das was es einmal zu sein schien- es war verdreckt und ein Riss, der sich von der Taille bis zum Rand des Kleides durchzog, machte den Anblick noch schlimmer. Die Rubine und Diamanten, die es geschmückten, hatten jedes Licht und Funkeln verloren, das vorher in ihnen gesteckt hatte. Das Kleid das einmal prachtvoll gewesen sein musst war nun zum Gegenteil verunstaltetet worden. Von der ganzen Verfolgungsjagd der Dunkelelfen, die versucht haben sie zu töten war ihr sonnenklares Haar ganz zerwühlt und hatte jenes Leuchten und Strahlen verloren. Ihre Tränen
liefen ihr wie flüssiger Sonnenschein über die Wangen. Er konnte es kaum ertragen sie in diesem Zustand zu sehen. Ihm war genau so zumute wie ihr, doch er musste sich zusammenreißen, denn sie sollte sich nicht auch noch um ihn Sorgen machen müssen. Er ließ sich langsam zu ihr nieder und musterte sie schweigend.
>>Glaubst du sie werden sie finden? << schniefte sie schließlich und sah in mit
einem Blick aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung an. Ihn machte es verrückt wenn sie ihn so ansah. Er biss sich auf die Unterlippe. >>Nein, sie werden sie nicht finden- niemals!! Wir haben alle Spuren verwischt und die Dunkelelfen auf eine falsche Fährte gelockt...<<er sah ihr in die Augen und strich ihr ganz leicht über ihr Haar, das sich wie ein kühler Windhauch anfühlte>>...sie können sie nicht finden und das werden sie auch nicht. << Er lächelte ihr aufmunternd zu
und hielt ihr ein mit Samt besticktes Taschentuch vor, damit sie sich die verzweifelten Tränen wegwischen kann.
Sie nahm es entgegen wischten sich die tränennassen Augen ab und strichen ein paar verschwitzte Haarsträhnen aus dem durchnässten Gesicht. >>Ich glaube das wirst du nicht mehr verwenden können! << Sagte sie überraschend ruhig und drückte ihm das bestickte Tuch in die Hand.
>>Ach was, das kann man zum trocknen in die Sonne legen und dann noch einmal verwenden<< >>Falls es bis dahin überhaupt noch eine gibt<<
>>Alles ist gut, unsere Tochter ist in Sicherheit, sie wird die Prophezeiung erfülle und das Gesamte Königreich vor den Dunkelelfen retten. Das verspreche ich dir! << Flüsterte er ihr ins Ohr, als ob er Angst hätte jemand könne ihn hören. >>Ja sich ist noch in Sicherheit- Aber nur bis zu ihrem 16 Geburtstag, dann fängt der Zauber, den wir ihr angelegt haben, langsam an zu verblassen und ihr wahres ich kommt zum Vorschein. Aber sie wird nie wissen wem sie trauen kann, es werden viele versuchen ihr Vertrauen zu gewinnen, um sie dann in eine Falle zu locken und zu töten<<
Sie seufzte tief und drehte sich um, damit ihr Gemahl ihre Tränen, die erneut über ihre Wangen liefen, nicht sah. Sie wollte nicht dass er sich weiter Sorgen um sie machte, den es ging ja nicht um sie, sondern um ihre Tochter, die sie wahrscheinlich nie wieder sehen wird. >>Mach dir keine Sorgen, Sonnenschein. Sie wird 15 Jahre, im Glauben ein Mensch zu sein bei einer Familie, auf der Erde leben. Und wenn es so weit ist, wird Claire sie finden. Du weißt ja sie hat den Anhänger und nicht die Dunkelelfen. Er legte seine Arme um ihre Taille und zog sie an sich. >>Es wird alles gut, Sonnensein, das verspreche ich dir. << Flüsterte er ihr ins Ohr und drückte sie fester, bis sie seinen feuchten Atem im Nacken spürte.
Ein Löwenzahn kitzelte meine Nase so dass ich niesen musste.
