Ich spürte ein dumpfes Pochen in meiner Stirn und versuchte meine Augen aufzuschlagen, was mir nicht sofort gelingen wollte. Als ich es endlich schaffte sie zu öffnen, schloss ich sie sofort wieder geblendet vom grellem Licht, welches meine Kopfschmerzen verstärkte. Heftig blinzelnd öffne ich erneut meine Auge und blickte auf die weiße Decke über mir. Ich hörte ein regelmäßiges Piepen neben mir. Ich drehte meinen Kopf vorsichtig zur Seite und erblickte einen weißen Monitor, der meinen Herzschlag anzeigte. Ich versuchte mich aufzusetzen, doch der Schmerz in meinem Bauch ließ mich wieder zurück sinken. Ich blieb ruhig liegen und versuchte die Schmerzen die sich in meinem Körper ausbreiteten, zu verdrängen. Von draußen hörte ich drei Stimmen, die sich stritten. Zwei davon kamen mir sehr bekannt vor. Ich versuchte mich auf ihre Worte zu konzentrieren.
,,Ihr hättet nie zulassen dürfen, dass es so weit kommt!", schrie die unbekannte Frau.
,,Wir haben getan was wir konnten um die beiden zu beschützen! Wer hätte denken können, dass der Typ so ein Psychopat ist?",fragte die bekannte Stimme.
,,Warum bilden wir euch aus?", fragte die Frau mit einer ruhigeren Stimme. Die Haare auf meinem Arm stellten sich auf. Jetzt gab es Ärger. Ich war froh, dass ich nicht vor ihr stehen musste, den sie jagte mir schon von der anderen Seite der Tür Angst ein.
,,Damit wir Kindern wie ihr helfen können", antwortete die andere allzu bekannte Stimme.
,,Und damit wir unschuldige Menschen beschützen können", fügte die zweite bekannte Stimme hinzu.
,,Dann tut, dass nächstes mal, falls es ein nächstes mal gibt", sagte sie und stöckelte davon.
Die beiden Jungs vor der Tür schwiegen und ich wunderte mich warum sie nicht zu mir herein kamen.
,,,Logen es ist nicht deine Schuld, dass ...", versuchte er zu sagen, doch Logen unterbrach ihn.
,,Doch es ist meine Schuld! Sie hätte nicht in diese Lage kommen dürfen! Sie sollte nicht im Krankenhaus liegen und Schmerzen haben! Und es ist meine Schuld, dass sie hier liegt, weil ich versagt habe. Schon wieder." Logen klang so traurig, dass es mir das Herz zerbrach. Das alles war nicht seine Schuld. Er hatte sich große Mühe gegeben um mich zu beschützen. Und am Ende hatte er es sogar geschafft mich zu retten. Zwar mit ein paar Verletzungen, doch das wichtigste war, dass ich jetzt sicher war und wieder einen Grund hatte zu leben.
Vorsichtig versuchte ich mich wieder aufzurichten und unterdrückte einen Schmerzensschrei, doch ein leises Stöhnen entwich meinen Lippen. Ich richtete mein Kissen auf und lehnte mich erschöpft zurück.
,,Logen", versuchte ich zu sagen, doch mir entwich nur ein krächzen.
,,Logen", versuchte ich es erneut und diesmal war meine Stimme fester. Hoffentlich hatte er es gehört, denn ich glaubte nicht, dass ich die Kraft hatte ihn noch mal zu rufen. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und Logen trat mit schnellen Schritten auf mein Bett zu.
,,Hey kleines wie geht es dir?", fragte er mich besorgt. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben mich.
,,Wasser", krächzte ich.
Sofort stand er auf und lief aus dem Zimmer raus. Wenige Minuten später kam er mit einer Wasserflasche zurück, in der ein Strohhalm steckte. Er schob eine Hand unter meinen Rücken und half mich mich weiter aufzurichten.
,,Langsam", sagte er und hielt mir den Strohhalm hin. Ich ignorierte ihn und nahm schnelle Züge aus der Wasserflasche. Lachend zog er die Flasche zurück, als sie leer war. Ich lehnte mich wieder erschöpft zurück und sah zu Logen.
,,Wie lange bin ich schon hier?", fragte ich ihn.
,,Seit zwei Tagen", antwortete er. ,,David wollte dich besuchen kommen, doch Bella hat es ihm verboten. Er wartet schon ungeduldig darauf dich wieder zu sehen."
,,Wer ist Bella?", fragte ich Logen.
,,Das bin ich", sagte die Unbekannte und trat ein. Logen stand auf und überließ ihr seinen Platz.
,,Wie geht es dir Adria?", fragte sie mich ruhig. Sie lies sich ihre Wut von vorhin überhaupt nicht anmerken.
,,Den Umständen entsprechend", antwortete ich.
,,Ich würde dich gerne ein paar Fragen stellen wenn du nichts dagegen hast", sagte sie.
,,Ich hab das Gefühl, dass ich keine andere Wahl habe", antwortete ich spöttisch.
Ein lächeln umspielte ihre Lippen.
,,Da hast du Recht", sagte sie.
Ich gehörte nicht zu den reichen Kindern, die von ihren Eltern verhätschelt wurden. Nicht mehr. Früher hatte es mein Vater geliebt mir und meinem Zwillingsbruder alle Wünsche zu erfüllen, die wir hatten. Er hatte selbst eine schlechte Kindheit gehabt und wollte deshalb ein guter Vater für uns sein. Er gab sich viel mühe mit uns, doch das Verhalten meiner Mutter warf oft einen Schatten auf seine guten Taten. Ich verstand nicht wie so unterschiedliche Menschen, wie mein Vater und meine Mutter, überhaupt heiraten konnten. Mein Vater hat meine Mutter nie geschlagen, er gehörte nicht zu der Art von gewalttätigen Männern, aber irgendetwas hatte dafür gesorgt, dass meine Mutter meinen Vater hasste, und das verstanden Michael und ich nicht. Ich stellte mir manchmal alle möglichen Szenarien vor, doch nichts erschien mir so schlimm, dass es einen solchen Hass auslösen könnte.
Als sich meine Eltern eines Tages wieder mal stritten, flüchteten ich nicht direkt auf mein Zimmer, sondern schlich an die Tür und lauschte.
,,Das kannst du nicht machen", zischte meine Mutter wütend.
,,Und wie ich das kann", polterte er.
,,Du hast mir damals versprochen das nie wieder zu erwähnen, wenn ich dich heirate!"
,,Ja, das hab ich. Und seitdem bereue ich jeden einzelnen Tag der vergangen ist. Ich hätte dich gleich in das Gefängnis stecken lassen sollen! Dann hätte ich mir all das erspart!", sagte er wütend und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Ich zuckte zusammen und stieß gegen den Tisch hinter mir. Ein kleines Rums war zu hören und meine Mutter drehte sich sofort in meine Richtung. Schnell kam sie zu mir und zerrte mich an meinem Arm hoch. Sie musterte mich wütend und ich dachte schon sie würde mich wieder schlagen, doch das Tat sie nicht. Ein schelmisches Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.
,,Geh sofort in dein Zimmer und pack deine Sachen. Wir verschwinden von hier!",sagte sie zu mir. Verwirrt stand ich auf und lief die Treppe hoch in mein Zimmer. Ich wollte aber nicht weg. Ich wollte hier bei meinem Vater und bei Michael bleiben. Schnell ging ich zu meinem Schreibtisch und riss ein Zettel aus meinem Block. Ich konnte mir denken, was sie vorhatte. Schell kritzelte ich ein paar Sätze darauf und huschte in das Zimmer von meinem Bruder. Ich sah mich um und legte meine Notiz in das Buch auf seinem Nachttisch. Da würde er sicher noch reinschauen, wenn er von seinem Fußballtraining zurück kam. Ich sah mich noch einmal in seinem Zimmer um und mein Blick am Foto auf seinem Schreibtisch hängen. Mein Vater hatte genau den Moment erwischt, als wir uns versöhnend, nach unserem Streit, umarmten. Bitte lass es nicht so weit kommen, dass sie uns trennt, dachte ich mir und lief in mein Zimmer rein. Ich schnappte mir meine schwarze Jacke von meinem Bett und lief auf mein Fenster zu. Ich hatte das davor nur in Actionfilmen gesehen, aber so schwer konnte es nicht sein. Ich schob das Fenster hoch und streckte meinen Kopf in die kühle Abendbriese. ich atmete nochmal tief durch, bevor ich mich auf das Fensterbrett setzte. Ich gab mir Mühe nicht auf den Boden zu schauen, doch ich konnte es mir nicht verkneifen einen Blick auf den Abgrund unter mir zu werfen. Das war aber hoch. Reiß dich zusammen! Du kriegst das schon hin. Ich streckte die Arme aus und umklammerte das Rohr, dass an der Hauswand befestigt war. Langsam steif ich mich vom Fensterbrett ab und klammerte mich mit meinen Beinen Fester an das Rohr. Wie im Sportunterricht, dachte ich mir. Da hast du es auch geschafft am Seil bis nach ganz oben zu klettern. Das ist genau das selbe. Vorsichtig rutschte ich runter und richtete meinen Blick starr auf die weiße Hauswand. Ich spürte ein leichtes pieksen an meinem Bein und sah runter. Ich war schon so weit geklettert, dass ich an den Rosen, die mein Bruder und ich letzten Sommer gepflanzt hatten, ankam. Ich wusste noch wie glücklich Michael und ich waren, als wir unseren Erfolg sahen. Ich sprang runter auf die Wiese und landete nicht wie erhofft auf meinen Beinen, sondern auf meinem Po. Ich unterdrückte einen schmerzhaften Aufschrei und rappelte mich schnell auf die Beine. Leise fluchend klopfte ich die erde von meiner Hose und lief über den Wiese auf das Gartentor zu. So leise wie möglich versuchte ich die quietschende Gartentür zu öffnen. Innerlich verfluchte ich mich dafür, dass ich die Tür nicht vorher geölt hatte.
So leise wie möglich schlich ich mich aus der Gartentür raus und ließ sie hinter mir offen. Ich wollte zu Gabriel laufen. Gerade als ich mich auf den Weg machen wollte, wurde ich von einer Stimme gestoppt.
,,Wohin willst du den Adria?", fragte mich meine Mutter. Ich drehte mich langsam zu ihr um.
,,Ich wollte zu Gabriel laufen", sagte ich leise und sah zu ihr auf. Ihr Gesicht verdüsterte sich. Sie machte einen Schritt auf mich zu und packte mich am Arm.
,,Du wirst ihn und deinen verfluchten Vater nie wieder sehen. Je schneller du das in deinen Kopf kriegst, desto besser ist es für dich!" Ich drückte die Fersen in den Boden und versuchte mich möglichst schwer zu machen, als sie mich mitzerren wollte.
,,Ich will sie aber nicht verlassen! Geh doch alleine! Du konntest uns noch nie ausstehen! Lauf weg und lass uns alleine!", sagte ich wütend zu ihr. Sie drehte sich mit einem bösen grinsen zu mir um.
,,Damit ihr glücklich seit ohne mich ? Er soll genau so leiden, wie ich gelitten habe!"
,,Und warum musst du dafür mich mitnehmen?", fragte ich mit einer weinerlichen Stimme.
,,Weil dein Daddy ohne dich nie glücklich werden kann", sagte eine unbekannte männliche Stimme hinter mir, bevor er mir einen Sack auf den Kopf stülpte und mich in sein Auto zog.
,,Hallo Jordan", hörte ich meine Mutter sagen. ,,Wir haben uns lange nicht mehr gesehen!
,,Willkommen in eurem neuen Zuhause", rief Jordan glücklich. Er hatte den Arm die Taille meiner Mutter geschlungen und grinste sie glücklich an. Ich durchlöcherte ihn mit bösen Blicken, doch er sah mich unbeeindruckt an. Warum sollte er auch Angst haben? Schließlich stand vor ihm nur ein kleines 10 jähriges Mädchen, das gerade von ihrer eigenen Mutter entführt wurde.
,,Euch ist schon klar, das mein Vater alles tun wird um mich zu finden!", sagte ich wütend zu den beiden. Jordan lachte und sah amüsiert zu meiner Mutter. Er kam auf mich zu und sah auf mich herab.
,,Du hast keine Ahnung wer ich bin", sagte er mit bedrohlicher Stimme. ,,Aber eins sage ich dir, es gibt einen Grund warum das FBI es nicht geschafft hat mich seit 10 Jahren zu finden. Ich bin nicht umsonst der mächtigste Mafiaboss, den sie immer noch nicht zu fangen bekommen haben. Und meine Männer haben schon dafür gesorgt, das sie dich und deine Mutter nicht suchen werden." Er legte eine kleine Pause ein sah mir dann direkt in die Augen und grinste mich schelmisch an.
,,Warum sollten sie auch Tote Personen suchen?" Ich sah Jordan entsetzt an. Nein das hatte er nicht getan. Das konnte er nicht getan haben. Warum sollte er unseren Tot fälschen?
,,Ich glaube dir nicht", sagte ich mit zittriger Stimme. Doch es kam nicht so glaubhaft rüber, wie ich es eigentlich wollte.
,,Komm mit", befahl er mir. Ohne zu zögern folgte ich ihm den langen Flur entlang in einen großen dunklen Raum. Verblüfft sah ich mich um. Dieser Raum war ein Traum für jeden Hacker. Es standen reihenweise Computer auf Tischen. Doch was meinen Blick sofort auffing war die Wand gegenüber von den Computern. Sie war ausgestattet mit vielen Bildschirmen, welche immer wieder unterschiedliche Plätze zeigten. Ein dünner Mann, saß an dem Tisch und tippte mit fliegenden Fingern etwas ein.
,,Jimmy!", rief Jordan. Der Mann zuckte zusammen, stand schnell auf und drehte sich zu uns um.,,Ja Sir?",fragt er leise mit zittriger Stimme. Warum hatte er so sehr Angst vor ihm? War Jordan wirklich so sehr zum fürchten ?
,,Zeig Adria die Aufnahmen von ihrem Haus!" Verwirrt runzelte ich Stirn. Jimmy setzte sich hin und fing wieder mit an mit fliegenden Fingern an der Tastatur um zu tippen. Wenige Sekunden später öffnete sich auf den Bildschirmen an der Wand das Bild unseres Hauses.
,,Das war vor 6 Stunden", berichtete Jimmy. 6 Stunden! Wie hatten wir uns so schnell von meinem Zuhause entfernt? Mir war es viel kürzer vorgekommen. Ich konzentrierte mich wieder auf das Bild von unserem Haus und sah mich selbst wie ich aus der Haustür hinaus schlich. Meine Mutter kam aus der Haustür packte mich am Arm. All das was in den letzten Stunden passiert war bevor mir ein Sack über den Kopf gestülpt wurde, spielte sich wieder vor meinen Augen. Jimmy spulte eine Stunde vor. Gespannt sah ich auf den Bildschirm. Ich sah wie mein Bruder zurück Nachhause kam und sein Fahrrad auf den Rasen schmiss. Er klingelte und wenige Sekunden später wurde die Tür von meinem Vater aufgerissen. Und da passierte es. Ich sah, wie im Obergeschoss etwas explodierte. Glasscherben flogen durch die Gegend und flammen züngelten aus dem Fenster hinaus. Dad packte Michael und trug ihn auf die andere Straßenseite. Er hielt ihn fest. Ich sah wie Michael versuchte sich loszureißen um in unser Haus zu laufen, doch mein Vater ließ ihn nicht los. Er umklammerte ihn fest.
,,Dein Vater hat nicht mal versucht dich raus zu holen", sagte Jordan zu mir.
,,Aber ich war nicht dort oben",sagte ich wütend zu Jordan.
,,Aber die Polizei wird nach den Untersuchungen sagen, dass du und deine Mutter dort oben gewesen wart." Er sah mich an. Wartete auf meine Reaktion. Ich sah ihn mit tränen in den Augen an.
,,Du hast Leute bei der Polizei?", fragte ich ihn.
,,Ich hab überall Leute kleine Adria. Merk dir das!" Er drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen. An der Tür drehte er sich kurz zu mir um.,,Du und deine Mutter seit Tod, jedenfalls für deinen Vater und deinen Bruder. Sie werden ohne dich weiter Leben. Werden dich nach ein paar Monaten vergessen. Es wird für sie so sein als wärst du nie da gewesen. Und du wirst hier sein und leiden", sagte er leise und ging raus. Mir liefen Tränen über die Wangen und ein schluchzen entwich mir. Warum ich?
***
Ich blickte in den Spiegel. Vor mir stand ein hübsches Mädchen mit pechschwarzen Haaren und ungewöhnlichen Augen. In diesen Augen standen Tränen und etwas ungewohntes. Angst. Dieses Mädchen war ich. Bisher musste ich mich vor nichts fürchten, denn ich hatte immer einen Bruder gehabt der mich beschützte. Doch das hatte sich geändert. Erneut stiegen mir die Tränen in die Augen, bei dem Gedanken daran, dass mein Bruder jetzt dachte das ich Tod bin. Hastig wischte ich meine Tränen mit dem Handrücken weg. Jorden könnte jeden Augenblick in mein neues Zimmer kommen. Ich durfte es nicht riskieren vor ihm schwächer auszusehen, als ich es eh schon war. Ich richtete mich gerade auf und blickte trotzig in den Spiegel. ,,Ich bin nicht schwach", flüsterte ich immer wieder vor mich hin. Wie ein Mantra. Wenn ich in diesem Haushalt überleben wollte, musst ich stark sein. Nur so lange bis ich einen Weg finde, wie ich zurück komme. Ich muss einen Weg hier heraus finden. ,,Nein, ich werde einen Weg hier raus finden", schwor ich mir selbst. Ich drehte mich vom Spiegel weg und sah mich im Raum um. Eine Haushälterin hatte mich in dieses Zimmer und mir gesagt, dass das jetzt mein neues Zimmer sein würde. Allerdings interessierte es mich nicht, da ich sehr bald wieder hier rauskommen würde und dafür brauchte ich einen sehr guten Plan.
Ich versuchte, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich verhielt ich mich unauffällig. Mit unauffällig meine ich, dass ich in die Schule ging und mich wie immer verhielt. Nur eine Sache hatte sich verändert. Ich versuchte herauszufinden, wo meinen Grenzen waren. Also blieb ich nach der Schule länger weg um herauszufinden, wann sie meine Abwesenheit bemerken würden. Am ersten Tag blieb ich eine Stunde lang weg, am nächsten dreißig Minuten länger. Und so machte vier Tage lang weiter, bis es Jordan bemerkte. Er dachte, dass ich wieder zu der Hütte im Wald gelaufen war, was natürlich nicht stimmte, aber das konnte ich ihm nicht sagen. Er bestrafte mich, indem er mich verprügelte und mir danach Hausarrest gab. Jordan schlug nur auf meinen Körper, nicht in mein Gesicht. Auf meinem Bauch würde man die blauen Flecken nicht sehen, in meinem Gesicht schon. Mir machte der Schmerz nichts aus, wenn ich daran dachte, dass ich bald wieder meinen Bruder sehen würde. Ich vermisste sein Gesicht, das meinem so ähnlich war. Ich vermisste es, dass er mich beschützte, wenn ich mich in Schwierigkeiten brachte. Mit mir schimpfte. Mich danach in die Arme nahm, weil er nie lange auf mich sauer sein konnte. Oder wie er zu mir ins Bett gekrochen kam, wenn ich einen Albtraum hatte.
Geduld, sagte ich zu mir selbst, du wirst ihn wieder finden.
Mein Plan war fast fertig, ich musste nur noch einen Weg aus der Stadt herausfinden. Ich konnte nicht in ein Flugzeug steigen und auch nicht in einen Zug, da gab es überall Kontrollen. Also musste ich einen Bus nehmen. Mit dem Bus würde es zwar länger dauern, aber ich würde wegkommen und das war das Einzige, was zählte. Ich wartete nur noch auf den richtigen Augenblick, der unerwartet bald kam.
Während dieser Zeit lief Jordans Drogengeschäft unerwartet gut. Das hieß auch, dass er gestresst war, weshalb er auch bei jeder kleinen Sache ausrastete. Erst neulich hatte er eine der Hausangestellten gefeuert, weil sie ihm seinen gewünschten Kaffee nicht sofort gebracht hatte. Seine Nerven lagen blank. Irgendwie gefiel es mir, ihn so gestresst zu sehen.
Es gab immer einen Grund, warum jemand in illegale Geschäfte verwickelt wird und ich wollte wissen, warum er in diesem Geschäft war. Ich fing an in der Schule, Recherchen über ihn zumachen. In meinen freien Stunden und immer wann ich Zeit dazu hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass ich so viel über ihn herausfinden würde. Seine Geschichte fing an mich zu faszinieren. Ein junger Star der Schule wird zum Drogenboss? Das würde sich niemand vorstellen. Vor allem nicht, wenn dieser einer der besten Footballspielern im Land war. Er hatte anscheinend auf der High-School viele Angebote und Stipendien bekommen, die er alle abgelehnt hatte. Für ein Drogenimperium. Kein vernünftiger Mensch würde illegale Geschäfte der Berühmtheit bevorzugen. Nicht Jordan. Nicht der Mann, der nach Macht strebte. Der alles für mehr Geld tun würde. Irgendetwas musste vorgefallen sein. Aber was?
Zwei Tage lang versuchte ich herauszufinden, was passiert war und schließlich fand ich das, was ich tagelang gesucht hatte. Und er tat mir irgendwie leid. Ich las den Artikel über den Unfall, der sein Leben zerstört hatte.
Während eines Footballspiels war Jordans krebskranke Mutter gestorben. Er hatte es nicht geschafft, in ihren letzten Minuten an ihrer Seite zu sein. Sein Vater starb ein paar Wochen später. Nach dem Tod seiner Frau hatte er anscheinend keine Lebenskraft mehr. Er begann zu trinken. Er geriet in einen Streit zwischen zwei verfeindeten Gangs. Er hatte einfach Pech, in der falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Die beiden Gangs kämpften mit Waffen und sein Vater wurde von einem Messer getroffen. Er starb am Unfallsort. Jordan wurde zum Waisen. Er hatte keine Familienangehörigen, die ihn aufnehmen wollten und so kam er in ein Waisenhaus.
Dort blieb er anscheinend nicht lange, denn ich fand außerdem noch eine Vermisstenanzeige und mehrere Zeitungsausschnitte, in denen der Verlust vom Starfootballspieler, der Stadt berichtet wurde. Ich suchte nach weiteren Zeitungsausschnitten, fand jedoch nur noch einen in, der die ungewöhnliche Rückkehr von Jordan beschrieben wurde.
Wo war er solange geblieben? Er musste bei irgendjemandem untergekommen sein. Aber bei wem?
Ding-Dong!
Ich schreckte hoch. Ich hatte vergessen, auf die Uhr zuschauen. Schnell rannte ich in das nächste Klassenzimmer, wo ich Mathe hatte. Ich hörte im Unterricht nicht zu. Ich war immer noch mit meinem Fluchtplan beschäftigt. Ich wollte an mehreren Plätzen im Haus Feuer legen. Aber wie sollte ich das unbemerkt hinbekommen?
***
Als ich heute in Jordans Haus ankam, war es ruhig. Viel zu ruhig. Normalerweise war das Haus von Jordans Männern umgeben. Doch heute war kein einziger von ihnen anwesend. In der Auffahrt stand ein mir unbekannter großer Geländewagen. Wem der wohl gehörte? Ich klingelte an der Tür und eine der Haushälterinnen, Nadine, öffnete sie, grüßte mich und verschwand ohne ein weiteres Wort. Verwundert schaute ich ihr nach. Sonst fragte sie mich immer wie mein Tag verlaufen war. Sie gehörte zu den netten jungen Haushälterinnen. Aus dem Wohnzimmer hörte ich Gelächter und das Klirren von Gläsern und Besteck. Wir hatten Besuch. Schnell ging ich auf mein Zimmer. Jordan mochte es nicht, wenn ich ihn bei geschäftlichen Besprechungen störte. Fünf Minuten später klopfte es an meiner Tür. Verwirrt blickte ich auf. Was war denn jetzt los? Ich ging an meine Tür und öffnete sie. Davor stand Nadine.
„Adria, die Gäste erwarten dich unten ", sagte sie leise.
„Aber warum erwarten sie denn mich?", fragte ich verwirrt. Nadine zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht, aber Jordan wollte, dass ich dich hole." Jetzt blickte ich überhaupt nicht mehr durch. Ich zog meine Tür zu und folgte Nadine in das Wohnzimmer. Dort befanden sich meine Mutter, Jordan und noch ein Mann, von dem ich gerade aber nur seinen Rücken sah. Sie lachten über etwas. Doch als ich hereinkam, verstummten sie und der Mann drehte sich zu mir um. Er hatte Lachfalten um seine blauen Augen, die mich faszinierten. Sie blickten so alt und voller Weisheit. Ich schätzte ihn auf fünfzig Jahre. Seine schwarzen Haare waren an den meisten Stellen ergraut. Er war groß und hatte breite Schultern. „Wollen sie mir nicht ihre Tochter vorstellen?", fragte er Jordan und meine Mutter. „Natürlich". Lächelnd, aber mit einem drohenden Blick sah er mich an und sagte: „Adria, darf ich vorstellen, das ist Mr. Reeves. Er ist vom Kinderschutzbund. Deine Lehrer haben ihn kontaktiert, weil sie befürchteten, dass du von uns streng behandelt wirst. Und Mr. Reeves ist gekommen, um das zu überprüfen."
Ok, ich saß in der Klemme. Ich hatte meinen Lehrern nichts verraten, obwohl mehrere versucht hatten, mit mir zusprechen. „Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn ich alleine mit Adria spreche." Er formulierte es wie eine Frage, doch sein Blick sagte, dass er keine Widerrede akzeptieren würde. Es war da erste Mal, dass ich sah, dass Jordan nicht widersprechen konnte. „Sie können mit Adria in ihrem Zimmer sprechen, wenn sie wollen", antwortete meine Mutter für Jordan. Mit einer Handbewegung ließ mir Mr. Reeves den Vortritt und ich führte ihn in mein Zimmer. „Sie können sich auf meinen Schreibtischstuhl setzen." Mr. Reeves blickte sich um und mir kam es so vor, als würde er jede Kleinigkeit in meinem Zimmer bemerken. Ich setzte mich auf mein Bett, während er den Stuhl an mein Bett zog und sich hinsetzte. Schweigend wartete ich darauf, dass er was sagte.
Er blickte mich stumm an. Ich weiß nicht warum, aber sein Blick schüchterte mich ein. „Wie Jordan schon gesagt hat, bin ich vom Kinderschutzbund. Ich wurde von deinen Lehrern informiert, weil sie Bedenken hatten, dass du schlecht behandelt wirst. Außerdem haben sie erwähnt, dass sie vermuten, dass du einen sehr hohen IQ hast, aber du deine Noten absichtlich verschlechterst. Möchtest du was dazu sagen?", fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. „Adria, du kannst mir alles erzählen, ich bin hier, um dir zu helfen, nicht, um dich an deine Eltern zu verpetzen."
Ich weiß immer noch nicht, warum ich das jetzt tat, aber ich hatte plötzlich das Bedürfnis, ihm alles zu erzählen. Aber das konnte ich nicht. „Es stimmt, ich verschlechtere meine Noten absichtlich, aber das kann den Lehrern doch egal sein." Mr. Reeves blickte mich stumm an, als wüsste er, dass da noch mehr kommen würde. Doch das war alles was ich ihm erzählen konnte. Er seufzte. „Adria, du verheimlichst etwas, aber ich kann dich nicht zwingen mir das zu erzählen was dir auf dem Herzen liegt. Ich würde aber gern wissen wie schlau du eigentlich bist. Deshalb hab ich dir jetzt eine Aufgabe mitgebracht- du musst sie einfach nur lösen. Die Ergebnisse bleiben zwischen uns beiden. Wärst du damit einverstanden?" Es konnte nicht schaden, dachte ich mir, deshalb nickte ich und er holte aus seiner Jackentasche einen Zettel. „Du musst einfach nur den Text auf diesem Zettel auswendig lernen!"
Verwundert blickte ich ihn an. „Das ist doch keine Aufgabe."
„Adria, ich habe so eine Vermutung und wenn du einfach nur das machst, was ich dir sage, wird sich herausstellen, ob ich richtig liege oder nicht." Er gab mir den Zettel. Ich schaute Mr. Reeves nochmal in die Augen und ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Also nahm ich den Zettel las ihn durch und gab ihn ihm wieder zurück. „Bist du fertig?", fragte er. „Ja." Er sah nicht verwundert aus. Ich sagte den Text auf. Er blickte vom Zettel auf. „Das stimmt alles."
„Sie sehen nicht so aus als würde sie das wundern."
„Tut es auch nicht", gab er zurück, „Ich habe vermutet das du ein Photographisches Gedächtnis hast, Adria Morgen."
Ich starrte ihn geschockt an. Woher kannte er meinen echten Namen?
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Hallöchen :) tut mir sehr leid, dass ich so lange nicht weiter geschrieben habe !
Deshalb gibt es heute mehrere Kapitel für euch. Ich würde mich auch sehr auf eure Kommentare freuen.
Viel Spaß beim lesen
„Woher kennen Sie meinen echten Namen?!"
Er lachte. „Wir sind nicht alle die, für die wir uns ausgeben. Ich weiß, dass deine Mutter dich vom Rest deiner Familie getrennt hat." Ich starrte ihn an. „Wer sind sie?" Er beugte sich zu mir runter um mir direkt in die Augen zuschauen. „Ich bin jemand, der dir helfen will. Es gibt Dinge, die nicht alle wissen und die wir von manchen Menschen geheim halten müssen. Ich wurde vom Kinderschutz informiert, dieser Teil stimmt, aber ich arbeite nicht nur für ihn. Ich gehöre zu den DEDS. Bevor du frägst, lass mich ausreden", ich schloss meinen Mund den ich unbemerkt geöffnet hatte um ihn Fragen zu stellen. „Bevor ich dir erzählen kann, was DEDS ist, musst du mir versprechen, dass alles, was wir in diesem Zimmer besprechen, zwischen uns bleibt und nie diesen Raum verlässt. Das ist sehr wichtig, Adria. Bist du damit einverstanden?", ich nickte. Er lehnte sich zurück. „DEDS ist die Abkürzung für die Engel der Stadt. Die Engel der Stadt nehmen begabte Kinder wie dich auf und bilden sie zu Agenten aus. Die Kinder die wir aufnehmen sind meistens Waisenkinder, die entweder ihre Familie verloren haben oder sie nicht kennen. Das Kinderschutzamt arbeitet mit uns zusammen. Nicht alle Beamte kennen DEDS. Nur sehr wenige unter ihnen, wie ich, kennen DEDS und auch der Chef der Organisation weiß nichts über uns." „Aber wenn so wenige Leute wissen, dass es die DEDS gibt, woher haben sie es dann erfahren?"
„Weil ich auch einer von ihnen war. Meine Eltern sind gestorben, als ich zehn Jahre alt war. Meine Schwester und ich wurden von den DEDS aufgenommen." „Sie haben gesagt, dass Kinder mit Begabungen aufgenommen werden. Was für eine Begabung haben sie?" „Ich bin sehr gut im Kampfsport, eher gesagt ich war gut darin. Jetzt bin ich alt geworden und kann nicht mehr sehr gut kämpfen", er seufzte, „deshalb rekrutiere ich Kinder wie dich. Ich kann dich nicht zwingen, zu den Engeln der Stadt zukommen, aber bei uns ist es besser als hier. Du bist nicht glücklich."
Abrupt stand ich auf. „Ich bin nicht glücklich, weil meine Mutter mich von meinem Bruder getrennt hat. Der einzigen Person, die mir was bedeutet. Außerdem, wenn sie nur Waisen aufnehmen- ich bin keine. Ich hab noch einen Bruder, der irgendwo da draußen ist, und ich werde ihn finden. Ich kann nicht zu den DEDS kommen. Ich habe eine Familie." Sein Gesicht verdüsterte sich. Seine Augen blickten mitleidig. „Setz dich, Adria, ich muss dir noch was erzählen." Verwundert von dem Ausdruck in seinem Gesicht setzte ich mich hin. Ich ahnte schon das jetzt was Schlimmes kommen würde. „Dein Bruder und dein Vater hatten einen Autounfall. Beide sind am Unfallsort gestorben. Es tut mir leid, Adria, aber du hast nur noch deine Mutter."
Ich spürte etwas Feuchtes auf meiner Wange. Ich wischte die Träne mit meiner Hand weg. Das brachte jedoch nicht viel, denn weitere Tränen nahmen ihren Platz ein. Ich schluchzte. Das durfte nicht wahr sein. Das konnte nicht wahr sein.
Ich schaute auf und blickte in Mr. Reeves Gesicht. Entschlossen wischte ich mir die Tränen vom Gesicht.
„Ich bin dabei. Was ist ihr Plan?"
***
Eine Stunde später verließ Mr. Reeves das Haus. Er hatte mir Papiere hinterlassen, auf denen ich genauere Informationen über die Engel der Stadt finden könnte. Ich versteckte sie unter meinem Bett, da ich mir vorstellen konnte, dass Jordan in den nächsten Minuten in mein Zimmer kommen würde. Meine Vermutung bestätigte sich genau zwei Minuten später. Ich blickte von meinem Bett auf, auf dem ich immer noch saß, als Jordan einfach in mein Zimmer geplatzt kam, mit einem finsteren Blick, der stur auf mich gerichtet war. Ich ahnte schon, dass jetzt etwas Schlimmes kommen würde, doch es interessierte mich nicht. ,,Was hat er mit dir besprochen?", fragte er mich unvermittelt.
Ich musterte sein Gesicht. Das würde das letzte Mal sein, dass ich ihn und meine Mutter sah. Ich würde 24 Stunden später nicht mehr hier sein. Jordans Gesicht lief rot an und er trat einen Schritt näher. „Ich frag dich noch einmal- was habt ihr besprochen?" Ich legte den Kopf schief und gab ihm eine Antwort, die er nicht erwartet hätte. „Was geht dich das an?" Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen, aber ich hatte nichts zu verlieren. Und was könnte er schon tun? Doch meine Selbstsicherheit schwand langsam, als ich sah, dass Jordans Gesicht langsam wieder die normale Farbe einnahm. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Er sah viel zu ruhig aus. Langsam kam er auf mich zu. Er musterte mich von oben bis unten. „Bist du dir sicher, dass es mich nichts angeht?" So wie er mich musterte, sah er sehr bedrohlich aus. Ich hätte vielleicht doch nicht so vorlaut sein sollen, dachte ich mir. Er trat noch einen Schritt näher, sodass er über mir aufragte und ich zu ihm aufschauen musste. Seine Hand schnellte hoch und er packte meinen Hals und drückte zu. Ich versuchte zu atmen, aber das ging nicht mit seiner Hand auf meinem Hals. Meine Hände umklammerten seinen Unterarm, doch er ließ nicht los.
