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Mit einer Schwimmnudel in Island

Als Ori mich fragte, wohin unser nächster Urlaub hingehen sollte, antwortete ich aus einer Laune heraus >> Island <<. Ja, damals fand ich diese Aussage lustig, nur heute lacht nur noch Einer, und das ist mein Freund.

Mit keiner Silbe hätte ich gedacht, dass er meine Aussage ernst nimmt, aber als er mir stolz die Flugtickets präsentierte, wurde mir schlagartig bewusst, das ich hätte meine Klappe halten sollen. In großen Buchstaben prangte I-S-L-A-N-D auf dem Stück beschichteten Papier. Ungläubig schaute ich abwechselnd zu Ori und dann wieder auf das Ticket. >> Kein Scheiß jetzt?! << War der einzige Satz, der gekonnt aus meinem Mund purzelte. Breit grinsend nickte das Y-Chromosom, was ich am Liebsten verprügelt hätte. Nun hatte ich den Salat. Eine Woche Island und keinen Plan vom Land, Wetter und den Menschen, die dort lebten. Was macht man, wenn man etwas nicht weiß? Richtig, man googelt oder „bingt“ sich durchs Netz, damit die Fragen des Unbekannten, eine Antwort bekommen. So öffnete ich meinen Laptop, gab bei Google >> Island im Winter << ein und staunte nicht schlecht, das es nicht saukalt wird, da es a) unter Island sehr heiß ist und b) von Mexiko der besagte Golfstrom auch Wärme mit sich bringt. Dennoch sollte man auf den Zwiebellook nicht verzichten, und des Weiteren die Sonnencreme nicht vergessen aufzutragen. Soweit so gut. Zweiter Treffer waren Bilder vom Nordlicht. Okay, das war echt ein Pluspunkt für diese Reise. Dann hatten wir noch die 8 Besten Aktivitäten im Winter. Angefangen von >> Machen sie eine Super Jeep Tour << bis hin zu >> Gehen sie schnorcheln oder tauchen <<, waren da noch Punkte wie >> Nehmen sie ein exotisches Bad << und >> Fahren sie Schneemobil auf einen Gletscher << zu finden. Nicht schlecht, vor allem das Bad in einer heißen Quelle, schrieb ich ganz oben auf meine Liste. Ich googelte auch nach Reykjavík, nur damit ich einen ersten Eindruck bekam.

 

Am Flughafen von Tel Aviv (Ben Gurion) angekommen, checkten wir erstmal ein. Jeder von uns hatte einen 20kg Koffer und einen Jack Wolfskin Rucksack (Beide schwarz) als Handgepäck dabei. Wie sooft gab es keine Direktflüge, das hieß, wir mussten einen Zwischenstopp in Riga (Lettland) in Kauf nehmen. 2 Stunden, die wir brauchen werden, um den Umstieg, unfallfrei, über die Bühne zubringen.

Nun saßen wir in der Aufenthaltslounge, jeder seinen schwarzen, zum schultern gedachten Freund, in der Hand und warteten darauf, dass das Gate seine Pforten öffnete. >> Ich habe so überhaupt keine Lust, auf den langen Flug. << Stöhnte ich und betrachtete dabei das Gesicht meines Freundes, über dieses sogleich ein Lächeln huschte. >> Ach Sheva. Denke doch nicht an die Stunden im Flugzeug. Freu dich lieber auf das Abenteuer, was wir gemeinsam erleben werden. <<
>> Mag sein, dass du so einen Flug genießt, aber für mich ist das eher eine aufreibende Sache. Turbulenzen oder irgendwelche technischen Defekte die passieren können, bringen mein inneres Hamsterrad zum Drehen. <<
>> Dann hol den Hamster raus, und gönn diesen auch mal Urlaub. << Lachte er. 

Manchmal, aber wirklich nur manchmal, könnte ich ihn nehmen und so der Maßen gegen eine Wand klatschen, damit sein ironischer bis sarkastischer Unterton, im dumpfen Aufprall versickert. Nur einmal, sein Gesicht nehmen und in einer Mauer einparken lassen, das wäre es. Da ich aber nicht körperlich brutal bin, muss ich auf den Zufall oder auf Karma hoffen, vielleicht legt er sich doch mal auf seine große Klappe und das am besten mit beiden Händen in den Hosentaschen. Schon der Gedanke daran ließ mich breit grinsen. 

