Vorbei an einer Reihe Straßenlaternen. Weiter. Links, dann Rechts. Weiter. Trotz des Pochens meines Herzens, nahm ich einen dumpfen Aufprall hinter mir wahr . Blitzartig überkam mich ein Schauer und meine Haare stellten sich auf. Ich traute mich nicht mich umzusehen, denn zweifellos hätte sich der Abstand, der mich und meinen Verfolger trennte, nur noch weiter verringert. Ich zwang mich weiter zu laufen, auch wenn mich der Schmerz in meinen Beinen eines besseren belehren wollte. Doch durfte ich nicht auf ihn hören.
Bilder von verschlossenen Rolläden flogen am Rand meines Sichtfeldes an mir vorbei und die kalte Luft stellte einen grotesken Gegensatz zu meiner verschwitzten Haut da. Kein Wunder, die Nacht war schon seit Stunden angebrochen. Auf Hilfe von Außenstehenden konnte ich also nicht zählen.
Als ich merkte das ich automatisch langsamer geworden war, beschleunigte ich meine Schritte erneut. „Bloß nicht schlapp machen“. Doch auch ich wusste, dass ich nicht ewig so weiter rennen konnte. Verzweifelt suchte ich nun doch mit den Augen die Hauswände ab. Doch nichts...
Da öffnete sich weiter vor mir eine Tür, der warme Lichtschein der auf die Straße fiel ließ mich für einen kurzen Augenblick erblinden. Trotzdem taumelte ich weiter, während meine Augen verzweifelt versuchten zu fokussieren. Verschwommen konnte ich einen Mann im Türrahmen erahnen, der mich entsetzt ansah. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich musste furchtbar aussehen. Mit dunklen, ungekämmten, ungewaschenen Haaren, zerschlissener Kleidung und Spuren von getrocknetem Blut an meinen Händen. Als meine gehetzten verheulten Augen seine fanden, sah ich erst Panik in ihm aufsteigen, dann plötzlich Reserviertheit. Es war als würde er durch mich hindurchsehen. Die Tür schlug wenige Meter vor mir zu und das „Hilfe“ das ich gerade versuchte durch meine trockene Kehle zu bekommen, kroch wieder dort hin zurück wo es her gekommen war.
Hilfe.
Erneut rannen mir Tränen über die Wangen, ob aus Wut, Angst oder Verzweiflung konnte ich nicht sagen. Ich lief eine scharfe Kurve. Weiter. An einem blauen Haus entlang. Mehrere Kurven. Weiter. Auf das grobe Kopfsteinpflaster eines alten Marktplatzes. Weiter. Es riss mich von den Beinen, ungeschickt schlug ich mir die Knie an, als ich fiel. Die Steine hatten mich zu Boden gerissen. Nein. Weiter. Ich versuchte mich mit Gewalt auf zu stemmen, doch meine völlig entkräfteten Muskeln gehorchten mir nicht mehr und ich knallte hart auf den Boden auf. Entgeistert sah ich an meinen Knien wie meine Hose sich mit Blut voll sog.
Unterdessen musste mich mein Verfolger bis auf wenige Meter eingeholt haben. Ich konnte seinen durchdringen Blick und den Zug eines Lächelns beinahe spüren. Die Verzweiflung drohte mich zu übermannen, als ich unbewusst einen Blick hinter mich warf und ihn mit aller Ruhe zielstrebig auf mich zukommen sah. Sein weißes T-shirt schien das Mondlicht zu reflektieren, wodurch die roten Flecken mit denen er übersäht war, noch stärker heraus stachen.
Nein! Ein Adrenalin Stoß schoss mir durch den Körper. Das durfte nicht sein. Ich rappelte mich auf, nur um direkt wieder auf den Boden aufzuschlagen. Unruhig betrachtete ich meine Umgebung, auf der Suche nach einer Zuflucht. Mein Blick streifte die steinerne Treppe die vor mir lag. Sie führte zu einer Kirche. Das war die Lösung, er würde es nicht wagen mich in den „Heiligen Hallen Gottes“ wie er sie genannt hatte anzugreifen. Sorgsam legte ich einen Arm vor den anderen und zog mich so näher zur Treppe hin. Die Anstrengung ließ mich ächzen. Millimeter um Millimeter kam ich meinem Ziel näher. Meine Augen füllten sich mit Tränen, denn längst hatte ich begriffen, dass ich niemals schnell genug in der Kirche seien würde, als mich ein harter Tritt in den Rücken traf. Wie eine unbewegliche Ameise lag ich dar. Er beugte sich zu meinem Hinterkopf, so das ich seinen Atem riechen konnte. Ich wünschte ich hätte den leisesten Geruch von Alkohol wahrnehmen können, doch er trank nicht, ihm war bewusst was er tat. „Na, na, na, das finde ich aber gar nicht gut, dass du vor mir weg läufst.“, Echtes Bedauern ließ seine Stimme weich werden, „Du weißt, ich bin besser im Fangen spielen als du.“
Ja, Vater.
Bildmaterialien: pixabay, 28.07.2017, Pexels (https://pixabay.com/en/architecture-dark-handrail-light-1868423/)
Tag der Veröffentlichung: 29.07.2017
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