Er schaute mir in die Augen. „Bist du dir sicher, dass du mir nicht erzählen möchtest, was du mit Mr. Reeves besprochen hast?" Er hob seine rechte Augenbraue und lächelte leicht. Ich nickte hektisch. Es fühlte sich an, als würden meine Lungen kollabieren, als er mich endlich losließ. Gierig zog ich die Luft ein. Jordan trat einen Schritt zurück. „Also, was hast du ihm erzählt? Und Adria, an deiner Stelle würde ich die Wahrheit sagen, sonst wird das fatale Folgen für dich haben." Ich war immer noch damit beschäftigt, genug Luft in meine Lungen zu bekommen, deshalb nickte ich einfach nur. Jordan wartete, bis ich wieder normal atmete. Dann nickte er mir zu. Das sollte wahrscheinlich heißen, dass ich anfangen sollte, aber ich hatte Mr. Reeves versprochen, niemandem was zu erzählen, also musste ich mir eine glaubwürdige Lüge ausdenken, die Jordan nicht hinterfragen würde. Verzweifelt dachte ich darüber nach, was ich ihm erzählen könnte, doch mir fiel auf die Schnelle nichts ein. Ich musste mir noch ein bisschen Zeit verschaffen. Deshalb setzte ich mich auf und zuckte mit den Schultern und sagte „Nichts Besonderes", so als hätte er nicht gerade eben versucht, mich zu erwürgen und als hätte ich nicht erfahren, dass es eine Organisation gab, die Kinder zu Agenten ausbildete. „Nichts Besonderes?", fragte Jordan mich. Ich hoffte, dass er es darauf beruhen lassen würde, aber das wäre doch viel zu einfach. Jordan blickte kurz zur Seite, drehte sich dann jedoch blitzschnell um und schubste mich vom Bett runter. Ich fiel krachend zu Boden und stöhnte auf. Das Bett war zwar nicht hoch, aber es war schmerzhaft, so auf dem Boden aufzukommen. Jordan war jedoch noch nicht fertig. Er kickte mich in den Rücken, da das die einzige Stelle war, die er treffen konnte, während ich zusammengerollt wie ein Fötus auf dem Boden lag. Ich stöhnte auf, als seine harten Stiefelspitzen meine Wirbelsäure berührten.
„Ich frage dich das letzte Mal, Adria. Was habt ihr besprochen?" Er stand neben mir, ich konnte jedoch wegen meiner verkrümmten Position nur seine Schuhe sehen, die meinem Gesicht gefährlich nahe waren. „Nichts", wiederholte ich meine Aussage, in der Hoffnung, dass er verschwinden würde. Er schnaubte und ich spürte nur noch seine Tritte auf meinem ganzen Körper, ausgenommen von meinem Gesicht.
Eine gefühlte Ewigkeit später spürte ich nichts mehr. Ich war am Rande der Bewusstlosigkeit, als ich das Zuknallen meiner Zimmertür hörte. Ich versuchte aufzustehen, doch das verursachte mir solche Schmerzen, dass ich letztendlich das Bewusstsein verlor.
Ich wurde von einem dumpfen Pochen an meiner Schläfe aufgeweckt. Der Schmerz breitete sich langsam in meinem Körper aus. Stöhnend öffnete ich die Augen, konnte jedoch nichts erkennen, da meine Augen von dem grellen Sonnenlicht, das durch das Fenster schien, geblendet wurden. Schnell schloss ich wieder meine Augen und versuchte, meinen Kopf unter meinen Armen vor dem grellen Sonnenlicht zu verstecken. Meine Arme protestierten aber, als ich sie hoch heben wollte. Stöhnend öffnete ich wieder die Augen, um meine Arme anzuschauen. Ich versuchte, mich aufzusetzen, was mir unter vielen Schmerzen nach ungefähr zwei Minuten gelang. Verzweifelt wollte ich mich an die Geschehnisse des gestrigen Tages zu erinnern, doch in meinen Gedanken schwangen immer noch die Erinnerungen an meinen Traum mit, der so absurd war, dass ich anfing, an meiner Psyche zu zweifeln.
Es gab nur eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob ich reif für die Irrenanstalt war. Ich musste die Unterlagen, die mir der „angebliche" Mr. Reeves, von dem ich mir nicht sicher war, ob er wirklich existierte oder nicht, finden.
Als ich mich bückte, um meine Matratze anzuheben, schaffte ich es noch im letzten Moment, einen Schrei zu unterdrücken. Mein Körper fühlte sich an, als wären mir tausende Elefanten über den Körper gelaufen. Meine Schmerzen müssten eigentlich Beweis genug sein, um mich an den gestrigen Tag zu erinnern. Doch das war für mich nicht Beweis genug. Ich konnte schließlich auch die Treppen und mein Gedächtnis verloren haben, aber ich glaube, ich würde mich daran erinnern, wenn ich mein Gedächtnis verloren hätte, aber wie sollte ich mich erinnern, wenn ich nichts mehr wusste...
Okay, meine Gedanken liefen eindeutig in die falsche Richtung- vielleicht hatte ich doch ein paar, oder eher gesagt, zu viele Schläge auf den Kopf bekommen.
Schnell griff ich unter die Matratze, um die Mappe mit dem geflügelten Zeichen darauf herauszuholen. Doch als meine Hände nichts fanden, geriet ich in Panik. Hatte Jordan sie geklaut oder drehte ich jetzt wirklich durch? Ich kippte beinahe das ganze Bett um, als ich versuchte, die Matratze hochzuheben, so sehr war mein Körper mit Adrenalin vollgepumpt. Erleichtert atmete ich aus, als ich die Mappe zwischen zwei Rinnen entdeckte, in die sie gerutscht sein musste, als ich sie hastig reingeschoben hatte. Als ich jedoch die Mappe sah, fiel mir wieder ein, dass ich mich mit Mr. Reeves verabredet hatte, um meinen Fluchtplan auszuarbeiten, der mich aus den Klauen von Jordan und meiner Mutter retten würde. Die kleine Uhr an meiner Wand, die einfach wie immer ruhig vor sich hin tickte, zeigte mir an, dass ich noch nicht so spät dran war wie ich vermutet hatte. Ich zog mich hastig um und öffnete das Fenster, aus dem ich vorhatte herauszuklettern. Mein Zimmer war allerdings im zweiten Stockwerk, was mir die „AUS-DEM-FENSTER-KLETTERN-AKTION" reichlich erschwerte. Wenn das Leben doch nur so leicht wie in den Filmen wäre, dann könnte ich einfach wie Tom Cruz oder James Bond aus dem Fenster springen, ohne mir alle Knochen, die in meinem Körper noch heil waren, zu brechen. Aber wenn ich schon die Handlungen eines Filmes nachahmen musste, könnte ich gleich einfach an der Regenrinne runterklettern.
Da gab es leider ein klitzekleines Problem. Es gab keine Regenrinne.
Warum hatte dieses Haus keine verdammte Regenrinne? Alles Mögliche gab es in diesem verfluchten Haus, aber eine Regenrinne gab es nicht, also musste ich mir was anderes überlegen. Ohne groß darüber nachzudenken zog ich die Bettwäsche ab und band sie an den Heizungspfosten fest, der hoffentlich halten würde. Das andere Laken band ich um mein Bein und und das andere Ende an das Bettpfosten. Das sollte halten. Hoffte ich. Als ich jedoch vor dem offenen Fenster stand, verließ mich der Mut und ich bekam wieder Panik. Verdammt Adria, es wird wohl nicht so schwer sein aus dem Fenster zu klettern! Das ist doch etwas, was jedes Kleinkind kann! Übertreib es mal nicht, schien mir eine innere Stimme zuzuflüstern, und steige jetzt aus dem Fenster, es wird langsam langweilig. Da musste ich meiner inneren Stimme Recht geben. Langsam ließ ich mich rückwärts auf der Fensterbank nieder, um mich langsam in Richtung nichts zuziehen. Ich nahm meinen vielleicht letzten Atemzug und ließ mich nach hinten fallen.
Alles fühlte sich an, als würde es in Zeitlupe geschehen. Meine klammen Finger schlossen sich um die kalte Fensterrinne. Die scharfen Ränder schnitten in meine Handflächen, doch das merkte ich kaum, denn ich war damit beschäftigt, mir meinen nächsten Schritt zu überlegen. Ich klammerte eine Hand an das Bettlaken und meine andere Hand ließ langsam die Rinne los, und sofort fiel ich.
Doch anstatt das sich meine Körperteile wie eine zerplatzte Melone auf dem Boden verteilten wurden, durchfuhr meinen Körper ein Ruck und das Bettlaken schnitt schmerzhaft in meinen Bauch. Ich schwebte einen Meter entfernt vom Boden in der Höhe. Als ich erleichtert aufatmen wollte, riss das Bettlaken und fiel letztendlich doch auf den Boden. Es war schmerzhaft, aber es hätte wahrscheinlich weniger wehgetan, wenn ich davor nicht schon so viele blau Flecken am Körper gehabt hätte. Ein paar neue würden da allerdings nichts ausmachen. Hastig rappelte ich mich auf, löste das Seil von meinem Bauch und lief so schnell ich konnte zu dem Treffpunkt, den ich mit Mr. Reeves vereinbart hatte.
***
Schnaufend stützte ich meine Hände auf meine Arme, um endlich wieder zu Atem zu kommen. Das dauerte allerdings ein paar Minuten, da ich den ganzen Weg von Jordans Haus bis zum kleinen Café am Stadtrand gelaufen war. Ich schaute auf meine weiße Armbanduhr, deren Zeiger sich mittlerweile um vierzig Minuten verschoben hatte, seitdem ich das Haus verlassen hatte. Ich konnte nur noch hoffen, dass Mr. Reeves auf mich wartete und mir meine zwanzig minütige Verspätung verzieh. Ich bog um drei Ecken mit dem teuren Schuhgeschäft und kam endlich vor der roten Tür mit dem WILLKOMMEN Schild an. Das Café FLOWER wurde meistens nur von älteren Leuten besucht, die sich mit ihren Freunden hier zum Caféklatsch trafen. Es würde auch nicht auffallen, dass ich in der Schule fehlte, da an diesem Tag nicht mal die Lehrer es wagen würden, in die Schule zugehen. Wer würde schon am Wochenende in die Schule gehen?
Das Klingeln der Tür drückte die Ankunft eines neuen Kunden an. Mr. Reeves saß an einem Tisch direkt gegenüber von dem großen Panoramafenster, der das kleine Café mit Licht durchflutete. Er drehte sich um als er das Klingeln hörte und stand auf als er mich erblickte. Er schaute demonstrativ auf seine Uhr, um mir zu zeigen dass ich zu spät war. Seufz. Als hätte ich das nicht gewusst, schließlich konnte ich die Uhr lesen.
„Du siehst bisschen außer Puste aus, Adria", er zog seine linke Augenbraue hoch, was ich beneidete. Ich hatte einmal den ganzen Tag damit verbracht, vor dem Spiegel zu sitzen und genau das zu üben, was Mr. Reeves so mühelos hinbekam. Ich hatte diese kleine Geste bei dem besten Freund meines Zwillingsbruders gesehen und hatte es unbedingt auch hinbekommen wollen, und wie man raten konnte, war es mir nicht gelungen. „Ich glaube, auch Sie wären außer Atem, wenn Sie den ganzen Weg hierher gelaufen wären."
Er lachte. „Glaub mir, Adria, ich wäre diesen Weg mühelos gelaufen, glaub mir." Mit einer Handbewegung deutete er mich zu setzen. Eine Minute später kam die Kellnerin, um mich zu fragen, ob ich irgendetwas trinken wollte. Ich bat um eine Tasse mit heißer Schokolade, um meine kalten Hände zu erwärmen, die von der Kälte draußen immer noch knallrot waren. Ich hatte das Gefühl, dass meine Finger abrechen würden, wenn ich noch ein paar Minuten länger in der Kälte geblieben wäre. Ich spürte erst jetzt meine schmerzenden Körper, der nun protestierend nach einer Pause verlangte. Mr. Reeves musterte mich kurz und ich hoffte, dass er nicht gemerkt hatte, wie ich zusammengezuckt war, als ich mich gesetzt hatte. Doch meine Wünsche wurden nicht erfüllt.
„Was ist gestern passiert nachdem ich gegangen bin?" Ich blinzelte- es war erstaunlich wie schnell er die Lage erfasst hatte. „Nichts. Ich weiß nicht, was du meinst." „Welche der Aussagen soll ich dir abkaufen, Adria? Du musst mich nicht anlügen und das weißt du. Du kannst mir vertrauen." Ich schaute auf als die Kellnerin, mit meiner heißen Schokolade kam. Sofort schloss ich meine klammen Finger um die heiße Tasse, um sie aufzuwärmen. „Wissen Sie, Mr. Reeves, man muss Vertrauen gewinnen. Sie können nicht einfach von mir erwarten, dass ich Ihnen vertraue, ohne dass sie etwas für mich getan haben."
Er seufzte. „Ich weiß, dass es für dich schwer ist, anderen zu vertrauen, Adria. Aber du weißt, dass ich dir nur helfen möchte, aus den Klauen von diesem Mistkerl zu entweichen. Ich hätte dich gleich gestern Abend mitnehmen und nicht bei diesem verantwortungslosen, unvernünftigen Mann zulassen. Es war falsch, ich weiß, aber er hätte gewusst, dass ich es war, wenn ich dich an diesem Abend mitgenommen hätte. Ich könnte ihn für das, was er dir angetan hat, verprügeln." Grimmig schaute er aus dem Fenster. Ich gab mir Mühe, nicht los zu prusten, denn unwillkürlich musste ich mir vorstellen, wie Mr. Reeves mit einem Gehstock auf Jordan einschlug und dieser nichts dagegen tun könnte. Er hatte anscheinend gesehen, das ich mich bemühte, nicht los zu prusten. „An was denkst du gerade?"
„Willst du das wirklich wissen?" Ich schaute ihn an und er nickte langsam, als wäre er sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte oder nicht. „Ich musste mir gerade vorstellen, wie du Jordan mir einem Gehstock verprügelst und er dich anfleht, Erbarmen mit ihm zu haben." Mr. Reeves Mundwinkel zuckten. „Der Polizei wird er dann sagen, dass er von einem alten Mann mit einem Gehstock verprügelt wurde" und das war der moment in dem ich mich nicht mehr halten konnte. ich prustete los und Mr. Reeves stimmte gleich mit ein. Meine Rippen schmerzten, als ich lachte, trotzdem konnte ich nicht aufhören. Als wir uns dann einigermaßen beruhigt hatten, wischte sich Mr. Reeves die Tränen von den Wangen. „Das ist das erste Mal nach langer Zeit, dass ich so sehr lachen musste." Sein Gesicht verfinsterte sich augenblicklich. „Du hast es nicht verdient, solche Schmerzen zu erfahren. Ich werde dich da rausholen, das verspreche ich dir."
„Woher weißt du, dass ich mitkommen will? Vielleicht will ich gar nicht Mitglied bei euch werden? Wie kommt es also, dass du dir so sicher bist das ich mitkomme?"
Er seufzte erneut. „So viele Fragen. Also erstens, ich bezweifle, dass du hierhergekommen wärst, wenn du dich nicht dazu entschieden hättest, bei uns teilzunehmen. Zweitens- wer möchte schon nicht bei uns mitmachen? Es gibt nichts Besseres, glaub mir, es wird dir Spaß machen bei uns. Und warum solltest du eigentlich noch hierbleiben wollen? Du bist hier nicht glücklich, Adria. Das kann ich an deinem Gesichtsausdruck erkennen. Du bist wie ein offenes Buch, in dem es nur um Schmerzen geht. Ich weiß nicht, was dir alles widerfahren ist, aber egal, was es auch war, du hast es nicht verdient."
„Ich brauche Ihr Mitleid nicht und ich brauche auch Ihre Hilfe nicht. Wenn ich wollte, wäre ich hier schon längst weg. Aber Sie haben Recht, ich werde mit Ihnen kommen. Ich hab das Gefühl etwas bewirken zu können, wenn ich mit Ihnen gehe. Und warum habe ich das Gefühl, dass du nicht die Person bist, für die du dich ausgibst?"
Jetzt grinste er wieder wie ein kleines Kind. ,,Das könnte daran liegen das ich nicht die Person bin für die ich mich ausgebe. Du hältst mich vielleicht für einen alten Knacker über fünfzig aber ich bin eigentlich erst 28 Jahre alt." Jetzt konnte ich ihn nur noch verdattert anschauen. ,,Du sollst 28 Jahre alt sein?" Er grinste mich an. Ohne etwas dafür tun zu können prustete ich erneut los. Es dauerte eine weile bis ich mich wieder eingekrigt hatte. Das Gesicht von ihm verdunkelte sich immer weiter bis er mich am Ende nur noch wütend an starrte. ,,Warum glauben alle nicht das unter diesem Kostüm ein heißer Kerl stecken könnte." Ich versuchte das lachen zu unterdrücken um ihn nicht noch mehr zu kränken. ,,Wer hat dir den noch nicht geglaubt?" Frustiert fuhr er sich mit den Händen durch die weiß gestreiften haare. ,, Meine Freunde sie haben mit mir eine Wette abgeschlossen von der du lieber nichts wissen solltest. Aber jetzt ist genug wir müssen wieder zum eigentlichen Thema kommen." Sofort verstummte ich. Jetzt wurde es ernst das konnte ich an seinem verkniffenen Gesichtsausdruck erkennen. ,,Und das wäre?" Er schaute mir tief in die Augen. ,,Wie wir dich hier herausbekommen."
„Hast du schon einen Plan?", fragte ich ihn. Er seufzte. Mir fiel auf, dass er das sehr oft tat. Anscheinend war er sich unsicher, was er tun sollte. „Ich bin mir noch nicht sicher, was ich genau machen soll", gab er schließlich zu. „Das Problem ist einfach, dass Jordan viel Macht und Kontakte hat, die ihm helfen werden, dich zu finden. Deshalb ist es für mich nicht so leicht, dich da rauszuholen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen". Er massierte mit seinen Händen seine Stirn, als würde ihm der Gedanke, mich da rauszuholen, Schmerzen bereiten. „Kannst du es nicht so aussehen lassen als wäre ich gestorben?"
„Wie meinst du das? Sollen wir etwa deinen Tod inszenieren?"
„Genau so meine ich es. Das dürfte doch nicht so schwer sein, oder?"
Er lachte kurz auf. „Adria du stellst dir das alles viel zu leicht vor. Das Problem mit der Leiche wäre noch das Geringste."
Jetzt war ich an der Reihe mit dem Stirnrunzeln. „Wie meinst du das?", fragte ich ihn erneut.
„Wir könnten behaupten, deine Leiche wäre viel zu entstellt und man hätte deshalb beschlossen, die Leiche zu verbrennen."
Ich riss meine Augen weit auf, sodass sie fast aus meinen Augenhöhlen fielen. „Ist das nicht illegal?" „Natürlich ist es das, aber ich glaube nicht, dass sie was dazu sagen werden, wenn sich das FBI mit diesem Fall beschäftigt. Sie sind die Obermacker vom Gesetz. Sie fürchten sich vor nichts. Aber alle fürchten sich vor ihnen. Das ist ihr Vorteil." Ich schüttelte den Kopf. „Was wäre der Grund für meinen Tod?"
„Wir dürfen uns nichts allzu Unglaubwürdiges ausdenken. Das Beste ist ein Autounfall. Autowracks sind nicht so schwer zu finden und es ist schwer nachzuweisen, wer dabei gestorben ist. Aber das einzige Problem ist, Adria, wenn wir es so aussehen lassen, als wärst du tot, müssen wir dir einen gefälschten Pass besorgen. Es würde keine Adria mehr geben, die von ihrer Familie getrennt wurde. Wenn du eine neue Identität bekommst, bist du eine andere Person, welche niemand hier kennt. Es ist wichtig, dass dich niemand aus deinem alten Leben erkennt. Das könnte die ganze Organisation gefährden, und damit auch jede einzelne Person, die unter dem Schutz von DEDS steht. Bist du dir sicher, dass du alles hinter dir lassen kannst, um ein neues Leben zu beginnen?" Er schaute mich sehr ernst an.
Die Entscheidung die ich jetzt treffen würde, würde mein ganzes Leben beeinflussen. „Ich habe nichts mehr zu verlieren. Keine einzige Person wird um mich trauern, also bin ich dabei." Ich schaute ihn entschlossen an. Doch was mich am meisten verwunderte, war, dass sich Mr. Reeves Blick von entschlossen in schuldbewusst änderte. Ohne lange zu warten konfrontierte ich ihn mit meiner Vermutung. „Was verheimlichen Sie mir?"
„Adria, es tut mir leid, ich hätte es dir schon gestern sagen sollen, aber ich wollte dir nicht umsonst Hoffnungen machen, es ist nämlich nicht sicher, ob es stimmt oder nicht."
„Ob was stimmt oder nicht? Hören sie endlich auf in Rätseln zu sprechen und seien sie ehrlich mit mir."
Er seufzte. „Ich hatte doch erwähnt, dass dein Vater und dein Bruder bei dem Autounfall gestorben sind."
„Ja das hast du."
„Na ja man hat die Leiche von deinem Vater gefunden und außerdem noch das Blut einer Person, die mit deinem Vater verwandt ist, aber man hat bisher nicht die Leiche von deinem Bruder gefunden."
Ich erstarrte. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich denken sollte. Hätte er mir das überhaupt erzählt, wenn ich nicht bemerkt hätte, dass er mir etwas verheimlicht? Oder hätte er geschwiegen, bis man die Leiche von meinem Bruder gefunden hätte. Wortlos stand ich auf und ging auf die Tür zu. „Adria, bitte warte und hör mir zu!" Ich drehte mich schnell um und starrte ihn aus verschwommenen Augen an. „Ich soll Ihnen zuhören? Hätten Sie mir das überhaupt erzählt, wenn ich nicht bemerkt hätte, dass Sie mich anlügen? Und Sie reden von Vertrauen. In genau diesem Moment hast du für mich keinen winzigen Unterschied von Jordan. Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein verlogenes Biest sein kannst." Ohne auch noch auf ein weiteres Wort von ihm zu achten, ging ich aus der Tür raus und marschierte zu der Bushaltestelle, ohne zurück zu schauen. Ich bekam noch mit, wie die Tür zuschlug und hörte auch die hastigen Schritte von Mr. Reeves und wie er mir zuschrie nicht zu gehen und auf ihn zuwarten.
Doch ich ignorierte es. Konnte es nicht eine einzige Person auf dieser verdammten Welt geben, die ehrlich zu mir war und mich nicht anlog? Aber anscheinend war das zu viel verlangt. Mr. Reeves packte mich am Arm und drehte mich zu ihm um. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch es gelang mir nicht. WOW- der echte Mr. Reeves musste ein starker Typ sein. „Lassen Sie mich los." Ich schaffte es nicht, das Zittern aus meiner Stimme zu verbannen und natürlich musste er es auch noch hören. Ich konnte es nicht ausstehen wenn mich die Leute schwach sahen. Mr. Reeves Hand drückte schmerzhaft gegen meine blauen Flecken und ich schaffte es nicht, ein Stöhnen zu unterdrücken. Das bekam er mit und er löste sofort seine Hand von meinem Arm. „Wie schwer hat er dich verletzt? Solle ich dich ins Krankenhaus fahren?"
„Ich brauche deine Hilfe nicht. Ach, und ich hab mich um entschieden- ich werde nicht mit dir kommen. Lieber sterbe ich, anstatt mir deine Lügen weiter anzuhören."
„Ist das nicht ein bisschen übertrieben?", er starrte mich böse an.
„Nein, das ist es nicht!"
Sein Gesicht wurde gefährlich rot. „Weißt du, manche Probleme entstehen dadurch, dass sich Leute nicht gegenseitig zuhören. Wenn du auch nur eine Minute gewartet hättest, wüsstest du, dass ich nur nicht wollte, dass du noch trauriger wirst. Der Verlust von deiner Familie hat dir schon oft genug Schmerzen bereitet und ich wollte einfach nur nicht, dass du unter dem Verlust nochmal leidest. Du hättest dir Hoffnungen gemacht und wenn du erfahren hättest, dass er doch tot ist, hätte es dir wieder Schmerzen bereitet und du hättest dir dafür die Schuld gegeben. Und ich will nicht mitansehen, wie du leidest. Ich werde mir das nicht nochmal anschauen." Seine Worte besänftigten mich und all meine Wut auf ihn verpuffte. Es war nicht seine Schuld. Er konnte nichts dafür. Ich trat vor und umarmte ihn. Ich hätte nicht erwartet, dass er meine Umarmung erwidern würde, doch er tat es und so standen wir eine Minute lang da, bis ich mich letztendlich doch von ihm löste. „Ich werde mit dir kommen. Aber nur unter einer Bedingung."
„Und die wäre?"
„Du lügst mich nie wieder an. Ich bin stark. Ich kann das verkraften."
„Ich bin mir sicher, dass ich diese Frage bereuen werde, aber was hast du mit diesem Auto und dieser komischen roten Flüssigkeit vor?"
Mr. Reeves und ich wanderten schon seit Stunden umher und letztendlich hatten wir ein altes Auto gekauft und ein fremder Mann, den Mr. Reeves anscheinend kannte, hatte ihm gefüllte Beutel mit einer roten Flüssigkeit gebracht, die einem Blutbeutel ähnelten. Ich erschauderte bei diesem Gedanken. Der Gedanke, dass es echtes Blut sein könnte, ekelte mich an. „Und bitte sag mir, dass das kein echtes Blut ist."
Verdutzt drehte er sich zu mir um. Wir standen in einer kleinen dunklen Sackgasse, die abseits von der Hauptstraße war. Ab und zu sah man die Schatten der vorbeigehenden Menschen. Ich hatte ein bisschen Angst, dass man uns entdecken würde, aber Mr. Reeves war so locker, als würde er wie ein ganz normaler Mensch arbeiten. Seine Arbeit jedoch bestand darin, einen Autounfall zu rekonstruieren- das vermutete ich jedenfalls.
„Ich stelle einen Autounfall nach. Nach was sieht es denn sonst aus?"
Ich seufzte. „Ich habe gehofft, dass du das nicht tust." Er arbeitete konzentriert weiter, ohne aufzublicken. „Du brauchst keine Angst zu haben, Adria. Dir wird nichts passieren, das werde ich nicht zulassen. Du stehst jetzt unter meinem Schutz, und dass du schon verletzt bist macht die Sache nicht besser!" O-oh. Mr Reeves gab sich die Schuld dafür, dass mich Jordan verprügelt hatte. Aber wenn er auch da gewesen wäre, hätte er nichts tun können ohne seine Tarnung auffliegen zu lassen. Mir gefiel es nicht, dass er Schuldgefühle wegen mir hatte, deshalb versuchte ich ihn abzulenken, was mir nicht so schwer viel. „Wie heißt du eigentlich wirklich?", fragte ich ihn. „Mein Vorname ist Logan." Nachdem er mir geantwortet hatte führte er unbeirrt das, was auch immer er dort tat, weiter. Falls irgendjemand uns beobachtete, sah er einen alten Mann, der an einem Wagen hantierte und ein Mädchen das an eine Mauer gelehnt, den alten Mann beobachtete. Wir mussten sicher einen komischen Anblick abgaben, aber es gab keine andere Möglichkeit mich aus dieser Stadt rauszuholen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
***
Die Zeit zog sich in die Länge wie Kaugummi und nach einer gefühlten Ewigkeit, als er endlich mit dem Ergebnis zufrieden war, drehte er sich zu mir um und lächelte selbstzufrieden. „Fertig." Ich hob die Augenbrauen. „Bist du dir sicher? Vielleicht du ja irgendetwas übersehen. Schau lieber noch mal nach, bevor gehen." Logan überhörte die Ironie in meiner Stimme. Er hatte die ganze Zeit konzentriert am Auto gearbeitet, dass man hätte denken können, dass das eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war. Die Beutel mit dem künstlichen Blut (Ich war erleichtert, als ich erfuhr, dass es nur künstlich produziertes Blut war) hatte er auf den Fahrersitz geschnallt. „Was hast du jetzt eigentlich mit dem Auto genau vor?"
„Siehst du das Gebäude auf der anderen Straßenseite?", fragte er mich. Er zeigte auf ein blaues Hochhaus mit Balkonen, auf denen jeder Besitzer etwas anderes gestellt hatte. Einer stand allerdings leer. Es war das letzte Stockwerk und ich konnte nur schwer erkennen, dass auf dem Fenster ein ZU-VERMIETEN Schild klebte. ,,Und was wollen wir da oben machen?" Ich musterte ihn von der Seite. Das Grinsen war erneut in sein Gesicht getreten. „Wir werden deinen ‚Scheintod' beobachten."
***
Die Wohnung war klein und leer. Die Vormieter hatten nichts hinterlassen außer den Löchern an den Wänden, an denen Bilder gehangen hatten. Logan ging direkt in die Richtung des Balkons. Er drehte sich zu mir um. „Wollen wir anfangen? Oder brauchst du noch ein bisschen Zeit?"
„Nein, alles OK. Du kannst anfangen." Ich blieb neben ihm am Fenster stehen. Er holte sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. Ich hörte das Tuten auf der anderen Seite. Wen rief Mr. Reeves jetzt an? Ich hatte allerdings keine Zeit mehr, ihn zu fragen, denn genau in dem Moment, als die Mailbox angeschaltet wurde, explodierte das Auto. Flammen züngelten aus den zerbrochenen Fenstern des Autos. Die Scherben lagen überall auf dem Boden verstreut. Menschen die auf der Straße unterwegs waren liefen auf die Gasse zu, blieben aber stehen als sie die Flammen sahen. Die meisten zückten ihr Handy und riefen die Feuerwehr an. Das vermutete ich zu mindestens. Es sammelten sich immer mehr um die Gassenöffnung, die den Knall gehört hatten. Ich drehte mich zu Logan um und starrte ihn geschockt an und wunderte mich, dass er grinste wie ein kleines Kind, das gerade ganz alleine einen ganzen Schokokuchen gegessen hatte und wusste, dass er jetzt Ärger kriegen würde. Kurz gesagt- er sah aus wie ein grinsendes Honigkuchenpferd.
Ich schüttelte den Kopf. „Wo hast du gelernt, wie man ein Auto in die Luft gesprengt?" Er zuckte mit den Schultern. „Adria, was dachtest du, was wir bei den DEDS lernen?"
„Also ihr lernt, wie man Autos in die Luft sprengt?" Er verzog das Gesicht. „Unter anderem." Ich schaute Mr. Reeves erstaunt an. „Ist nicht dein Ernst oder?"
„Adria, du wirst bald erfahren, was du alles bei den DEDS lernen wirst, aber bis dahin musst du Geduld haben." Ich seufzte.
„Ich weiß, aber ich bin nun mal neugierig. Dafür kann ich nichts." „Glaub mir, ich war damals auch sehr neugierig, aber dir wird es bei uns gefallen." Ich schaute auf das Szenario, dass sich unter uns abspielte. Mittlerweile waren Feuerwehrwagen und Polizeiautos da und die Feuerwehrmänner versuchten das Feuer, das sich nach der Explosion ausgebreitet hatte, zu löschen. Aber das Seltsame war der schwarze Kombi mit verdunkelten Gläsern, der sich der Unfallstelle näherte. Aus dem Wagen stiegen fünf Männer in Anzügen. Den ersten von ihnen erkannte ich. Es war der Mann, der Logan die Flüssigkeit gebracht hatte. Er ging an der Spitze der kleinen Gruppe. Er hatte wie die anderen Männer an seinem Revers ein Sternen-Symbol, dass ich aber nicht genauer erkennen konnte. „Das ist doch der Typ, der dir vorhin geholfen hat." „Ja, das ist Ayden. Wir kennen uns, seit ich bei den DEDS angefangen habe, seitdem sind wir gute Kumpels und ich vertraue ihm."
„Aber warum ist er hier? Und was für ein Abzeichen ist das?", fragte ich ihn.
Ein leichtes Lächeln erschien auf Logans Gesicht. „Er ist hier, weil er dir helfen wird. Und das Abzeichen ist das Zeichen vom FBI. Er wird an deinem Fall arbeiten, damit die Polizisten nicht merken, dass du nicht wirklich im Auto warst."
„Aber würde er nicht seinen Job verlieren, wenn herauskämme das er die Ergebnisse von dem Fall gefälscht hat?" Logans Grinsen wurde breiter. „Hatte ich schon erwähnt, dass er nicht wirklich für das FBI arbeitet? Nicht oder?" Ich schüttelte den Kopf. „Wir schleusen ab und zu ein paar unserer Agenten in das System vom FBI, der CIA oder von Interpol."
„Aber warum?"
„Wie bei dir kommt es manchmal vor, dass wir den Tod von einer Person nachstellen müssen, oder das wir jemanden aus dem Gefängnis rausholen müssen, weil er während einer Mission einen Fehler gemacht hat und daraufhin verhaftet wurde. Wir haben auch Doppelagenten, das heißt, dass sie für uns und für die anderen arbeiten. Dadurch können wir etwas über Kinder wie dich erfahren." „Sind die anderen Agenten bei Ayden auch von den DEDS?", fragte ich ihn.
Er nickte. „Das FBI beschäftigt sich normalerweise nicht mit einfachen Explosionen, das macht eigentlich die Polizei, und wenn es für die aussieht, als wäre da irgendwas Kriminelles dahinter, dann wird der Fall an das FBI oder halt an eine andere Agentur weiter gereicht. Du wirst sie später noch kennen lernen, wir werden mit ihnen zum Campus zurückkehren, aber erstmal müssen sie ihre Aufgabe erledigen."
Ich schaute wieder aus dem Fenster. Mittlerweile waren Ayden und sein Team bei den Polizisten angelangt und es sah so aus, als würden sie eine hitzige Diskussion führen. Letztendlich machten die Polizisten Platz und Ayden trat durch. Der Rest der Gruppe ging zurück zum Auto und sie holten verschiedene Sachen aus dem Koffer. Dann gingen sie wieder auf die Polizisten vorbei zum Auto. Eher gesagt zu dem Schrott der vom Auto übrig geblieben war. Ayden hatte sich vor das Auto gekniet und musterte es interessiert. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf und stand wieder auf. Er ging zu den anderen rüber und half ihnen, verschiedene Werkzeuge aus den Koffern herauszuholen und dann begannen sie mit der Untersuchung des Autos. Sie nahmen verschiedene Probestreifen, mit denen sie dann wahrscheinlich Tests durchführen sollten. Als sie endlich nach einer Stunde fertig waren, kam ein Abschleppwagen, der die Reste vom Auto auflud und dann weg fuhr. Ayden und die anderen Männer stiegen wieder in ihren Wagen ein und verschwanden ebenfalls. Die Polizisten blieben noch ein paar Minuten und gingen dann auch. Das Einzige, was von der Explosion übrig geblieben war, waren die Brandflecken auf dem Boden. Logans Stimme riss mich aus meinen Gedanken. ,,Adria, es wird jetzt Zeit, dass wir gehen." Ich nickte und folgte Logan zur Tür.
Als wir das Hochhaus verlassen hatten, schritt Logan zielstrebig auf ein Motorrad zu. Er holte zwei Helme aus dem Sitz und reichte mir einen davon. „Wie wollen sie den das Motorrad ohne den Schlüssel starten?", fragte ich ihn. ,,Wer hat denn gesagt das ich den Schlüssel nicht hab." Er holte den Schlüssel aus seiner rechten Jackentasche, klimperte ein paar Mal mit ihnen und forderte mich dann mit einer Handbewegung auf, mich auf das Motorrad zu setzen. Ich setzte mich und rutschte ein bisschen hinter, damit Logan auch Platz hatte. Er setzte sich vor mich und ich klammerte mich mit den Händen hinten an den Sitz und Logan sauste los.
***
Wir hielten vor einem kleinen Familienhaus in einer ruhigen Gegend. Wir waren in den kleinen Randbezirken der Stadt angelangt, wo die Häuser in meilenweiten Abständen zueinander standen. Das Haus war umgeben von vielen Bäumen, die vermutlich an einem Wald angrenzten. Logan stieg vom Motorrad ab und nahm sich den Helm ab. Er sah sich um und drehte sich dann zu mir um. „Komm, gehen wir rein, damit du die Anderen auch noch kennen lernst."
Ich stieg ebenfalls ab und versuchte den Helm abzunehmen, was mir nicht gelang. Logan kam auf mich zu. „Komm, ich helfe dir mal, sonst kriegst du diesen Helm nie wieder ab und wir werden für die nächsten Jahre hier stehen und am Ende sehe ich wirklich wie so ein alter Opa aus und du vergräbst dann meine Leiche irgendwo dort im Wald und niemand kommt mich besuchen."