>> Na also, geht doch. << Riss mich Ori aus meinen Gedankengang. >> Du kannst ja doch noch ein Lächeln aufsetzen. <<
Ich nickte nur, da ich keine Lust auf ein Weiteres „Ich-habe-es-dir-doch-gesagt-Gespräch“ hatte. Solche Dialoge endeten meist damit, dass ich sauer wurde und er einen weiteren Punkt in seiner „Ich-hatte-recht“ Liste hinzufügte. Dabei war der Hamster im Rad immer noch am Laufen.

Das Gate öffnete endlich und wir konnten einsteigen. Wie zu erwarten war, hatten wir eine Reihe für uns. Dies buchte Ori immer so, damit jeder von uns mehr Freiraum hatte.

 

In Island gelandet, spuckte mich das Flugzeug mehr als gerädert aus. Ich hätte auf der Stelle einschlafen können, wenn ich nicht hätte meinen Freund folgen müssen, der beschwingt die Koffer vom Kofferband hob und pfeifend in Richtung Ausgang lief. Pfeifend?! Wie kann man nach so einen Flug noch gute Laune haben, geschweige denn nicht müde sein. Ja, er konnte und es fiel mir auch wieder ein, warum. Im Gegensatz zu mir hatte King Ori ein sagenhaftes Schläfchen gehalten und das trotz der Turbulenzen oder dem schreienden Kind, was hinter uns laut stark nach Aufmerksamkeit lechzte.

Im Taxi zu unserer Unterkunft wurde seine Laune so kackenfrech gut, das ich ihn  am liebsten meine zarten Hände mit den schlanken Fingern, um den Hals gelegt hätte. Kann man aber auch nicht machen, denn so ein Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen muss ich nicht unbedingt in meinen Lebenslauf integrieren. Also schluckte ich meine nicht koscheren Gedanken runter und versuchte mich, auf die Landschaft zu konzentrieren. Was soll ich sagen. Funktionierte auch nur so semi. 

Nach 1,5 Stunden Autofahrt kamen wir an unser Domizil an. Es war ein süßes kleines Holzhäuschen, abseits der Stadt. Es hatte den gewissen romantischen Charme. Von Außen bekam es von mir 8 von 10 Punkten. Ori bezahlte den Fahrer, schnappte sich unsere Koffer und stapfte durch den Schnee in Richtung Veranda. Irgendwie stand ich immer noch wie angewurzelt auf der gedachten Straße. Hätte man mich gefragt, warum, hätte ich keine Antwort geben können. Es war halt einfach so.

>> Möchtest du dort Wurzeln schlagen oder kommst du mit rein? << Rief es aus dem Haus. Natürlich wollte ich hier keinen Anker werfen und befahl meinen Beinen, meinen Körper ins Haus zu tragen. Als ich die Tür hinter mir schloss, suchten meine Augen nach der nächsten Möglichkeit meinen müden Körper zu parken. Ich fand sie auch, aber das wurde auf einmal nebensächlich. Denn diese Hütte hatte tatsächlich einen Kamin, einen großen aus Stein gebauten Heizofen. Mein zweites X-Chromosom spielte mir gedanklich romantische Szenen ein, dabei hasse ich solche Schnulzen. Vielleicht lag es daran, dass ich müde war, aber es machte mir nichts aus, diese Bilder zu sehen. Ori, der schon das Haus besichtigt hatte, stand auf einer kleinen Treppe und winkte mich zu sich. Scheinbar war das nicht das einzige Highlight in dieser Unterkunft, denn als ich es geschafft hatte, mich die Treppe hochzuhiefen, verband er mir sogleich die Augen. Einige Zeit und Schritte später, wusste ich auch, was es war. Das Schlafzimmer bestand aus einem gläsernen Dach, das beheizt zu sein schien. Denn es lag kein Schnee oder Eis auf dem Glas. Scheibenheizung de luxe. Ob hier auch Carglas repariert oder austauscht? Man weiß es nicht, man munkelt noch. 