Ich öffnete langsam die Augen, als könnte mich ein Bild des Grauen erwarten. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Ich richtete mich auf, neigte den Kopf etwas leicht zur Seite und betrachtete alles um mich herum:
Bunte Schmetterlinge flatterten um mich herum. Sie tanzten. Es war ein Tanz, der meine Seele brühte. Es schien fast so als wäre ich in einem Märchen, den alles um mich herum schien alles andere als normal. Marienkäfer, Bienen und andere Insekten schwirrten umher und füllten die Wiese voller Leben. Vögel sangen himmlische Lieder, die so traumhaft waren, das man das Gefühl hatte man würde hoch in die Lüfte steigen und mit ihnen davon fliegender Teich der vor einigen Tagen noch leblos war, war nun voller Leben. Die Kaulquappen, denen ich immer Lieder vorgesungen habe, sind nun zu Fröschen herangewachsen und quicken so laut, dass sie die Eichhörnchen, die noch geschlafen haben aufweckte. Warme Sonnenstrahlen wärmten meine Haut, die von der kalten Nachtluft abgekühlt war.
Das Tau nasse Gras, auf dem ich gelegen hatte war platt gedrückt, so dass man
die Umrisse meines Körpers wahrnehmen konnte. Der alte Kirschbaum, auf dem ich, beim Schlafen, den Rücken gelehnt hatte, blühte mir voller Pracht, und der Duft von den Kirschblüten lag in der Luft. Es roch nach Süße, frische und etwas wofür es keine Worte gibt. Es schien als würden die Kirschblüten wie kleine Edelsteine zur Sonne strahlen, um ihr zu zeigen wie prachtvoll sie sind. Bei diesen Gedanken musste ich schmus- zehn. Die Blumen, die ich gestern ein gepflanzt hatte, waren über Nacht gewachsen und blühten zur Sonne hinauf.
Es kommt mir fast so vor als würden sie die Sonne anlächeln und immer weiter wachsen bis die Pflanzen die selbe Höhe wie die Sonne erreichen würden, um ihr ihre Schönheit zu präsentieren. Dieser Gedanke entlockte mir ein leises Lächeln.
Ich beugte mich etwas vor, um in das trübe Wasser zu blicken und mir mein Spiegelbild an zu sehen. Meine außer-gewöhnlichen Augen leuchten wie immer in einem hellen himmelblau, die von meinen dunklen Wimpern umgeben sind, meine Lippen leuchteten Rot, wie das Feuer der Sonne. Mein schwarz- blaues Haar stand mir wirr vom Kopf, plötzlich leuchtete es in allen Regenbogen- Farben auf. Ich riss die Augen auf und rieb sie mir gleich darauf mit der Handfläche und sah mir dann wieder mein Spiegelbild an.
Das leuchten in meinem Haar war verschwunden. Das muss ich mir wohl eingebildet haben! Ich muss wohl noch nicht ganz wach sein. Ich seufzte, schloss die Augen und lies mich wieder zurück ins Gras fallen. Unzählige Gedanken durchstreiften meinen Kopf. Ich dachte über alles und jeden nach. Es waren die üblichen Gedanken die mir immer nach dem Aufwachen im Kopf hängen. Wieso sind es immer dieselben Gedanken? Sellin meint es hänge mit meinem Träumen zusammen an den ich mich angeblich nicht erinnern kann, aber wie kann man sich an einen Traum nicht erinnern? Egal was sie meint, ich denke dahinter steckt noch etwas mehr als nur ein Traum! >>Jey! << Der ungeduldige Ruf galt mir und riss mich aus meinen Gedanken. Ich schlug die Augen auf und blickte direkt in Sellis Gesicht, die mit ihren zerstreuten, wilden, roten Haar, dem verschmierten MakeUp und dem giftgrünen Morgenmantel, den sie selber genäht hatte, an Frankensteins Braut erinnerte. Bei dem Anblick musste ich grinsen. >>Und? Wie war die Party gestern Abend? <<
Fragte ich mit gespielter Neugier und versuchte verzweifelt das dämliche Grinsen aus meinem Gesicht los zu werden, das sich irgendwie festgesetzt hatte, aber es gelang mir nicht.