Ich lachte. „Du musst nicht gleich übertreiben- und ich hätte nie im Leben erwartet, dass du melodramatisch bist."
„Och ne, jetzt wirft sie auch noch mit Fachwörtern um sich- komm ich will endlich rein, sonst werde ich hier noch ein Baum." Er half mir den Helm abzunehmen und ging voraus zu der Eingangstür die in einem dunklen grün gestrichen war. Er klopfte laut an der Tür an und ein paar Sekunden später hörten wir, wie sie sich drinnen darüber stritten, wer den endlich die ‚verdammte' Tür öffnen sollte. Logan seufzte. „Leute, kann einer von euch mal endlich diese Tür aufmachen, sonst werden wir hier noch von Bären aufgegessen."
Ich schmunzelte. ,,Du weißt schon, dass es hier wirklich Bären gibt." Er drehte sich abrupt um. Ich hätte in diesem Moment gern eine Kamera gehabt, mit der ich seinen Gesichtsausdruck hätte auffangen können. Er befeuchtete seine Lippen und stammelte. „Adria, bitte sag, dass das ein Scherz ist und du mich einfach nur auf den Arm nehmen willst."
Ich verkniff mir das Lachen. „Mit sowas scherzt man doch nicht. Es ist sogar schon mal vorgefallen, dass die Bären einen unschuldigen Menschen angefallen haben." Die Panik stand Logan im Gesicht geschrieben. Er hämmerte an die Tür und schrie: „Leute, macht endlich die Tür auf oder ihr werdet meine zerstückelte Leiche zum Campus nehmen! Und dann dürft ihr Bella erklären, dass mich wilde Bären aufgefressen haben." Zehn Sekunden später wurde die Tür von einem verdutzt reinschauenden Ayden geöffnet und Logan stürmte schnell an seinem Freund vorbei in das Haus rein. Ich konnte mir das Lachen nicht mehr zurückhalten und musste mich nach ein paar Sekunden auf den Boden setzten, weil mein Bauch so sehr schmerzte.
Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, wischte ich mir meine Lachtränen weg und stand auf. In der Tür standen Logan, Ayden und die anderen vier Männer die ich noch nicht kennen gelernt hatte. Logan runzelte die Stirn. „Adria, bitte sag mir, dass du mich nicht verarscht hast."
Meine Lippen zuckten erneut. „Hast du schon mal davon gehört, dass Bären Menschen angreifen?" Logan wurde so rot wie eine Tomate. „Nein." Die anderen schauten zwischen Logan und mir hin und her. Keiner schien ganz zu verstehen, was vorgefallen war. Logan schien langsam klar zu werden, dass ich mir mit ihm einen kleinen Scherz erlaubt hatte. Er kniff die Augen zusammen und sagte mit einer bedrohlichen Stimme: „Glaub mir, Adria, das wirst du bereuen." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verschwand im Haus. Seine Freunde schauten sich verdutzt an. Ayden drehte sich zu mir um. „Komm rein, Adria. Der wird sich wieder beruhigen."
Ich stand auf und ging ins Haus rein.
Das Haus war sehr alt und musste schon lange verlassen sein. Man sah überall Staub herumwirbeln. Außerdem lag ein muffiger Geruch in der Luft. „Habt ihr hier das Fenster aufgemacht?" Ayden verneinte und ich ging auf eines der Fenster zu, um das Haus von dem schlechten Geruch zu befreien, sonst würde ich mich auf den Boden übergeben. Logan entdeckte ich in dem kleinen Wohnzimmer, wo er beleidigt auf der Coach saß, die Arme vor der Brust verschränkt hatte und stur vor sich hin starrte. Vielleicht hatte ich es zu weit getrieben? Ich sollte mich bei ihm entschuldigen, schließlich half er mir, mich aus Jordans Fängen zu befreien. Ich ging auf ihn zu und setzte mich neben ihm auf die Coach. Logan schaute immer noch stur vor sich hin, ohne aufzublicken. Mann, der Typ war echt wie ein kleines Kind. Die anderen kamen auch und setzten sich zu uns.
(So stelle ich mir Anden vor)
Ich achtete nicht auf sie und startete meine Versöhnungsmethode, die bei meinem Bruder immer geklappt hatte. Ich tippte ihm erst so lange auf die Schulter, bis er sich genervt zu mir um drehte. „Was?!", fragte er mich genervt. Ich machte meine Augen so groß wie Rehaugen und dann zog ich auch noch einen Schmollmund. Ich blinzelte ein paar Mal. „Bist du noch sauer auf mich?" Die anderen beobachteten bewundernd und gespannt dieses Schauspiel. Es fehlte nur noch, dass sie Popcorn aßen. Logan sah mittlerweile so aus, als hätte er mir verziehen. „Es tut mir auch furchtbar leid. Und ich mach es nicht nochmal. Versprochen." Logan steckte mir seinen kleinen Finger entgegen und sagte: „Indianer- Ehrenwort?" Ich hakte meinen kleinen Finger, bei seinem ein. „Indianer- Ehrenwort." Ich war erleichtert, dass er mir verziehen hatte. „Ach Adria ..."
„Ja?"
„...das heißt nicht, dass ich dir das nicht heimzahlen werde." Ich schaute ihn erstaunt an. Sein Gesichtsausdruck hatte mittlerweile dieses böse Grinsen angenommen, bei dem man wusste, dass jemand gerade etwas Böses ausheckte. Ich seufzte. „Ich hab es verdient. Mach was du nicht lassen kannst." Jetzt grinste er über die beiden Ohren. „Würde uns mal einer von euch erklären was hier los ist?", Ayden mischte sich in unser Gespräch ein.
Logan und ich hatten die anderen gekonnt ignoriert. Logan klärte sie auf, während ich mich auf dem Sofa zurück lehnte und mich im Raum umsah. Es gab in der Ecke einen kleinen Kamin, vor dem Kissen verteilt waren. Die Wände waren kahl und fleckig. Das Zimmer war relativ hell und hatte eine großes Fenster aus dem man in den riesigen Garten blicken konnte, der mit dem Wald verbunden war. Logan hatte seine Erzählung beendet und die anderen runzelten die Stirn. In dem Moment kam es mir so vor, als würde ich Augen hinter einem Busch erkennen, aber wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein.
Ayden räusperte sich und ich drehte mich zu ihm um. „Leute, ich will euch ja nicht beunruhigen, aber hier gibt es wirklich Bären." Seine Worte wurden von einem Knurren untermauert. Logans Gesicht wurde schneeweiß und ich glaube, meins sah im Moment genauso aus. „Das ist nicht witzig, also hör bitte auf, wenn das ein Scherz sein soll." Logan klang ängstlich. Soweit ich weiß, griffen Bären keine Menschen an, aber es gab für alles ein erstes Mal.
Ayden fuhr sich durch die braun gewellten Haare. „Das ist kein Witz, hier gibt es wirklich Bären. Was glaubst du, warum hier so wenige Leute leben?" Ich hatte das Gefühl, dass es vielleicht nicht so schlecht wäre, zu erzählen, dass ich draußen etwas im Wald gesehen hatte, aber ich wusste nicht so ganz ob ich mir das einfach nur eingebildet hatte oder ich wirklich etwas gesehen hatte.
„Ich will euch ja auch nicht beruhigen, aber ich glaube, ich hab dort draußen irgendwas gesehen." Jetzt waren alle blass im Gesicht. Logan wurde wütend. „Wer von euch ist auf die bescheuerte Idee gekommen, in das Haus hier oben zugehen? Ayden, du wusstest, dass es hier Bären gibt und hast uns trotzdem hier her gebracht. Wie dumm kann man nur sein? Habt ihr wenigstens ein Jagdgewehr oder so was ähnliches, damit wir uns verteidigen können?"
„Ähm nein, wir haben angenommen, dass sie uns im Haus nicht angreifen werden." Logan vergrub sein Gesicht in den Händen. „Einer von euch soll mich bitte kneifen, damit ich aus diesem verdammten Traum aufwache." Ich zwickte ihn in den Arm. „Aua! Das war nicht ernst gemeint!" „Dann hättest du es auch nicht sagen sollen", gab ich zurück.
Es wurde langsam dunkel. Es war mittlerweile 18:25 Uhr geworden und wir saßen immer noch auf dem Sofa und wir hatten bis jetzt nur eine kleine Vorstellungsrunde gehabt. Die anderen Männer hießen Liam, Steffan, Derek und Paul. Ich schätzte alle auf ungefähr zwanzig Jahre ein. Logan wollte die Maske abnehmen und war deshalb hoch gegangen. Nach einer halben Stunde kam er runter und sein Gesicht war knallrot. Er hatte pechschwarze Haar und blaue Augen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ihm viele Mädchen hinterher rannten oder dass er eine Freundin hatte. „Man fühlt sich das gut an, wieder sein eigenes Gesicht zu haben." Er ließ sich auf das Sofa fallen. Zwei Minuten später knurrte sein Magen. Und ich würde mich noch besser fühlen, wenn ich keinen Hunger hätte."
„Wir könnten runter in die Stadt fahren und dort etwas zu essen kaufen", schlug Liam vor. ,,Es ist aber keine gute Idee, wenn Adria mitkommt- nicht das ich etwas gegen dich hätte, aber ist es nicht auffällig, wenn eine tote Person essen geht?" „Da hast du Recht. Wir machen es so: einer von uns geht einfach und holt das Essen hierher." Alle waren mit Dereks Idee einverstanden und kurz darauf hörten wir auch, wie er mit dem Motorrad losfuhr um uns Pizza zu kaufen.
***
Eine Stunde später.
Als Derek endlich mit den Pizzen ankam, waren die Jungs schon halb verhungert und sie verschlangen sie in zehn Minuten. Ich hatte um eine kleine Pizza gebeten und auch von der nur die Hälfte gegessen. Logan hatte mich kurz gemustert, aber nichts dazu gesagt. Wahrscheinlich dachte er, dass ich magersüchtig bin. Aber das war ich nicht. Ich hatte einfach nur keinen Hunger. Ob das wohl ein Anzeichen für Magersucht war? Liam schob die leeren Pizzaschachteln in den Kamin und zündete sie an, damit wir nicht mehr so sehr im Haus froren. Es war mittlerweile sehr kalt geworden. Ich schaute gedankenverloren in die Flamme. Die Männer tuschelten irgendetwas, weil ich aber nicht zuhörte, bekam ich auch nicht mit, worüber sie sich unterhielten. Logans Stimme riss mich aus meiner Starre. „Adria, hast du mitbekommen, was ich dich gefragt habe?", fragte Logan mich. Ich räusperte mich. „Tut mir Leid. Was hast du mich gefragt?"
„Wir haben gerade darüber gesprochen, dass wir morgen zu Jordan und deiner Mutter fahren werden, um ihnen von deinem Tod zu berichten. Willst du mitkommen, um deine Mutter das letzte Mal zusehen?" Es kam mir so vor, als würde ich von einem Traum erwachen. Ich hatte die ganze Zeit über, die ich mit Logan verbracht hatte, nicht damit gerechnet, dass ich es wirklich hier weg schaffen würde. Es kam mir wie ein unerreichbarer Traum vor, von hier zu verschwinden, doch jetzt würde er wahr werden. Das war kein Traum. Das war die Realität und ich musste mit meinem alten Leben abschließen und alles hinter mir lassen und vergessen. Vergessen, dass meine Mutter mein Leben ruiniert hatte.
„Ich will mitkommen um meine Mutter ein letztes Mal zusehen, damit ich mit meinem alten Leben abschließen kann." Logan nickte. An Aydens Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er Mitleid mit mir hatte, aber ich wollte kein Mitleid. Nicht von ihm und auch nicht von Logan. „Ich glaube aber nicht, dass Jordan meinen Tod ohne Beweis wahrhaben wird." Logan nickte erneut. „Das vermuten wir auch, deshalb haben die Jungs vorhin diese Testproben genommen. Wenn er zur Polizei geht, wird diese ihm das bestätigen. Liam ist sehr talentiert darin, Unterlagen zu fälschen. Man kann bei Fälschungen von ihm nicht unterscheiden, ob sie echt sind oder nicht. Er wird die Ergebnisse fälschen und Ayden und Derek werden dann zu Jordan und deiner Mutter gehen."
Ich hätte nicht gedacht, dass Liams so was kann. Ich hätte ihn mir eher als Kampfsportler oder so vorgestellt. Er hatte sehr breite Schultern und hätte glatt als Bodyguard durchgehen können. „Wie lange wird es dauern, bis du alle Unterlagen durch hast?", fragte ich Liam. Er zuckte mit den Schultern. „Es wird höchstens eine Stunde dauern, bis ich mit den Unterlagen durch bin. Derek muss sich dann in das System vom FBI hecken, um die Daten auf ihre Server zu übertragen. Das wird aber auch nicht so lange dauern. Derek ist sehr gut darin. Steffan wird währenddessen für dich einen Pass und eine Geburtsurkunde erstellen. Das müsste reichen, bis wir wieder auf dem Campus sind. Den Rest wirst du dort nicht brauchen. Ok, wir müssen langsam anfangen sonst schaffen wir es bis morgen nicht mehr."
Logan setzte sich neben mich während die anderen in ein anders Zimmer verschwanden. Logan wartete noch ein paar Minuten, bis er sicher war, dass die anderen nicht mehr hörten was er mir sagen wollte. Er war besorgt und er hatte seine Stirn in Falten gezogen, so als würde er über etwas nachdenken. ,,Wann hast du das letzte Mal richtig gegessen?"
Ich seufzte. Ich hatte vermutete, dass er mich das Fragen würde, aber insgeheim hatte ich gehofft, dass er das nicht tun würde. Es ging ihn ja eigentlich nichts an, schließlich war das mein Leben. „Das letzte Mal, als ich ordentlich gegessen habe, war als ich noch bei meinem Bruder war." Er starrte mich nicht geschockt an, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Er nickte, so als hätte er das schon befürchtet. „Aber du nimmst keine Pillen oder so?" Ich runzelte die Stirn. Dachte er etwa, dass ich mich umbringen wollte? „Logan, wenn ich versuchen wollte, mich umzubringen, dann würde ich einfach von einem Dach springen. Ich bevorzuge es, ohne Leiden zu sterben. Ich steh nicht auf Schmerzen." Wütend starrte ich ihn an.
Er hob beschwichtigend die Hände. „Ich hab nicht behauptet, dass du versuchen würdest, dich umzubringen. Wenn das wolltest, hättest du es schon längst getan und nicht so lange gewartet. Adria, es ist aber nicht normal, dass du so dünn bist. Bei den DEDS werden sie kontrollieren, ob du gesund oder ungesund bist. Du wirst in den ersten Wochen harte Workouts hinter dich bringen müssen und wenn du so dünn bist, kann es dazu führen, dass du einfach umklappst. Dein Bruder hätte nicht gewollt, dass du wegen seinem Verlust so sehr leidest."
Wütend stand ich auf. „Du hast keine Ahnung, was mein Bruder gewollt hätte und was nicht. Er hat gedacht, dass ich tot bin." Tränen traten mir in die Augen. Doch ich würde nicht weinen. Ich würde mich gegenüber von ihm nicht schwach zeigen. Dafür vertraute ich ihm nicht gut genug. Ich hatte auf die harte Weise gelernt, dass es manchen Menschen nichts aus machte, die anderen mit ihren Schwächen zu schlagen.
Er stand ebenfalls auf. „Du hast Recht, vielleicht weiß ich nicht, was er wollte oder nicht, aber ich bezweifle, dass er sich gewünscht hätte, dass du dich abmagerst und zu einer lebenden Leiche wirst."
„Warum interessiert es dich so sehr, was ich mache- es ist mein Körper und ich kann entscheiden, was ich mit ihm mache und was nicht!" Ich wurde immer wütender. „Du weißt nicht, wie es ist, eine Person zu verlieren die dir mehr bedeutet als dein eigenes Leben. Du kannst nicht wissen, wie ich mich fühle."
Sein Gesicht war rot vor Wut geworden. „Ich glaub, du hast nicht zugehört, als ich dir erklärt habe, um was es sich bei den DEDS handelt. Jedes einzelne Kind dort hat jemanden verloren. Ich weiß auch, wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren der wichtiger ist als dein eigenes Leben, also hör auf so zu tun, als wäre ich ein gefühlsloser Sack, der dich zu dem hier zwingt. Du verdienst es nicht, so zu leben!" Ohne sich noch mal umzudrehen stürmte er aus dem Zimmer und ein paar Sekunden später hörte ich, wie die Haustür zuknallte und der Motor vom Auto gestartet wurde und weg war er.
Man hatte mich schon wieder verlassen.
Schuldgefühle machten sich in mir breit. Ich hätte ihm das alles im Eifer des Gefechts nicht an den Kopf werfen sollen, aber er hatte mich einfach so wütend gemacht. Er hatte seine Eltern verloren, aber er hatte wenigstens noch seine Schwester. Oder? Vielleicht war sie gestorben und ich hatte alte Wunden bei ihm aufgerissen. Verdammt, ich musste mich entschuldigen. Also musste ich warten, bis er wieder zurückkam.
***
Es verging eine gefühlte Ewigkeit, als ich endlich draußen wieder das Geräusch von einem anhaltenden Motor hörte. Ich überlegte schon seit Logan abgehauen war, wie ich mich bei ihm entschuldigen sollte, mir war jedoch nichts eingefallen. Ich hoffte einfach, dass er meine Entschuldigung annehmen und mir verzeihen würde. Nervös stand ich auf und tigerte auf und ab. Nachdem Logan vorhin nach unserem Streit einfach ohne ein weiteres Wort das Haus verlassen hatte, war Ayden kurz zu mir gekommen und hatte versucht mir gut einzureden. Er behauptete, dass es nicht meine Schuld wäre, da ich nicht wissen könnte, dass das für ihn ein verletzendes Thema war. Genaueres hatte Ayden mir nicht erzählt, er meinte, das stehe ihm nicht zu.
Die Tür öffnete sich und Logan trat ein. Ich vermutete, dass es Logan war- wer sonst würde in so einer gottverlassenen Gegend in genau dieses Haus kommen? Schritte näherten sich dem Wohnzimmer und Logan kam zu mir ins Zimmer. Sein Blick verfinsterte sich, als er mich erblicke und er wollte schon wieder gehen, als ich verzweifelt: „Warte", rief. Er blieb tatsächlich stehen, drehte sich aber nicht um. „Logan, es tut mir furchtbar Leid. Es war falsch von mir, dir das an den Kopf zu werfen. Ich weiß nicht, unter welchen Umständen du zu den DEDS gekommen bist und wen du alles verloren hast. Du kannst nichts dafür, dass ich so stur bin und von niemandem Hilfe will, so bin ich einfach. Du bist die einzige Person auf dieser verdammten Welt, die für mich da ist und die mir helfen will. Ich würde es verstehen, wenn du mir nicht verzeihen kannst, aber bitte ignoriere mich nicht, dass würde ich nicht aushalten. " Mir traten schon wieder Tränen in die Augen, ich blinzelte sie aber schnell weg. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um einen auf schwach zu tun und anzufangen zu weinen.
Logan drehte sich langsam zu mir um. Wir standen uns einfach gegenüber, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Ich konnte nicht aus seinem Gesichtsausdruck schließen, ob er mir verziehen hatte oder nicht. Es war, als hätte er eine Maske auf, die keine Gefühle durchließ. Als er jedoch die Tränen in meinen Augen sah, kam er einfach auf mich zu und schloss mich in seine Arme. Ich wehrte mich nicht und ließ auch meinen Tränen freien Lauf. Alles, was sich in der letzten Zeit in mir aufgestaut hatte, ließ ich jetzt raus. Er sagte nichts und strich mir über den Rücken und flüsterte mir beruhigende Worte zu.
Nach ein paar Minuten waren all meine Tränen aufgebraucht und ich schluchzte nur noch. Er wartete bis ich mich wieder beruhigt hatte und flüsterte mir dann zu: „Ach Adria, ich hab dir doch schon längst verziehen. Du konntest nicht wissen, dass ich auf dieses Thema nicht gut anzusprechen bin. Aber ich verspreche dir, irgendwann werde ich dir erzählen, was passiert ist, aber nur nicht heute. OK?" Ich nickte an seine Brust und er löste sich von mir und bugsierte mich auf das Sofa. Dann verschwand er kurz und kam mit einer Packung Taschentücher zurück. Er reichte mir ein und ich schnäuzte lautstark was ihm zum Lachen brachte.
„Was denn?" Meine Stimme war heiser geworden und meine Augen waren vom vielen Weinen zugeschwollen. „Du hörst dich an wie ein Elefant." Ich starrte ihn ungläubig an. Das konnte nicht sein Ernst sein. „Ernsthaft." Irgendwie brachte ihn mein verdutztes Aussehen noch mehr zum Lachen und er konnte nicht mehr damit aufhören. Ich verdrehte die Augen. Er war der einzige Mensch auf dieser Welt, der es schaffte, in so einer Situation zu lachen. Er gab sich Mühe aufzuhören, es gelang ihm aber nicht und so hielt er sich nach ein paar Minuten den schmerzenden Bauch. Von oben drangen Geräusche zu uns runter und ich hörte sie tuscheln. Die Jungs waren schon ins Bett gegangen, weil es schon spät geworden war und sie nicht genau wussten wann Logan wieder zurückkommen würde.
Vorwurfsvoll starrte ich Logan an. „Jetzt hast du die Kleinen aufgeweckt!" Er lachte wieder. Und die besagten „Kleinen" kamen zu uns runter. Sie sahen zwischen mir und dem sich auf dem Sofa windenden Logan hin und her. Liam drehte sich drehte sich zu Derek um. „Hast du ihm was ins Essen gemischt?"
Derek runzelte die Stirn. „Warum sollte ich Logan was ins Essen reinmischen?" Liam zuckte die Schultern. „Das hätte erklärt, warum er die ganze Zeit lacht", gab Steffen zu bedenken. „WOW, anstatt zu denken, dass ich ihm was Witziges erzählt haben könnte, nehmt ihr gleich an, dass man ihm Drogen eingeflößt hat." Die Jungs lachten. „Tut uns Leid, aber wir hatten nicht angenommen, dass du der Typ bist, der Witze reißt." Logan hatte sich beruhigt und schaute zwischen mir und seinen Freunden hin und her. Für was hielten die mich? Eine verbitterte alte Oma oder was? Nur weil ich bisher kein gute Laune hatte oder gelächelt habe, heißt das nicht, dass ich verbittert oder so war. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die mit einem Dauerlächeln im Gesicht rumliefen.
Ayden hatte nicht behauptet, dass ich verbittert bin, aber ich hatte wiedermal viel zu viel in die Worte von anderen interpretiert und hatte die Worte von der anderen Person auch noch verdreht. Na ja für mich hatte es sich wie eine Herausforderung angehört. Logan hatte gemerkt, dass ich irgendetwas ausheckte. „Leute, ihr solltet vielleicht wieder schlafen gehen. Morgen wird nämlich ein anstrengender Tag." Die Jungs nickten nur und verschwanden wieder so schnell, wie sie gekommen waren. Logan wartete, bis sich die Zimmertür hinter ihnen geschlossen hatte, dann drehte er sich mit einem frechen Grinsen zu mir um. „Was ist dein Plan?" Ich grinste. „Du hast nicht zufällig ein Handy und einen Laptop oder so dabei?"
***
Die Jungs teilten sich ein Zimmer, während ich mein eigenes bekam. Dort bereitete ich alles für meinen Streich vor. Logan kam nach einer Stunde zu mir ins Zimmer rein. „Hast du alles vorbereitet?" Ich lächelte. „Ich bin schon seit einer halben Stunde fertig."
„Gut, wann fangen wir an?" Er rieb sich die Hände, wie ein kleines Kind, das sich auf sein Eis freute. „Ich werde es nicht mehr lange aushalten, also fangen wir jetzt an."
„Wir müssen nur noch kurz runter, um den Laptop draußen hinzustellen." Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so was drauf hast."
„Du denkst viel und ich glaube, nicht mal die Hälfte von dem ergibt Sinn." Er schmunzelte. „Wenn ich dich nicht mögen würde, würdest du es noch bereuen."
„Dann hab ich ja Glück, dass ich die Ehre habe, mit dir befreundet zu sein." Er lachte kurz auf. Ich stieß ihn mit meinem Ellenbogen an, damit er nicht so laut lachte. ,,Ja, OK, ich bin ja schon leise", flüsterte er. Wir schlichen leise zur Tür und huschten runter ins Wohnzimmer. Ich öffnete leise die Terrassentür. Dort brachte ich den Laptop hinter den Büschen an und kontrollierte noch mal alles. Danach schlich ich mich wieder rein und Logan schloss die Tür hinter mir. An den Zimmertüren trennten wir uns und legten uns wieder in unsere Schlafsäcke. Ich wartete noch ein paar Minuten und schon konnte es starten. Unsere kleine Show würde jetzt beginnen. Ich zückte Logans Handy. Wir hatten eine App mit Tiergeräuschen runtergeladen, bei der es auch Bärengeräusche gab. Ich drückte auf das Button für den Bär und es ging los. Es ertönten verschiedene Geräusche, die Bären eben von sich gaben. Ich hörte hektische Geräusche aus dem Nebenzimmer. Einer von ihnen fragte: „War das ein Bär?"
Dann hörte ich wie Logan antwortete: „Ein einzelner Bär würde nicht so viel Lärm machen. Es müssen mehrere sein." Jetzt war ich an der Reihe. Ich ging so schnell ich konnte in das Nebenzimmer. „Jungs, als ich aus dem Fenster geschaut hab, waren da Bären! Bitte sagt mir, dass das ein Scherz ist." Ich schaute panisch zwischen den Jungs hin und her. Bei Logan blieb mein Blick kurz hängen. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Wenn er jetzt anfing zu lachen, war es das mit dem Streich. „Wir sollten runter gehen und schauen ob da wirklich Bären sind. Vielleicht sind sie ja wieder weg?" In Pauls Stimme schwang ein leichtes Zittern mit. Die anderen nickten zustimmend und wir machten uns auf den Weg runter. Steffen verschwand kurz in der Küche und kam mit Messern zurück. Logan zog die Augenbrauen hoch. „Glaubst du ernsthaft, du könntest einen Bären mit Messern besiegen?" Wütend starrte ihn Steffen an. „Hast du eine bessere Idee, du Schlaumeier?!"
Ich verkniff mir ein Lachen. Sie fingen auch noch an, sich zu streiten wie kleine Kinder. Ayden mischte sich ins Gespräch ein. „Ernsthaft, ihr streitet euch. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt."
Ich holte vorsichtig das Handy aus meiner Tasche und drückte unauffällig noch mal auf den Button. Die Jungs zuckten alle zusammen und sahen sich verzweifelt um. Ach, das sah so süß aus, wie sie da vor Angst zitterten. Steffen reichte jedem ein Messer außer mir. Er dachte sicher, dass ich mich mit dem Messer nur selbst verletzen würde. Paul ging voran in das Wohnzimmer und die anderen folgten ihm wie kleine Küken ihrer Mutter. Logan blieb stehen und Ayden lief gegen ihn. „Warum bleibst du stehen? Hast du was gesehen?" Ein Hauch von Panik schwang in seiner Stimme mit. Logan hatte ein Schreck geweiteten Ausdruck im Gesicht. Er zeigte mit dem Finger aus dem Fenster. Auf der Terrasse sah man den Schatten von drei Bären. Die Jungs versuchten hastig, wieder aus dem Zimmer zu flüchten, als ich wieder auf dem Handy rumdrückte und das Geräusch erneut ertönte. Die Jungs blieben hastig stehen. Man konnte ihnen die blanke Panik im Gesicht ansehen. Die Schatten bewegten sich und wurden immer größer. „Stopp, bleibt stehen, wenn ihr euch bewegt, dann werden sie immer näher kommen." Meine Stimme ließ sie zur Salzsäure erstarren und sie verharrten regungslos. Sie trauten sich noch nicht mal zu blinzeln.
Und dann sprang plötzlich einer der Schatten auf das Fenster zu und die Jungs rannten kreischend wie kleine Mädchen aus dem Zimmer raus. Logan und ich blieben im Zimmer und prusteten los. Als die Jungs hörten, wie wir lachten, kamen sie alle mit einem wütenden Gesichtsausdruck zurück. Ich hatte mich mittlerweile auf den Boden gesetzt, da ich es nicht mehr aushalten konnte. „Ihr habt uns verarscht, oder?" Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
Ich grinste. „Jap genau das haben wir getan." Ayden hatte einen selbstbewussten Ausdruck im Gesicht. Er stellte sich breitbeinig hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dir ist klar, dass das ein Nachspiel haben wird."
„Und wie. Ich freue mich schon darauf."
Bevor ihr anfängt weiter zu lesen würde ich mich sehr gerne bei euch bedanken=). Ich hoffe, dass euch die Geschichte gefällt und würde mich sehr auf eure Kommentare freuen.
Eure Coltancat.
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(Derek siehe Bild oben)
Nervös rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. Nachdem dem Streich gestern Nacht waren alle in ihre Betten gegangen und hatten die restliche Zeit, die noch bis zum Morgen verblieben war, geschlafen. Ayden und Derek standen vor Jordans Haus. Sie hatten sich in schwarze Anzüge geworfen und ähnelten im Moment sehr den Man in Black. Die restlichen von uns saßen im Auto und beobachteten Jordan und Derek ruhig. Ich konnte nicht verstehen, wie sie nur so ruhig bleiben konnten. Aber so wie sie ruhig da saßen, wirkten sie sehr professionell auf mich. Auch wenn etwas schief gehen würde, konnten sie uns aus dieser Situation problemlos herausbringen. Sie hatten anscheinend öfters so etwas getan. Wie konnten sie nur so ruhig bleiben? Ich hatte das Gefühl als würde ich gleich platzen.
Derek klingelte und ein paar Minuten später wurde die Tür von einer der Haushälterinnen geöffnet. Sie sah verwundert zwischen den beiden hin und her. Jordan bekam nicht oft Besuch von Fremden Leuten. Ayden erklärte ihr kurz was und sie zeigten ihre FBI-Ausweise. Man konnte die Panik in ihrem Gesicht vom Auto aus sehen. Sie öffnete die Tür und bat die beiden rein. Derek und Ayden gingen an ihr vorbei und sie schloss die Tür hinter ihnen. Da wir alle auf dem Rücksitz sitzen mussten, war es hier hinten reichlich eng. Und wir saßen hier hinten nicht so eingeengt, weil wir es witzig fanden. Nein, wenn einer von Jordans Leuten vorbei ging und sah, dass irgendwelche fremden Leute das Haus ihres Bosses beobachteten, würden sie diese Person skrupellos umbringen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Das Auto hatte getönte Scheiben, aber wenn die beiden ein- oder ausstiegen, durfte Jordan nicht wissen, dass noch jemand hier im Auto saß.
Wir lehnten uns alle zurück, als sich die Tür schloss und starrten auf den Laptop, den Jordan gerade aufklappte. Liam hatte an Dereks und Aydens Revers jeweils eine winzige Kamera angebracht, die man übersehen würde, wenn man nicht wusste, dass sie da war. Im Notfall konnten die Jungs dann noch einschreiten und das auch nur, wenn sie es nicht alleine raus schafften. Gespannt warteten wir darauf, dass auf dem Monitor ein Bild erschien. Kurz darauf konnten wir sehen, wie die Jungs in das riesige Wohnzimmer geführt wurden. Dort saßen Jordan und meine Mutter. Jordan stand auf, um die Gäste zu begrüßen. Man konnte jedoch erkennen, wie angespannt er war. Mit einer ausladenden Geste bat er sie, sich zu setzen. Kurz darauf ertönte aus dem Lautsprecher die Stimme von Ayden. Wir hatten auch ein kleines Mikro in der Innenseite seiner Jacke angebracht. Bei Derek allerdings nicht. Das würde nur zu einem Gewirr führen, da die Schallwellen nicht immer gleichzeitig bei jedem Mikro ankamen.
„Tut uns leid, dass wir Sie stören, aber wir hätten ihre wertvolle Zeit nicht in Anspruch genommen, wenn es nicht ernst wäre." Jordan lehnte sich auf dem Sofa zurück. ,,Es ist uns eine Ehre, Sie empfangen zu dürfen, aber dürfte ich fragen, wer Sie eigentlich sind?"
„Natürlich, dazu haben Sie jedes Recht." Er holte wieder seinen Ausweis heraus und reichte ihn Jordan. „Ich bin Agent Ayden Tate und mein Kollege hier ist Agent Derek Barker. Wir arbeiten zurzeit an einem Auftrag, in den Sie verwickelt sind."
Jordans Gesicht wurde nicht blass, wie ich es eigentlich erwartet hätte, er lehnte sich einfach weiter zurück und lauschte gespannt Aydens Worten. „Fahren Sie fort, ich höre ihnen zu."
Diesmal sprach Derek weiter und Ayden nahm seinen Ausweis entgegen. „Wo ist ihre Tochter?", fragte er an meiner Mutter gewandt. In ihrem Gesicht spiegelte sich die gleiche Verwunderung, wie in Jordans. „Sie sollte oben in ihrem Zimmer sein. Warum fragen Sie, Mr. Barker?"
Er zog die Augenbrauen hoch. „Sie sollte in ihrem Zimmer sein? Das klingt nicht so sicher. Wollen sie sie nicht zu uns rufen, damit wir sie kennen lernen können?" Meine Mutter stand hastig auf. ,,Natürlich ich hole sie sofort." Sie verschwand und Jordan schaute ihr mit gerunzelter Stirn hinterher. Sie warteten schweigend. Ungefähr zwei Minuten später kam sie mit einem panischen Blick zurück. Sie schaute verzweifelt zu Jordan. „Sie ist weg. Ihr Fenster ist offen und es hängen Laken raus." Jordans Gesicht verzehrte sich kurz vor Wut, doch er merkte, dass ihn Ayden und Derek beobachteten, deshalb setzte er gleich eine besorgte Mine auf.
Logan drehte sich mit einem Grinsen zu mir um. „Du bist aus dem Fenster geklettert mithilfe von Laken?", er klang erstaunt, anscheinend hatte er mir das nicht zugetraut. Ich zuckte die Schultern. „Es gab keinen anderen Weg." Liams PSSST unterbrach uns und wir starrten wieder auf den Monitor. Genau in dem Moment erklang Jordans Stimme. „Woher wussten Sie, dass sie weg ist? Ist sie, Adria, bei euch?"
Aus Ayden würde mal ein guter Schauspieler werden. Er setzte einen mitleidigen Blick auf. „Es tut mir Leid Ihnen das sagen zu müssen, aber Adria ist leider nicht bei uns."
Meine Mutter schaute Ayden und Derek verwirrt an. „Wie meinen Sie das? Wo ist sie, wenn sie nicht bei Euch ist?"
Ayden seufzte und fuhr sich durch die Haare. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, so als wüsste er nicht, wie er das alles erkläre sollte. WOW, das war alles Oskar-reif. „Mein Beileid. Ihre Tochter ist leider gestern Nachmittag von uns gegangen." Der Mund meiner Mom klappte auf. Sie starrte Ayden geschockt an, so als könnte sie seine Worte nicht glauben. Eigentlich musste sie froh sein, mich endlich los zu sein. „Wie meinen Sie das, Adria ist von uns gegangen?", Jordans Stimme riss meine Mutter aus ihrer Starre und sie schloss ihren Mund.
„Ihre Tochter Adria ist bei einem Autounfall gestorben. Sie hat ein Auto von einem Schrottplatz geklaut. Das Auto hatte eine Fehlzündung und ist in die Luft gegangen. Ihre Tochter wurde wortwörtlich in ihre Einzelteile gesprengt. Wir haben allerdings die Vermutung, dass jemand versucht hat, sie absichtlich umzubringen."
Derek mischte sich ins Gespräch ein. „Haben Sie irgendwelche Feinde, die Sie leiden lassen wollen?" Jordan schien nicht ganz zu glauben, dass ich wirklich tot sein sollte, er sah einfach nicht überzeugt aus und das merkten wir alle.