Wie ich so dieses einzigartige Dach betrachtete, fiel mir auf, das es angefangen hatte zu schneien. Dies war das erste Mal, seit dem Beginn dieser Reise, das ich Zufriedenheit und Glück verspürte. Es sollte aber nicht lange anhalten, denn am nächsten Tag wachte ich mit Hals-, und Gliederschmerzen des Todes auf. Genau das fehlte mir noch. Krank werden im Urlaub. Ich freu mir einen Keks. Zum Glück ist mein Freund einer von der empathischen Sorte. Zwei Tage kümmerte er sich um mich. Brachte Tee, Essen und Schmerzmittel ans Bett. In solchen Momenten verliebte ich mich wieder in ihn. Damit meine ich, dass ich das Kribbeln im Bauch verspüre, was man in der Anfangszeit hat. Dieses Gefühl vergeht mit der Zeit und im besten Fall, kommt Liebe zum Vorschein. Am dritten Tag ging es mir wieder gut, sodass wir endlich etwas unternehmen konnten. Ihr dürft jetzt raten, was er sich ausgesucht hatte. Richtig, die Jeep Tour sollte es sein. Nur erschloss sich mir nicht, warum er beide Rucksäcke mitnahm. Sie schienen auch beide gut gefüllt zu sein. Aber nach 3 Jahren Beziehung hatte ich gelernt, nicht nach zu fragen, denn er dachte sich etwas dabei. Er schmiss unsere Tragefreunde auf die Ladefläche, machte mir die Tür auf und als ich saß, gab er mir noch einen Kuss auf die Stirn. Innerlich zerfloss ich, denn solch ein Kuss ist für mich eines der größten Zeichen der Liebe. Mein Freund setzte sich neben mich auf die Rückbank und nahm meine Hand. Wie immer war sie wärmer als meine. Es ging los. Der Fahrer bahnte sich seinen Weg durch den Schnee. Es schüttelte uns hier und da kräftig durch, aber diese Landschaft, war auch im verwackelten Blick, einfach wunderschön. Wunderschön zum Kotzen, denn ich wurde durch das Gewackel, seekrank. 

Nach 1,5 Stunden stoppte der Jeep vor einer großen Villa aus Holz. Der aus Mauerstein gezimmerte Schornstein, stieß grauen Rauch aus. Es scheint gut geheizt zu werden. Wir stiegen aus, nahmen unsere Sachen und gingen zum Eingang des Anwesens. Kühler Wind blies uns um die Nase und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. >> Wir sollten rein gehen. << Meinte ich zu meinem Freund, der sich noch immer am Schnee erfreute, wie ein 6-jähriges Kind. >> Ich möchte nachher noch einen Schneemann mit dir bauen. << Grinste er mich an. 

 

Dieses Anwesen entpuppte sich als ein Wellnesshotel. Ich sah Ori an und er wusste sofort, das er damit ins Schwarze getroffen hatte. Endlich konnte ich mich auch mal entspannen und alle „Fünfe“ gerade sein lassen. Er gab mir meinen Rucksack und mit dem Selbigen verschwand ich in der Umkleidekabine.
Dieser Lustmolch hat mir doch tatsächlich meinen knappsten Bikini eingepackt. Memo an mich: Vorher bitte Tasche checken. Da mir nichts anderes übrig blieb, schlüpfte ich in den Zweiteiler, griff mir mein Handtuch und schloss den Rest im Schließfach ein.
Ich ging durch eine große Holztür und traf im dampfenden Saal, Ori wieder. Grinsend musterte er mich. Mein Gesicht sagte ihm, das er damit aufhören sollte, denn ich fühlte mich eher unwohl. >> Und, was machen wir jetzt? << 

>> Ich denke, wir sollten eine heiße Quelle ausprobieren. << Als er das sagte, zauberte er mit seiner rechten Hand eine quietschgelbe Schwimmnudel hervor. Voller Stolz hielt er mir sie ins Gesicht. Durch den ganzen Dampf hatte ich sie vorher nicht sehen können. Was also hatte das „Y“ auf zwei Beinen damit vor? Skepsis machte sich breit, doch bevor ich irgendwelche Einwände hervorbringen konnte, schnappte er sich meine Hand und zog mich in den Außenbereich der Anlage. Ein Wort: Arschkalt. Zitternd stieg ich in die heiße Quelle. Entspannung machte sich breit. Meine bessere Hälfte hatte mit seiner Schwimmnudel auch riesigen Spaß (ich meine wirklich eine Schwimmnudel, du Ferkel). Jedenfalls ließ er sich damit in der Quelle herumtreiben. Irgendwie süß, wie er sein inneres Kind wiederfindet. Zeitweise ist er echt zu erwachsen, aber an Tagen wie diesen merke ich wieder, dass er auch mal kindisch sein kann, und das finde ich toll.