>>Die war einfach super genial! Du hättest auch mit gehen müssen Schwesterchen. Aber nein, du schläfst lieber im Garten, anstatt mit mir die Tanzfläche auf zu mischen und nach süßen Jungs aus schau zu halten. Und hör auf mich so dämlich an zu grinsen<< Rief sie empört als hätte ich ihr Tomatensauce in die neue Bluse gekippt, obwohl das keine so schlechte Idee wäre. >>Selli, du weist das ich eine Naturkatastrophe auf Partys bin. Ich kann nicht tanzen und ich weiß nicht einmal wie man sich dort verhält. Ich bin lieber an ruhigeren Orten und mit Jungs...<< Etwas huschte über ihr Gesicht das mich inne halten ließ. Dann grinste sie mich frech an >>Hej, was gibt’s da zu grinsen<< Die Worte klangen schärfer als beabsichtigt und ließen Selli zusammen zucken. Ihr grinse endete mit einem Kopfschütteln, das ihr rotes Haar wie Kupferdrähte schimmern ließ. >>Du weißt auch, dass du wunderlich bist, oder??<<
>>Ja, aber zumindest bin ich nicht Frankensteins Braut! <<
Sie funkelte mich böse an >>Ja das kann man verschönern und dann werden wir sehen wer von uns zwei Frankensteins Braut ist! <<Dann betrachtete sie mich mit ihren „Ich hab doch recht oder nicht“- Blick, der mich immer zum kochen bringt. Ich drehte mich augenblicklich um und wollte gehen als sie mich dann am Handgelenk festhielt. >>Sorry, war nicht böse gemeint, du weißt ja wie ich bin: Ich kann nie meine Klappe halten<<
Sie sah mich entschuldigend an. >>Schon gut, alles in Ordnung<<
Mist, wieso gebe ich immer einfach so nach? Das stinkt mich so was von an!
>>Jey,..ähm.welchen Tag haben wir heute eigentlich? << Sie sah mich mit einem
seltsamen Blick an und lächelte mich an.
Hmm...wenn ich mich nicht irre ist es...
>>Scheisse! <<Ich hab es vergessen!
Ich hab den wohl wichtigsten Tag meines Lebens vergessen. Wie kann man nur so blöd sein! Ich hab meinen eigenen Geburtstag vergessen. Mist! Mist! Mist!
>>Sag jetzt bloß nicht, du hast deinen eigenen Geburtstag vergessen!? Erst warst du nicht einmal auf deiner eigenen Geburtstagsfeier und jetzt hast du es auch noch vergessen das du heute 16 wirst! << Sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich erwartungsvoll an.
>>Oder willst du mir etwa Weiß machen, das du es gewusst hast?<<
>>Ja, oskisch gebe es zu: Ich hab's vergessen! Zufrieden?<<
>>Ich weiß nicht? Ich an deiner Stelle würde mich beeilen, zu Mums organisierter „Party“- wenn man sie so nennen kann, zu gelangen!
Ich denke sie wird nicht sehr erfreut sein dich dort nicht vor zu finden! Oder was meinst du??<< Wo sie recht hat, hat sie recht! >>Wann fängt die Feier an??<<Selli sah auf ihre Uhr, die sie von unserer verstorbenen Großmutter vererbt hatte und sah daraufhin zu mir hoch!
>>Wenn ich mich recht erinnere, dann fängt sie in 10 Minuten an! <<
>>Was! Wieso sagst du mir das nicht früher? << Ich versuchte mir eine zornige Mine an zu setzen, um sie davor zu warnen ihre verletzlichen Gedanken für sich zu behalten, um mich nicht noch wütender als ich es schon war zu machen. Was mir auch gelang, den das merkte ich an ihrem verunsicherten Gesichtsausdruck!
>>Wenn du mir schon nicht sagst, das Mum eine „Party“ veranstaltetet, dann hilf mir jetzt wenigstens aus der Patsche!<< Ich sah sie eindringlich an. Es war ein Blick der jedem Angst einflösset, das wusste ich, denn ich habe es schon einmal in einem meiner Träume gesehen. Es ist wirklich seltsam aber seit dem ich diesen Traum hatte, habe ich mich verändert...etwas ist anders an mir...aber ich weiß nicht was? Was könnte es sein das mich so verändert hat. Dieses Gefühl der Einsamkeit gibt mir keine Ruhe. Es kommt mir so vor als würde ich nicht hier her gehören, dass alles was ich mache falsch ist, doch auf irgendeine Art und Weise auch richtig. Manchmal denke ich, ich verliere den Verstand.