„Nein, ich wüsste nicht, dass es jemanden gibt, der mir Schaden zufügen wollte. Wo ist ihr Leichnam? Wir würden sie gerne beerdigen."
„Es gibt leider keinen Leichnam. Alles, was von Adrias Körper übrig geblieben ist, ist Asche." Jordan zog die Augenbrauen hoch. „Woher wissen Sie dann, dass es Adria ist?"
Derek und Ayden sahen ihn misstrauisch an. „Wir dürfen Ihnen nichts Genaueres über unseren Auftrag erzählen, dass ist uns leider verboten. Aber seien Sie gewiss, es ist Ihre Tochter. Bei so etwas machen wir keine Fehler."
Derek meldete sich zu Wort. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir Ihnen jetzt gerne die Asche überreichen und diesen Fall abschließen. Da Sie keine Feinde haben, kann es dann nur ein Fehler im Auto sein, der die Explosion ausgelöst hat." Sie standen alle auf. Derek ging vor und öffnete die Tür und ging raus während Ayden darauf wartete, dass er meine Asche brachte. Logan klappte seinen Laptop zu. Alles war bis jetzt gut verlaufen. Gott sei Dank. Derek öffnete den Kofferraum. „Adria, du hast einen echt verkorksten Stiefvater." Er holte schnell den Behälter mit der Asche heraus. In dem war nur die Asche einer toten Katze drin. Er schloss den Kofferraum wieder und ging wieder auf das Haus zu. Dort reichte er meiner Mutter den Aschebehälter und sie verabschiedeten sich und kamen wieder auf das Auto zu.
Jordan blickte ihnen misstrauisch hinterher, hielt sie aber nicht auf. Als sie endlich einstiegen, atmeten alle erleichtert aus und wir fuhren los. Als wir um die Ecke fuhren, hielt mir Logan die Hand hin und ich klatschte ein.
„Wir haben es geschafft."
„Ja, das haben wir." Ich konnte endlich alles hinter mir lassen und von neu anfangen. Ein Neustart, das würde mir gut tun. Ohne alle Probleme aus meinem alten Leben. Ich schaute aus dem Fenster raus und beobachtete die an uns vorbeiziehende Landschaft. Ich kam hier endlich weg.
Stunden später hielten wir an, weil die Jungs Hunger bekommen hatten und Derek und Ayden die ungemütlichen Anzüge ausziehen wollten. Wir hielten vor einem kleinen Imbiss an einer der Raststätten, an der Autobahn. „Wir sollten auch den Wagen wechseln", sagte Paul. ,,Nicht, dass wir verfolgt werden." Die anderen nickten zustimmend und holten ihre Sachen aus dem Kofferraum. Viel war es nicht. Jeder hatte eine kleine Tasche und ich hatte nichts mitgenommen, deshalb waren meine Hände leer. Auf dem Weg trennten sich Paul und Liam von uns. Sie wollten das neue Auto beschaffen, aber ich verstand nicht genau, wo sie einen Wagen finden wollten. Hier gab es keinen Händler, der Autos verkaufte.
Ich schaute ihnen hinterher und merkte, wie sie vor einem großen Geländewagen stehen blieben. Ich riss die Augen auf und drehte mich zu Logan um. „Sie klauen das Auto?", fragte ich ihn panisch. Die anderen warfen mir böse Blicke zu und schauten sich um, um zu sehen ob noch jemand mitbekommen hatte, was ich alles rumbrüllte. „Was hast du den gedacht, wie wir hier an ein Auto rankommen?", flüsterte er mir zu.
„Ich hab ganz sicher nicht erwartet, dass ihr ein Auto klaut", zischte ich. Er seufzte genervt. „Wir klauen es nicht, wir leihen es uns nur." Ungläubig sah ich ihn an. „In der nächsten Stadt kaufen wir ein neues und der Besitzer kriegt sein Auto wieder. Versprochen." Ich nickte nur noch und wir gingen weiter, in den Imbiss rein.
Dort verschwanden Derek und Ayden auf der Toilette, um sich umzuziehen. Logan, Steffan und ich setzten uns an einen großen Tisch in der Ecke und bestellten bei der jungen Kellnerin, die sofort herbeigeeilt war, als wir rein kamen. Jeder von uns grübelte vor sich hin. Man konnte die Spannung zwischen uns beinahe sehen. Ich hätte von den Jungs nicht erwartet, dass sie ein Auto klauen würden. Aber Menschen waren nicht immer so, wie man sie sich vorstellte. Ayden und Derek kamen in normalen Jeans und T-Shirts zurück. So sahen sie nicht mehr wie Erwachsene aus, sondern einfach wie normale Jugendliche. Die Anzüge hatten sie in ihre Taschen gestopft. Sie setzen sich zu uns und die Bedienung kam erneut, um auch ihre Bestellungen aufzunehmen. Wenige Minuten später kamen auch Paul und Liam zurück und unsere Gruppe war komplett. Die Angestellte brachte unser Essen und nahm dann auch noch die Bestellung der beiden auf. Sie war sicher wütend, weil wir es ihr so schwer machten. Sie wunderte sich sicher auch, warum wir alle getrennt reinkamen. „Hat einer von euch schon Bescheid gegeben, dass wir den Auftrag erledigt haben?", fragte Liam. „Nein", antwortete Logan mit vollem Mund. Typisch Jungs. Sie kannten halt einfach keine Manieren. „Ich gebe gleich nach dem Essen Bescheid, dass wir wieder auf dem Weg zurück sind." Die Bestellung der Jungs kam und alle aßen schweigend weiter. Normalerweise waren sie viel gesprächiger. Nach zwanzig Minuten waren alle fertig und wir zahlten und gingen raus. Ich hatte wiedermal nur die Hälfte von meinem Essen gegessen, aber Logan hatte nichts dazu gesagt nur sein Blick hatte alles zum Ausdruck gebracht. Er machte sich Sorgen um mich, doch das brauchte er im Moment nicht, mir ging es gut. Ich fühlte mich zu mindestens nicht schlecht, deswegen nahm ich an, dass mit mir alles in Ordnung ist.
Wir gingen schweigend zu unserem ,neuen' Auto und setzten uns rein, so als wäre es unser Auto und nicht geklaut. „Wie willst du das Auto starten ohne Schlüssel?",fragte ich Paul, weil er am Steuer saß. Er grinste und holte Schlüssel aus seiner Hosentasche. „Mit den Schlüsseln, mit was den sonst." Ich starrte ihn sprachlos an. Von wo hatte er die her? Hatte er die etwa auch geklaut? „Ich kann förmlich deine Gedanken lesen. Nur so zur Info- wir haben das Auto nicht geklaut. Wir haben es bei der Hinfahrt hier hinterlassen, um es später dann abzuholen. Wir wollten vorbereitet sein und wir hatten angenommen, dass wir noch Tarnungs- Autos brauchen würden, deshalb sind wir in vier verschiedenen Wegen gekommen und haben an den Raststätten jeweils die Autos hinterlassen."
Liam konzentrierte sich auf die Straße, während Derek mir das alles erzählte. Ab und zu nickte er. Und das war das Einzige, was er noch dazu sagte. Ayden, der auf dem Beifahrersitz saß, fragte nach einer Weile, ob wir was dagegen hätten, wenn er das Radio einschaltete. Alle verneinten und Sekunden später erklang die Stimme eines Moderators, der von dem Wetter berichtete. Seine Worte versanken im Hintergrund, während ich hinaus auf die Landschaft starrte. Ich lehnte meinen Kopf an Logans Schulter und schlief kurz darauf ein.
***
Ich wurde durch ein sanftes Rütteln an meiner Schulter geweckt. Ach nee, ich wollte jetzt nicht schon wieder aufwachen. Es war doch grad so schön ruhig. „Vielleicht wacht sie auf, wenn wir Wasser über ihren Kopf schütten", hörte ich einen der Jungs sagen. „Nein, das wäre fies und sie würde sich dann wahrscheinlich erkälten", gab ein anderer zu bedenken. Bevor sie ihre Meinung nochmal ändern konnten, öffnete ich die Augen. Viel konnte ich dadurch allerdings nicht sehen.
„Hey Dornröschen, bist du endlich wach", fragte mich Logan. Mal schlief man ein paar Stunden und schon wurde man Dornröschen getauft. „Ja leider", antwortete ich.
Wir wurden von Derek unterbrochen. „Wir müssen wieder los. Willst du was essen, Adria?", fragte er mich. Ich verneinte. „Ok, dass ist der letzte Auto Wechsel. Wir sind bald am Flughafen." Ich war verwirrt- wie lange hatte ich denn geschlafen? „Stoppt mal kurz. Der letzte Wechsel... wie lange hab ich den geschlafen?" Steffen schaute auf deine Uhr. „Du hast genau genommen sechs Stunden und achtundvierzig Minuten geschlafen."
Ich rieb mir über die Augen. „Echt, hab ich so lange geschlafen?", fragte ich verwundert. „Ja, wir mussten uns die ganze Zeit dein Schnarchen anhören. Ich hätte nie gedacht, dass so ein kleines Mädchen wie du so laut schnarchen kann." Es hatte nur noch gefehlt, dass sie mich jetzt auch noch neckten. „Erstens ich schnarche nicht und zweitens ich bin nicht klein." Sie lachten mich aus. Ich wurde langsam wütend. „Oh, ist da jemand sauer?", fragte Ayden.
„Glaub mir, ich sehe und handle ganz anders, wenn ich sauer bin. Und du willst mich sicherlich nicht erleben, wenn ich so drauf bin." Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Nicht mal Logan sagte etwas zu meiner Verteidigung.
Was für ein Freund.
Auf der Autobahn war weit und breit kein anderes Auto mehr. Entweder lag es daran, dass wir hier irgendwo in einem Kaff waren, oder daran, dass es zwei Uhr morgens war. Ich tippe eher auf letzteres. Ich konnte vom stundenlangen Sitzen meine Beine nicht mehr spüren. Ich wollte nur noch aus diesem Auto raus. Während der Fahrt hatten wir kaum miteinander gesprochen. Die Jungs hatten sich immer wieder am Steuer abgewechselt, damit jeder mal die Chance hatte zu schlafen, was im Auto nicht so gut ging. Wir hielten vor einem riesigen, hell beleuchteten Gebäude an. Es war ein Flughafen. „Endstation",verkündete Ayden. Wir stiegen aus dem Auto raus und gingen auf den Eingang zu. Ihre Ausrüstung hatten sie verbrannt, weil es viel zu gefährlich wäre, mit den Sachen in ein Flughafen zu gehen. „Habt ihr Tickets gekauft?", fragte ich Liam, der neben mir her ging. „Ja, das habe ich im Auto erledigt. In einer halben Stunde müsste unser Flug nach Amerika losgehen."
„Liam, darf ich dich was fragen?"
„Solange es nicht eine doofe Frage ist."
„Wo liegt eigentlich der Campus?"
Er drehte sich zu mir um. ,,Das dürfen wir dir noch nicht sagen. Du musst erst einen Test ablegen, bevor du an solche Informationen kommst." Er blickte ernst rein, weshalb ich annahm, dass er mich gerade nicht nur auf den Arm nahm.
„Und was für ein Test ist das?", fragte ich ihn. Ich hatte ein bisschen Angst, dass ich den Test vermasseln würde. Er lächelte mir beruhigend zu. „Keine Sorge, wenn wir diesen Test geschafft haben, dann schaffst du ihn locker."
Ich lächelte. „Hast du nicht vorhin gesagt, dass wir nach Amerika fliegen?", fragte ich ihn. „Ja, hab ich. Warum fragst du?" Ich zeigte auf die Tabelle. ,,Dort steht nämlich, dass unser Flug in zehn Minuten losgeht und wir sind gerade mal durch den Check-In gekommen." Er drehte sich zu der Tabelle um. Musterte sie kurz und fluchte. ,,Jungs, um den Flug noch zu schaffen, müssen wir laufen. Also los beeilt euch ein bisschen." Er lief los und wir alle rannten ihm hinterher.
***
Ich lehnte meinen Kopf gegen die gemütliche Kopflehne im Flugzeug. Noch immer versuchte ich, meinen Atem zu beruhigen. Wir hatten es noch im letzten Moment ins Flugzeug geschafft, bevor die Türen geschlossen wurden. Ich saß neben Logan, der im Gegensatz zu mir überhaupt nicht außer Atem war. Genau wir die anderen. „Wir müssen an deiner Kondition arbeiten. Wir sind nur zehn Minuten gelaufen und schon bist du außer Atem." Er streckte die Beine aus und machte es sich auf dem Sitz gemütlich. „Tut mir leid, aber ich bin nun mal nicht so gut im Laufen und schon gar nicht so gut wie Sport Freaks wie du oder die anderen."
Er lachte kurz auf. „Glaub mir, ich war anfangs auch richtig schlecht und hab das Training kaum ausgehalten. Es wird aber mit der Zeit immer besser und du gewöhnst dich daran." Was ist, wenn das alles zu schwer für mich wird und ich es nicht schaffe? Zweifel packten mich und ich hatte Angst. Logan musste meine bekümmert Miene gesehen haben, denn er versuchte mich zu beruhigen. „Hey, mach dir keine Panik, du schaffst das schon. Du siehst zwar schwach aus, aber du bist stärker, als man denkt. Es wird alles gut und es wird dir dort sehr gefallen. Der Campus gefällt jedem." Es war süß von ihm, dass er versuchte, mich zu beruhigen und es half auch. „Und jetzt schlaf. Es wird ein langer Flug."
Ich nickte nur und schloss meine Augen. Ich hatte nicht gemerkt, wie müde ich geworden war. Ich hatte allerdings Angst, dass mich meine alten Albträume erneut heimsuchen würden. In letzter Zeit hatte ich sie zwar nicht mehr und ich hoffte sehr, dass es so bleiben würde. Ich schlief sofort ein und verschwendete keine Gedanken mehr an meine Probleme- die konnten warten. Das Flugzeug landete und wir warteten, bis die Flut der aussteigenden Leute verklungen war. Wir gingen auf den Ausgang zu, doch uns hielt plötzlich eine der Stewardessen lächelnd auf. „Sie haben etwas vergessen", sagte sie zu uns. Verwirrt drehten wir uns um und sahen zurück zu unseren Plätzen. Sie waren leer. Als wir eingestiegen sind, hatten wir nichts bei uns gehabt, was wir vergessen könnten. Die anderen schienen den selben Gedanken zu haben wie ich.
Sie drehten sich zu der lächelnden Stewardess um, die eine Waffe in der Hand hielt und mit der auf meinen Kopf zielte. „Du dachtest doch nicht wirklich, dass du so schnell entkommst. Das war doch viel zu leicht, nicht wahr, Adria? Niemand entkommt Jordan so leicht." Ich wollte nach hinten ausweichen, doch das ging nicht, denn hinter mir standen Logan und die Jungs. Ich sah mich um. Es musste doch noch jemanden in diesem Flugzeug geben, der uns helfen könnte. Die anderen Flugbegleiter müssten doch auch noch da sein. Hinter mir hörte ich Schritte und eine Stimme sagte: „Ich fessel sie und du hältst sie in Schach. Dann können wir uns auf den Weg machen und sie Jordan aushändigen." Ich traute mich nicht, mich nach der neuen Person umzudrehen.
Der letzte Funke meiner Hoffnung war mit seiner Ankunft erloschen. Ich hörte wie einer der Jungs gestoßen wurde und durch den Rums, der noch erklang, vermutete ich, dass man ihn bewusstlos geschlagen hatte. Aber sie waren doch alle DEADS, sollten sie es nicht schaffen, zu fünft gegen zwei Personen zu kämpfen? Ich musterte sie Frau vor mir. War das ihr echter Job oder hatte sie Jordan nur hier eingeschleust, um mich zurück zu bekommen? Warum war es ihm so wichtig das ich bei ihm war? Was für verrückte Pläne hatte er den mir mir?
„Warum helfen Sie Jordan?", traute ich mich sie zu fragen. Sie verdrehte die Augen. „Kleines, du weißt Einiges nicht und es geht dich auch nichts an. Aber da mein lieber Freund da hinten noch damit beschäftigt ist, deine Freunde oder was auch immer sie sind zu fesseln, werde ich dir meine kurze Geschichte erzählen. Ich bin vor drei Jahren im Gefängnis gelandet, weil ich meinen Ex umgebracht habe. Er hat mich mit irgendeiner Tussi betrogen. Jordan kenne ich schon von früher und er hat mich aus diesem Drecksloch wieder rausgeholt. Deshalb schulde ich ihm was. Außerdem kann man durch kriminelle Arbeit viel verdienen." Sie schaute gelangweilt auf ihre langen rot lackierten Fingernägel.
Sie war abgelenkt und ich ergriff die Chance. Ich sprang vor und versuchte ihr die Waffe aus der Hand zu reißen. Sie war allerdings stärker als ich sie eingeschätzt hatte. Sie griff mir in die Haare und riss meinen Kopf zurück. Mein Kopf knallte zurück und es fühlte sich so an, als hätte sie mir ein paar Haare ausgerissen. Ich versuchte sie zu treten doch sie drehte mich um und klemmte meine Kopf zwischen ihren Arm. Sie quetschte meinen Kopf so stark ein, dass ich langsam keine Luft mehr bekam. Ich versuchte panisch, einzuatmen, doch es gelang mir nicht. Schwarze Punkte tauchten vor meinen Augen auf und ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.
Das Letzte, was ich mit bekam, war, wie sie noch sagte: „Er sollte diesem kleinen Miststück eine deftige Lektion erteilen."
Ich wurde durch das Rütteln an meiner Schulter geweckt.
„Adria, wach auf", flüsterte jemand. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es Logan war oder jemand anderes, und um das herauszufinden musste ich meine Augen öffnen. Ich schloss sie schnell wieder, denn ich wurde vom grellen Licht der Sonne geblendet. Ich blinzelte ein paar Mal und sah direkt in das besorgte Gesicht von Logan. „Hey, du Schlafmütze, du hast schlecht geträumt und angefangen, um dich zuschlagen. Da dachte ich, ich wecke dich lieber auf, bevor du das halbe Flugzeug aufweckst. Was hast du denn geträumt?"
Ich lehnte mich in meinen Sitz und fuhr mir mit den Händen über die einzelnen Strähnen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten. Die Angst hatte mich in meinen Träumen heimgesucht. Was sollte ich machen, wenn mich Jordan in die Finger bekam? Er wirkte von meinem Tod nicht überzeugt, aber er konnte Ayden und Derek nicht widersprechen. ,,Adria, du musst jetzt nicht reden, wenn du nicht willst."
Ich ließ meine Hände in meinen Schoß fallen. „Nein, aber ich will dich nicht mit meinen Sorgen belasten."
Logan lächelte leicht. „Du belastest mich doch nicht. Du bist meine Freundin und ich will nicht, dass du deine Probleme in dich hineinfrisst. Ich bin vielleicht nicht deine allerbeste Freundin, die mit dir shoppen geht und mit dir über Jungs Probleme redet, aber sonst kannst du mit mir über alles sprechen."
Ich musste grinsen. „Und ich hatte mir so schön vorgestellt, wie wir in meinem Zimmer sitzen und uns gegenseitig die Nägel lackieren."
Er musste auch grinsen. ,,Können wir machen, aber du musst mir die Farbe gleich wieder rausmachen. Was wohl die Jungs darüber denken würden, wenn wir die dazu einladen, sich mit uns die Nägel zu färben? Spaß beiseite- was ist los mit dir? " Das Lächeln verschwand und er blickte wieder ernst drein.
Ich seufzte. Es war echt schwer, ihn von einem bestimmten Thema abzulenken, wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, mit einem darüber er zu diskutieren. „Es ist nichts Wichtiges, Logan. Ich hab einfach nur schlecht geträumt."
„Wenn ein Mädchen sagt, es ist nichts, dann steckt da was dahinter", meinte Derek. Ich drehte mich zu ihm um. Er und Ayden saßen direkt hinter uns.
„Ach, und woher weißt du das, du Frauenheld?", fragte ich ihn.
„Der Spitzname gefällt mir, so darfst du mich ruhig nennen. Und um deine Frage zu beantworten, immer wenn meine Freundin 'nix' sagt, steckt da was dahinter."
„Und deshalb nimmst du an, dass das bei mir auch so ist?", harkte ich nach.
Er zuckte mit den Schultern. ,,Alle Frauen ticken gleich. Es ist nicht so schwer, euch zu verstehen."
Ayden stieß ihn in die Seite. ,,Du lernst anscheinend nicht aus deinen Fehlern. Weißt du nicht, was die letzte Frau gemacht hat, nachdem du ihr das Gleiche gesagt hast?", fragte Ayden.
„Welche meinst du, da gibt es viele", behauptete Liam. Er saß neben uns und hatte die Augen geschlossen, aber er schlief anscheinend nicht, sondern lauschte unseren Worten. Derek wurde rot im Gesicht.
„Ein Tipp an euch Jungs. Sagt nie zu einer Frau, es wäre, sie zu durchblicken, das kränkt unser Ego. Und was mich brennend interessiert, was hat sie denn gemacht?"
Alle Jungs außer Derek lachten. „Das kann man nicht erzählen, das muss man gesehen haben. Und ich hab zufälligerweise ein Bild davon, wie er danach aussah." Steffen zückte sein Handy und reichte es mir, als er das gefunden hatte, was er suchte. Logan gab mir das Handy. Und ich prustete los. Auf ein Bild war Derek zu sehen. Aber er sah nicht normal aus. Nein, er hatte zwei blaue Augen und sein Arm steckte in einer Schlinge. Ich staunte. Das hatte ein Mädchen hingekommen? Ich musste diese Frau unbedingt kennenlernen. Sie verdiente dafür eine Medaille. „Das war ein Frau?", fragte ich ihn. Er war so rot wie eine Tomate geworden. Er nickte nur. Es war ihm sehr peinlich, das konnte man ihm ansehen.
„Hast du noch ihre Handynummer?", fragte ich ihn neugierig.
Er schaute mich ungläubig an. „Was willst du mit ihrer Handynummer?" Ich grinste. „Ich würde sie gerne um ein Autogramm bitten." Die Jungs lachten los, nur Derek waren nicht so ganz begeistert. „Und ich möchte sie fragen, ob sie mir beibringen kann, zu kämpfen. Wie man sehen kann, hat sie es echt drauf."
Logan schien sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben. „Wenn wir auf dem Campus sind, stell ich sie dir vor. Sie wird dich mögen."
„Wenn sie ein Kerl gewesen wäre, würde sie so aussehen", grummelte er.
„Du hast dich also nur nicht verteidigt, weil sie ein Mädchen ist?", fragte Ayden amüsiert.
„Dich hätte sie auch fertig gemacht, also halt lieber die Klappe, Ayden!" Es waren witzig mitanzusehen, wie sie sich gegenseitig nervten. „Ach Ayden, lass ihn in Ruhe", sagte ich mit einem Grinsen im Gesicht. „Sie hat ihn schon genug fertig gemacht." Die Jungs lachten erneut los. „Und ich dachte, du bist nett", sagte er zu mir.
„Komm schon, schmoll nicht rum, du bist doch kein Mädchen. Oder vielleicht doch?", fragte Liam.
,,Adria, du hast echt gut vom Thema abgelenkt, aber bist du dir sicher, dass du mir nicht erzählen möchtest, von was du so schlecht geträumt hast?"
Und ich dachte, ich hätte es geschafft, ihn abzulenken. „Ok, aber nicht, wenn die anderen zuhören." Die Jungs setzten ohne zu meckern Kopfhörer auf. Logan wartete noch und dann drehte er sich zu mir um. Das sollte dann wohl heißen, dass ich anfangen sollte. Ich zögerte kurz und begann dann zu erzählen. Als ich fertig war, sagte er mir nicht, dass ich verrückt sei oder so. Im Gegenteil, er nahm mich in den Arm und drückte mich. ,,Ich werde nicht zulassen, dass er dich bekommt. Das verspreche ich dir." Wir saßen so da und es fühlte sich einfach nur gut an, jemanden zu haben, der sich um dich Sorgen macht und dem du wichtig bist. „Und du hast echt geträumt, dass uns diese Frau besiegt?", fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern. Er löste sich aus der Umarmung, fasste mich an den Schultern und sah mir direkt in die Augen. „Ich würde mein Leben geben, um deines zu retten. Außerdem lernen wir in unserer Ausbildung, uns aus solchen Situationen raus zubekommen, ohne uns zu verletzen. Wir wären sicher mit einer bewaffneten Frau klar gekommen." Er fand es witzig, dass ich dachte, dass ein Frau ihn besiegen konnte.
„Wir haben vorhin gesehen, was ein Frau alles anstellen kann. Meinst du nicht, dass da meine Sorge berechtigt ist?"
Er tippte sich an die Stirn und sagte: „Touché." Dann zeigte er mit dem Kopf auf die Jungs, die während unserem Gespräch eingeschlafen waren und schnarchend da saßen. „Du solltest auch versuchen zu schlafen. Wir fliegen noch vier Stunden." Ich schüttelte den Kopf. Die Albträume würden wieder zurückkommen, wenn ich schliefe und lieber würde ich auf meinen Schlaf verzichten als mich von Albträumen wecken zu lassen. Danach ging es mir immer nur schlechter anstatt ausgeruht zu sein. Logan kramte in seiner Hosentasche und holte Tabletten raus. Er reichte mir eine. „Was ist das?", fragte ich ihn verwirrt. Er würde mir doch keine Drogen verabreichen, oder? „Das sind Schlakapseln, die werden dir helfen, ruhig und traumlos zu schlafen. Versprochen." Er holte aus seiner Tasche eine Wasserflasche und reichte sie mir. Ich löste den Verschluss der Flasche und nahm einen Schluck. Dann warf ich schnell die Tablette ein und und spülte sie erneut mit Wasser runter.
Logan nahm mir die Flasche ab und packte sie wieder in seine Tasche rein. ,,Du solltest in zwanzig Minuten einschlafen. Also schließe einfach die Augen und versuche von selbst ein zuschlafen. Ich weck dich auf, wenn du wieder schlecht träumst oder wenn wir landen."
,,Danke", sagte ich ihm. Ich schloss meine Augen und versuchte mich zu beruhigen. Kurz darauf schlief ich auch schon ein, mit meinem Kopf an der Fensterscheibe.
***
,,Adria. Adria!", weckte mich eine Stimme. Ich versuchte die Stimme zu ignorieren, doch sie wurde immer drängender. ,,Komm schon, wach auf, wir landen gleich und ich werde dich sicherlich nicht durch den ganzen Flughafen tragen, nur weil du beschlossen hast, nicht aufzuwachen." Als ich immer noch nicht aufwachte, fing er an mir zu drohen. „Wenn du nicht sofort aufwachst, werde ich dir Wasser über den Kopf schütten!" Da ich mir sicher war, dass er das nicht machen würde, ignorierte ich ihn weiter und öffnete meine Augen auch nicht. Kurz darauf riss ich die Augen auf, weil mir Logan wirklich Wasser in mein Gesicht geschüttet hatte. Ich starrte ihn wütend an und vernahm von hinten das Gelächter von Ayden und Derek.
„War das nötig?", fragte ich Logan wütend.
Er steckte die Flasche weg und war sich überhaupt keiner Schuld bewusst. ,,Dein Fehler, wenn du nicht aufwachst", sagte er unbeeindruckt. „Logan, ich bin klitschnass und hab auch nichts anders zum Anziehen dabei! Wenn ich so durchnässt durch die Gegend laufe, werde ich erstens Aufmerksamkeit erregen und zweitens werde ich mich erkälten!" Er seufzte entnervt. Er hatte darüber nicht wirklich nachgedacht, das konnte man sehen. Eine der Stewardessen kam vorbei und fragte mich mit zuckersüßer Stimme. ,,Haben Sie Ihr Wasser verschüttet?",- dabei musterte sie eher Logan als mich. Der Idiot schien das Interesse der Stewardess nicht mal zu bemerken.
,,Nein, ich hab mir in die Hose gemacht", behauptete ich wütend. Das war zwar total unlogisch, da mein T-Shirt nass war und nicht meine Hose, aber die Frau schien nicht zu bemerken, dass ich das ironisch gemeint hatte. Logan gab sich Mühe, nicht los zu lachen.
„Vielleicht sollten Sie zum Arzt gehen. Es ist bestimmt nicht normal, dass Sie in diesem Alter noch in die Hose machen", riet sie mir. Das war nicht ihr Ernst, oder? Aber so, wie sie mich musterte, sah es so aus, als würde sie wirklich glauben, was ich vorhin gesagt hatte. „Sie sollten auch zum Arzt gehen und checken lassen, ob bei Ihnen da oben was drinnen ist." Ich tippte mir an die Stirn. Sie schien endlich zu verstehen, dass ich es vorhin nicht ernst gemeint hatte. Sie wurde rot, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand hinter dem Vorhang, der den Passagierraum vom Cockpit trennte. Die Jungs lachten los, als die Stewardess hinter dem Vorhang verschwand. Sie amüsierten sich sehr gut.
„Hat euch die Show gefallen?", fragte ich sie bissig. Logan stieß seinen Ellenbogen in meine Seite. Er zog amüsiert eine Augenbraue hoch. ,,Sag mir nicht, dass es dir nicht gefallen hat, die Frau zu nerven."
„Ich hätte mich nicht mit ihr unterhalten müssen, wenn du mir nicht Wasser über meinen Kopf geschüttet hättest. Und woher hätte ich bitte schön wissen sollen, dass sie hohl in der Birne ist?", fragte ich ihn wütend. Für meinen Geschmack gefiel ihnen diese Situation viel zu sehr.
„War doch nur ein kleiner Scherz. Sei nicht sauer." Er sah mich entschuldigend an.
„Du darfst mir neue Klamotten kaufen, ich werde nämlich nicht den ganzen Tag in nassen Sachen herumlaufen. Und zu deinem Pech hasse ich shoppen, dass heißt, du wirst ein Kopf kürzer sein, falls wir nicht innerhalb von zehn Minuten aus dem Laden raus sind. Verstanden?" Er nickte als Antwort.
Von hinten ertönte Aydens erstaunte Stimme. ,,Adria, du bist das erste Mädchen, das ich kenne, die einkaufen nicht mag. Ich hab nicht gedacht, dass ich so was noch erleben werde." Er hörte sich so an, als wäre er ein alter Mensch, der kurz vor seinem Tod stand und jetzt das Wunder seines Lebens erlebet. Ich verdrehte die Augen. „Vielleicht bin ich ja ein Junge, wer weiß."
Kurz darauf wurde durch die Durchsage gemeldet, dass wir uns anschnallen und die letzten Minuten unseres Fluges noch genießen sollten. Ich verschränkte meine Hände ineinander und drückte zu. Zugegeben- ich hatte ein bisschen Angst. Logan löste meine Hände aus ihrer verkeilten Lage, nahm meine Hand in seine und drückte sie kurz. Er sagte nichts und ersparte mir dadurch die Demütigung der anderen. Seine Hand half mir, mich zu beruhigen und spendete mir Kraft. Das Flugzeug sank Richtung Landebahn und es entstand ein Druck auf meinen Ohren, der mir unangenehm war. Ich schluckte und der Druck verschwand, kehrte aber wieder zurück. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Logans Hand, die meine Hand fest umklammert hielt. Ich zerquetschte seine Hand, doch er sagte nichts dazu. Man würde später sicher Abdrücke erkennen.
Als wir auf dem Boden aufkamen, schwankte das Flugzeug und fuhr dann ohne jede Schwankung weiter. Ich ließ Logans Hand los. „So schlimm war es nicht, oder?", flüsterte er mir zu. Ich schüttelte nur den Kopf, weil ich meiner Stimme nicht ganz traute. Das Flugzeug stoppte und ich löste den Sicherheitsgurt mit zittrigen Händen. Logan stand auf, nahm mich bei der Hand wie ein kleines Kind und führte mich die Treppe runter aus dem Flugzeug raus. Die Anderen folgten uns und wir verließen ohne weitere Umschweife den Flughafen.
***
Paul und Steffan mieteten ein Auto und wir steigen alle ein. Wir fuhren bis zu einem Hotel, wo wir uns ausruhen wollten. Wir mieteten drei Zimmer mit jeweils zwei Betten. Logan teilte sich freiwillig ein Zimmer mit mir. Mit den anderen hatten wir vereinbart, uns in zwei Stunden unten zu treffen, um etwas essen zu gehen. Es war ein ganz normales Zimmer. Nicht so protzig aber auch nicht schlecht. In dem Zimmer standen zwei Einzelbetten und es gab ein kleines Fenster, das von einem grässlichen braunen Vorhang verdeckt wurde. Ich zog den Vorhang auf und ließ das Abendlicht rein. Neben der Tür war ein kleiner Fernseher an die Wand montiert worden. Logan verschwand durch eine Tür im Zimmer, die ins Bad führen musste. Er kam zurück. „Gehen wir dir neue Klamotten kaufen." Er nahm den Zimmerschlüssel in die Hand und sperrte die Tür hinter mir zu.
***
Wir hielten vor einem großen Einkaufszentrum und ich löste widerwillig meinen Gurt. Für viele Mädchen ist ein Einkaufszentrum ein Paradies, für mich ist es die Hölle. Ich öffnete die Autotür und stieg aus. Logan hatte den Wagen nah am Eingang geparkt, damit wir nicht so viel laufen mussten. Wir liefen an einer Gruppe von Mädchen vorbei, die die Hände voll bepackt mit Einkaufstüten hatten. Sie tratschten und lachten miteinander und achteten überhaupt nicht auf ihre Umgebung. Die Mädels schauten Logan hinterher und kicherten. Er war davon völlig unbeirrt und lief einfach ganz normal weiter. Ich konnte mir vorstellen, dass das nicht das erste Mal war, dass ihm Mädchen hinterher glotzten.
Er hielt mir die Eingangstür auf und ich ging in das warme Innere. Das Einkaufzentrum war von Innen geschmückt mit bunten Eiern. Eine Erinnerung an mich, dass bald Ostern sein würde. In der Ferne konnte ich auch die Skulptur eines Hasen erkennen. „Nur, damit du es weißt, ich will hier genauso schnell wieder raus wie du. Also bringen wir es hinter uns." Er ging auf das erste Geschäft zu, das er sah. Nur leider war das ein Männerladen, aber Logan schien das nicht zu bemerken. Ich räusperte mich. „Ähm, Logan...?"
„Ja?" Er drehte sich ungeduldig zu mir um.
„Ich werde sicherlich keine Männerklamotten anziehen." Verwirrt drehte er sich zu dem Laden um und merkte seinen Fehler. Er wurde rot und drehte sich wieder zu mir um. ,,Such du lieber einen Laden aus", sagte er.
Ich nickte. ,,Das ist eine gute Idee." Ich musste leicht grinsen, weil er mir hinterher dackelte wie ein kleiner Hund. Wir gingen in einen der Läden rein und er schien auch eine Kinderabteilung zu haben. Wir stiegen ein Stockwerk höher und Voilà, schon waren wir in der Kinderabteilung. Ich ging zwischen den verschiedenen Kleidungsstücken hin und her, konnte mich aber nicht für etwas entscheiden. Eine der Arbeiterinnen kam auf mich zu. Sie war groß und schlank und hatte eine Jeans und ein T-Shirt vom Laden an. Ihre blonden Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden. Sie musterte mich kühl aus ihren blauen Augen. „Hast du dich verirrt, Kleines?", fragte sie mich mit bitteren Stimme. Wir waren in einem teureren Geschäft drinnen, dass war mir klar geworden, nachdem ich auf eins der Preisschilder an einem Pulli geschaut hatte. Die Frau war sehr eingebildet, dass merkte man auf dem ersten Blick.
