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Vor dem Spiel: Der Sinn des Lebens

Unterhalten wir uns, Sie und ich. Unterhalten wir uns über das Leben.

Im Leben hat alles einen Sinn, auch wenn er uns meistens verborgen bleibt. Erst wenn wir genauer hinschauen, können wir ihn erkennen, sofern unsere Gefühle uns nicht haben erblinden lassen. Egal durch welche Wirren wir auch kommen, sie bereiten uns auf die Zukunft vor. Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker und manchmal müssen wir das einfach akzeptieren.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Leben uns übel mitspielen kann; nicht alles ist einfach zu schlucken und vieles davon tut höllisch weh. Jedoch habe ich gelernt damit zu leben, mich damit auseinanderzusetzen. Mit Sicherheit ist mir dies nicht immer leicht gefallen und vieles würde ich am liebsten aus meinem Gedächtnis streichen. Allerdings weiß ich heute, dass es mich zu dem gemacht hat, der ich jetzt bin.

Auch wenn es für einige Menschen in meinem Umfeld nicht einfach ist, dies zu verstehen, so bin ich stolz darauf, was ich im Leben erreicht habe, auch wenn vieles davon eher mit Glück als mit ‚harter Arbeit‘ zu tun hatte. Schwere Depressionen, Drogen- und Alkoholprobleme, sowie zahlreiche gescheiterten Beziehungen liegen hinter mir, dennoch habe ich den Glauben ans Leben nie wirklich verloren, auch wenn ich so manches Mal am Abgrund balancierte.

Noch immer denke ich nicht gerne an die Hölle zurück, die ich bis hierher durchwandern musste, doch habe ich längst erkannt, dass sie mich auf den richtigen Weg führte, abgesehen davon, gab sie mir die Möglichkeit, meine Talente und Fähigkeiten zu entwickeln. Es hat mich nicht umgebracht, auch wenn es öfters kurz davor war. Nein, statt dessen hat es meinem Leben einen Sinn eingehaucht, der mir zum Teil noch immer nicht in seinem ganzen Umfang bekannt ist - aber bereits die ersten groben Umrisse erkennen lässt.

Das Apartment ist leer, abgesehen von meiner Katze Lucky, die mir zu Füssen liegt und sich zum wiederholten Male säubert, dabei auf jede meiner Bewegungen achtet, in Erwartung, dass sie nach ihren Frühstück auch noch einen Brunch einheimsen kann. Jean ist zu einem Vorstellungsgespräch unterwegs und wird erst in etwa zwei Stunden mit hoffentlich guten Neuigkeiten zurück kommen, was mir die Gelegenheit gibt, mich mit Ihnen über mein Leben zu unterhalten. 

Draußen tobt ein weiterer Anti-Zyklon vorüber, peitscht den Regen gegen die Terrassentür hinter mir und Herbert Grönemeyer dröhnt aus dem kleinen CD-Player: „So weit so gut, kommt zur Ruhr!“

Hätten Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich schon in Kürze das Hamburger Großstadtghetto Kirchdorf-Süd gegen einen Platz am Indischen Ozean eintauschen würde; dass ich mich anstatt mit Gerichtsvollziehern und Staatsanwälten plötzlich mit Bänkern über Geldanlagen unterhalte; ich hätte Sie ausgelacht und vermutlich in die nächste Anstalt einweisen lassen, zu unwahrscheinlich hätte es sich für mich angehört und doch, genau das ist mir in den letzten Jahren wiederfahren.

Aber nichts davon wäre passiert, wenn ich nicht das Millerntor für mich entdeckt hätte. Ohne die regelmäßigen Besuche bei den Heimspielen des FC St. Paulis, hätte ich die Tiefschläge meines Lebens wohl nicht so einfach wegstecken können. Und genau davon möchte ich Ihnen hier berichten.

Jedoch bevor wir nun aufbrechen, möchte ich Ihnen von einem Traum, sowie einer eigentümlichen Begebenheit erzählen, die mich dazu veranlasst haben, mein langjähriges Schweigen über meine Vergangenheit zu brechen. Alles hat eben seine Zeit, und der Zeitpunkt für diesen Lebensbericht ist nun gekommen.

Wann mich das Fieber Afrika befiel, vermag ich heute nicht mehr zu sagen, doch es muss gegen Anfang der neunziger Jahre gewesen sein, also kurz nach meinem Wechsel von der Grundschule auf die Realschule im  Schulzentrum. Obwohl ich das Wann nicht mehr weiß, so ist mir das Wie noch immer gut im Gedächtnis geblieben.

Es begann mit dem Buch von Rüdiger Nehberg „Abenteuer, Abenteuer“. Die beiden im Buch enthaltenen Reiseberichte haben mich stark beeindruckt, meine Träume angeregt und in mir den Wunsch aufkeimen lassen, es ihm später einmal gleich zu tun.

Von da an beherrschte mich der Wunsch, so bald wie nur  irgendwie möglich selbst einmal mit den afrikanischen Ureinwohner zusammen zu kommen, das ein oder andere Jahr mit ihnen im Dschungel zu leben, ihre Bräuche und Gewohnheiten zu ergründen, sowie ihre Sprachen zu lernen. Vor allem wollte ich von einem Leben in unserer technisierten Welt flüchten, die sich für etwas Besseres hält und dabei die Menschlichkeit leider längst aus den Augen verloren hat. Ich wollte Teil eines Volkes werden, das Stolz auf seine Ahnen ist, wo das Leben noch auf dem nötigsten basiert. Nicht wie in Deutschland, wo Reichtum und Erfolg wichtiger sind, als der respektvolle Umgang miteinander.

Sobald ich das Buch beendet hatte, durchstöberte ich den Bücherschrank meiner Eltern, um meinen entfachten Wissensdurst zu stillen, fragte meinen Großvater mütterlicherseits, der mich über Jahre hinweg unterstützte, mich mit Büchern aus seinem Bestand versorgte. Dadurch machte ich unter anderem Bekanntschaft mit den GEO-Magazinen, die von nun an zu einem festen Teil meines Lebens werden sollte. Noch heute besitze ich alle Ausgaben, die einst meinem Opa gehörten, darunter auch die Erstausgabe aus dem Jahr 1977.

Wann immer es ein neues Abenteuer von Nehberg gab, veröffentlicht in Zeitschriften oder Fernsehen, konnten Sie davon ausgehen, dass es mich in seinen Bann zog und mich von einem neuen, einem besseren Leben im irdischen Paradies träumen ließ.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kindern in meinem Alter, liebte ich es mir Dokumentationen im Fernsehen anzuschauen. Zum Teil lag es bestimmt auch daran, dass meine Eltern meinen Schwestern und mich weder unbegrenzt noch unbeaufsichtigt in die Röhre gucken ließen; viel eher diktierten sie uns, was wir sehen durften und was eben nicht. So war zum Beispiel ‚Die Sendung mit der Maus‘ erlaubt, die ‚Sesamstrasse‘ jedoch nicht.

Je älter wir Kinder wurden, desto mehr veränderte sich das Fernsehprogram natürlich. Anstatt von Kinderfilmen, spielte nun Baywatch und Beverly Hills 90210 eine wichtige Rolle im Leben. Wie die anderen Jungs in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 26.09.2022
ISBN: 978-3-7554-2146-7

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