2.
>>Wieso hast du mir das nicht früher gesagt? Was mach ich denn jetzt!?<< Ich öffnete meine Kleiderschrank und sah in einen riesigen Kleiderhaufen, der sich zu einen großen Hügel türmte. Wo fange ich am besten an? Ich atmete noch einmal tief aus. Ich suchte und suchte, aber ich fand einfach nichts was ich zu Mum's Feier anziehen konnte. Wieso kann ich nichts finden? Was zieht man den auf einer Party an?! Ich war Rettungslos verloren. >>Schätzchen, ich hab das perfekte Outfit für dich gefunden.<< rief mich Selli in ihr Zimmer. Also war ich doch nicht ganz verloren. dachte ich zumindest doch... Ich stürmte in ihr Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen, als ich sah was sie mir vor die Nase hinhielt! Also doch nicht gerettet. Wie gesagt ich bin verloren! >>Das kannst du vergessen, so was zieh ich sicher nicht freiwillig an! <<
>>Ach komm schon! Das wird dir echt gut stehen. Glaub mir doch, du wirst super sexy aussehen! << Ich musste sie ziemlich verdattert angestarrt haben, denn sie fing an laut zu lachen. Glaubt sie wirklich ich ziehe diesen Fummel an? Das ist ja um einiges kürzer, als das T- Schiert, das ich an habe. >>Nein, kommt nicht in Frage! Keine zehn Pferde bringen mich in dieses Kleid! Und überhaupt, wer hat gesagt, dass ich sexy aussehen will?!<<
Ich will das auf gar keinen Fall anziehen! So etwas steht mir einfach nicht, das weiß ich ganz genau! >>Sorry Kleines, aber wir haben leider keine Zeit für Diskussionen oder willst du das sich Mum aufregt, weil du nicht zur Feier erscheinst? Das willst du doch nicht riskieren oder täusche ich mich? <<
Oh man, ich hasse es wenn sie recht hat. Wütend nahm ich ihr das Kleid aus der Hand und stampfte zurück in mein Zimmer. Schnell zog ich mich um und betrachtete mich im Spiegel und was ich sah gefiel mir recht gut. Ok, sie hatte recht, es sieht echt super aus! Das kann doch wirklich nicht ich sein. Das trägerlose Kleid betonte meine Kurven und durch den tiefen Ausschnitt konnte man einen Blick in mein Dekolleté werfen. Durch die Länge des Kleides kamen meine langen Beine, die ich sonst nie zeigte, gut zur Geltung. Ich holte meine grüne Schachtel, die unter dem Bett verstaut war, heraus. Ich kann nicht glauben, dass ich diese Schuhe doch noch anziehen werde. Langsam öffnete ich die Schachtel und erblickte die schönsten Sandalen die ich je gesehen habe. Sie waren Schwarz, doch wenn man sie gegen das Licht hinhielt schimmerten sie in verschiedenen Farben und eine silberne Sonne war darauf zu erkennen. Ein leises Lächeln umspielte meine Lippen.
Also war der Kauf dieses Pachtstücks doch keine Geldverschwendung gewesen!
Die Sandalen waren das Wertvollste was ich besitze, deshalb zog ich sie auch ganz vorsichtig an. Ich tappte ins Badezimmer und suchte das Schmink-Kästchen, doch finden konnte ich es nicht. Und wenn ich ehrlich bin, ich wusste nicht einmal wie das Ding aussah. Da half nur noch eins: Ich musste Selli um Hilfe bitten. Und das tat ich ungern, aber es musste sein.
