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Als Gottes Tochter hat man es nicht leicht ...

Jesaja 14, 12-14

 

Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern, Sohn der Morgenröte! Zur Erde gefällt, Überwältiger der Nationen! Und du, du sprachst in deinem Herzen: »Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben, und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden. Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten.«

 

»Einst gab es einen Engel, der besser sein wollte als Gott. Sich selbst über Gott erheben wollte, doch es gelang ihm nicht ... Wer kann mir sagen, wer dieser Engel war und was er mit seinem Handeln auslöste.«

Bla, Bla, Bla. Luzifers Fall war Jahrtausende her. Das Thema kam mir sprichwörtlich zu den Ohren raus. Jeder von uns kannte diese Legende seit Kindheitstagen. Die Geschichte des Engels, der sich gegen den allmächtigen Vater auflehnte und den Himmel in einen langen blutigen Krieg stürzte. Die Erzengel Gottes, die stärksten Krieger des Himmels, hatten zu ihren Waffen greifen müssen, um dem Himmel endlich wieder Frieden zu bringen. Sie besiegten die rebellierenden Engelsheere des Verräters und verbanden ihn mit seinen Getreuen auf ewig aus dem Himmel. Luzifer regierte seitdem über die Hölle. Unter seinen vielen Namen umgarnte, verführte und betörte er immer wieder unschuldige, reine Seelen.

»Sandwina!« Ich zuckte unwillkürlich zusammen. »Mir ist wohl bewusst, dass gerade euch der Unterricht langweilen muss. Doch ich erwarte, das auch die Tochter ...« Ein leises Klopfen ersparte mir den Rest von Nerias Ermahnung. Erbost über die Störung ihres wichtigen Unterrichtes, fauchte sie regelrecht herein. Viele sahen gespannt auf die sich langsam öffnende Tür, um möglichst als Erstes zu erraten, wer der unerwartete Besuch war. Die sich bietende Gelegenheit nutzend, packte ich meine Sachen flink unter mein Pult. Egal, wer verrückt genug war, die Geschichtsstunde zu stören, er bot mir damit eine Chance, ihr zu entfliehen. Auch Eloa, sowie einige andere hatte die Möglichkeit erkannt und taten es mir gleich. Allesamt strömten wir fluchtartig aus dem Raum, den der Erzengel Gabriel gerade betrat. Eilig lief ich zum großen Tor und verließ den Tempel. Mir war bewusst, ein Erzengel wie Gabriel störte nicht unbegründet eine Priesterin. Mein Gefühl sagte mir, dass er meinetwegen hier war.

»Himmel, Sandy! Wirst du von Luzifer persönlich gejagt? Oder hast du es so eilig nach Hause zu deinem Vater zu kommen.« Lachend blieb ich stehen. Das war meine beste Freundin, immer einen kessen Spruch auf den Lippen.
»Das wäre angenehmer, als von Gabriel verfolgt zu werden«, antwortete ich ihr und lief weiter, als sie zu mir aufgeschlossen hatte.

»Du tust ja gerade so, als wäre Gabriel der Leibhaftige. Also ich hätte nichts dagegen, wenn er mir nachliefe. Er ist einer der begehrtesten Junggesellen. Aber womöglich ziehst du tatsächlich einen Teufel vor. Luzifer soll zwei höllisch gut aussehende Söhne haben.« Erwiderte Eloa und grinste mich schief an.
»Wenn du Gabriel so wundervoll findest, dann bitte heirate ihn. Meinen Segen habt ihr. Und wer weiß, vielleicht ist mein Traummann ja wirklich ein Teufel.«

Schallernd brachen wir beide in Gelächter aus, zuckten aber augenblicklich beide schuldbewusst zusammen. Kaum fünf Meter vor uns, stand der säuerlich dreinblickende Erzengel, von dem wir grade sprachen. Ich biss mir, einen Fluch unterdrückend, auf meine Lippe. Unsere Angewohnheit, zumeist frei heraus zu sagen, was uns in den Sinn kam, hatte uns oft schon in größte Schwierigkeiten gebracht. Nun wohl auch wieder.