Logan, der sich gleich auf einen der Sitze neben dem Aufzug gesetzt hatte, erkannte meine Lage und kam auf mich zu. „Gibt es ein Problem?", fragte er die Frau, die Nadine hieß, das sagte das Namensschild an ihrem T-Shirt zu mindestens.
„Nein, Sir, ich wollte nur die kleine Lady darauf hinweisen, dass das nicht der geeignete Laden für sie ist." Sie klimperte Logan mit ihren langen, aufgeklebten Wimpern an.
Logan zog eine Augenbraue hoch. ,,Ach und Sie entscheiden, wer geeignet ist und wer nicht?", fragte er sie überheblich. Sie blinzelte. Sie war verwirrt, es war sicher das erste Mal, dass ein Mann nicht auf ihre Masche hineinfiel. „Natürlich nicht."
Er lächelte sie an, aber um seine Augen war ein böser Zug. „Gut, dann können sie meiner kleinen Schwester helfen für sie neue Klamotten auszusuchen."
„Natürlich", antwortete sie sofort und verschwand schnell. Ich wandte mich Logan zu. „Sehe ich so schlimm aus?", fragte ich ihn traurig. So fürchterlich konnte mein Aussehen doch nicht geworden sein, oder?
Er zögerte kurz. „Du siehst nicht schlimm aus, aber auch nicht gut. Du bist halt sehr dünn, deshalb denken viele wahrscheinlich, dass du auf der Straße lebst oder so was ähnliches", sagte Logan ehrlich. Ich verzog kurz das Gesicht. ,,Aber das mit dem Gewicht kriegen wir schon hin, mach dir keine Sorgen", sagte er aufmunternd. Nadine kam wieder mit einem Haufen Klamotten auf dem Arm zurück. „Muss ich das alles anprobieren? " Mir wurde schon bei dem Gedanken schlecht, das alles anziehen zu müssen.
„Such dir die raus, die dir gefallen, den Rest musst du nicht anprobieren."
Ich pustete die Wangen auf und ließ dann langsam die Luft wieder raus. Das könnte lang dauern, das alles zu sortieren und danach anzuprobieren, was mir überhaupt nicht gefiel. Ich musste anfangen, sonst würden wir nie im Leben aus diesem Geschäft rauskommen. Seufzend machte ich mich an die Arbeit und suchte mir die Sachen raus, die mir am besten gefielen. Es waren hauptsächlich weite Shirts und Pullis. Bei den Hosen nahm ich mehrere mit in die Umkleidekabine, weil ich meine Größe nicht mehr wusste. Ich probiere alles an und ging auch immer wieder raus, um Logan die Klamotten zu zeigen, die mir gefielen. Er machte mir Komplimente und wenn ihm eins der Stücke nicht gefiel, sagte er es mir einfach direkt ins Gesicht. Bei den Hosen gab es leider Probleme, weil jede einzelne, die ich anzog, mir zu groß war. Nadine brachte mir eine, die mir zwar passte, aber an den Beinen zu kurz war. Logan meinte, die wäre besser, da es in den anderen so aussehe, als würde ich da noch mal rein passen. Der Berg von Klamotten hatte sich um einen Viertel reduziert und Logan nahm die Klamotten und ging zur Kasse, während ich mich umzog. Er reichte mir die Tüten und wir verließen das Geschäft.
„Logan, hast du das alles von deinem eigenen Geld gezahlt?", fragte ich ihn zögerlich. Er schüttelte den Kopf. ,,Die DEDS kommen für so was auf. Du bist schließlich bald ein Mitglied." Nur wenn ich es durch den Test schaffe, schoss es mir durch den Kopf. Ich wollte auf den Ausgang zu gehen als Logan mich festhielt und am Arm in genau die andere Richtung zog. Verdutzt ließ ich mich mitziehen. „Wohin gehen wir?", fragte ich ihn als ich mich wieder gefangen hatte.
„Zum Friseur ", antworte er kurz und ungebunden.
„Aber warum?"
„Wegen der Frau von vorhin. Wir müssen dein Äußeres verändern. Ich will nicht, dass du wir ein Straßenkind aussiehst. Das bist du nicht und wirst es auch nicht sein, du gehörst ab jetzt zu meiner Familie. Ich hoffe, dir macht es nichts aus, dass unsere Familie mit dir zusammen aus zwei Personen besteht." Ich schüttelte den Kopf. Es war rührend von ihm, dass er mich zu seiner Mini-Familie zählte. Aber es ist besser, eine Person in seinem Leben zuhaben, anstatt viele falsche Freunde, die dir beim dem kleinsten Problem den Rücken zukehren. Logan führte mich in einen kleinen Friseursalon, in dem sich außer uns nur noch ein weiterer Gast befand. Die Friseurin, die sich gerade mit den anderen Gast beschäftigte, rief nach einem Manuel. Aus den hinteren Raum kam ein Mann raus, bei dem ich mir nicht ganz sicher war, ob er einer war oder nicht. Er hatte eine sehr enge Hose an. Logans Hose war zwarauch eng, aber nicht so extrem. Er hatte lange braune Haare, die ihm bis zu den Schultern reichten, mit verschieden farbigen Strähnen. Er hatte aufmerksame braune Augen, die mich gerade genau so musterten wie ich ihn. „Wir müssen unbedingt etwas an deinen Haaren ändern, Schätzchen. So sieht es furchtbar aus."
Logan grinste. „Sie haben es schnell erfasst. Machen Sie, was Sie nicht lassen können." Er hockte sich auf den Sessel, der in der Nähe der Tür stand. „Ich bin Christian und ich werde deine Haare so schön machen, dass du dich am Ende nicht erkennst", schwärmte er. Er platzierte mich auf dem Stuhl und deckte dann mit einem Handtuch den Spiegel zu.
Er machte sich an die Arbeit und als er das Handtuch dann wegzog, konnte ich mich fast nicht wieder erkennen. Zufrieden betrachtete Christian sein Werk und ich musste zugeben ich war beeindruckt, in meinem Spiegelbild einen völlig neuen Menschen vorzufinden. Mein davor verfilztes Haar fiel mir jetzt in Wellen über die Schultern. Er hatte mir einen Stufenschnitt verpasst und hinten waren meine Haare länger als vorne. So wie ein V. Logan stieß ein WOW aus. Er hatte sich davor mit seinem Handy beschäftigt und darauf irgendein Spiel gespielt. Jetzt galt mir seine volle Aufmerksamkeit. ,,Respekt, Christian. Adria ist wie ausgewechselt." Ein zufriedenes Lächeln ruhte auf Christians Gesicht. „Hab ich doch gesagt." Ich betrachtete mich selbst im Spiegel. Das war mein Neu-Anfang. Ich war jetzt eine neue Adria mit einem leicht anderen Aussehen. Ich bedankte mich bei Christian und er erwiderte, dass ich kommen könnte, wann ich wolle.
Wir kehrten zum Auto zurück und Logan fuhr uns zurück zum Hotel. Die anderen waren von meinem neuen Aussehen beeindruckt. Liam fiel sogar das Handy aus der Hand, als er mich sah. Ich schmunzelte darüber.
Wir saßen gerade gemeinsam mit den anderen in der Lobby, als Logans Handy klingelte. Als er den Namen auf dem Bildschirm sah, wechselte sein Gesichtsausdruck schlagartig von glücklich zu ernst. „Die Chefin ruft an", sagte er. Alle verstummten und lauschten aufmerksam. Logan nahm den Anruf an. „Hallo Bella, gibt es etwas Neues oder Ernstes?" Die Stimme auf der anderen Seite sagte etwas und Logan hörte aufmerksam zu. Er starrte konzentriert vor sich auf den Boden. „Wir sollen noch jemanden holen?", fragte er verwirrt. „Kann das nicht jemand anderes machen? " Die Stimme auf der anderen Seite hatte anscheinend verneint. Logan tigerte aufgeregt umher. „Ok, schick mir einfach die Daten, ich sag dir dann Bescheid, wenn wir ihn haben." Wütend legte er auf. „Wir dürfen noch ein neues Mitglied aufsuchen", verkündete er dann und verschwand nach oben.
Ich runzelte die Stirn und wand mich den anderen zu. „Warum schaut er so schlecht gelaunt? Ist es schlecht, dass es noch ein neues Mitglied gibt?", fragte ich Ayden, der Logan hinterher starrte. Er fuhr sich kurz mit der Hand durch die Haare. „Nein, es liegt nicht daran. Es ist einfach nur viel zu gefährlich. Ich hab nicht das Recht, dir zu erzählen, was damals passiert ist. Das muss Logan machen."
„So schlimm?", fragte ich leise. Er nickte. Ohne weiter darüber nach zu denken stand ich auf und lief hoch. Vor der Zimmertür blieb ich stehen und schaute minutenlang auf die Türklinke. Vielleicht sollte ich ihn lieber allein lassen? Nein, dachte ich mir. Als es mir schlecht ging, hatte er mich unterstützt, jetzt bin ich an der Reihe. Ich drückte die Klinke runter und betrat das Zimmer. Ich sah mich um und konnte Logan nicht auf den ersten Blick erkennen. Er saß zusammengekauert in der Ecke und hatte seinen Kopf zwischen seinen Beinen versteckt wodurch ich sich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Es war das erste Mal, dass ich ihn schwach sah. Er zeigte sich so weit ich wusste nicht vor anderen Menschen als Schwächling. Man sollte denken, dass er stark ist und jeden beschützen konnte. Diesen Eindruck hatte er bei mir erweckt. Aber es gab ein tiefsitzenderen Grund, weshalb er immer das Bedürfnis hatte, schwächere Leute zu beschützen.
Er hob den Kopf uns sah mich an. Es fühlte sich so an, als würde er mit diesem Blick die tiefsten Stellen in meiner Seele blicken und mich wie ein offenes Buch lesen. Er klopfte neben sich auf den Boden. Mit langsamen Schritten ging ich auf ihn zu und hockte mich neben ihn. Ich rutschte nah an ihn ran und legte meinen Kopf auf seine Schulter, wie ich es bei ihm öfters getan hatte. Die Geste erinnerte mich an meinen Bruder. Er hatte mich früher auf diese Weise getröstet, wenn ich keinen anderen an mich ran gelassen hatte. Wie bei meinem Bruder fühlte ich zu Logan ein Band. Er hatte es geschafft, mit seiner schrägen Art an mein Herz zu wachsen. Er schlang einen Arm um mich und lehnte seinen Kopf an meinen. So saßen wir da und ich wartete darauf, dass er sich mir öffnete und mir das Geheimnis verriet, das ihn so sehr plagte. Doch er schwieg. Und ich tat es auch. Er würde sich mir schon öffnen, wenn er empfand, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. Ihn zum Sprechen zu drängen würde nicht helfen.
,,Danke", flüsterte er nach einiger Zeit. Er hatte sich keinen Meter gerührt und seine Stimme war schwach.
„Ich hab nichts getan, was du nicht auch auch getan hättest."
Er lachte kurz auf. „Bist du dir sicher? Ich glaube nicht, dass ich so lange schweigen könnte." Er versuchte die gespannte Stimmung zu lockern, was ihm nicht so recht gelang. Ich stand auf und verschwand kurz im Badezimmer, um daraufhin mit einem Becher Wasser zurück zukommen, welches ich ihm reichte. Er nahm es dankend an und trank es in wenigen Schlucken leer, so als hätte er seit Tagen nicht getrunken und würde verdursten. Was auch immer in der Vergangenheit passiert war, es hatte immer noch aus Wirkungen auf den jetzigen Logan. Er hatte es nicht überwunden und es hatte sich wie ein schwarzes Loch in sein Herz gekämpft und dort nur noch Leere hinterlassen. Er war nicht der Logan, der er einmal gewesen sein musste. Er hatte sich aufgrund seiner Lebensgeschichte verändert und wenn ich nicht aufpasste, würde mir dasselbe widerfahren. Ich würde auf ewig mit Schuldgefühlen leben. Die Schuldgefühle würden sich wie Zecken in mir einnisten und nicht wollen zu gehen.
„Irgendwann werde ich dir erzählen, was passiert ist, aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen." Er stand auf und kam zu mir. „Komm, gehen wir zu den anderen, um mit ihnen zusammen die Informationen durchzulesen."
„Du behandelst die Person aber nett und wirst sie nicht entmutigen", sagte ich zu ihm.
Er blieb ertappt stehen. „Du bist gemein", motzte er. Manchmal war er wirklich wie ein kleines Kind.
„Ich weiß. Du magst mich trotzdem." Er sagte nichts mehr zu dem Thema und ich ließ es darauf beruhen. Wir klopften an Aydens und Dereks Tür, doch niemand öffnete, weshalb wir weiter zu der Tür von Steffen und Paul gingen. Diesmal öffnete uns Steffen die Tür und bat uns, einzutreten. Alle saßen versammelt auf den Betten oder auf dem Boden und wir setzten uns zu ihnen. Ayden reichte Logan seinen Laptop. Logan tippte ein paar Minuten rum und las schließlich einen Namne vor: ,,DAVID PARKER - DECAY HOUSE" Ich war verwirrt.
,,Das ist alles?", fragte ich die Jungs. Ayden zog eine Augenbraue hoch und musterte mich belustigt. ,,Was dachtest du, was wir bekommen? Seinen Lebenslauf?"
Ich wurde wütend. Woher sollte ich den wissen, was für Informationen sie normalerweise erhielten. Ich war schließlich zum ersten Mal dabei. ,,Ayden, sie kann das noch nicht wissen. Du wusstest beim ersten Mal, als du jemanden gerettet hast auch nicht alles, also tu nicht so, als wäre ihre Frage die dümmste, die sie in dieser Situation stellen könnte." Er drehte sich zu mir um. ,,Das sind die einzigen Informatione,n die wir bekommen. Den Rest müssen wir selbst herausfinden."
,,Und wie findet ihr das alles heraus? Durch das Internet?" Die Frage war eigentlich ironisch gemeint, aber anscheinend war meine Vermutung richtig. ,,Nicht euer Ernst?", fragte ich sie ungläubig. Logan grinste und die anderen nickten einfach nur. Das wird noch ein langer Tag, dachte ich mir, als ich mich zu ihnen setzte.
***
Ich hatte Recht. Die Jungs suchten den ganzen Abend lang Informationen aus dem Internet raus. Manchmal heckten sie sich irgendwo ein. Und was tat ich? Ich saß rum und schaute ihnen dabei zu. Irgendwann um zwei Uhr morgens schlief ich ein.
Ich wachte auf und das Erste, was mir auffiel, war, das wir uns nicht im Hotel befanden. Verwirrt schaute ich mich um und realisierte, dass wir im Auto saßen. Logan, der auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich mit einem Lächeln zu mir um. ,,Guten Morgen, Schlafmütze. Hast du gut geträumt." Eigentlich nicht. Mein Nacken schmerzte von der komischen Haltung, in der ich eingeschlafen war. ,,Warum fahren wir?" Das Hotel war so schön gemütlich gewesen. Warum mussten wir da jetzt schon los?
Logan und Ayden lachten. ,,Keine Sorge wir sind bald da. Wir müssen nur noch eine halbe Stunde fahren und wenn wir da sind, kannst du dich ausruhen. Obwohl wir eigentlich diejenigen sein sollten, die sich beschweren, schließlich fahren wir jetzt schon seit vier Stunden und du hast alles verschlafen." Ich rieb mir mit den Händen über mein Gesicht, in der Hoffnung, dass ich dadurch wacher werden würde. Es half nicht so sehr. Derek der neben mir saß, reichte mir eine Flasche Wasser, die ich öffnete und zur Hälfte austrank.
,,Wohin fahren wir?" Mir war erst gerade wieder eingefallen, dass sie gestern Abend den Aufenthaltsort von David nicht gefunden hatten. ,,Wisst ihr jetzt, wo sich dieses komische Haus befindet?"
,,Glaubst du, wir würden fahren, wenn wir nicht wüssten, wohin wir müssen?", kam es vom Besserwisser Steffen. ,,Ich weiß nicht, bei euch kann ich mir das schon vorstellen!", entgegnete ich schnippisch. Er musste nicht gleich so unhöflich sein. Vielleicht war meine Frage unnötig, aber ich war gerade erst aufgewacht, da konnte man noch nicht wirklich viel von mir erwarten.
,,Wir haben gestern noch herausgefunden, wo das Heim ist, in dem er lebt." Logan konzentrierte sich weiter auf die Straße. ,,Habt ihr schon einen Plan, wie ihr ihn herausholen wollt?"
Die Jungs wurden alle still. Logan rutschte unbehaglich auf dem Fahrersitz hin und her.
Das hieß, sie hatten einen Plan, der allen nicht so ganz gefiel. Ich seufzte. ,,Was ist euer Plan?", fragte ich Derek, der neben mir saß.
Derek fuhr sich durch die braunen Haare und verwuschelte diese nur noch mehr. ,,Wir wollen dich einsetzten, um an den Jungen ran zukommen. Logan will das nicht, weil er denkt wir würden dich in Gefahr bringen, obwohl es keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen."
Ich zuckte mit den Schultern. ,,Und was ist bitte schön daran so schlimm?", fragte ich sie verwirrt.
,,Eigentlich nichts, nur dass wir dich in einer Jungenschule einschreiben müssen." In eine Jungenschule? Ich glaube, die Jungs hat was auf den Kopf getroffen, als ich geschlafen bin. ,,Hattet ihr einen Autounfall?" Verwirrt schauten mich die Jungs an. Nur Logan schien zu verstehen, woran ich dachte. Er grinste vor sich hin, sagte aber nichts, um seinen Freunden nicht zu helfen. ,,Warum denkst du, dass wir einen Unfall hatten?" Ich verdrehte die Augen. Dafür, dass die Jungs so schlau waren, brauchten sie relativ lange, um darauf zu kommen, was ich meinte.
,,Ihr solltet wirklich mal einen Augenarzt besuchen. Euch ist schon klar, dass ich ein Mädchen bin und ihr mich deshalb nicht in einer Jungsschule einschreiben könnt!", sagte ich aufgebracht.
Ayden seufzte. ,,Ja, wir wissen, dass du ein Mädchen bist und wir dich deshalb dort nicht einschreiben können, aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie wir dich da einschreiben können. Du wirst dort für ein paar Wochen als Austauschschülerin eingehen. Den Direktor zu bestechen wird nicht so schwer sein, wenn das FBI mit ihm spricht."
,,Ich bin immer noch der Meinung, dass das eine bescheuerte Idee ist." Wir saßen vor dem Büro des Direktors und warteten darauf, dass er uns endlich zu sich ins Zimmer bat. Logan und Ayden hatten mich begleitet, um nochmal mit dem Direktor zu sprechen. Die wichtigsten Sachen hatten sie schon geklärt, jedoch hatte der Direktor, Mr Smith, immer noch seine Zweifel. Diese hatten sich allerdings in Luft aufgelöst, als er das Geld von Ayden erhalten hatte. Logan wollte ihn nur noch überzeugen, mich in die gleiche Klasse zu stecken wie David. Mein neuer Name war Gabrielle O'Brien und ich war die Tochter von einem berühmten Politiker aus dem Ausland und da der zurzeit wegen einer Krise sehr viele Feinde hatte, schickte er mich auf diese Jungenschule. Niemand würde nämlich darauf kommen, dass er seine Tochter auf einer Jungsschule verstecken würde. Das überzeugte Mr Smith.
Endlich öffnete sich die Tür und ein 45- jähriger Mann bat uns in sein Büro rein. Der Schreibtisch war sehr ordentlich. Ein paar Akten waren auf seinem Tisch gestapelt. Auf einer dieser Akten stand mein neuer Name. Er öffnete diese kurz und holte einen Stundenplan raus. Und im passenden Moment klopfte es an der Tür.
,,Das ist dein Stundenplan. Gleich kommt einer unserer Schüler, um dich ein bisschen herumzuführen, während ich noch was mit Ihren zwei Beschützern bespreche." Wenige Minuten später lief ich neben David her und wunderte mich darüber, dass der Plan wirklich geklappt hatte. Außerdem verfluchte ich denjenigen, der auf diese bescheuerte Idee gekommen war, weil mich alle Schüler, sogar die Lehrer, beim Vorbeigehen anstarrten. Auch David musterte mich immer wieder kurz von der Seite, hatte aber noch nicht mit mir gesprochen. Ich weiß nicht genau, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, aber sicherlich nicht so. Er hatte kurz geschorene blonde Haare und helle braune Augen, die schon beinahe golden aussahen. Von Steffen hatte ich erfahren, dass er ungefähr so alt war wie ich. Er war zwölf Jahre alt und ging in die 7. Klasse und wie es der Zufall wollte, ging ich in seine Klasse.
,,Warum gehst du eigentlich genau auf diese Schule?", fragte mich David. Er hatte wahrscheinlich genug vom Starren, weshalb er mich jetzt ansprach. Mittlerweile waren wir vor einem Klassenzimmer stehen geblieben, allerdings gingen wir noch nicht rein.
,,Das darfst du meinen Vater fragen. Er war der Meinung, diese Schule wäre der perfekte Ort für mich, um auf die Schule zu gehen."
,,Ich glaube, deinem Vater war nicht klar, dass du hier auf einer Jungenschule bist." Er grinste.
,,Das hab ich auch gedacht, aber er wusste, dass das eine Jungenschule ist, hat ihn aber nicht davon abgehalten, mich hierher zu schicken. Oder er denkt, ich bin ein Junge. Wäre nicht so unwahrscheinlich, so selten wie er mich sieht."
David fuhr sich über die kurzen Haare. ,,Du hast wenigstens einen Vater", sagte er traurig.
Wenn du nur wüsstest, dachte ich. Ich würde ihm die Wahrheit erzählen, wenn wir ihn hier rausholten. ,,Was ist mit deinem Vater passiert?" Ich könnte es verstehen, wenn er mir nicht erzählen wollte, was mit seiner Familie oder seinem Vater passiert war und an seinem betroffenen Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er immer noch nicht über das Geschehene hinweg gekommen war. Seine Geschichte interessierte mich, aber ich würde ihn nicht erneut das Leid, das ihm widerfahren war, wieder erleben lassen. Er würde es mir anvertrauen, wenn er wollte und wenn er sich dazu überwinden konnte, mir das Vergangene zu erzählen. Und im passenden Moment klingelte die Schulglocke und wir mussten das Klassenzimmer betreten.
,,Ich gehe kurz vor und stell mich dem Lehrer vor." David nickte mir kurz zu und setzte sich auf seinen Platz in der letzten Reihe im Klassenzimmer. Ich ging vor zu der Lehrerin, die gerade ihre Blätter auf dem Tisch sortierte. Sie sah kurz auf und begrüßte mich mit einem netten Lächeln. ,,Ach, du musst unsere neue Schülerin Gabrielle sein. Es freut mich sehr, dich kennen zu lernen. Es ist mal schön, nicht immer nur Jungs unterrichten zu müssen." Sie reichte mir die Hand und ich schüttelte diese kurz. ,,Wie ich sehe, bist du mit David gekommen, möchtest du dich vielleicht zu ihm setzen?", fragte sie mich. Es wäre sehr hilfreich wenn ich neben David sitzen würde, so könnte ich mich mit ihm besser anfreunden und würde mehr von ihm erfahren. ,,Er ist sonst so alleine dahinten. Für ihn wäre es sicher auch mal eine Abwechslung", fügte sie hinzu. Ich bejahte und ging langsam auf David zu. Warum war er wohl alleine war? Naja, ich würde schon noch erfahren, warum er nicht so viele Freunde hatte.
Der Unterricht von Frau Petry war sehr chaotisch. Es wurde rumgealbert und ich bekam nicht wirklich viel vom Unterricht mit. David wurde von den anderen Jungs, wie mir auffiel, ignoriert. Logan und Ayden hatten mich heute morgen darauf hingewiesen, dass ich auf alles achten sollte, was mir nicht normal vorkam. Es fielen ab und zu komische Bemerkungen wie zum Beispiel: ,,Na, lebend rausgekommen?!"
Frau Petry sagte nichts dazu. Sollte nicht sie als Lehrerin die Schüler, die gemobbt oder beleidigt werden, verteidigen? Ich traute mich nicht, David zu fragen, was es damit auf sich hatte und er sprach auch nur sehr selten mit mir. Die restlichen Stunden bis zur Pause verliefen eher ruhig. Ich setzte mich in jedem Fach zu David. Ich hatte beim Wechseln des Klassenzimmers viele verschiedene Kommentare erhalten, die ich ignorierte. Nur noch zwei Stunden bis zur Pause, versuchte ich mich zu motivieren.
Als es endlich zur Pause klingelte, war ich erleichtert und erschöpft. Ich hatte es mir schlimm vorgestellt, ganz alleine als Mädchen zwischen den ganzen Jungs, aber es war noch schlimmer als ich gedacht hatte. Mit David hatte ich auch kaum gesprochen. Er schwieg lieber die ganze Zeit und die anderen sprachen auch nicht so viel mit ihm.
,,Kannst du mich zur Mensa begleiten? Ich weiß nicht, wo sie ist und ich kenne auch niemanden, neben den ich mich setzten könnte."
Er versteift sich kurz und umklammerte die Gurte von seiner Tasche so fest, dass seine Hände weiß wurden.
,,Ich glaube, das ist keine so gute Idee", sagte David. In seiner Stimme konnte man die Verzweiflung hören.
,,Warum sollte das keine gute Idee sein?"
,,Du solltest dir wirklich jemand anderes als Freund aussuchen. Ich bin nicht die richtige Person als Freund hier auf der Schule. Hast du nicht gemerkt, wie mich alle ignorieren? Und wenn du weiterhin die ganze Zeit bei mir bist, wird niemand mehr mit dir sprechen. Und mit niemand meine ich wirklich niemand. Noch nicht mal die Nerds."
Er war wütend. Seine Wangen hatten sich gerötet und er blickte umher um sicher zu gehen, dass uns niemand beobachtete oder zuhörte.
,,Was hast du gemacht, dass dich jeder hier hasst? Noch nicht mal die Lehrer sagen was zu den Schülern."
Es war einfach nicht gerecht, dass alle so schlecht mit ihm umsprangen. Niemand verdiente es, aufgrund eines Fehlers so behandelt zu werden. Jeder Mensch verdiente meiner Ansicht nach eine zweite Chance. Sogar Jordan hatte eine zweite Chance bekommen, warum sollte David dann keine bekommen?
,,Du willst wirklich wissen, warum mich kein einziger Mensch auf dieser Schule, nein, eher gesagt in dieser Stadt, nicht ausstehen kann?", fragte er mich mit einer ernsten Stimme.
,,Ja", antwortete ich aufgebracht.
,,Gut, dann komm mit."
,,Wohin?", fragte ich ihn, als er mich am Arm Richtung Ausgang zog.
,,Ich hoffe es macht dir nichts aus, ein paar Stunden zu schwänzen, damit ich dir meine bewegende Geschichte erzählen kann."
,,Du brauchst nicht gleich so sarkastisch zu sein", sagte ich schmollend. Er drehte sich verwundert zu mir um. ,,Was ist?"
,,Du kommst ernsthaft mit? Du willst dir ernsthaft anhören, was ich erlebt habe?", fragte er ungläubig.
WOW, man musste ihn ernsthaft verletzt haben, wenn er jetzt schon misstrauisch war. ,,Glaub mir, wenn du wüsstest, was ich schon alles erlebt habe, würdest du mir nicht glauben."
,,So schlimm kann es dir nicht ergangen sein. Dein Vater ist anscheinend reich genug, um dich auf eine Jungenschule zu schicken. Du kriegst wahrscheinlich alles, was du willst, nur wenn du mit dem Finger schnippst." Es klang verbittert wie er das aussprach.
Kam ich wirklich so bei ihm rüber? Als ein verwöhntes kleines Mädchen, das alles von ihrem Daddy bekam? ,,Hältst du mich ernsthaft für so eine?", fragte ich ihn betreten.
Sein Gesicht erweichte. ,,Hey, tut mir Leid. Ich halte dich nicht für so eine, ganz sicher nicht. Du bist bisher das netteste Mädchen, das mir begegnet. Sonst spricht keiner mit mir, außer den Lehrern oder wenn man mich beleidigt." Er sah so traurig aus. Was hatte man diesem netten Jungen angetan?
,,Du musst dir das nicht anhören. Du bist schließlich nicht meine Therapeutin oder so. "
,,Ich will dir zuhören. Du kannst mir alles erzählen wenn du dich dazu bereit fühlst und du das wirklich willst. Und außerdem ist es besser, als den restlichen Tag in dieser Schule zu verbringen. Ich glaube, ich halte es keine weitere Sekunde aus, von allen angeglotzt zu werden. Das wird mit der Dauer echt nervig."
,,Ich hätte echt gerne mit angesehen, wie du ausrastest, aber ich halte es auch nicht mehr aus. Eine kleine Pause wird uns beiden gut tun. Komm mit."
David ging zielstrebig auf die Tür zu und ich folgte ihm. Ich atmete die frische Luft ein, die so viel besser war als der derbe Geruch, den alle Jungs verströmten und mit welchen sie die Luft im Klassenzimmer verpesteten.
,,Wohin gehen wir?", fragte ich David nach ein paar Minuten. Ich kannte mich in dieser Gegend überhaupt nicht aus, hatte allerdings ein paar Stellen wiedererkannt, die ich auf dem Weg in die Schule schon gesehen hatte.
,,Ich führt dich zu meinem Lieblingsplatz hier in der Gegend. Dort bin ich oft, wenn ich mal nachdenken muss."
Nach einem zehn Minütigen Fußmarsch waren wir in einem kleinen Park angekommen. Er war gefüllt mit kleinen Kindern und Müttern, die miteinander tratschten. Die kleinen Kinder liefen fröhlich umher und tobten sich aus. Dieser Anblick erinnerte mich daran, wie mein Vater mich und meinen Bruder früher immer in den Park gebracht hatte, um mit uns dort verstecken zu spielen. Mein Bruder Michael hatte mich immer gefunden, wenn ich an der Reihe war mich zu verstecken und ich hatte ihn dann immer beschuldigt, dass er schummelte. Unser Vater hatte immer schmunzelnd zugeschaut, wie wir uns stritten, war aber nie dazwischen gegangen, da wir uns nach fünf Minuten immer versöhnt hatten. Es war eine schöne Zeit gewesen und ich wünschte mir, eine Zeitmaschine zu haben, mit der ich die Zeit zurückdrehen könnte, um diesen Augenblick wieder und wieder zuerleben. Leider war das nicht möglich. Das Einzige, was mir aus dieser Zeit geblieben war, waren die Erinnerungen.
,,Wir sind fast da", sagte David und riss mich aus meinen Gedanken, ,,wir müssen hier aber kurz durch das Gebüsch. Ich hoffe, das macht dir nichts aus?"
Ich schüttelte den Kopf und David ging vor und hielt mir die Äste aus dem Weg, damit ich leichter durchkam. Nachdem wir eine Zeit lang durch das Gebüsch gestreift waren, blieb wir endlich stehen. Ich hob den Blick vom Boden, auf den ich die ganze Zeit gestarrt hatte und sah auf ein wunderschönes Bild. Vor uns lag ein Teich, der so klar war, das man bis auf den Grund sehen konnte. Ab und zu entdeckte man auch ein paar Fische, die vorbeischwammen. Der Teich war umgeben von Bäumen und wirkte dadurch ein bisschen düster, aber die durchfallenden Sonnenstrahlen ließen es wieder einzigartig aussehen.
Das Einzige, was ich in diesem Moment hervorbrachte, war: ,,WOW!"
David grinste zufrieden und setzte sich ganz nah vor dem Teich auf den Boden, sodass ihn das Wasser nicht berührte .
Wir saßen schweigend da und lauschten dem Wind, der die Äste zum Schwingen und Blätter zum Rascheln brachte. Wir sahen die ganze Zeit über schweigend auf den See. Keiner von uns beiden traute sich, die Stille zu überwinden und etwas zu sagen, aus Angst, den magischen Moment zu zerstören. Die Zeit verging und der Wind bließ immer heftiger, doch wir saßen immer noch da und starrten auf den See. Mir wurde langsam kalt und wir müssten sicher gleich aufbrechen und zurück nach Hause gehen. Ich hatte den Überblick über die Zeit verloren und es machte sicherlich keinen guten Eindruck bei den Lehrern, schon am ersten Tag zu schwänzen, aber wenn ich dadurch mehr über den mysteriösen David herausfinden könnte, würde ich alles tun, um sein Vertrauen zu erlangen.
Logan war schon die ganze Zeit gegenüber der ganzen Sache misstrauisch gewesen, aber die anderen hatten ihn überstimmt und ich hatte ebenfalls noch einmal mit ihm gesprochen. Wir hatten am Abend auf meinem Zimmer, in dem Haus, das wir für eine kurze Zeit gemietet hatten, gesprochen. Ich hatte ihm versprochen, nichts Unüberlegtes zu machen und mich nicht in Gefahr zu bringen oder zu verletzen. Er hatte mir noch eine gute Nacht gewünscht, mich kurz auf die Stirn geküsst und hatte das Licht und die Tür hinter sich geschlossen.
Bevor ich eingeschlafen war, hatte ich noch ein paar Minuten lang über das Verhalten von Logan nachgedacht. Ich hatte das Gefühl, dass er mich als kleine Schwester ansah und mich deswegen beschützen wollte, weil ich keine andere Familie hatte und somit auch niemanden, der auf mich achtete und dafür sorgte, dass ich nichts Dummes tat. Logans brüderliche Gefühle waren aber nicht einseitig. Ich hätte ihn auch in so kurzer Zeit in mein Herz geschlossen, was eigentlich sehr selten vorkam. Es hatte nur sehr wenige Menschen gegeben, denen ich bedingungslos vertraute, eher gesagt nur eine Person. Und diese Person war leider nicht mehr am Leben.
Die Gedanken an meinen Bruder brachten mich zurück in die Realität und zu David. Er hatte sich keinen Zentimeter gerührt und starrte seit gefühlten Minuten, die mittlerweile sicher Stunden waren, auf den See. Seine Augen waren glasig und es sah so aus, als wäre er nicht in der jetzigen Zeit, sondern irgendwo in der Vergangenheit wie ich vor ein paar Minuten. Ich musterte seine blonden Haare und seine Augen, die solch eine große Trauer ausstrahlten. Der David, den ich kennen gelernt hatte, war nicht derselbe, der er mal gewesen war. Ich musste ihn nicht kennen, um das zu wissen. Es war einfach ein Gefühl, das sich wie ein Kloß tief in meiner Brust eingenistet hatte. Er versteckte sich hinter einer Fassade, die er errichtet hatte, um das Bild, dass die anderen Menschen von ihm hatten, zu verwirklichen. Um seine Gefühle hatte er genau wie ich eine Mauer gebaut, mit der er verhindern wollte, dass ein anderer Mensch sie sah. Doch ich durchschaute ihn. Er tat genau dasselbe wie ich. Er versteckte sich hinter dieser Mauer und ließ niemanden an sich heran.
Logan hatte ein Teil meiner Mauer durchbrochen, aber sie noch nicht zum Einstürzen gebracht und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ganz in sich zusammenfiel. Über wen ich mir allerdings Sorgen machte, war in diesem Moment David. Es war nicht gesund, seine Gefühle für eine so lange Zeit zu verstecken. Ich hatte das Gleiche getan und ich war mir in den ersten Momenten auch nicht darüber bewusst gewesen, was ich getan hatte. Ich hatte mich von anderen Menschen für eine lange Zeit in meinem Inneren verbarrikadiert und hatte das Geschehene um mich herum nicht wahrgenommen.
Hätte mich Logan nicht gerettet, wäre ich sicherlich ein unansprechbares Wrack geworden. Und dasselbe würde mit David passieren. Ich wollte die Person sein, die ihn davon abhielt, sich selbst zu zerstören, wie Logan es bei mir getan hatte.