>> Selli, kannst du mir mit dem Schminken helfen? Du weißt doch, ich komm mit diesem Zeug nicht gut zurecht! << bat ich meine Schwester zu mir. >> Also wirklich! Ich bin echt enttäuscht von dir! Man nennt das nicht "Zeug", sondern MakeUp, Kleines! << antwortete sie empört und holte eine pinke Schachtel hervor. Aha so sieht ein Schminkkästchen aus. Wer hätte das gedacht. >>So, und jetzt dreh dich um und setzt dich auf den Stuhl, den ich dir her geholt habe.<< Ich weiß nicht wieso, aber immer wenn mich Selli schminkte benutzte sie ganz wenig MakeUp und ich muss zugeben es sieht naher immer ziemlich gut aus. Ich musste nicht allzu lange warten, denn sie war schon fertig bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. >>So jetzt kannst du in den Spiegel schauen! << trällerte sie mir begeistert ins Gesicht. Wie immer war ich verblüfft wie gut sie das hin bekommen hatte. Meine Augen leuchteten in einem helleren blau und meine Wimpern waren noch dunkler als sonst Auf eine unerklärliche Art und Weise waren sie viel größer und magischer, was mich sehr geheimnisvoll aussehen ließ. >>Ich habe mich selbst übertroffen, du siehst einfach perfekt aus! << Verlegen lächelte ich sie an. Ich wusste dass sie recht hatte und abstreiten konnte ich es auch nicht. >>Das war ja auch zu erwarten, wenn man so eine perfekte Schwester hat! << Sie grinste mich frech an, so dass man ihre weißen Zähne aufblitzen sehen konnte. >>Ok, ok, aber jetzt los! Wir müssen uns beeilen, wir sind eh schon spät dran! << Schnell rannten wir die Treppe hinunter und gingen ins Freie. Doch etwas macht mir Sorgen, ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich jemand beobachtete und zwar seit heute Morgen. Anderes konnte ich mir die gruseligen Augen, die mir bei jeden Schritt folgten, nicht erklären. Ich hoffe ich bilde mir das alles nur ein. Doch tief in meinem inneren wusste ich es besser: Es waren die Augen aus meinen Träumen, die mich immer verfolgten, egal ob in der Nacht oder am Tag.
3.
Als ich den Saal betrat, wo die sogenannte „Party“ stattfand, überfiel mich ein Staunen, gleichzeitig aber auch Furcht, so wie entsetzten. Ich hatte mir das eigentlich ganz anders vorgestellt. Was hätte man den erwarten können, wenn die eigene Mutter eine „Party“ veranstaltet?! Also sind Wunder doch möglich. Der Raum war erschreckend schön und hässlich zu gleich. Licht flutete durch die hohen Fenster und bestrahlte die antiken Möbel und Ölgemälde meiner Vorfahren, in einem geheimnisvollen Licht. Jemand spielte auf dem alten Klavier, das meinem Vater von seinem Großonkel vererbt wurde, als er noch ein kleiner Junge war. Ich kannte dieses Stück nicht, doch kam es mir seltsam vertraut vor. Es war eine Mischung aus Träumen, Sehnsüchten und Schmerz, die sich zu einem himmlischen Lied zusammensetzten. Jeder im Saal lauschte dieser fantastischen Symphonie. Alle hatten Angst sich auch nur zu bewegen, da sie fürchteten sie könnten etwas Wichtiges dieser Melodie überhören. Das war kompletter Schwachsinn, das wusste ich auch, doch dieser Schwachsinn war die Wahrheit. Alles sah so aus, als wäre es einem Märchenbuch entsprungen, die Möbel, die Musik selbst die Gäste schienen aus einer längst vergessen Zeit. Die meisten Frauen trugen lange Ballkleider, die wahrscheinlich aus dem 19.Jahrhundert stammten, mit Rüschen und kunstvollen Stickereien, aber es gab auch einige die hatten sich so ähnlich wie ich gekleidet, was mich erleichtert aufatmen ließ. Die Männer waren tadellos gekleidet, so als wären wir, ich weiß nicht, im Jahre 1930. Sie hatten blütenweiße Hemden mit altmodischen Silberknöpfen und Jacketts, die makellos waren und perfekt saßen. Es kam mir so vor, als wäre ich mitten in einem unbekannten, alten Film. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass das auf eine gewisse Art und Weise auch stimmte. Wie gebannt betrachtete ich den großen Saal mit den ungewöhnlichen Gästen. Alles war still. Einige Tanzten, so eine Art Walzer, glaube ich. Andere bedienten sich am Buffet. Irgendwie kommt es mir so vor, als wäre jemand gestorben, alles ist so, ich weiß nicht, ich glaube traurig ist das richtige Wort. Doch ganz so sicher war ich mir nicht. >> Sag das ja nicht nochmal so laut, sonst dreht Mum noch komplett durch! << Ertappt drehte ich mich um und blickte in das vertraute Gesicht meiner Schwester. Entweder hatte ich das zu laut gesagt, oder sich kann Gedanken lesen. Misstrauisch betrachtete ich sie. Alles ist Möglich. Bei Selli kann man sich nie sicher sein. Ein freches Grinsen breitete sich aus Sellis Gesicht aus. >>Schau doch nicht so, als hättest du einen Geist gesehen. Ich habe deine Gedanken nicht gelesen. „DU“ hast einfach zu „laut“ gedacht, Liebes! Das nächste Mal etwas leiser, ja?<< Ich konnte mir ein erleichtertes Lachen einfach nicht verkneifen. Zum Glück hat mich nur Selli gehört. Wäre ja nicht auszudenken was passiert wäre wenn Mum es gehört hätte! Schweigend musterte ich sie. Sie sah einfach perfekt aus, war ja anders auch nicht zu erwarten. Ihr langes Haar hatte sie hochgesteckt, einige kurze Strähnen hatten sich gelöst und hingen ihr in Locken hinunter. Ob es Absicht war, konnte ich nicht sagen. Ihr knielanges Kleid saß wie angegossen. Sie sah irgendwie aus wie Cinderella. Ok, ich weiß ich kann sie nicht mit Aschenputtel vergleichen, aber so wie sie vor mir stand, erinnerte sie mich an eine hilflose Prinzessin. Obwohl hilflos nicht das richtige Wort für sie ist. Ich meine, wenn man im Karate den schwarzen Gürtel hat und die ganze Football- Mannschaft zur Strecke gebracht hatte, da kann man nun wirklich nicht von "hilflos" sprechen. Sie würde sogar einen Drachen erlegen nur um sich zu verteidigen. Das könnte ich mir bei ihr durchaus vorstellen. Sie ist stark und das Weiß sie auch, da war ich mir absolut sicher. >>Rate mal, wen ich hergebracht habe! << trällerte sie aufgeregt vor sich hin. Erst jetzt bemerkte ich die Person, die hinter Selli stand. Die schwarze Stachelfrisur mit dem pinken Strähnen und dem feuerroten Stirnband würde ich überall erkennen. Es war meine beste Freundin, Conny, die ich seit den Sommerferien vergangen Jahres, nicht mehr gesehen hatte, da sie mit ihren Eltern nach Kanada umgezogen war. Sie hatte ein schwarzes Tütü mit ihren ausgetretenen, pinken Converse kombiniert, die ich ihr vor 2 Jahren zum 14 Geburtstag geschenkt hatte. Auch die schwarze Lederjake passte perfekt zu ihren rot- schwarz gestreiften Strümpfen. Sie sah einfach cool aus und ich hatte das Gefühl sie würde in diesen Märchensaal einfach nicht hineinpassen. Ich wusste dass ich recht hatte, denn sie hält nicht viel von solchen Festen. "Dort findest du nur die spießigsten Spieser unter den Spiesern!"- das hatte sie immer gesagt, als ich sie zu einer Feier, die meine Mum veranstaltete, einlud. Doch sie war immer gekommen, was mich ziemlich glücklich machte. Sie hatte es auch nicht leicht in einer neuen Familie aufzuwachsen. Mit "neu" meine ich, ihre Adoptiveltern, die sie mit 7 aufgenommen haben. Ihre biologischen Eltern sind bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Sie selbst kann sich nicht an sie erinnern. An diesem Tag hatte sie die Zeit, die sie mit ihren Eltern verbracht hatte, vergessen. Ich wusste auch, dass sie sich nie wieder an diese Zeit erinnern wird, denn tief in ihrem Inneren wollte sie den stechenden Schmerz nicht noch einmal spüren. Von Anfang an wollte sie nur vergessen was damals geschah. Wie versteinert starrte ich Conny an. >>Jeeeey, Darling, ich hab' dich ja sooo vermisst, dass kannst du mir gar nicht glauben. << Conny ging auf mich zu und schlang die Arme um mich. Sie drückte mich so fest, das mir die Luft zum atmen wegblieb. Aber mir war es gleichgültig. Ich erwiderte ihre Umarmung genau so fest wie sie. Und diese Wärme die durch mich hindurch kroch, war ich weiß nicht, ich konnte es einfach nicht beschreibe, es war ein unglaubliches Gefühl. Ich war so glücklich, dass ich nicht einmal ein einfaches "Hallo" über meine Lippen brachte. Es fiel mir schwer mich zurück zu halten, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich kann es immer noch nicht glauben! MEINE Freundin ist wieder da!