 

Nach dem Wellnessausflug gingen wir in ein schönes Restaurant. Ich war noch nie so der Fischesser, aber dieser schmeckte wirklich toll. Bei dieser Gelegenheit sprach ich ihn nochmal auf die gelbe Schaumstoffschlange an und seine Antwort überraschte mich. Er meinte, er hätte es nur für mich getan, damit ich auch mal über ihn lachen kann. Wenn ich so darüber nachdenke, hat er nicht so ganz unrecht. Meist wird über mich gelacht, da ich in manchen Situationen eher unfreiwillig komisch bin. Es ist schon süß, dass er es auf diesen Weg versucht hat.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als mein Freund meinte, das dieser Abend noch nicht zu Ende sei. Wir bezahlten unsere Rechnung und zogen von Dannen. Vor der Tür wartete ein schneetaugliches Taxi, in dieses wir sogleich einstiegen. Fragend sah ich Ori an, doch dieser scherte sich nicht darum und nahm mich in den Arm. >> Wenn die Sterne gut stehen, dann sehen wir vielleicht die Nordlichter. << Seine tiefe und ruhige Stimme, war wie ein Fluss, der zu meinen Herzen führte. Mit seiner großen Hand streichelte er mir über meinen Kopf. Ich bekam Gänsehaut. >> Also möchtest du mit mir diese Lichter ansehen fahren? <<
Er nickte. >> Jedenfalls habe ich es so geplant. Aber die Natur macht nicht immer das, was der Mensch möchte. <<
Ich hätte einschlafen können, als ich so in seinen Armen lag. Sein Herz, so stark und dennoch sanft, versuchte mich, in das Traumland zu wiegen. In solchen Momenten verliebte ich mich noch mehr in ihn. Nun ja, es kam, wie es kommen musste. Das Taxi hielt an und spuckte uns vor unserer Unterkunft aus. Jetzt war ich verwirrt. Er wollte doch mit mir den Himmel beobachten, warum also sind wir hier?
>> Ich kann sehen, was du denkst, also lass es mich kurz erklären. Du erinnerst dich doch bestimmt an das Glasdach, was dieses Gebäude hat. <<
Stimmt, dies hatte er mir bei unserer Ankunft gezeigt. >> Ja, jetzt wo du es erwähnst. <<
Er zog eine Augenbraue hoch. >> Echt jetzt?! Wir schlafen jetzt schon mehrere Nächte darunter und du realisierst es erst jetzt? <<
>> Irgendwie schon. Ich meine, ich war die ersten Tage krank und hatte es nicht ganz mitgeschnitten. << Peinlich, wie es war, lief ich rot an. Nun glich mein Gesicht, meiner Haarfarbe. Ich stand so unter Stress, dass ich das Auge für die schönen Dinge verschlossen hatte.
>> Lass uns rein gehen, hier wird es langsam kalt. << Schob er mich an.

 

Nun lagen wir unter den Sternenhimmel Islands. Eng umschlungen warteten wir auf das Nordlicht, aber auch ohne dieses Naturschauspiel war es ein perfekter Abschluss unserer Reise. Ein magischer Moment, der von Ori aufgebrochen wurde, denn der werte Herr musste seinen „Jürgen würgen“. Hat man ihn nicht beigebracht, dass man das als Mann nicht macht? Wenn eine Frau auf seiner Brust liegt, dann wurde man(n) auserwählt sich nicht mehr zu bewegen, auch wenn die Blase voll ist. So ein Anfänger. Ich drehte mich auf den Rücken und starrte in das Himmelszelt. Wunderschön.

>> Attacke!! << Brüllte es auf einmal. Hätte ich gekonnt, wäre ich wie eine Katze in die Luft gesprungen, so erschrocken hatte ich mich. Ich drehte mich nach rechts und sah diesen Menschen mit Y-Chromosom Hintergrund aka meinen Freund, wie er mit seiner Schwimmnudel zwischen den Beinen (Ferkel) auf mich zu gerannt kam. >> Du hast eine Macke. << Kopfschüttelnd fing ich dann doch an zu lachen. Dieses quietschgelbe Ding leuchtete im Sternenlicht. 

An diesen Abend sahen wir kein Nordlicht, aber das war uns egal, denn wir vereinigten uns unter den Sternen und schliefen dann Arm in Arm ein.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 30.06.2022

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