Aber wie sollte ich das tun? Vertraute mir David gut genug, um mich an sich heran zu lassen? Oder würde er mich davon stoßen und meine Hilfe ablehnen? Bevor ich etwas tun konnte, musste ich erstmal sein Vertrauen gewinnen. Aber wie sollte ich das machen? Ich musste mir einen Plan zurecht legen, wie ich David helfen konnte. Ich durfte sein Vertrauen nicht auf Lügen aufbauen, dass würde unsere Freundschaft nur zerstören, wenn sich herausstellte, für was ich wirklich auf seiner Schule war. Aber wie sollte ich das schaffen? Sollte ich ihm schon gleich alles erzählen oder lieber noch ein bisschen warten bis er mir vertraute und es ihm dann beichten ?
Jedenfalls sollte ich aufhören, mir den Kopf jetzt darüber zu zerbrechen. Davor wollte ich aber noch etwas klären. ,,David, wie hast du diesen Ort gefunden? Und sag jetzt nicht Zufall. Ich glaube nämlich nicht, das du durch das Gebüsch gelaufen bist, in der Hoffnung diesen Ort zu finden."
Er schreckte auf, als er meine Stimme hörte und setzte sich kerzengerade hin. ,,Ein Bekannter hat mir diesen Platz gezeigt", antwortete er nachdem er sich kurz eine Antwort zurecht gelegt hatte. Es kam mir seltsam vor, wie er das Wort Bekannter aussprach. So als wäre die Person mehr als nur eine flüchtige Bekannte. Als hätte diese Person eine viel wichtigere Rolle in seinem Leben gespielt. ,,Wir sollten lieber gehen. Man wird sich schon Sorgen um dich machen." Er rappelte sich auf, kehrte mir ohne ein weiteres Wort den Rücken zu und marschierte los. Ich stand eilig auf und lief ihm hinterher. Er schwieg mich den ganzen Weg über an, murmelte vor dem Schuleingang nur noch ein kurzes ,,Wir sehen uns morgen" und verschwand dann mit hastigen Schritten.
Logan wartete schon im Auto auf mich. Er sagte nichts dazu, dass ich im Unterricht gefehlt hatte, er fragte mich auch nicht, wie mein Tag gelaufen war. Logan schien bemerkt zu haben, dass ich über etwas nachgrübelte und auf einer bestimmten Spur war, aber selbst noch nicht wusste, über was ich da eigentlich nachdachte.
Als ich dann am Abend im Bett lag und immer noch nicht genau wusste, worüber ich mir eigentlich Gedanken machte, spielte ich den ganzen Tag noch mal vor meine Augen ab. Ich erinnerte mich an jede Kleinigkeit. Schließlich blieb ich bei unserem hastigen Aufbruch stehen. Sein letzter Satz war bei mir hängen geblieben.
Er hatte nicht gesagt, das man sich um uns Sorgen machen würde, sondern nur um mich. Das musste heißen, dass er niemanden hatte, der sich um ihn sorgte. Ich wusste schon, dass er in einem Heim für Jugendliche wohnte und keine Familie hatte. Aber jeder Mensch musste eine Person im Leben haben, die sich um ihn sorgte. Niemand verdiente es, vergessen zu werden.
Auch nicht David.
Als ich das Schulgebäude betrat, wurde hinter meinem Rücken getuschelt- viel mehr als gestern. Ich hatte immer gedacht, dass Mädchen tratschten und Jungs eher nicht. Jungs waren anscheinend nicht wirklich besser als Mädchen in solchen Sachen. Die kleinste Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Das ich mit dem Außenseiter der Schule verschwunden war, hatte sich sehr schnell herumgesprochen. Das machte mir nichts aus, dafür aber David.
Ayden und die Jungs hatten mich heute morgen mit ihren Fragen durchlöchert. Allerdings hatte ich auf die meisten keine Antwort. Logen war währenddessen ungewöhnlich still gewesen, auch gestern hatte er kaum mit mir gesprochen. Ich hatte das Gefühl, ihn auf irgendeine Art und Weise verletzt zu haben, ich wusste aber nicht wie. Was ich auch immer getan hatte, hatte bei Logen eine tiefe Trauer ausgelöst, dass nahm ich an, denn er sah aus wie ein kleiner Junge, dem man seinen Lieblings-Teddybären weggenommen hatte. Das war ein schlechter Vergleich, aber mir fiel im Moment nicht ein, wie ich seine Trauer besser beschreiben könnte. Auf meinem Weg zum Klassenzimmer lief ich am Direktor vorbei, welcher mich sofort aufhielt.
,,Ach, Miss Gabriel, da ich Sie jetzt sehe, würde ich Sie gerne in mein Büro bitten, ich habe da etwas mit Ihnen zu klären!", Mr Smith versuchte, nett zu klingen, was ihm missriet. Er war einfach nicht die Art Direktor, die fröhlich mit seinen Schülern umging. Innerlich versuchte ich mich darauf vorzubereiten, wieder eine Standpauke zu bekommen, was mir nicht so recht gelingen wollte.
Es war das erste Mal, dass ich Ärger in der Schule bekam. Normalerweise war ich eine sehr vorbildliche Schülerin, die die Lehrer sehr oft lobten. So war es früher gewesen. Meine Persönlichkeit hatte sich geändert, ohne das ich es bemerkt hatte. Würde Michael mein jetziges Ich gefallen? Oder wäre er erschrocken von dem, was aus seiner Schwester geworden war? Die Antwort darauf würde ich leider nie erfahren. Aber so wie ich meinen Bruder kannte, wäre er eher schockiert, wohin sich seine kleine Schwester entwickelt hatte. Er hatte mich immer als seinen kleinen Musterschüler bezeichnet, weil ich in der Schule oder auch in unserem Umfeld nie Probleme gehabt hatte. Vielleicht würde es ihm aber auch gefallen, dass ich nicht mehr das alte kleine zerbrechliche Mädchen von früher war. In Mr Smiths Büro setzte ich mich auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch, während er es sich hinter seinem Schreibtisch gemütlich machte. Er legte seine verschränkten Hände auf den Tisch und dachte kurz nach. Er überlegte genau was er mir sagen wollte, bevor er anfing zu sprechen.
,,Gabrielle, du bist neu hier an der Schule und weißt einige Dinge nicht. Du hast gestern, direkt an deinem ersten Tag, geschwänzt. Und zwar mit David. Meine Empfehlung an dich ist es, dich von ihm fern zu halten. Er ist nicht die Art Schüler die wir normalerweise an unserer Schule dulden. Er hat eine kriminelle Vergangenheit, über die wir hinweg sehen mussten, um ihn auf dieser Schule aufzunehmen. Wenn es nach mir gegangen wäre, könnte er im Decay House bleiben, aber wir waren gezwungen ihn hier aufzunehmen. Und mein Rat an dich ist es, dich von David fern zuhalten. Am besten wäre es du sprichst überhaupt nicht mehr mit ihm, wie die anderen Schüler. Deinem Vater würde es sicher nicht gefallen wenn du dich mit solchem Abschaum wie ihm abgibst."
Ich konnte gerade nicht fassen, was Mr Smith gesagt hatte. Was für ein Direktor war dieser Mann? Müsste er nicht unparteiisch gegenüber seinen Schülern sein und sie alle gleich behandeln? Aber anstatt das zu tun, tat er genau dasselbe wie die anderen Schüler, er behandelte ihn so wie eben gesagt- wie Abschaum. Der eigentliche Abschaum saß direkt vor mir, dass konnte ich ihm nur leider nicht sagen, weil ich sonst Ärger bekommen würde. Ich würde Mr Smith im Moment liebend gerne meine Meinung über ihn und diese Schule und ihre Schüler ins Gesicht schleudern, aber ich musste mich zurückhalten. Das musste warten.
,,Mr Smith, ich weiß zwar nicht, was sie gegen David haben, aber müssten sie als Direktor nicht alle Schüler gleich behandeln, ohne Voreinnahmen?"
Mr Smith wurde rot. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und setzte sich dann aufrecht hin.
,,An Ihrer Stelle würde ich aufpassen Gabrielle, die falschen Fragen können für Sie schlimme Folgen haben, aus denen nicht mal ihr Vater sie herausholen kann." Er lehnte sich, zufrieden mit sich selbst, auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Sie dürfen gehen, Gabrielle!" Mit einer ausladenden Geste deutete er auf die Tür, durch die ich ohne ein weiteres Wort verschwand. Äußerlich versuchte ich mir nichts anmerken zulassen, als ich auf den befüllten Flur trat und Richtung Klassenzimmer hetzte, doch innerlich brodelte es in mir wie in einem Kessel. Als hätte ich nicht genug Probleme damit, David zu überzeugen, jetzt musste ich auch noch darauf achten nicht zu sehr die Aufmerksamkeit des Direktors auf mich zu ziehen, was sehr schwer werden konnte. Mir kam es so vor, als beobachtete er jeden einzelnen Schritt von David und drängte ihn in die Einsamkeit. Eine Stimme in meinem Hinterkopf schrie mir zu, dass Mr Smith in etwas verwickelt war, was mit Davids Unbeliebtheit zu tun hatte. Aber er war nicht nur darin verwickelt, nein, er steckte tief in dieser Sache drinnen, vielleicht war er sogar der Kopf hinter all dem Schlamassel. Aber dafür war er mir nicht listig genug, er war eher jemand, der sich unter dem Schutz anderer Menschen versteckte und notfalls die Schuld auf andere schob. Ich schaffte es noch rechtzeitig vor dem Gong in das Klassenzimmer und setzte mich auf meinen Platz neben David, welcher schon all seine Unterlagen auf dem Tisch hatte und mich schräg musterte, als ich mich außer Atem auf seinen Platz fallen ließ.
,,Was ist denn mit dir los? Bist du einen Marathon gelaufen?" Ich atmete erst mal ruhig weiter, bevor ich ihm antwortete. ,,Nein, aber ich bin den ganzen Weg vom Büro des Direktors bis hier her gehastet." Leider war unser Klassenzimmer am anderen Ende der Schule, weshalb ich auch so lange gebraucht hatte, um hier her zu gelangen.
,,Du musstest wegen gestern zu ihm, oder? Ich hab dir gesagt, dass du dich lieber von mir fernhalten sollst, aber du wolltest ja nicht auf mich hören. Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis sie dich genau wie mich behandeln. Du musst es wenigstens nicht so lange ertragen, weil du sowieso bald nicht mehr auf der Schule bist." Er regte sich so auf, dass schon manche anfingen, sich zu uns umzudrehen. Ich stieß David in die Seite, damit er endlich bemerkte, dass ich nicht die einzige Person war, die mit anhörte, wie er sich aufregte. Er verstummte sofort und konzentrierte sich auf die Tafel. Ich konnte an seinem angespanntem Kiefer erkennen, dass er sich nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte und sich in seinem Inneren immer noch die Schuld gab.
,,Du wirst bald auch nicht mehr hier sein, dass verspreche ich dir!", flüsterte ich leise. Ich hatte nicht gedacht, dass es David gehört hatte, es war auch nicht für seine Ohren bestimmt gewesen, aber irgendwann in den nächsten Tagen hätte er erfahren, was ich vor hatte und für mich machte es keinen Unterschied, ob er das jetzt tat oder später.
David starrte mich ungläubig an und ich schaute ihm direkt in die Augen, in welchen ich die Fassungslosigkeit unabhängig von seinem Gesicht lesen konnte. Nichts würde mich davon aufhalten, ihn hier rauszuholen und er würde auch sehen wie entschlossen ich war. Ich drehte mich zur Tafel um und blendete alles um mich herum aus und versuchte mich auf die Worte, die auf der Tafel standen, zu konzentrieren, was mir misslang. Deshalb ordnete ich meine Gedanken und dachte über die Worte des Direktors nach. Mein Gefühl sagte mir, dass unsere lieber Mr Smith mehr als nur ein normaler Direktor war. Irgendetwas stimmte an dieser Schule nicht und ich wollte wissen, was das war.
Nachdem es zur Pause gegongt hatte, packten David und ich unsere Sachen zusammen und verließen wortlos das Klassenzimmer. Er lief direkt auf die Bibliothek zu, in die ich bisher noch keinen Fuß gesetzt hatte. Er schlängelte sich durch die leeren Buchregale, zwischen denen man vereinzelt Schüler erkennen konnte, die sich in Bücher oder in ihre Hausaufgaben vertieften, die sie noch nicht erledigt hatten. Nachdem David letztendlich einen Platz gefunden hatte, mit dem er zufrieden war, setzte er sich hin und wartete ungeduldig darauf, dass ich mich zu ihm setzte. Nachdem ich Platz genommen hatte, fragte er mich direkt die Frage, die ich von ihm schon die ganze Zeit erwartet hatte.
,,Was heißt das, ich werde hier nicht mehr lange bleiben?", fragte er mich mit bebender Stimme. Ich hatte schon von Anfang an gemerkt, dass er sehr aufgewühlt war, aber ich hatte ihn schlecht während dem Unterricht fragen können, ob mit ihm alles in Ordnung war. Außerdem war es nicht der passende Ort, um das zu klären, was ich ihm jetzt erzählen wollte. Es wäre sicherlich nicht schlecht gewesen, erst Logen zu fragen, ob ich das überhaupt tun durfte, aber sie hatten mich ja hierher geschickt, damit ich Davids Vertrauen gewann und ihnen half, ihn hier heraus zuholen.
,,Du wirst nicht mehr lange hier bleiben heißt das, was es bedeutet. Wir werden dich hier herausholen und zwar um jeden Preis, koste es, was es wolle." Ich schaute ihm entschlossen in die Augen. David war unruhig. Er wippte mit seinem Fuß auf und ab und klopfte mit den Fingern auf den Tisch. Doch als ich sagte, dass wir ihn hier heraus holen würden, hörte er auf einmal auf sich zu bewegen.
,,Was meinst du mit wir?" Jetzt kam der schwierige Teil. Ich musste ihm alles auf so eine Art und Weise erklären, sodass er nicht ausrastete, mich als verrückt erklärte und abhaute. Das konnte schwer werden da die ganze Sache schon ohnehin verrückt war.
,,Mit wir meine ich Logen, Ayden und seine Freunde." Das war doch kein schlechter Anfang, oder? Meine Hoffnung das er nicht weiter fragen würde, wurde leider nicht erfüllt. Logen hätte mir am besten ein Handbuch geben sollen, wie mann mit unangenemen Fragen oder Situationen umging. Bei ihm hatte es so leicht ausgesehen.
,,Und wer sind Logen und seine Freunde?", fragte David ungeduldig. Ich hatte mich dazu entschlossen ihm einfach jetzt die Wahrheit zu sagen. Etwas anderes fiel mir im Moment einfach nicht ein.
,,Logen, Ayden und seine Freunde sind Agenten von den DEDS. Und bevor du fragst, was die DEDS sind, das werde ich dir jetzt auch noch erklären. DEDS steht für Die Engel der Stadt. Das ist eine Geheimorganisation von der nur wenige Leute wissen. Nicht mal die Regierung weiß, dass es sie gibt. Die DEDS rekrutieren Kinder wie dich und mich, um sie zu Agenten auszubilden. Niemand wird dazu gezwungen, bei ihnen teilzunehmen, du kannst also frei entscheiden, ob du mitmachen willst oder nicht. Mit Kindern wie dich und mich meine ich Kinder, die bestimmte Fähigkeiten haben. Ich zum Beispiel habe ein fotographisches Gedächtnis. Die DEDS sind laut Logan so etwas wie eine große Familie, bei der du Zuflucht finden kannst. Ich weiß, es ist viel auf einmal und du kannst es nicht glauben, so wie ich vor ein paar Tagen, aber es ist sicherlich besser als so zu leben wie du es tust. Du hast niemanden mehr, genau wie ich. Ich hab nichts zu verlieren und und auch nicht. Und wäre es nicht cool ein Agent zu sein?" David starrte mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank und ich erwiderte seinen Blick. Was auch immer er in meinen Augen gesehen hatte, es ließ ihn glauben, dass das kein Riesenscherz war.
,,Und das ist auch kein Scherz, oder?", fragte er noch mal, um sicher zu gehen. ,,Nein, ist es nicht. Ich hab auch erst vor ein paar Tagen von den DEDS erfahren und kann dir auch nicht viel erzählen, aber wenn du heute nach der Schule mit mir kommst, können wir uns alles gründlich von Logan erklären lassen."
,,Und du vertraust Logan?", fragte er mich ungläubig.
,,Du kennst ihn doch erst seit ein paar Tagen, oder? Wie kommt es, dass du ihm so schnell vertraut hast? Du kennst ihn doch kaum."
,,Es gibt manche Menschen, bei denen du schon nach den ersten Minuten weißt, dass sie was Besonderes sind und du ihnen vertrauen kannst, weil sie alles für dich tun würden. Logan ist genau so ein Mensch. Er würde eher sterben, als mich zu verletzen. Er hat mich gerettet, das ist für mich schon Vertrauensbeweis genug. Und ich hoffe, du vertraust mir genug, um mir zu glauben, dass Logan und ich die letzten Menschen auf dieser Welt sind, die dich verletzen würden. Du kennst ihn zwar nicht, aber er hat ein Riesenherz und er würde alles tun, um mich zu beschützen." Ich konnte verstehen, dass David anfangs misstrauisch war, aber das würde sich ändern, wenn er und besser kennenlernte. David seufzte.
,,Ich werde mit dir kommen. Ich hab nichts zu verlieren. Du bist der erste Mensch, dem ich seit langer Zeit glaube. Du wirst mich nicht verletzen, dafür bist du einfach zu nett. Und ich hab das Gefühl, dass ich dich an jemanden erinnere. Hab ich Recht?" Ertappt senkte ich den Kopf und Bilder von Michael durchfluteten meinen Kopf. Wie er mich auf dem Pausenhof vor anderen Jungs verteidigte, wie er mir durch die Haare wuschelte, obwohl er wusste, dass ich das hasste und wie er mich immer in die Arme geschlossen hatte, wenn ich traurig war. Ich hob den Kopf und sah ihn aus verschleierten Augen an.
,,Du hast Recht. Du erinnerst mich an jemanden, den ich über alles geliebt habe." David schaute mich traurig an. Er hatte sicherlich nicht Salz in meine Wunden streuen wollen, aber mein Bruder war nicht jemand, den ich von einem Tag auf den anderen aus meinem Gedächtnis verbannen konnte. Er würde immer einen Platz in meinem Herzen haben, auch wenn es mir jedes Mal fürchterliche Schmerzen bereitete, an ihn zu denken. An die Art, wie er mit anderen Menschen umging und wie er Schwächere beschützte. Mein Ziel war es, ein Mensch zu werden, auf den er stolz sein konnte. Andere Menschen zu beschützen wie er es immer getan hatte. Er sollte stolz auf seine kleine Schwester sein.
,,Wen auch immer du verloren hast, Gabrielle, es tut mir leid. Er hatte es sicher nicht verdient zu sterben."
,,Ja, er hatte es nicht verdient zu sterben, aber eines Tages wird die Person, die uns getrennt hat, dafür büßen."
,,Rache zu nehmen wird dir nicht helfen. Es wird dich nur noch schlechter fühlen lassen. Du musst darüber hinweg kommen. Du musst dein Leben weiter führen. Du kannst nicht immer in der Vergangenheit bleiben. Ihm würde es nicht gefallen, wie du dich verändert hast. Wenn dein einziger Lebensziel wäre, dich irgendwann zu rächen. Du hast es nicht verdient, ein Leben voller Schuldgefühle zu leben." Ich schaute ihn traurig an. Er hatte recht.
,,Du machst das Gleiche. Wenn ich aufhöre, dann musst du das auch tun." Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
,,Es ist nicht so einfach, das zu zu tun. Ich kann nicht einfach aufhören, so zu tun, als wäre es nicht meine Schuld, das meine Eltern tot sind. Ich kann nicht einfach die Schuldgefühle ab schalten, nur weil mir gerade danach ist. Ich werde immer mit diesen Schuldgefühlen leben und kein Mensch auf dieser Welt kann das ändern!"
,,Und genau so fühle ich mich auch. Es ist nicht deine Schuld, dass deine Eltern tot sind. Du hast sie ja nicht umgebracht."
,,Woher willst du das wissen? Vielleicht hab ich sie ja umgebracht!" Ich schüttelte den Kopf. David war kein Mörder. Er würde eher sterben, als einem anderen Menschen ein Leid zuzufügen.
,,Du hast sie nicht umgebracht. Wenn du ein Mörder wärst würde dich ihr Tod nicht so sehr mitnehmen. Dir ist es wichtig andere Leute zu beschützen, sonst hättest du nicht versucht mich von dir fern zu halten. Und genau das gefällt mir so sehr an dir. So war er auch immer."
,,Willst du mir erzählen, wer er war?" Er sah mich aufmunternd an, doch ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, das kann ich nicht. Ich bin noch nicht bereit dafür, über Michael zu reden." Er nickte. Er musste dasselbe fühlen. Das Gefühl, das wenn man es jemandem erzählte, man zugab, dass es wahr war. Ich konnte noch nicht zu geben, das mein Bruder wirklich tot war. Dafür war ich nicht stark genug.
,,Ist dir aufgefallen, dass es hier viel zu ruhig ist?", fragte er mich verwundert. ,,Wir sind hier in einer Bibliothek. Hier ist es immer ruhig." David verdrehte die Augen.
,,So meine ich das nicht. Wir müssten doch irgendein Geflüster hören, aber es ist so, als würde sich niemand hier befinden außer uns beiden." Ich lauschte und musste ihm Recht geben. Ich stand auf und lief zum Ende des Ganges, um zu schauen, ob sich noch jemand anderes in der Bibliothek befand. Doch die Bibliothek war leer. Ich schaute mich um und entdeckte an der Wand eine Uhr. Der Unterricht hatte schon begonnen und wir hatten es nicht mitbekommen. Schnell lief ich zurück zu David, der auf mich wartete.
,,Der Unterricht hat schon begonnen, deshalb ist hier niemand mehr drinnen." Er stand schnell auf und wir packten unsere Taschen und liefen aus der Bibliothek raus. Auch die Flure waren wie leer gefegt. Schnell hasteten wir auf unser Klassenzimmer zu. Auf dem Weg dahin liefen wir am Büro von Mr Smith vorbei. Die Tür war leicht offen und Stimmen drangen auf den Flur. Mich erschauderte es, als ich eine mir allzu bekannte Stimme hörte. Nein, das durfte nicht wahr sein. Ich blieb stehen und spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. David blieb verwundert stehen. Ich starrte auf die Tür und konnte mich nicht weg bewegen. ,,Was ist los?", fragte er mich flüsternd. Ich schüttelte verzweifelt den Kopf und sank auf den Boden.,,Nein, nein, nein! Das darf nicht wahr sein!" David sank neben mir auf den Boden.
,,Gabrielle, beruhig dich und sag mir was los ist!" Aus dem Büro hörte ich wieder die mir allzu bekannte Stimme.
,,Dieses verdammte FBI hat seine Finger in dieser Sache und wenn ich erfahre, dass du irgendwas sagst, Daniel, dann werde ich dafür sorgen, dass du stirbst, bevor du noch ein Wort sagen kannst! Hast du das verstanden?"
,,Sie werden schon nichts erfahren, beruhige dich. Es wird alles laufen wie immer. Diese kleine dumme Göre wird uns nicht das Geschäft versauen", ich konnte hören wie, Mr Smiths Stimme zitterte. Er hatte doch mehr Angst, als er zugab. Ich stand schnell auf und zog David mit hinter einen der Spinde. Von hier aus konnte man uns nicht sehen, aber wir konnten die Tür sehen.
,,Das werden wir sehen!" Ein Stuhl wurde laut zurück geschoben und die Tür wurde so heftig aufgestoßen, dass sie gegen die Wand knallte. Und aus ihr trat jemand, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wieder zu Gesicht zu bekommen.
,,Jordan", flüsterte ich, als er heraustrat und mit schnellen Schritten verschwand.
Als ich Jordan nicht mehr sehen konnte, drehte ich mich zu David um. Doch das was ich sah, hatte ich nicht erwartet. David war im Gesicht kalkweiß geworden.
,,David, was ist los? Geht es dir gut?", besorgt musterte ich ihn.
,,Hast du gerade Jordan gesagt?", fragte er mich mit brüchiger Stimme. Ich runzelte die Stirn. Kannte er Jordan etwa?
,,Woher kennst du Jordan?" Ich versuchte möglichst ruhig zu bleiben. Es reichte, wenn einer von uns beiden ausrastete oder kurz davor war, es zu tun. David stand auf wackligen Beinen auf und umklammerte den Griff von seinem Rucksack. Ich stand ebenfalls auf und streckte meine Hand aus, damit ich ihn im Notfall halten konnte, falls er zu Boden fiel. Er bemerkte es noch nicht mal. Er starrte auf die Tür, aus der Jordan verschwunden war. Langsam machte er mir Angst, wie er so reglos dastand. Ich wedelte mit der Hand vor seinen Augen, in der Hoffnung, dass es ihm vielleicht helfen würde und es klappte sogar. Er riss seinen Blick von der Tür los und heftete ihn auf mich.
,,Wir müssen sofort von hier verschwinden. Am besten gehen wir wieder zum Park, dann kann ich dir alles erzählen." Seine Stimme klang wieder ruhiger und er sah so aus, als wäre er nicht ganz bei der Sache. Ich machte mir Sorgen um ihn. Jordans Name hatte bei ihm irgendwelche Erinnerungen an die Vergangenheit geweckt. Und mich interessierte es sehr, von wo er Jordan oder seinen Namen kannte. David lief aus der Schule raus und ging, wie gestern denselben Weg zu seinem Lieblingsplatz und ich folgte ihm schweigend. Nachdem wir uns wie gestern direkt vor den Teich gesetzt hatten, wartete ich darauf, dass er anfing, mir zu erzählen, von wo er Jordan kannte, doch er schwieg. Vielleicht erwartete er auch, dass ich anfing zu erzählen?
,,Möchtest du mir erklären, von wo du Jordan kennst oder soll ich anfangen?", er sah zu mir und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Du zuerst!" Ich hatte gehofft, dass er mir als erstes erzählen würde, was passiert war, aber letztendlich kam es auf dasselbe hinaus. Am Ende würden wir die Wahrheit über den anderen wissen, das war ein gewisser Ansporn für mich.
,,Ok, als erstes möchte ich dir meinen echten Namen sagen. Ich heiße eigentlich Adria. Adria Morgen. Wir mussten zur Sicherheit meinen Namen verändern, falls mich jemand hier erkennt." David hörte mir schweigend zu. Er wollte sicher erst die ganze Geschichte hören, bevor er urteilte und ich konnte es ihm nicht verübeln.
,,Ich hab die ersten neun Jahre meines Lebens in einer kleinen abgeschiedenen Stadt verbracht. Mit meiner ganzen Familie, also meiner Mutter, die meinetwegen auch hätte wegbleiben sein könnte, meinem Vater, der ein guter Anwalt war und Michael, meinem zwei Minuten älteren Zwillingsbruder. Die Beziehung meiner Eltern war schon immer sehr instabil, doch in dieser Zeit ist sie immer schlechter geworden. Sie haben fast jeden Tag gestritten und es war für mich und Michael unmöglich, sich länger als zehn Minuten mit ihnen beiden in einem Raum aufzuhalten. Ich weiß nicht mehr genau, warum sie genau angefangen haben, mit der ganzen Streiterei, aber es war einfach furchtbar." Ich schwieg kurz und fuhr mit meiner Zunge, über meinen trockenen Lippen.
,,Nach ein paar Tagen beschloss meine Mutter, sich von meinem Vater zu trennen. Es war ihr aber nicht wichtig genug, ihm das mitzuteilen. Und ohne mich zu fragen, hatte sie die Entscheidung getroffen, mich mit sich zu nehmen. Nur mich. Meinen Bruder hat sie meinem Vater überlassen. So oft ich sie auch anflehte, mich und meinen Bruder nicht zu trennen, so oft lehnte sie es ab. Ich hatte keine Zeit meinem Bruder oder meinem Vater eine Nachricht zu hinterlassen und meine Mutter tat es auch nicht. Sie riss mich einfach aus meinem Leben raus, weil ihr ihres nicht mehr passte. Ihr Hass gegenüber meinem Vater war so groß geworden, dass sie es nicht mehr aushielt, bei ihm zu bleiben. Und ich und mein Bruder waren diejenigen, die dafür bezahlen mussten. Michael und ich hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Er war einfach der perfekte Bruder. Hat mich immer verteidigt, wenn ich Probleme mit anderen hatte. Er hat mich getröstet, wenn ich traurig war und mich in die Arme genommen, wenn ich vor dem Donner Angst hatte, als ich klein war. Ich hab ihn über alles geliebt, bis meine Mutter uns unbedingt trennen musste. Sie schaffte es, einen man dafür zu bezahlen, uns illegale Pässe zu besorgen und uns als tot darzustellen. Sie kaufte uns auch noch Flugtickets und wir verschwanden aus der Stadt. Nachdem wir die Stadt verlassen hatten, setzte sie mich in einem Hotel ab, sperrte mich ein und verschwand in die nächstbeste Bar. Und als sie wieder zurückkam, erzählte sie mir über alles glücklich, dass sie ihre alte Jugendliebe wiedergefunden hatte."
,,Jordan?", vermutete David.
,,Ja genau, ihre alte Jugendliebe Jordan. Ein paar Tage später stellte sie mich ihm vor und eröffnete mir, dass wir bei ihm einziehen würden und dass er ein Drogenimperium hatte. Und das taten wir auch. Ein paar Tage später zogen wir bei Jordan ein. Er hatte ein riesiges Haus, dass umstellt war von ein paar Wachleuten. Mein Leben dort war megaschlecht und ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht viel an meinen Aufenthalt dort. Ich wurde sogar ein paar Mal von ihm verprügelt weil ich nicht das gemacht habe was er von mir wollte. Und dann hat mich Logan dort rausgeholt und das war das Beste, was mir passiert ist, nachdem meine Mutter von meinem Bruder getrennt war. Logan und die Jungs haben meinen Tod nachgestellt und mich da rausgeholt." Wir schwiegen eine Weile vor uns hin.
,,Warum haben sie nicht auch noch deinen Bruder gerettet?" Genau von dieser Frage hatte ich gehofft, dass er sie nicht stellen würde. Ich versteifte mich und drückte meine Hände in die Erde unter mir.
,,Logan hat mir erzählt, dass mein Bruder und mein Vater einen Autounfall hatten. Mein Vater sei direkt am Unfallort gestorben." Ich zerbröselte die Erde in meinen Händen.
,,Und dein Michael?"
,,Man hat seine Leiche nie gefunden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er noch am Leben ist, geht gegen Null." Traurig blickte ich auf den Teich und kämpfte mit den Tränen, die wieder meine Augen gefüllt hatten, so wie sie es immer taten, wenn es um meinen Bruder ging.
,,Es tut mir unendlich leid, Adria. Du hast es nicht verdient, so zu leiden."
Ich nickte nur. ,,Was ist mit dir passiert?"
Er seufzte und fuhr sich mit den Händen durch die stoppeligen Haare. ,,Das schulde ich dir, nachdem du mir von deinem Leben erzählt hast. Meine Mutter ist abgehauen, als ich sechs Jahre alt war und ich musste bei meinem Vater bleiben. In den ersten zwei Jahren war unser Zusammenleben sehr gut. Er hat sich gut um mich gekümmert und wir sind auch gut zurecht gekommen. Das einzige Problem war nur, dass er nicht sehr viel Geld gewonnen hat. Wir waren stark verschuldet und er hat sich Mühe gegeben, uns über Wasser zu halten. Eines Tages ist er überglücklich nach Hause gekommen und hat mir verkündet, dass er einen neuen Job hätte, der super bezahlt sei. Ich konnte allerdings sehen, dass er sich nicht ganz sicher war ob er sich freuen sollte oder nicht. Ein alter Freund von ihm habe ihm diese Stelle angeboten. Nach zwei Wochen fing es an mit ihm bergab zu gehen. Anfangs war er noch motiviert, doch diese Motivation verlor er nach ein paar Wochen. Er fing an zu trinken und ich fand sogar Drogen bei ihm. Wie ich später herausfand, hat er die Drogen nicht selbst genommen, sondern sie verkauft. Das fand ich allerdings erst raus, als mich ein gewisser Jordan anrief und mir befahl, meinem Vater zu sagen, dass er ihm nicht die Drogen gäbe, damit er sie selbst nahm, sondern um sie zu verkaufen. Sonst würde er einen Tipp an die Polizei geben, dass er mit Drogen dealt. Als ich das Gewünschte meinem Vater erzählte, rastete er vollkommen aus. Er war in diesem Moment betrunken und gab mir die Schuld dafür, dass sein Leben den Bach runterging. Und er sagte auch, dass ich Schuld daran war, dass meine Mutter weggelaufen war. Er war an diesem Tag extrem sauer und als ich ihm nicht aus dem Weg ging schlug er mich. Am nächsten Tag hatte er diesen Teil schon wieder vergessen, aber er war immer noch ziemlich gestresst und angespannt. Er scheuchte mich aus dem Haus raus und befahl mir, nicht zurückzukommen, bis drei Stunden vergangen waren. Ich verbrachte den Tag draußen mit einem meiner älteren Freunde. Er hat mir auch diesen Ort hier gezeigt. Nach einer Stunde bekam er einen Anruf und musste gehen und ich blieb alleine zurück. Ich wartete zwei Stunden, bis ich mich auf den Weg nach Hause machte, doch ich kam nicht vor einem Haus an, sondern vor einem Aschehaufen. Die Polizei und viele der Nachbarn standen vor der Tür. Als ich ankam, sahen mich alle mit einem mitleidigen Blick an, außer die Polizei, die blickte mich misstrauisch an. Und als ich sie fragte, was passiert sei, behauptete einer der Polizisten, dass ich für einen Straftäter sehr gut schauspielern könnte."
Ich starrte ihn ungläubig an. ,,Sie haben dich als Brandstifter dargestellt? Aber es ist doch sicher rausgekommen, dass du es nicht warst?"
Er schüttelte den Kopf. ,,Der Fall wurde nicht abgeschlossen. Man hat nur noch herausgefunden, dass in dem Haus mein Vater und mein bester Freund drinnen waren." Er sah genau wie ich vorhin traurig auf den Teich. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter, um ihm Trost zu spenden.
,,Meine Vermutung liegt darin, dass es mein bester Freund gewesen sei. Er war drogenabhängig und ich wusste es. Ich hab ihm aber nicht geholfen. Ich hab nicht dagegen getan. Ich konnte ihm nicht helfen und ich wusste auch nicht wie. Ich weiß aber nicht genau, warum er meinen Vater und sich selbst umgebracht hat. Letztendlich ist es meine Schuld." Ich stand auf.
,,Es ist nicht deine Schuld und das werden wir beweisen. Du musst das Logan erzählen. Er kann uns sicher helfen, herauszu finden, was damals passiert ist. Du musst dir dann keine Gedanken mehr machen, was damals passiert ist. Du kannst dann dein Leben weiterführen." Er sah mir in die Augen.
,,Und warum schaffst du es dann nicht, über deinen Bruder hinweg zukommen?" Ich starrte auf meine Füße.
,,Ich gebe zu es, man kommt nicht gleich sofort darüber hinweg. Es dauert halt seine Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Du machst dir dann wenigstens keine Gedanken mehr, was damals passiert ist. Ich denke manchmal noch darüber nach, wie es wohl gewesen wäre wenn ich es früher geschafft hätte dort weg zu kommen. Leider kann ich nicht die Zeit zurück drehen." David stand auf.
,,Komm lass uns schauen wie Logen darauf reagieren wird."
,,Was glaubst du was er sagen wird, wenn er erfährt das du mir jetzt schon alles erzählt hast?", fragte er mich neugierig. Ich zuckte die Schultern.