»Über so etwas scherzt man nicht. Oder wollt ihr beiden fallen?« Mit kritischem Blick musterte uns Gabriel. Sein strenger Ton ließ nicht daran zweifeln, dass er nicht zu Scherzen aufgelegt war. Er war nie zu Scherzen aufgelegt, schoss es mir durch den Kopf. Ich unterdrückte diesen Gedanken schnell und murmelte wie Eloa: »Nein, natürlich nicht, verzeiht.«

Gabriel nickte und gab Eloa mit einem Handzeichen zu verstehen, das sie gehen soll. Diese lies sich nicht zweimal bitten, verabschiedete sich schnellstens von mir und eilte davon. ›Tolle Freundin‹, dachte ich, ›lässt mich mit dem Schlamassel allein.‹ Zudem war das mal wieder typisch, nur ich bekam den Ärger. Oder hatte ich doch richtig gelegen und er war meinetwegen in die Geschichtsstunde geplatzt? Kurz überlegte ich, so zu tun, als habe sein Wink zu gehen, auch mir gegolten. Doch, noch bevor ich dies ernsthaft in Erwägung ziehen konnte, wies Gabriel mich bereits für die bloße Überlegung zurecht. »Denkt nicht daran, mich einfach stehen zu lassen, Prinzessin. Euer Bruder schickt mich. Ich soll Euch sofort zu ihm bringen.«

Ich fluchte unterdrückt. Warum musste sich meine Vorahnung als richtig erweisen? Was zum Himmel hatte ich jetzt schon wieder in den Augen meines Bruders falsch gemach, dass er mich sogar aus heiligen Unterricht holen ließen.

»Prinzessin?« Gabriel riss mich aus meinen Gedanken. Er war direkt neben mich getreten und hielt mir seinen Arm hin. »Kommt Ihr?«

Ich sah auf die mir angebotene Hand. Warum musste mein Bruder gerade ihn schicken, um mich zu ihm zu bringen. Es gab doch noch andere Engel. Warum grade den Erzengel, mit dem ich am wenigsten auskam. Seit einem Jahrhundert machte Gabriel mir öffentlich den Hof. Erst vor Kurzem bat er mich, in aller Öffendlichkeit, seine Frau zu werden. Meine Ablehnung seines Antrages hatte in der gesamten Engelsgesellschaft zu Empörung geführt. Gedankenlos trat ich einen Schritt von Gabriel zurück. Ich dachte nicht im Entferntesten daran, mich von ihm zum Palast führen zu lassen. Es wurde schon genug unter den Engeln geredet. Ich musste Abstand zwischen uns bringen und trat noch einen weiteren Schritt zurück. Dabei stolperte ich prompt über einen Stein hinter mir auf dem Boden und verlor das Gleichgewicht. Noch bevor ich wirklich ins Fallen geriet, lag ich bereits in Gabriels muskelbepackten Armen, die mich an seine harte Brust drückten. Mit seinen saphirblauen Augen blickte er auf mich herab. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, die meine Freundinnen allesamt als sinnlich beschrieben. Grundsätzlich konnte ich ihnen nicht widersprechen, er war ein sehr attraktiver Engel. Dennoch nicht der Typ Mann, der mir gefiel, geschweige denn den ich zu heiraten gedachte.

»Vorsicht, meine Prinzessin. Ihr könntet Euch verletzten.«

Ungewollt hielt ich den Atem an. Ich war noch nie einem Mann so nah gewesen. Was würde nun passieren. Würde Gabriel die Gelegenheit nutzen und mich küssen? Sekunden vergingen, doch der Erzengel hielt mich bloß fest. Warum ließ er mich nicht wieder los? Spürte er irgendwo Gefahr, die ich nicht wahrnahm? Das konnte nicht sein. Sein Blick bohrte sich in meinen, anstatt die Umgebung abzusuchen. Es musste etwas anderes sein. Fieberhaft überlegte ich, was ich tun sollte. Hoffentlich sah uns so keiner. Es würde für die wildesten Spekulationen sorgen. Das durfte nicht passieren. Ich versuchte mich aufzustellen, doch er hielt mich weiter fest. Was ging grade nur in Gabriels Kopf vor ? Hatte er völlig vergessen, dass mein Bruder mich erwartete? Es schien fast so. Auch wenn ich nicht sonderlich daran interessiert war, mir eine weitere Rede meines Bruders, wie sich eine Prinzessin der Engel zu benehmen hätte, anzuhören. Würde ich Gabriels Armen so entkommen. »Gabriel, mein Bruder hasst es zu warten.«
Sogleich löste er sich von mir und stellte mich sicher auf die Beine. Kurz sah er mich bedauernd an. Ich verbot mir augenblicklich selbst über das eben Geschehen nachzudenken. Schnell richtete ich mein Kleid. Als ich fertig war, griff Gabriel nach meinem Arm und hakte mich bei sich unter. Schweigend führe er mich zum weißen Palast. Dem Zentrum Neu Jerusalems. Wohnort der Erzengel samt ihrer Familien. Doch in erster Linie zu Hause der göttlichen Familie selbst. Wobei ich es eher als mein Gefängnis bezeichnen würde.

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Korrektorat: a
Übersetzung: a
Satz: a
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2022

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