Der Mensch, der wahrscheinlich mehr über mich weiß, als ich selbst. >>Du bist zurück! << das waren die einzigen Worte, die aus meinen Mund kamen. Ich wusste einfach nicht was ich sagen sollte. Dieser Tag ist einfach HAMMER!!
Ich darf jetzt nicht anfangen zu weinen, das wäre so was von uncool. Langsam lösten wir uns aus der Umarmung. Erst jetzt bemerkte ich, dass uns alle anstarrten. Alle Blicke waren auf uns gerichtet. Oh Gott ist das Peinlich! Wieso starren die uns so an? >>Na, was denkst du, wieso UNS alle so seltsam anstarren? << fragte mich Conny leise. >>Das fragst du mich, ich weiß es ja selbst nicht! <<antwortete ich ohne zu Zögern. Sie schüttelte den Kopf. >>Du hast dich kein bisschen verändert, Darling! Denk noch einmal scharf nach! << Hmmm... Wieso??
Vielleicht,... nein ich weiß nicht... oder doch!? OK, ich komme einfach nicht drauf. Ich sah Conny flehend an. Und mein Blick sagte genug! Es war so ein Ach-komm-sag-es-mir-ich-komm-nicht-selbst-drauf-Blick. Wieder schüttelte sie den Kopf. Sie beugte sich zu mir vor und flüsterte mir ins Ohr. >>Tut mir Leid wenn ich dir das wieder sagen muss, aber du hast immer noch den IQ eines Elefanten, Darling. Du bist das Geburtstagskind! Und den Rest kannst du dir selbst zusammenreimen. << Ach ja, stimmt, mein 16. Geburtstag! Ich kann es ihr wirklich nicht übel nehmen, das was meinen IQ angeht, da hat sie voll ins Schwarze getroffen. Darum war ich ihr auch nicht böse.
Plötzlich verspürte ich einen starken Luftzug, der von hinten kam. Wahrscheinlich hat jemand ein Fenster geöffnet. Ruckartig drehte ich mich um, aber ich konnte kein geöffnetes sehen. Und es kam noch schlimmer: Hinter mir war gar kein Fenster.
Ich sah mich um, um fest zustellen ob es einer der Gäste bemerkt hätte, doch diese machten keinen überraschten Eindruck. Das hab ich nur eingebildet. Ja genau, nur eingebildet! Doch ganz so sicher war ich mir noch nicht.
>>Conny? Hast du das eben auch gespürt? <<
Sie sah mich an. >>Was gespürt? Nein, nicht das ich wüsste. << Ok, es ist doch Einbildung. Ich glaube meine Fantasie geht wieder einmal mit mir durch. >>Jeyanna Wate! << Das war meine Mutter. Sie war die einzige Person, wahrscheinlich die einzige im ganzen Universum, die mich mit meinem vollen Namen ansprach. >>Was fällt dir eigentlich ein? Du hast nicht einmal deine eigene Mutter begrüßt! << Sie drückte mich leicht und betrachtete mich. >> Hmm... nicht schlecht! Du siehst klasse aus! Zumindest besser als erwartet. << Was soll das wieder heißen? Sie lächelte mich an. >>Ach Kleines, ich wäre nicht wirklich sonderlich überrascht gewesen, wenn du in deinem alten T- Shirt zum Ball gekommen wärst. << Immer noch lächelnd nahm sie meine Hand und zerrte mich von Conny weg. >>Conny- Schatz, ich borg mir kurz meine Tochter aus! << Bevor ich noch etwas erwidern konnte zerrte sie mich schon über den halben Ballsaal.