,,Ich glaube nicht das er besonders was sagen wird. Er hatte mir kein Handbuch gegeben wie ich dir erzählen soll was es mit all dem auf sich hat, also ist er selbst Schuld wenn er sich beschwert." Er lachte.
,,Du hattest echt keine Ahnung was du mir sagen solltest oder?" Ich schnaubte.
,,Ich wusste nicht was ich dir sagen sollte. Logen hat sich bei mir als alter Opa verkleidet. Ich hätte es ja nach machen können, aber die Jungs fanden es sei eine viel bessere Idee mich in eine Jungenchule einzuschreiben."
,,Was glaubst du was er sagen wird, wenn er erfährt das du mir jetzt schon alles erzählt hast?", fragte er mich neugierig. Ich zuckte die Schultern.
,,Ich glaube nicht das er besonders was sagen wird. Er hatte mir kein Handbuch gegeben wie ich dir erzählen soll was es mit all dem auf sich hat, also ist er selbst Schuld wenn er sich beschwert." Er lachte. ,,Du hattest echt keine Ahnung was du mir sagen solltest oder?" Ich schnaubte.
,,Ich wusste nicht was ich dir sagen sollte. Logen hat sich bei mir als alter Opa verkleidet. Ich hätte es ja nach machen können, aber die Jungs fanden es sei eine viel bessere Idee mich in eine Jungenchule einzuschreiben."
,,Was glaubst du wie lange die Jungs brauchen werden um die Informationen über den Tod meines Vaters heraus zu finden ?" Ich musterte ihn kurz von der Seite. Er konnte nicht so gut verbergen das ihm die Sache viel zu schaffen machte. Er versuchte stark aus zu sehen, aber jeder Mensch gelangte ab einem bestimmten Punkt an seinen Grenzen.
,,Ich glaube nicht das sie sehr lange brauchen werden. Die Informationen zu bekommen wird ihnen leicht fallen. Den Fall zu lösen ist allerdings eine andere Sache. Das wird sicher länger dauern." Eine kurze Zeit lang gingen wir schweigend neben einander her. Nach einer Zeit unterbrach David die Stille.
,,Warum hat sich Logen als alter Opa verkleidet? Und wie hat er dich so von dort befreit?" Ich lachte.
,,Logens Idee war echt nicht schlecht. Er musste sich verkleiden damit mann sein echtes Gesicht nicht sieht oder erkennt. Er hat sich als einer der Mitglieder vom Kinderschutzband verkleidet. Jordan war an dem Tag sehr wütend auf mich weil er dachte das ich meinen Lehrern oder jemand anderem was erzählt habe. Das war aber nicht der Fall. Meine Lehrer haben selbstständig ohne das ich etwas zu ihnen gesagt habe sich bei der Polizei gemeldet. Diese haben dafür gesorgt das Jordan ein Besuch von diesem Kinderschutzband bekommt."
,,Stopp mal. Und wie haben die DEDS davon Luft bekommen?"
,,Ich bin mir nicht ganz sicher. Meine Vermutung ist das sie ein bestimmtes System haben das mit bestimmten Netzwerken verbunden ist und Informationen oder Signale an sie schickt wenn es bestimmte Übereinstimmungen mit Daten gibt auf die sie besonders achten." Sein Blick war nachdenklich, so als würde er über das was ich gesagt hatte nachdenken.
,,Das ergibt Sinn. Wir beide haben Informationen über uns bei der Polizei. Und wenn das System wirklich so aufgebaut ist wie du gesagt hast, müsste es Informationen über uns an die DEDS geschickt haben. Aber warum haben sie so lange gebraucht um an uns heran zu kommen? Der Unfall mit meinem Vater ist schon vor einem Jahr geschehen." Darauf wusste ich auch keine genaue Antwort.
,,Am besten du frägst die Jungs." Wir blieben vor dem Haus stehen das Ayden gemietet hatte, für unseren Aufenthalt hier. David musterte das Haus.
,,Und ihr bleibt hier?",fragte er mich ungläubig.
,,Ähm Ja." Wir blieben vor der Tür stehen. Keiner von uns beiden fühlte sich bereit dazu zu klingeln. Nach zwei Minuten wurde die Tür von Logen geöffnet.
,,Wie lange wollt ihr noch vor der Tür stehen?" Wir beide erschreckten uns als er so plötzlich auftauchte und ich starrte ihn vorwurfsvoll an.
,,Du hättest uns nicht so sehr erschrecken müssen."
,,Und ihr hättet nicht solange draußen warten müssen. Solltet ihr eigentlich nicht noch in der Schule sein?" Logen drehte sich um und ging ins Wohnzimmer wo sich Ayden und Derek breit gemacht hatten. Er lies sich neben ihnen auf die Coach plumpsen und David und ich setzten uns auf das Sofa gegenüber.
,,Wie ich sehe hast du David schon erzählt wer wir sind, so misstrauisch wie er uns anschaut", sagte Ayden mit einer beruhigenden Stimme.
,,Keine Sorge wir wollen dich nicht verletzen David. Wir wollen dir nur helfen." David setzte sich neben mir aufrechter hin.
,,Ich hab keine Angst. Ich bin mir nur nicht sicher ob ich euch vertrauen soll oder nicht." Logen setzte sich ebenfalls aufrechter hin und sein Gesicht wurde sehr ernst.
,,David wir haben nicht vor auf irgendeine Art und Weise dich zu verletzen. Wir wollen dir nur hier raus helfen und dir zu einem besseren Leben verhelfen. Du kannst auch ablehnen. Das ist dein Leben und du musst die Entscheidung treffen ob du bei den DEDS dabei sein möchtest oder nicht." Davis schien einen kurzen Moment nach zu denken. So wie ich ihn bisher kennen gelernt hatte, hatte ich nicht das Gefühl das er ablehnen würde. Vielleicht sogar nur um Informationen über seinen Vater heraus zu finden oder aber auch weil er genau wie ich ein neues Leben Anfangen möchte. Schlussendlich war es seine Entscheidung.
,,Ja, aber eine Sache möchte ich davor noch erfahren." Logen nickte. Und was möchtest du wissen?" David sah zu den Jungs.
,,Ich möchte wissen wer meinen Vater umgebracht hat." Die Jungs schwiegen für eine kurze Zeit. Derek meldete sich zu Wort.
,,Das dürfte kein Problem sein. Stefan und Paul sind gegangen um uns ein Equipment zu besorgen. Sobald wir es haben können wir anfangen." Derek und Ayden standen auf.
,,Wir lassen euch mal alleine, damit Logen euch genau erzählen kann was es mit den DEDS auf sich hat. Sie verschwanden nach oben.
,,Adria es gibt noch ein paar Sachen die ich noch nicht mal dir erzählt habe. Ich fange mal mit den Grundinformationen an. Die Engel der Stadt sind eine geheime Organisation, die zum Amerikanischen Geheimdienst gehören. Wir rekrutieren Junge Leute wie euch um sie zu Agenten auszubilden. Bei unseren Agenten handelt es sich um Straßen- und Waisenkinder die für die Undercover Arbeit ausgebildet werden. Die Agenten von den DEDS leben auf dem Campus der sich in einem geheimen Ort befindet. Wir bilden Waisenkinder aus, weil sie keine Familie haben. Die DEDS ersetzen so zu sagen die Familie und bieten ihnen eine Ausbildung und ein Zuhause an.Außerdem sind sie bei Missionen skrupelloser, da sie nichts mehr verlieren können. Die Agenten werden aber von der Mission abgezogen, bevor eine tödliche Gefahr eintritt. Auf unserem Campus befinden sich viele Kinder und wir haben mehrere Agenturen verteilt in verschiedenen Ländern. Die wichtigsten Eigenschaften die ein Kind bei uns haben muss sind überdurchschnittliche Intelligenz, ein gutes Ausdauervermögen, was wir euch auch trainieren und das aller wichtigste einen klaren Kopf zu behalten in jeder Situation. Wenn es hart auf hart kommt dürft ihr nicht in Panik geraten. Meistens rekrutieren wir Kinder ab sechs bis zwölf Jahren. Es kommt auch vor das wir jüngere Kinder annehmen wenn sie zum Beispiel Geschwister von einem unserer Mitglieder sind. Mit dem alter von 18 Jahren ist eure Ausbildung offiziell beendet. Dann dürft ihr euch entscheiden ob ihr bei den DEDS bleiben wollt oder zu einer anderen Agentur versetzt werden wollt oder gar nichts mehr mit uns zu tun haben wollt. Das kommt aber nur sehr selten vor. Und das wichtigste kommt nach eurem 18 Lebensjahr. Ihr werdet von Anfang an eurer Ausbildung in einer bestimmten Gruppe sein. Jede einzelne Gruppe hat einen Spezialisten in jedem Fachgebiet. Und diese Gruppen werden dann in verschiedene Länder geschickt um dort für die Sicherheit der Menschen zu sorgen. Je stärker die Gruppe desto größer die Stadt und die Gefahren die es dort gibt. Es ist sehr wichtig das ihr euch innerhalb der Gruppen vertraut sonst wird euer zusammenleben sehr schwer. Ihr werdet die Schule natürlich nicht abrechen euer Unterricht wird nur ein bisschen anders sein. Ihr werdet euch auf spezielle Sachen konzentrieren. Ihr dürft auch studieren das ist kein Problem. Die Lehrer sind meistens Agenten von den DEDS die sich deshalb sehr gut in eure Lage versetzen können. Und das besondere an den DEDS ist, das nur sehr wenige Leute wissen das es uns gibt. Noch nicht mal der Präsident weiß das es uns gibt. Und deshalb ist es auch wichtig das ihr niemanden etwas über uns erzählt. Habt ihr das verstanden?"
David und ich nickten.
,,Ok wenn wir auf dem Campus sind werde ich euch herum führen und euch weitere Sachen erklären auf die wir achten müssen. Aber davor müssen wir dich von hier verschwinden lassen, David." David und ich sahen uns an und ich räusperte mich kurz.
,,Ja es gibt da ein klitzekleines Problem von dem wir dir noch nichts erzählt haben." Logen sah mich ungeduldig an.
,,Wir haben heute in der Schule gesehen wie Mr Smith mit Jordan gesprochen hat." Logen riss die Augen auf. Er stand auf und begann im Raum herum zu laufen.
,,Nein das ist nicht möglich, er hätte nicht auf deine Spur kommen sollen. Und wenn nicht so schnell." Er lief weiterhin auf und ab. An seiner angespannten Haltung konnte ich erkenne das er angespannt war.
,,Ich hab gesagt das es viel zu gefährlich ist zwei Kinder auf einmal zu holen, aber nein, sie wollte ja nicht auf mich hören. Sie wird nie aus ihren Fehlern lernen!", schimpfte er laut
,,Weißt du wen er mit sie meint?"flüsterte er mir ins Ohr. Ich beugte mich zu ihm.
,,Ich glaube er meint die Direktorin von den DEDS." Derek und Ayden polterten die Treppe runter von dem Lärm den Logen machte angelockt.
,,Was ist passiert?", fragten beiden synchron. Logen drehte sich zu ihnen um. Ich hatte ihn in den paar Tagen seit ich Logen kennen gelernt hatte noch nie so wütend gesehen. Wären wir in einem Zeichentrickfilm würden jetzt aus Logens Augen Blitze kommen. Ayden ging mit erhobener Hand auf ihn zu.
,,Hey Kumpel beruhig dich un erzähl uns was los ist." Logen fuhr sich wütend mit den Händen durch die Haare und zog an ihnen.
,,Oh du willst wissen was los", fragte er wütend.
,,Adria und David haben heute Jordan in der Schule gesehen!" Ayden drehte sich erschrocken zu uns um und ich nickte bestätigend.
,,Ok Logen du beruhigst dich erst mal. Stefan und Paul müssten auch gleich hier sein. Dann können wir uns zusammen überlegen wie wir die Sache erledigen", sagte Derek. Ayden schlug Logen auf den Arm.
,,Wir schaffen das schon." Logen setzte sich erschöpft auf die Coach und vergrub das Gesicht in den Händen.
,,Das hoffe ich mal, den ich kann nicht noch mal jemanden verlieren der mir was bedeutet." Logens Worte berührten mich. Ich stand auf und setzte mich neben ihn. Meinen Kopf platzierte ich auf seiner Schulter und mit den Armen umschlang ich seinen Bauch.
,,Du wirst mich nicht verlieren. Das verspreche ich dir!" Logen drehte sich um und umarmte mich kurz.
,,Danke", flüsterte er mir ins Ohr und lies mich los.
Wenige Minuten später, die wir schweigend auf dem Sofa sitzend verbrachten, kamen endlich Stefan und Paul mit dem neuen Equipment zurück. Stefan rollte einen großen Koffer in das Wohnzimmer und blieb dann stehen, als er uns sah. Das lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
,,Könnte nicht ein einziges mal, etwas nach unserem Plan laufen?", fragte er aufgebracht. Logen schüttelte den Kopf.
,,Nein, dass wäre viel zu einfach." Paul ,der alles von der Tür aus gehört hatte, kam rein und setzte sich neben Logen und rieb sich die Hände.
,,Was ist dein Plan Logen?", fragte er aufgeregt.
,,Woher weißt du das ich einen Plan habe?" Die Jungs lachten und ich und David beobachteten stumm das Scenario.
,,Logen wir kennen uns jetzt seit genau 18 Jahren. Glaubst du nicht das wir dich nah diesen Jahren in und auswendig kennen? Außerdem wippst du immer mit dem Knie auf und ab wenn du was ausheckst." Sofort richtete ich meinen Blick auf sein Knie, das sofort zum Stillstand kam. Ich hatte schon vermutet das sich die Jungs so lange kannten, aber ich hatte nicht gedacht das ihre Freundschaft eine so lange Zeit überstanden hatte.
,,Also gut, ich hab wirklich einen Plan", gab er zu.
,,Aber es könnte gefährlich werden. Seit ihr dabei? Ihr müsst aber nicht mitmachen wenn ihr nicht wollt." Ayden zog eine Augenbraue hoch.
,,Ich überhöre das mal. Jetzt verrate uns endlich deinen Plan, damit wir hier weg kommen." Logen zögerte kurz.
,,Die beste Möglichkeit ist es Jordans Drogenhandel aufzudecken. Wir wissen mittlerweile, dass Mr Smith ebenfalls im Geschäft von Jordan tätig ist." David und ich nickten. Ich hatte mich unbewusst, vor Aufregung, vorgelehnt und mit den Ellbogen auf die Knie gestützt. Gespannt hörte ich mir seinen restlichen Plan an.
,,Wenn wir es schaffen Mr Smith auf frischer Tat zu ertappen oder Beweismittel zu finden, wird es nicht mehr schwer sein ihn festzunehmen und zu bedrohen. Die Drohung ihn in das Gefängnis zu stecken, wird ausreichen damit wir Informationen über Jordan bekommen. Wenn wir diese haben müssen wir ihn nur noch verhaften und dafür sorgen, dass er Lebenslang im Gefängnis bleibt." Das war sein Plan, dachte ich enttäuscht und lehnte mich wieder zurück. Ich hatte was viel spannenderes vermutet.
,,Das ist dein Plan", fragte David ungläubig. Es kam mir so vor als könnte er meine Gedanken lesen und nach dem Gesichtsausdruck der anderen, schien das auch ihre Gedanken gewesen zu sein. Logen seufzte.
,,Ich wollte keinen großartigen Plan machen, weil nie etwas geplant läuft. Die Grundidee das wir ihn hinter Gitter stecken wollen reicht schon." Die Jungs nickten wissend. Letztendlich war es mir egal wie der Plan lautete, solange Jordan am Ende im Gefängnis war.
,,Vielleicht erfährt ihr was von Mr Smith wenn ihr sagt das ihr wisst, dass er etwas mit dem Tod von Joseph Parker zu tun hat." Ayden musterte ihn skeptisch.
,,Warum sollte er etwas mit dem Tod deines Vaters zu tun haben?" Ich spürte wie sich David neben mir versteifte. Da ich wusste das es ihm immer noch schwer viel über den Tod seines Vaters zu sprechen, übernahm ich das, nachdem ich von ihm durch einen Blick die Erlaubnis bekommen hatte.
,,Davids Vater hat eine kurze Zeit lang für Jordan gearbeitet. Anfangs ging es ihm noch gut, danach wurde es aber immer schlimmer. Anstatt nur noch Drogen zu verkaufen hat er angefangen selbst Drogen zu nehmen. Eines Tages schickte er David weck und als er dann Nachhause kam brannte das Haus und mann beschuldigte David für den Tod seines Vaters und für den seines besten Freundes, der in dem Augenblick auch im Haus gewesen war."
,,Sie haben dich für den Tod verantwortlich gemacht weil du für die Zeit kein Alibi hast oder?", fragte Paul. David nickte.
,,Das haben sie gesagt aber ich glaube Jordan hat auch seine Leute bei der Polizei, die für ihn die Spuren verwischt haben." Stefan nickte.
,,Das ist möglich. Ich kann mich in das System der Polizei hecken und schauen was ich alles über den Fall deines Vaters heraus finde." Er stand auf und lief zu dem Koffer den er vor wenigen Minuten gebracht hatte und öffnete ihn. Er holte einen Laptop raus und setzte sich mit diesem zurück auf das Sofa. Sofort fing er an wild herum zutippen.
,,Nur noch zwei Minuten, dann hab ich es." Nach einer Minute schrie er einen leisen Triumphschrei aus und las dann konzentriert den Artikel durch.
Er runzelte verwirrt die Stirn. ,,Hier steht,dass der Unfall aufgrund einer Brandstiftung entstanden ist. Die verdächtige Person sei David Parker, allerdings gibt es keine Beweise dafür das du sie Umgebracht hast. Du hast doch vorhin gesagt, dass dein bester Freund ebenfalls in dem Haus gestorben ist", David nickte ,,,hier steht aber nichts von einer zweiten Toten Person. Der einzige der bei diesem ,Unfall' sein Leben verloren hat, ist Joseph Parker. Von deinem Freund ist hier überhaupt nicht die Rede." Logen nahm ihm den Laptop ab und las sich den Bericht selbst noch mal durch, um sich zu versichern das Stefan sich nicht verlesen hatte.
,,Er hat Recht hier steht nicht von einer zweiten Toten Person", berichtete Logen. ,,Es könnte doch sein das er das Haus in Brand gesteckt hat und danach weggelaufen ist", gab ich zu bedenken.
,,Das kann sein. Was haben dir die Polizisten genau gesagt als du bei eurem Haus angekommen bist?", fragte Ayden. David dachte kurz nach.
,,Der eine Polizist der mit mir gesprochen hat, hat behauptet, dass ich für den Tod von zwei Personen verantwortlich war. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir auf das er immer der Polizist war der mit mir gesprochen hat. Nur er und kein anderer Polizist."
,,Also könnte auch alles was er dir erzählt hat eine Lüge gewesen sein",sagte Paul.
,,Das erschwert uns natürlich den ganzen Fall." ,,Falls dein Freund nicht wirklich Tod ist", fuhr Logen fort ,,,müssen wir ihn finden und erfahren, was genau an diesem Tag passiert ist."
,,Wie wollt ihr ihn finden?", fragte David interessiert.
,,Das ist nicht so schwer. Wir müssen uns einfach die Kamera aufnahmen aus dieser Zeit anschauen. Und wenn wir diese haben, können wir mit einem Gesichtsanalysator, den einer von unseren Leuten entwickelt hat, verschieden Orte finden, an denen irgendwelche Straßenkameras oder Ladenkameras sein Gesicht erfasst haben. Die Orte werden dann an unsere Computer geschickt und die DEDS die dort in der Nähe sind, werden ihn suchen", erklärte Logen.
,,Wir machen uns am besten sofort an die Arbeit. Ihr könnt in die Küche gehen und etwas essen", sagte Ayden an uns gewannt. David und ich standen langsam auf und gingen in die Küche, wo wir uns auf die Stühle dort setzten. Wir standen schweigend vor uns auf den Tisch. Keiner von uns beiden wusste so genau was er sagen sollte.
,,Ich kann hier nicht einfach sitzen, während die dort drinnen versuchen den Mörder meines Vaters zu finden. Komm steh auf. Wir gehen zu meinem alte Haus. Vielleicht finden wir was, was die Polizisten noch nicht gefunden haben." Wir standen leise auf und liefen auf die Haustür zu. David öffnete sie leise und wir traten hinaus. Ich schloss die Tür möglichst leise hinter mir uns David lief los. Nach nur fünf Minuten, die wir Davids altem Haus gejoggt waren, kamen wir an. Das Haus musste früher sehr schön gewesen sein, doch jetzt konnte man nur noch die verkohlten Wände sehen und das rote Sperrband, das den Eingang versperren sollte. An der Tür war ein schweres Schloss angebracht, welches verhindern sollte, dass jemand das Haus betrat. ,,Wie wollen wir reinkommen?", fragte ich David.
,,Durch den hinter Eingang", antwortete er und kletterte über den Zaun, der das Haus umgab. Ich folgte ihm und wir liefen über die Wiese auf die Veranda zu. Vor dem Glas Fenster hob David einen großen Stein auf.
,,Trete ein paar Schritte zurück", wies er mich an. Ich trat wie gesagt zurück und schaute ihn verunsichert an.
,,Glaubst das ist eine gute Idee?" ,,Keine Sorge das Haus wurde vor ein paar Tagen in einer Auktion verkauft. Der neue Besitzer wird das Haus abreißen", aus seiner Stimme hörte ich das Zittern. Für ihn war es sicher schwer, dass Haus zu verlieren, indem er sein ganzes leben verbracht hatte. Ich legte ihn eine Hand auf den Arm. Er drückte kurz meine Hand und warf dann den Stein auf die Glasscheibe. Sie zerbrach klirrend und ich sah mich um, um sicher zu gehen das uns niemand gesehen hatte. David ging vorsichtig durch den zersplitterten Rahmen. Im Haus drehte er sich zu mir um und winkte mir zu.
,,Komm rein, aber pass auf das du dich nicht am Rahmen schneidest." Vorsichtig ging zu David rein und sah mich im großen Wohnzimmer um. Die Sofas waren mit weißen Laken bedeckt und über dem alten Kamin konnte man ein Familienfoto sehen. Vorsichtig ging zu dem dem Kamin und sah mir das Foto genauer an. Ein strahlendes Pärchen, dass sich verliebt anschaute, war darauf zu erkennen und ein kleiner Junge der lachend vor ihnen auf dem Boden saß. Das musste David sein, dachte ich mir. Auf dem Bild sah er so glücklich aus und insgeheim hoffte ich für ihn, dass er eines Tages wieder so glücklich wird. Ich nahm das Bild in die Hand und drehte mich zu David um, welcher mich traurig beobachtete. Ich reichte ihm das Bild.
,,Hier nimm es mit, als Erinnerung." Er nahm es dankend an und verschwand dann auf den Flur.
,,Wohin gehst du?", fragte ich ihn und hastete ihm hinterher.
,,Wir wollten doch schauen ob wir noch etwas finden. Und wir finden sicher nichts neues wenn wir nicht dort nachschauen, wo es passiert ist." Da hatte er Recht. Ich folgte ihm bis er vor einer vernagelten Tür stehen blieb. Die Holzbretter waren nicht mehr so fest vernagelt, weshalb wir es schafften drei von ihnen zu lösen. Ich bückte mich und ging durch das kleine Loch das wir gemacht hatten. Mein Blick war auf den Boden gerichtet und als ich ihn hob, war ich von den Ausmaßen schockiert. Der Raum der früher einmal eine Küche gewesen sein musste, war kaum wieder zu erkennen. Durch das wenige Licht was durch die Bretter hinein schien konnte ich erkennen das alles verkohlt war. Die Wände waren schwarz geworden durch das Feuer. Insgeheim war ich froh, das ich nicht den ganzen Raum sehen konnte. Davids Vater war hier drinnen gestorben und ich wollte keine Blutspuren sehen, die mir das auch noch bewiesen. Ich rückte zur Seite und David kam durch das Loch. Im Gegensatz zu mir, erschreckte ihn dieser Anblick nicht. Er lies seinen Blick kurz durch den Raum schweifen und sah mich dann fragend an.
,,Und was genau suchen wir jetzt?", fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern. Darüber hatte ich auch noch nicht genau nachgedacht.
,,Wir wissen das dein Freund nicht in diesem Raum gestorben ist. Aber wenn er derjenige war der deinen Vater umgebracht hat, muss es hier doch Spuren geben", dachte ich laut nach. ,,Er hatte zwei Fluchtmöglichkeiten. Entweder durch das Fenster oder durch die Tür", ergänzte David.
,,Vermutlich hat er hier Benzin verstreut und hat es, als er weggegangen ist entzündet." David schüttelte den Kopf.
,,Mein Vater hätte es doch gemerkt wenn er Benzin verschüttet."
,,Außer er hat ihn davor mit etwas K.O. geschlagen", sagte ich leise.
,,Dann hätte er das Benzin in Ruhe ausschütten können und anzünden können." David dachte nach und ging im Raum umher. Er blieb vor dem verschlossen Fenster stehen. Er schwieg.
,,Warum haben sie das Fenster verschlossen?", er drehte sich zu mir um. ,,Vielleicht hat jemand etwas rein geworfen?" Er schüttelte den Kopf.
,,Dann müssten hier auf dem Boden Glasscherben sein", gab er zu bedenken.
,,Vielleicht hat die Polizei sie weggefegt. Wenn vor dem Fenster Glasscherben sind, muss er aus dem Fenster raus gesprungen sein." Ich zwengte mich durch das Loch auf den Flur und lief auf die Wohnzimmer Tür zu. Ich umrundete den Garten und kam dann vor dem vernagelten Fenster zum stehen. Ich bückte mich auf den Boden und untersuchte das hohe Gras auf Glasscherben, welche ich tatsächlich fand. Ich hob eine auf und zeigte sie David.
,,Er muss also wirklich aus dem Fenster gesprungen sein. Aber warum?"Ich dachte nach. Es ergab keinen Sinn. Warum springt man aus dem Fenster, wenn es eine Tür gibt.
,,Die Tür musste versperrt gewesen sein",dachte ich laut, ,,von einer zweiten Person, die nicht nur meinen Vater umbringen wollte, sondern auch meinen Freund!", vollendete David meinen Gedanken. Ich lief schnell auf den Zaun zu und kletterte drüber.
,,Wir müssen den Jungs unsere Vermutung erzählen. Sie können herausfinden ob an dem Tag noch eine zweite Person hier gewesen war." David folgte mir und so waren wir in wenigen Minuten zurück. Ich klingelte stürmisch an der Tür, bis sie von Stefan geöffnet wurde.
,,Wo wart ihr den?", fragte er verwundert. Anscheinend hatten sie unsere Abwesenheit nicht bemerkt.
,,Wir waren bei meinem alten Haus. Wir dachten, dass es nicht schaden könnte wenn wir uns den Unfallort noch ein mal anschauen. Und wir haben wirklich was neues gefunden!", berichtete David aufgeregt.
,,Kommt rein und erzählt alles von Anfang an!" Wir liefen in das Wohnzimmer, wo die Jungs an ihrem Laptops hingen und versuchten Informationen zu finden.
,,Jungs, Adria und David haben neue Informationen für uns." Er setzte sich hin und wartete gespannt darauf,dass wir ihnen genaueres berichteten. Die Blicke von allen waren auf uns gerichtet und wir begannen zögernd zu erzählen.
,,Wir haben uns gedacht, dass der bericht von diesem Polizisten, der mit mir gesprochen hat, nicht stimmen kann. Deshalb wollten wir selbst schauen ob wir was finden, von dem wir keine bisher nichts wussten. Und wir sind darauf gekommen, das mein Freund Theo dort nicht alleine war. es muss eine zweite Person dort gewesen sein, die versucht hat beide umzubringen." Ayden runzelte die Stirn.
,,Wie kommt ihr darauf, dass dort eine zweite Person gewesen ist?" David schaute mich an.
,,Würdet ihr aus dem Fenster springen wenn es eine Tür gebe?" Dei Jungs schüttelten den Kopf.
,,Außer es gäbe eine Person, die euch den Weg zur Tür versperrt und ihr nicht sterben wollt", fügte ich hinzu.
,,Gibt es Beweise dafür, dass jemand aus dem Fenster gesprungen ist?", fragte Logen. David nickte.
,,Das Fenster wurde vernagelt und auf dem Gras vor dem Fenster sind Glasscheiben." Logen sah nachdenklich vor sich hin.
,,Das beweist leider nicht das dort eine zweite Person gewesen ist", sagte er schließlich. Paul nickte. ,,Du hast Recht, aber wenn dort noch eine zweite Person gewesen ist, können wir das herausfinden! Wir brauchen nur die Kamera aufnahmen von dem Tag." Die Jungs grinsten.
,,Und wir wollt ihr die bekommen?", fragte David.
,,Ihr könnt nicht einfach zur Polizei gehen und sagen das ihr die Kamera aufnahmen von dem Tag braucht." Stefans grinsen wurde breiter.
,,Deshalb werden wir dort auch einbrechen." Ich sah ihn ungläubig an. ,,Ach und wie wollt ihr das anstellen?", fragte David misstrauisch.
,,Das Polizeirevier ist immer bewacht ihr könnt dort nicht so leicht einbrechen." Ich nickte bekräftigend.
,,Theoretisch gesehen müssen wir nur in das Archiv einbrechen."
,,Erklärt uns euren Plan und lasst euch nicht alles aus der Nase ziehen!" Ayden grinste.
,,Zwei von uns werden sich verhaften lassen und eine Person wird den Anwalt spielen der sie dort raus holen wird. Und dann werden wir in das Archiv einbrechen."
,,Das ist der Plan?", fragte ich. Ayden nickte.
,,Dann war es nett euch kennen gelernt zu haben." Logen verdrehte die Augen.
,,Ayden hat ein paar Sachen ausgelassen. Der Plan ist nicht so leicht. Du wirst es später sehen." Ich stand auf.
,,Das hoffe ich mal. Ich will nämlich nicht das ihr am Ende alle im Gefängnis landet." Logen lachte.
,,Ach wie süß. Du machst dir Sorgen um uns." Ich verdrehte nur die Augen. ,,Wann wollt ihr euren streng geheimen Plan ausführen?" Die Jungs wechselten Blicke.
,,Heute!"
David und ich saßen alleine im Wohnzimmer, während Logen und die Jungs sich auf den Weg gemacht hatten, dass Polizeirevier anzugreifen. Uns wollten sie nicht mitnehmen, weil wir eine Ablenkung wären. Aber ein paar kleine Aufgaben hatten sie und zugetraut. Wir durften über die Überwachungskameras der Polizisten das Geschehen mitverfolgen. Stefan hatte sich in das Überwachungssystem gehackt und uns so die Möglichkeit verschafft alles aus der ferne zu beobachten.
,,Ich hoffe es geht nichts schief", sagte ich besorgt zu David.
,,Sie schaffen, dass schon", beruhigte mich David. Die Jungs hatten eine gute Ausbildung gehabt und solche Sachen waren für sie Kinderspiele, hatte mir Logen versichert bevor er gegangen war. Außerdem hatte er mir sein Handy in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich im Notfall Bella O'Brien anrufen sollte. Bella war die jetzige Direktorin der DEDS und sie würde die Jungs im Notfall ohne Probleme aus dem Gefängnis raus holen.
,,Es geht los", sagte David und ich sah sofort auf den Bildschirm. Vier maskierte Männer mit Waffen in den Händen, marschierten in das Revier.
,,Hände hoch und die Waffen in die Mitte schmeißen", schrie der eine. Ich erkannte an seiner Stimme, dass es Ayden war. Einer der Polizisten hörte nicht auf Ayden und packte seine Waffe um sie auf einen der Männer zu richten. Ohne zu zögern schoss Ayden ihm die Waffe aus der Hand, ohne den Polizisten zu verletzen.
,,Das nächste mal wenn einer von euch versucht uns anzugreifen, werde ich ihn umbringen!" Aydens skrupellose Stimme erschreckte mich und ich zuckte zusammen. So streng hatte ich ihn noch nie gehört. Zwei der Männer gingen herum und stießen alle Waffen in die Mitte. Dabei beobachteten sie Die Beamten genau. Ayden holte Kabelbinder aus seiner Hosentasche und warf sie der dritten Person zu.
,,Verbindet ihre Hände." Sofort machte er sich an die Arbeit und verband dem Polizisten die Hände und berührte ihn mit einem Elektroshocker. Der Polizist zuckte ein paar mal und sackte dann auf den Boden. Ich schrie kurz auf.
,,Sie hatten nicht erwähnt, dass das zum Plan dazugehört", sagte David. Ich konnte nur noch nicken. Die anderen beiden halfen ihm bei den restlichen Polizisten das gleiche zu machen, während Ayden in der Mitte stand und alles aufmerksam beobachtete. Manche versuchten sich zu währen, doch es wurde für sie nur noch schmerzhafter. Einer hätte es beinahe geschafft zu entkommen, doch dann verpasste ihm der Maskierte einen Kinnhaken und der Polizist ging zu Boden. Nur ein schmächtiger Polizist blieb übrig. Diesem verbanden sie die Hände doch er bekam keinen Stromschlag.
,,Du führst uns jetzt zum Archiv", sagte Logen. Der ängstliche Polizist nickte hastig und ging voraus. Logen und Ayden folgten ihm. Stefan und Paul bleiben mit erhobenen Händen dort und sorgten dafür das kein Polizist sein Bewusstsein wieder erlangte. Der Mann führte sie an mehreren Türen vorbei und blieb vor einer verschlossenen Tür stehen.
,,Ich hab keinen Schlüssel für diese Tür", sagte er mit zittriger Stimme. Ayden schob ihn zurück und Logen kniete vor der Tür nieder. Er holte einen Dietrich aus seiner Tasche raus und öffnete sie in wenigen Sekunden. Er ging in den Raum rein und Ayden schubste den Polizisten hinterher. Der Raum war dunkel und mann konnte nichts erkennen bis sie das Licht einschalteten. Vor ihnen war ein Riesiger Raum, der bisschen einer Lagerhalle glich.
,,Und wie sollen wir hier das Video finden?", fragte Ayden den Polizisten.
,,Kommt darauf an welches ihr sucht." Ayden'und Logen tauschten kurz Blicke.
,,Wir brauchen das Überwachungsvideo vom Unfall von Joseph Parker." Der Polizist blickte überrascht auf.
,,Vor ein paar Tagen ist ein Mann von der Behörde hergekommen und hat das Video mitgenommen."
,,Nein das darf nicht sein", sagte David aufgebracht. Ich legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
,,Wir haben allerdings eine Kopie des Videos auf dem Hauptcomputer. Wenn sie wollen kann ich ihnen die Datei auf einen USB-Stick speichern."
,,Wo ist der Haken bei der Sache?", fragte Logen. Der Polizist zuckte mit den Schultern.
,,Ich hab das Gefühl, dass der Mann kein Beamter war. Etwas stimmt an dem Fall von Mr Parker nicht, doch allen Polizisten wurde es verboten weiter an dem Fall zu arbeiten. Und ich hab die Vermutung, dass ihr den Fall lösen wollt." Da hatte der Polizist Recht.
,,Sie haben Recht",sagte Ayden.
,,Aber jetzt geben sie uns endlich die Datei , bevor wir im Gefängnis landen und nicht weiter am Fall arbeiten können." Der Polizist drehte sich um und wollte den raum verlassen.
,,Hey! Stopp! Wohin gehen sie?" Logen richtete seine Waffe auf ihn.
,,Dachten sie ich würde sie hier aufbewahren wo jeder an die CD ran kommt?", fragte er. Ayden und Logen folgten ihm zurück. Der Beamte ging an seinen Tisch und öffnete eine Schublade. Er holte eine CD heraus und reichte sie Logen. Nachdem er die CD genommen hatte, sah er den Polizisten eine weile lang an. Dan musterte er die CD in seiner Hand und zerbrach sie.
,,Geben sie mir die richtige CD", sagte er. Der Polizist sah unruhig umher.