>>Mum, ich kann nicht so schnell! Langsamer bitte! << Sie hörte mir gar nicht zu. Sie macht immer was sie will. Sie ist genau wie Selli. Nie hört sie mir zu! >> So jetzt kannst du stehen bleiben. << Ich brachte kurz eine Pause. Für ihr Alter kann sie ganz schön schnell rennen. Ich holte noch einmal tief Luft und sah zu meiner Mum hoch. Ich stand vor einem großen Berg. Und dieser Berg bestand aus lauter Geschenken! Sind die alle für mich?? >>Natürlich, sind sie das! Ist schließlich dein 16 Geburtstag! << Ich sah sie an. >>Habe ich das laut gesagt? << fragte ich leise. >>Ja, LAUT und DEUTLICH! << antwortete meine Mutter. >> Ich lasse dich kurz mit deinen Geschenken allein, damit du sie dir in Ruhe anschauen kannst, ich muss noch die restlichen Gäste begrüßen. << Mit diesen Worten tauchte sie in die Menschenmenge ein und ließ mich in der dunklen Ecke alleine stehen. Die Geschenke waren verschieden groß und jedes war anders verpackt. Ich hatte keine Lust das alles auf zu machen. Ich wollte mich schon umdrehen und gehen, als ich plötzlich ein graues Päckchen entdeckte. Es war ganz klein und unscheinbar. Niemand hätte es in diesem Geschenke-Haufen bemerkt. Doch war es das einzige was mich irgendwie anzog. Ich berührte den Deckel. Kalte Wärme durchfuhr mich und meine Nackenhaare stellten sich auf. Einen Moment lang glaubte ich einen Namen auf den Deckel erscheinen zu sehen. Ich rieb mir die Augen. Ich glaube ich verliere den Verstand. Irgendetwas stimmt heute nicht mit mir. Ich hoffe ich bin nicht Psychisch krank oder so. Das hätte mir noch gefehlt! Dann wäre ich nicht mehr das Mädchen mit dem IQ eines Elefanten, nein, dann wäre ich eine Art Wahnsinnige. Ich verdrehte die Augen. Das war so absurd. Natürlich war das wieder einmal typisch für mich. Ich neige zur extremen Übertreibung. Ich drehte mich um und plötzlich griff jemand nach meiner Hand. Ich wollte schreien, doch mein Schrei blieb mir in der Kehle stecken. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich drehte mich um, aber niemand war zu sehen. Mein Blick wanderte durch den Saal. Mir kam es so vor, als würde die Zeit stehen bleiben. Ich war so verloren und am liebsten hätte ich geweint. Ich weinte, aber es flossen keine Tränen. Ok, reiß dich zusammen, Jeyjanna. Heute ist dein Geburtstag, kein Grund zur Aufregung. Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Und noch einmal tief ein und aus. Dann öffnete ich sie wieder und zu meiner Erleichterung musste ich feststellen, dass sich alles wieder Normalisiert hatte. Mehr oder Weniger. Ich habe wirklich keine Lust mehr in dieser verfluchten Ecke zu stehen. Langsam entfernt ich mich von dem seltsamen Päckchen und drehte mich ruckartig um. Meine Schritte wurden immer schneller und schneller. Das Merkwürdigst aber war, dass ich die fremde Hand, die vorhin nach mir griff, immer noch spürte. Entweder ich träume oder ich bin auf dem besten Weg eine Miss Durch geknallt zu werden. Meine Schritte beschleunigten sich wie von selbst. Ich hatte Mum eine Nachricht hinterlassen, damit sie sich keine Sorgen macht. Sie würde es verstehen, dass wusste ich. Ich lief aus dem Saal direkt in die Arme der Dunkelheit. Alles war finster. Aber da war ein Licht, ein helles, warmes Licht und dieses Licht erleuchtete die schwarze Nacht. Doch das seltsamste war, das dieses Licht von mir kam.
Ich glaube ich gehör ins Bett, meine Fantasie macht mich noch fertig. Wenn das noch so weiter geht komm ich noch in ein Irrenhaus!
Zuhause angekommen ließ ich mich in mein flauschiges Bett fallen, das so verlockend nach mir rief.
Sogleich fiel ich in einen tiefen Schlaf, doch das hätte ich lieber nicht tun sollen.
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2010
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