,,Das war die richtige CD", sagte er leise. Logen schüttelte den Kopf.
,,Hören sie auf mich anzulügen!"
,,Woher wollen sie wissen das ich sie anlüge", sagte er wütend.
,,Ihr Körper verrät sie. Sie sehen mir nicht direkt in die Augen. Ihre Pupillen sind geweitet. Sie verstecken sich hinter ihrem Tisch. " Er ging auf den Polizisten zu und dieser wich ängstlich einen Schritt zurück.
,,Also wollen sie mir sagen was hier vor sich geht?" Ich rutschte auf der Coach gespannt weiter vor und sah mir die Kameraaufnahmen genauer an.
,,Hier stimmt was nicht", sagte ich zu David. Ich runzelte die Stirn und rückte weiter vor. Und dann sah ich das was mich die ganze Zeit schon gestört hatte.
,,Da ist eine Bombe", sagte ich zu David.
,,Wo?", fragte er . Ich zeigte ihm die Stelle am Schreibtisch des Polizisten.
,,Siehst du die Kabel dort und das schwarze was hervorragt?", fragte ich ihn. David nickte.
,,So ungefähr sah auch die Bombe aus die Logen gebaut hatte." Jetzt wurde auch klar warum sich der Mann hinter dem Tisch versteckte. David nahm sich Logens Handy vom Tisch und wählte die Nummer von Ayden. Er ging nicht ran. Er wählte die Nummer von Stefan. Dieser ging ebenfalls nicht dran.
,,Komm schon Paul du musst rangehen!", sagte David. Er wählte seine Nummer und sein Handy klingelte. Ayden und Stefan drehten sich zu ihm um.
,,Schalt das Ding ab!", sagten sie beide. Paul holte sein Handy raus. ,,Ich glaube es ist besser wenn ich da ran gehe", sagte er.
,,Was ist los?", fragte er.
,,Eine Bombe unter dem Tisch vom Beamten", sagte David. Paul legte ohne ein weiteres Wort auf. Er ging auf den Polizisten zu.
,,Geben sie die CD oder sie werden es bereuen!" Der Polizist zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf.
,,Er wird mich umbringen." Paul seufzte aufgebracht Er trat schnell auf den Beamten zu und rammte ihm eine Spritze in den Arm.
,,Das ist ein bestimmtes Sirum, was dafür sorgt das sie die Wahrheit sagen werden. Wir fragen sie das letzte mal, wo ist die CD?"
,,Im Laufwerk", sagte der Polizist und hielt sich dann erschrocken die Hand vor den Mund. Paul ging hinter den Computer und schaute sich kurz etwas an.
,,Wir haben es", sagte er und holte die CD und verpackte sie in seiner Jackentasche.
,,Von wem werden sie bedroht?", fragt er.
,,Jordan", flüsterte der Polizist leise.
Paul schubste den Beamten weg vom Tisch in die Mitte und schlug ihm von hinten auf den Kopf.
,,Unter dem Tisch ist eine Bombe." Ayden ging schnell zum Tisch und schaute sie sich genauer an.
,,Sie wird in zwei Minuten platzen", stellte er fest. Er setzte sich unter den Tisch und fing an die Bombe genauer zu untersuchen. Er holte ein Messer aus der Tasche und schnitt ein Kabel durch. Erschrocken hielt ich die Luft an. Als nichts weiter passierte, löste er die Bombe vom Tisch und zeigte sie den anderen.
,,Das Sprengstoff hätte gereicht um das ganze Polizeirevier in die Luft zu sprengen."
,,Verschwinden wir von hier", sagt Stefan.
Zehn Minuten kamen Logen und die Jungs zurück. Das erste was ich tat, als ich logen sah, war zu ihm zu laufen und ihn zu umarmen.
,,Macht so was nie wieder!", sagte ich zu ihm.
,,Das ist leider nicht möglich", antwortete er. ,,Es ist mein Job."
,,Ich weiß", gab ich zu.
,,Aber es ist echt gruselig, wie erschreckend es sein kann, wenn ihr so tut, als wärt ihr böse." Logen löste sich von mir und ließ sich erschöpft auf die Coach fallen.
,,Normalerweise bekämpfen wir das Böse." Paul nahm den Laptop und steckte die CD in das Laufwerk.
,,Lasst uns schauen ob eure Vermutung richtig war." Die Straße, in der früher David gelebt hatte, war von der Straßenkamera aus zu erkennen. David spulte vor, bis wir sahen wie David das Haus verließ. Er spulte weiter und wir sahen einen Jungen, der bisschen älter war als David und ich, das Haus betreten.
,,Das ist Theo", informierte uns David. Paul spulte weiter und wir sahen wie ein schwarzer Wagen, mit getönten Scheiben, vor dem dem Haus anhielt. Ein Mann stieg aus und ging auf die Haustür zu. Dieser Mann war Mr Smith. Es überraschte mich nicht so sehr ihn zu sehen, da wir bereits wussten, dass er in Kriminalitäten verwickelt war. Paul spulte weiter vor und das Letzte was wir sahen war wie Mr Smith fluchtartig das Haus verließ.
,,Ihr hattet Recht. Es war eine zweite Person da." Während sich die anderen weiter unterhielten schaute ich mir das Video weiter an. Und da sah ich Theo wieder. Er hielt sich seinen blutenden Arm und versuchte über den Zaun zu klettern.
,,Schaut mal", sagte ich und deutete auf den Bildschirm.
,,Kein Wunder das sie keine zweite Tote Person gab. Er ist gar nicht Tot", sagte Stefan.
,,Wir müssen heraus finden was dort in dem Haus drinnen passiert ist. Und die einzige Möglichkeit das zu erfahren ist es Theo zu finden."
Irgendetwas kam mir an dieser ganzen Sache merkwürdig vor. Alles war viel zu einfach gewesen. Die Polizisten hatten sich viel zu schnell ergeben, die Jungs hatten die CD viel zu schnell bekommen. Ich nahm den Laptop auf meinen Schoss und spulte bis zum Ende. ich sah mir die letzten Minuten der CD ganz genau an. Achtete auf die Uhrzeitangaben. Und da viel es mir auf.
,,Hier wurde etwas raus geschnitten", sagte ich zu Logen und zeigte ihm die Stelle. Er nickte und zeigte es Paul.
,,Glaubst du du kannst es wieder herstellen?", fragte Logen Paul.
,,Ich kann es versuchen, aber es ist schwer."
Es verging eine Woche, die wir ohne weitere Einbrüche verbrachten. Während David und ich in die Schule gingen und sehnlichst auf die Ferien warteten, verbrachten die Jungs ihre Zeit damit Theo zu suchen. Heute war der letzte Tag vor den Ferien. Und auch der letzte Tag an dem David und ich auf diese Schule gehen würden. Nachdem die Stefan herausgefunden hatte, dass Theo noch am leben war und von Ort zu Ort reiste, hatten wir beschlossen ihn zu suchen. Paul und Stefan hatten angedeutet ihn beinahe gefunden zu haben, aber sie wollten uns nicht viel mehr verraten. Logen und Ayden begleiteten mich in die Schule, um mit Mr Smith zu sprechen. Heute würde er hinter Gitter kommen, hatten sie David versichert. Das FBI würde ihm wegen Mord und Drogenhandel festnehmen. David und ich standen vor seiner Bürotür und schauten gespannt zu wie er in Handschellen weggebracht wurde. Als Mr Smith David sah rastete er vollkommen aus.
,,Alles nur wegen dir und deinem versoffenen Vater! Ich hätte dich an dem Tag am besten auch umbringen sollen, dann könnte sich die Welt deinen Anblick ersparen!", schrie er. Ich spürte wie sich David neben mir versteifte.
,,Wie schön das sie zugeben Joseph Parker umzubringen. Aber eine Morddrohung zumachen während mann sie abführt ist nicht so schlau", schrie ich hinterher.
,,Mr Smith es ist für sie am besten wenn sie jetzt schweigen. Alles was sie sagen kann vor Gericht gegen sie verwendet werden. Das hatten wir ihnen schon erklärt", sagte Ayden. Fast alle Schüler hatten sich versammelt und beobachteten wie ihr Schulleiter in Handschellen weggebracht wurde. Nachdem das Auto, indem er saß, verschwunden war, drehten sich alle zu David und mir um.
,,Wie hast du es geschafft deine Schuld auf Mr Smith zu schieben?", fragte ein Schüler wütend.
,,Ich glaube du spinnst. Sie würden ihn nicht verhaften wenn er nicht Schuld wäre. An deiner Stelle würde ich mich schämen, David überhaupt für so etwas beschuldigt zu haben", sagte ich verärgert.
,,Ach sei du doch leise. Du weißt noch nicht mal was damals passiert ist. Du bist hier die letzte die was dazu sagen kann!", konterte er.
,,Warst du dabei?", fragte ich ihn.
,,Nein", sagte er.
,,Dann sei mal lieber leise!" Ich zog David am Arm aus dem Schulgebäude hinaus.
,,Danke das du mich verteidigt hast", sagte David.
,,Dafür musst du dich nicht bedanken." Ich machte mich auf den Weg zu Davids Lieblingsplatz.
,,Du willst unseren letzten Tag schwänzen?", fragte er mich. Ich zuckte mit den Schultern.
,,Uns wird niemand vermissen."
,,Da hast du recht", sagte er und hielt mir das Gestrüpp aus dem Weg. Wir liefen bis zum Ufer und setzten uns auf den Boden.
,,Ich werde diesen Ort hier vermissen", sagte er.
,,Du kannst hier her zurück kommen, wenn sich alles bisschen gelegt hat und du volljährig bist", munterte ich ihn auf.
,,Was glaubst du wie es bei den DEDS sein wird?", fragte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern.
,,Ich weiß nicht, aber schlimmer als mein altes Leben kann es nicht werden." Da stimmte ich ihm zu.
,,Ich werde versuchen weiter zu leben. Es macht mich zwar traurig das ohne meinen Bruder tun zu müssen, aber ich kann nicht immer mit meinen Gedanken bei ihm sein. Das würde ich nicht überleben und Logen hilft mir über ihn hinwegzukommen. Er und du, ihr seit meinen neue Familie. Und ich will meine Familie nicht noch mal verlieren." David schwieg.
,,Es ist nicht so leicht zu vergessen. Und ich hoffe du findest irgendwann heraus was mit deinem Bruder passiert ist, dann kannst du damit abschließen. So ergeht es mir zurzeit. Und zu wissen das Jordan irgendwann hinter Gitter sitzen wird, hilft mir auch." Wenn Jordan und meine Mutter nicht wieder zusammen gekommen wären,wüsste ich nicht ob ich David kennen gelernt hätte oder ob meine Mutter sich dazu entschlossen hätte zurück zu meinem Vater zu gehen. Ich würde es nie erfahren.
,,Hey ihr beiden was macht ihr hier ?",fragte Logen. David und ich fuhren erschrocken zusammen und drehten uns zu ihm um.
,,Wie hast du uns gefunden?",fragte David. Logen sah schuldig auf den Boden.
,,Ich hab an Adrias Schuh ein Ortungsgerät befestigt." Ich sah unter meinen Schuh und entdeckte ein kleines Ding das einem Stein ähnelte.
,,Warum hast du das gemacht?", fragte ich ihn verwirrt. Er seufzte.
,,Du hast die Angewohnheit ohne ein Wort zu verschwinden. Ich wollte mir keinen sorgen darüber machen wo du im Moment bist." Ich schüttelte den Kopf.
,,Wann bin ich verschwunden ohne Bescheid zu geben?"
,,Letzte Woche wo ihr zu Davids altem Haus gegangen seit zum beispiel." Er setzte sich neben uns.
,,Das war nur ein einziges mal",sagte ich.
,,Es zählt trotzdem."
,,Bist du bereit zu gehen ? ", fragte er David welcher stumm nickte.
,,Warum werde ich nicht gefragt ? ", fragte ich um von David abzulenken. Logen sah mich amüsiert an.
,,Du dachtest fach nicht das ich dich gehen lasse. Ich bin wie die Mafia. Wenn du dort ein mal mitmachst kommst du nicht mehr raus."David und ich prusteten los.
,,Du hast gerade deinen einzige Möglichkeit verpasst sie los zu werden." Ich nickte.
,,Jetzt hast du mich für immer am Hals", sagte ich bestimmt. Logen grinste.
,,Kann ich meine Worte zurück nehmen? Ich hab meinen Fehler bemerkt." David schüttelte bedauernd den Kopf.
,,Tut mir leid wir dürfen sie ohne Kassenzettel nicht zurück nehmen." Ich richtete mich empört auf.
,,Ihr seit echt gemein." Logen lachte und legte den Arm um mich. ,,Keine Sorge ich will dich nicht zurück geben" beruhigte er mich.
,,Danke. Und so schlimm bis ich nun auch nicht", sagte ich beleidigt. Logens körperliche bebte vor unterdrücktem lachen.
,,Du hast dich selbst nicht erlebt", sagte er. Wütend stand ich auf und lief zurück. David und Logen holten mich nach einer Zeit auf. Wahrscheinlich wollten sie sich erst einmal auslachen bevor sie wieder zu mir kamen. Ich schwieg den ganzen Weg über während sie sich fröhlich unterhielten.
Als wir vor dem Haus ankamen, standen davor zwei schwarze Autos.
,,Seit ihr bereit von hier zu verschwinden?", fragte Logen. David und ich nickten.
,,Dann steigt ein wir verschwinden von hier." Er lief noch mal in das Haus rein um seine Freunde zu rufen und noch mal sicher zu gehen das wir nichts vergessen hatten.
,,Wohin geht es jetzt ?", fragte David als wir los fuhren.
,,Ich weiß nicht so genau. Stefan und Paul wollten nichts genaues sagen außer das sie deinen Freund Theo gefunden haben",sagte Logen. Ich wartete darauf, dass Logen weiter sprach, doch er schwieg.
,,Was verschweigst du uns?", fragte ich ihn direkt. Logen klopfte unruhig mit seinen Fingern auf das Lenkrad.
,,Wir haben es geschafft die Datei wiederherzustellen", platzte es aus ihm raus.
,,Und ...", versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen. Logen seufzte ergeben.
,,Und man hat gesehen wie Jordan aufgetaucht ist. Er saß in seinem Auto und hat sich von der anderen Straßenseite aus die Polizeiarbeit angesehen und ist dann verschwunden", beendete er.
,,Und warum wolltest du uns das nicht erzählen?", fragte ihn David.
,,Weil wir euch eigentlich nichts über die Mission erzählen dürfen und ihr theoretisch gesehen schon längst nicht mehr hier sein solltet. Wir haben den Direktor dazu überredet bei euch eine Ausnahme zu machen."
,,Unter welcher Bedingung?", fragte ich Logen und runzelte die Stirn.
,,Unter der Bedingung das ihr euch nicht in Gefahr bringt, was wir auch ohne ihre Warnung nicht zu gelassen hätten. Adria hinten auf dem Boden sind zwei Wasserflaschen. Trinkt was." Ich bückte mich und nahm die beiden Flaschen. Eine reichte ich David. David wollte die Flasche öffnen und was trinken, doch ich hielt ihn auf.
,,Was ist in dieser Flasche drinnen?" Logen seufzte.
,,Ich hätte wissen müssen das ihr darauf kommt. In der Flasche ist ein Schlafmittel drin, welches wir euch geben sollten. Der Ort, zu dem wir gehen, ist ein Versteck von dem FBI. Deshalb dürft ihr nicht wissen wo es liegt. Bitte trinkt es, die Fahrt dort hin kann gefährlich werden und ich will nicht das ihr was davon mitbekommt", sagte er. David und ich musterten die Flasche skeptisch und tranken sie dann langsam aus. Doch dann hielt ich plötzlich inne.
,,Logen wo sind die anderen?", fragte ich leise. Alles begann vor meinen Augen zu verschwimmen und unser Fehler wurde mir erst jetzt bewusst. Als letzte was ich sah war, wie Logen eine Maske von seinem Gesicht abnahm. Wir saßen hier nicht bei Logen im Auto. Nein, es war Jordan und er entführte uns, dachte ich und wurde bewusstlos.
Wenige Stunden später wurde ich von einem schrillen Piep- Ton geweckt. Ich blinzelte und versuchte den Raum zu erkennen in dem ich mich befand, doch ich konnte nichts erkennen. Alles war viel zu dunkel. Der letzte Funken an Hoffnung wurde zerstört, als ich spürte das meine Hände und Beine, auf eine sehr ungemütliche Weise, gefesselt wurden.
,,David?", fragte ich, in der Hoffnung das er sich im selben Raum wie ich.
,,Was ist los?", meldete sich eine schläfrige Stimme neben mir. ich blinzelte und versuchte zu erkenne wo David war und da sah ich schwach seine Umrisse neben mir.
,,Wir wurden von Jordan entführt", sagte ich wütend. Ich versuchte meine Hände zu befreien, doch das Seil war viel zu fest angebracht und schnitt mir, bei dem Versuche meine Hände aus dem Seil zu bekommen, in die Haut. David wurde die Bedeutung meiner Worte erst jetzt bewusst.
,,Verdammt!", entfuhr es ihm.
,,Beruhige dich. Logen wird uns hier sicher bald rausholen. Und wenn nicht werden wir flüchten."
,,Und wie willst du es schaffen von hier weg zu kommen? Falls du es nicht bemerkt hat, wir sin an unsere Stühle gefesselt!", fuhr er mich an.
Eine Tür öffnete sich und ein greller Lichtstrahl blendete mich. Jemand kam langsam herein und schaltete das Licht ein. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte zu sehen wer sich zu uns gesellt hatte.
,,Mich würde es brennend interessieren wie du mir entkommen willst liebe Adria", sagte Jordan. Er stellte sich breitbeinig vor uns hin und grinste wie ein verrückter. Angst erfasste mich.
,,Warum hast du uns entführt?", fragte David, um Jordans Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jordan klatschte in die Hände.
,,Wie wäre es wenn ich euch die berührende Geschichte bei einer Tasse Tee erzähle? Dafür müsste ich eure Fesseln entfernen." Er ging um uns rum und bückte sich um Davids Fesseln zu lösen. Bevor er sie ab machte stand er noch mal kurz auf.
,,Ach und nur damit ihr es wisst, ihr habt Fußfesseln. Wenn ihr euch zu weit von mir entfernt, werdet ihr einen Stromschlag bekommen." Er löste Davids Fesseln und wannte sich dann meinen zu. Nachdem das Seil abgefallen war, rieb ich mir die schmerzenden Handgelenke und bückte mich um auch das Seil an meinem Fuß zu lösen. Und da sah ich die kleine schwarze Fußfessel. An der Seite war ein kleines rotes Licht das blinkte. Jetzt konnten wir nur noch hoffen Logen und die Jungs kamen um uns zu retten. Jordan verließ den Raum. ,,Kommt mit", rief er. Schnell liefen wir ihm hinterher, um keinen Stromschlag zu riskieren. Jordan führte und durch viele verschiedenen Flure und ich sah mich immer wieder um. Wir liefen an schwarz gekleideten Wachmännern vorbei, die Jordan immer zu nickten. ich wurde immer verzweifelter. Wie sollten wir hier heraus kommen. Auch wenn wir es schafften die Fußfessel los zu werden, würden sie uns schnell wieder einfangen. Jordan öffnete eine Tür und wir standen vor einem großen gedeckten Tisch. Außer uns befand sich niemand hier. Jordan setzte sich an den Tisch und deute uns an, dass wir uns setzten sollten. David und ich nahmen so weit wie möglich von Jordan entfernt platz. Er schnalzte missbilligend mit der Zunge.
,,Setzt euch hier neben mich. Ich beiße euch schon nicht"; sagte er gespielt freundlich.
,,Unsere Plätze gefallen uns", sagte ich und David nickte zustimmend.
,,Das war keine Bitte", sagte Jordan wütend und drückte auf einen Knopf, den er aus seiner Tasche geholt hatte. Mich durchzuckte ein Stromschlag ausgehend von der Fußfessel. Ich fiel auf den Boden und meine Arme und Beine zuckten wie verrückt und dann hörte es auf. Ich hörte wie Jordan lachte.
,,Ihr würdet lachen wenn ihr gesehen hättet wie das aussah", lachte er. ,,Wie Fisch die mann aus dem Wasser gezogen hat." Ich rollte mich zusammen und versuchte dann aufzustehen. David stützte sich an seinem Stuhl und stand auf. Er reichte mir seine Hand und zog mich hoch.
,,Setzt euch neben mich", sagte er mit einem bedrohlichen glitzern in den Augen. Langsam namen wir neben ihm Platz.
,,Ihr fragt euch sicher warum ich euch entführt habe", David und ich nickten zögernd. ,,Dafür müsst ihr wissen wie alles angefangen hat. Auf der Highschool war ich einer der besten Footballspieler. Ich hab viele Angebote bekommen, doch Football hat mich nie richtig interessiert. Ich hab es nur gespielt, weil mein Vater es so von mir wollte. Er wurde extrem wütend, als ich alle Angebote ablehnte. Am schlimmsten war es aber, dass meine Mutter während einem Spiel starb. Ich schaffte es nicht mehr rechtzeitig zu ihr. Mein Vater starb wenige Wochen später. Er ist ist in einen Streit zwischen zwei verfeindeten Gangs geraten. Ich war Mitglied in einem dieser Gangs und später habe ich sie sogar übernommen. Er starb an dem Tag. Und wenn er nicht dort gestorben wäre, hätte er sich selbst umgebracht. Er war ein Feigling", sagte er voller Verachtung.
,,Warum hassen sie ihrem Vater so sehr?", fragte David ihn leise. Jordan sah ihm direkt in die Augen.
,,Weil ich wegen ihm nicht bei meiner Mutter sein konnte. Sie ist alleine gestorben, ohne jemand der sie aufgemuntert hat", antwortete er verbittert.
,,Dein Vater hat dich nicht gezwungen Football zu spielen", sagte ich zu Jordan. Er zog die Augenbrauen hoch.
,,Du kanntest meinen Vater nicht. Er war gewalttätig. Ich bin zu dem Footballtraining gegangen, weil ich die Zeit genossen habe, wenn ich ihn nicht sehen musste. Wenn ich nicht miterleben musste wie er meine Mutter verprügelte, weil sie nicht das tat was er wollte. Er hätte sogar mich geschlagen, wenn meine Mutter ihn nicht davon abgehalten hätte." Er drehte das Messer in seiner Hand. Es war traurig, dass er so ein schlechtes Leben gehabt hatte, doch das rechtfertigte nicht seine Taten.
,,Und was unterscheidet dich von ihm?", fragte ich Jordan und zog die Augenbrauen hoch. ,,Du hast mich verprügelt, weil ich was von dir geheim gehalten habe. Und das soll Gerecht sein?" Jordan knirschte mit den Zähnen.
,,Ich war noch nicht fertig", sagte er wütend.
,,Dann erzählen sie weiter", sagte David.
,,Ich kam ins Weisenheim, weil keiner meiner Verwandten mich aufnehmen wollte. Nach nur wenigen Wochen kam eine Frau zu mir und erzählte mir von den DEDS." David und ich wechselten einen Blick. Er wusste von den DEDS?
,,Ihr seit nicht die einzigen die sie rekrutiert haben. Ich wurde bei ihnen aufgenommen und war zwei Jahre lang einer ihrer besten Rekruten, bis ich einen Fehler machte. Ich habe gegen eine ihrer wichtigsten Regeln verstoßen."
,,Und die wäre?", fragte ich ihn.
,,Ich habe Drogen genommen. Nur ein einziges mal. Dafür schmissen sie mich raus. Sie brachten bei einer Familie unter, die ich von früher kannte. Ich baute mir mein Drogenimperium Schritt für Schritt auf und schwor mir eines Tages Rache an den DEDS zunehmen. Und anfangen werde ich mit Logen und seinen kleinen Freunden", beendete er. Wir saßen da und jeder dachte nach. Nach wenigen Minuten klatschte Jordan in die Hände und ein Mann in schwarzer Kleidung erschien vor der Tür.
,,Bring sie zurück"; sagte er zu ihm und stand auf und verschwand. Der Mann kam zu und, packte uns an den Armen und zog uns zu der Tür. Wir hasteten ihm hinterher und ich stolperte über meine Füße und fiel auf den Boden. Ohne sich weiter davon beirren zu lassen schleifte er mich über den Boden. Ich versuchte aufzustehen, doch ich schaffte es nicht. Ich stöhnte schmerzhaft auf, als ich gegen die Wand knallte.
,,Bleiben sie stehen, sie tun ihr weh", schrie David und wannte sich um sich zu befreien. Es gelang ihm beinahe. Der Mann stieß mich wütend gegen die Wand und ich knallte mit dem Kopf gegen sie. Vor meinen Augen sah ich Sterne und ich versuchte gegen den Schwindel anzukämpfen. Ich sah verschwommen wie der Mann David eine Ohrfeige verpasste und versuchte aufzustehen. Mit wackligen Beinen stand ich auf und ging auf den Mann zu um ihm von David runter zubekommen. Ich versuchte ihn zu schubsen, doch er bewegte sich keinen Millimeter. Er wurde nur noch wütender und drehte sich zu mir um.
,,Ich hab genug von euch beiden", schimpfte er und drückte auf einen Knopf. Erneut durchfuhr mich und David ein Stromschlag und wir sackte auf den Boden. Der Mann packte uns an den Händen und schleifte uns zurück zu dem Raum, wo er uns auf den Boden liegen ließ, die Tür hinter sich versperrte und uns alleine lies.Ich krümmte mich zusammen und machte mich so klein wie möglich und versuchte nicht zu weinen. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper protestierte und wollte sich nur noch ausruhen, einfach liegen bleiben und nicht mehr aufstehen. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Ich hörte wie David über den Boden zu mir kroch. Er schüttelte mich an der Schulter.
,,Adria, ist alles in Ordnung bei dir?", fragte er mich leise. Seine Stimme war nur noch ein krächzen. Ich schnaubte.
,,Ist das dein Ernst? Wie kann es mir gut gehen?", fragte ich ihn ungläubig. Er seufzte.
,,Adria ich weiß du hast Schmerzen, aber wir können im Moment nichts tun. Nächstes mal müssen wir mehr aufpassen und das machen was sie von uns wollen, sonst überleben wir das hier nicht", sagte er leise.
,,Ich will hier weg. Es soll kein nächstes mal geben", sagte ich und mir liefen Tränen über die Wangen.
,,Ich weiß", sagte er und strich mir die Tränen von den Wangen. ,,aber wir müssen stark sein. Logen wird uns finden. Er wird uns hier rausholen. Wir müssen nur lange genug überleben." Ich schüttelte heftig den Kopf.
,,Sie werden uns nicht schnell genug finden. Hast du nicht gemerkt wie versessen Jordan auf Rache ist? Er würde uns umbringen ohne mit der Wimper zu zucken. Und je länger sie brauchen desto wütender wir er. Wir müssen ihnen eine Nachricht überbringen", sagte ich verzweifelt.
,,Und wie wollen wir das anstellen?", fragte mich David. Ich setzte mich auf und drehte mich zu ihm um.
,,Weißt du noch wie uns David am See gefunden hat?", fragte ich ihn. David runzelte die Stirn und dachte nach. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht.
,,Ja ich weiß es noch. Vielleicht funktioniert es nicht über eine so weite Entfernung", flüsterte er mir in mein Ohr. Jordan durfte nichts davon erfahren, bevor wir es aktivieren konnten. Wir mussten vorsichtig sein.
,,Ich kann es umbauen, sodass es ein Signal an sie schickt. Aber das wird höchstens wenige Minuten anhalten. Und wenn wir Pech haben werden sie es überhaupt nicht sehen", flüsterte er.
,,Wir müssen es riskieren", sagte ich entschlossen.
Die Zeit verging langsam und träge. Nur einmal kam ein Mann um uns essen zubringen, doch Jordan tauchte nicht um zweiten mal auf. Ich schritt in unserer Zelle herum, so nannten wir sie jetzt, und blieb vor der Tür stehen. Am liebsten würde ich gegen sie schlagen, bis meine Hände Wund waren und jemand so gnädig war, um und uns hier raus ließ. Als hätte Gott mich erhört, wurde die Tür geöffnet.,,Mitkommen", sagte der Bösewicht von gestern.
,,Heute wieder mal sehr gesprächig"; spottete David, als er ihn am Arm packte und heraus zerrte. Diesmal hatte er einen zweiten Mann mitgebracht der auf mich zukam und mich an der Schulter heraus dirigierte. Die beiden Muskelprotze sagten keinen Mucks. Sie lieferten uns bei Jordan ab und verschwanden dann erneut. Jordan hatte uns seinen Rücken zugekehrt und drehte sich nach einer halben Ewigkeit zu uns um.
,,Ihr habt Mike gestern sehr aufgeregt", sagte Jordan tadelnd.
,,Wer ist Mike?", fragten David und ich gleichzeitig. Es konnte nur der Wachmann sein, aber wir hatten uns vorgenommen möglichst viel Zeit zu schinden, damit wir nicht zurück in die Zelle mussten. Die Gesellschaft von Jordan war mir da viel lieber.
,,Ihr wisst wer Mike ist"; sagte Jordan. Er deutete auf die Stühle die an der Wand standen. ,,Setzt euch hin"; sagte er. ,,Wir kriegen gleich Besuch von einem alten Freund." Er lächelte. Ohne ein weiteres Wort setzten wir uns auf die Stühle. Außer diesem Stuhl befand sich noch ein weiterer in der Mitte des Raumes. Seile lagen davor auf dem Boden und ein kleiner Koffer. David und ich sahen uns an. Hier stimmte etwas nicht. Wenige Minuten später öffnete sich die Tür erneut und zwei Wachmänner brachten einen Mann herein. Sie hatten ihn an beiden Armen festgehalten und setzten ihn auf den Stuhl, um ihn zu fesseln. Sein Gesicht konnten wir nicht erkennen, da es mit einem Stofftuch überstülpt worden war.
,,So sieht man sich wieder", sagte Jordan. Er verschrenkte seine Arme hinter seinem Rücken und ging langsam auf den Mann zu. Die Wachmänner wichen zurück und positionierten sich an der Wand. Jordan stellte sich hinter den Unbekannten. Er packte das Tuch und zog es von seinem Kopf ab.
,,Willkommen zurück in der Hölle, alter Freund", sagte er. Verwundert sah ich auf Mr Smith der dort auf dem Stuhl saß. Musste er nicht im Gefängnis sein? Mr Smith war Kreidebleich im Gesicht und er wand sich auf seinem Stuhl. Sein Mund war mit einem Band zugeklebt worden, sodass er nichts sagen konnte.
,,Ich dachte mir dir würde es hier besser gefallen, als im Gefängnis", fuhr Jordan fort. ,,Es hat mich sehr überrascht, als du verhaftet wurdest. Und dann auch noch von Adrias Rettern." Mr Smith wand sich heftig.
,,Möchtest du was sagen?", fragte ihn Jordan. Mr Smith nickte heftig. Jordan beugte sich zu ihm runter und zog das Band mit einem schnellen zug ab. Ein heftiges ratsch war zu hören und die Haut, von Mr Smith, an der das Band geklebt hatte, war rot geworden. Ihm liefen Tränen über die Wangen.
,,Ich schwöre ich hab ihnen nichts gesagt. Sie ..." Jordan stoppte ihn, indem er ihm die Hand vor den Mund hielt.
,,Hab ich dir die Erlaubnis gegeben zu reden?"; fragte er ihn. Mr Smith schüttelte den Kopf.
,,Du wirst erst reden wenn ich dir die Erlaubnis dazu gebe", wies er ihn ein und lies von ihm ab. Er drehte ihm den Rücken zu.
,,Du wurdest wegen Mordes verklagt. Hab ich Recht?", fragte er ihn.
,,Ja", antwortete Mr Smith mit verängstigter Stimme. Er tat mir nicht Leid. Er hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er hier gelandet war.
,,Als ich dir damals befohlen hatte Jonathan Parker umzubringen, hatte ich nicht auch gesagt das Theo sterben sollte?", stellte er ihm seine nächste Frage.
,,Ja", stotterte Mr Smith.
,,Und wieso ist er dann noch am Leben?", fragte er ihn leise. Mr Smith wurde noch bleicher.
,,Wie kann das sein? Er müsste doch Tot sein"; sagte er verwirrt.
,,Ja genau das Frage ich mich auch", sagte Jordan wütend. Mr Smith richtete sich auf.
,,Gib mir noch eine Chance. Ich werde ihn suchen und es diesmal richtig machen", bettelte er. Jordan drehte sich um und schüttelte den Kopf.
,,Dafür ist es zu spät. Du hattest deine Chance und du hast sie vermasselt. Jetzt werde ich übernehmen und diesmal kommt keiner davon", zischte er. Ich schluckte. Jordan durfte Theo nicht finden. Logen und die Jungs mussten ihn finden, um zu erfahren was er wusste und warum er für ihn so wichtig war. Meine einzige Hoffnung war, dass die anderen nicht zuließen das Logen überstürzt handelte ohne genau darüber nachzudenken. Jordan wannte sich dem Koffer zu und öffnete ihn. Er wandte sich David zu.
,,Steh auf", sagte er zu ihm. David stand zögerlich auf und ging zu ihm. Jordan bückte sich und holte einen Hammer heraus.
,,Würdest du ihn nicht gerne dafür bestrafen, dass er deinen Vater umgebracht hat?", fragte er ihn mit einem breiten Grinsen im Gesicht. David war verunsichert. Ich an seiner Stelle wüsste auch nicht was ich sagen sollte. David wollte sich rächen, aber andererseits wollte er niemanden verletzen, auch wenn es Mr Smith war. Er hatte ihm die letzten Monate seines Lebens erschwert und ihn als einen Kriminellen dargestellt, doch David konnte und würde ihn nicht verletzen. Sonst würde er zu dem menschen werden für den ihn all die Menschen hielten. Jordans Grinsen verschwand langsam aus seinem Gesicht und wurde von Zorn übernommen.
,,Du willst ihn nicht bestrafen?", fragte er ihn sauer. David schüttelte den Kopf.
,,Und warum nicht?"; fragte ihn Jordan verwundert. Auch Mr Smith schien nicht recht zu fassen was im Moment passierte. David hob den Kopf und sah Jordan direkt in die Augen.
,,Weil ich nicht so bin wie du. Ich werde ihn nicht für das verletzen, was er getan hat. Dazu hab ich nicht das Recht. Ich werde mich nicht auf euer Niveau senken und handeln wie ihr es tut. Ich bin nicht so ein Mensch und werde es auch nicht sein", beendete er. Ich lächelte. Es machte mich Stolz für was er sich entschieden hatte. Jordan nickte kurz so als würde er verstehen, doch dann verpasste er David eine Ohrfeige und drehte sich dann wütend zu den Wachmännern um und warf ihnen einen Hammer zu.
,,Verwendet das hier und informiert mich über alles was er der Polizei verraten hat", befahl er und drehte sich noch mal zu Mr Smith um und schlug ihm mit der Faust gegen sein Kinn. Mr Smith stöhnte auf und ihm lief Blut über das Gesicht.
,,Das wird dich lehren nie wieder meine Befehle zu missachten", sagte er und drehte sich zu uns um. ,,Mitkommen", sagte er und ging aus dem Raum raus ohne sich noch mal umzudrehen. David und ich liefen ihm hinterher.
,,Das hast du gut gemacht", flüsterte ich David zu. Er hielt sich seine schmerzenden Wange und lächelte leicht. Ein Wachmann lief Jordan über den Weg und er befahl ihm uns zurück zu unserer Zelle zu bringen. Er nickte und brachte uns zurück. Wir warteten noch ein paar Minuten, bis wir sicher sein konnten, dass der Wachmann weg war.
,,Hast du es geschafft?", fragte ich David leise. Er grinste mich selbstbewusst an.
,,Natürlich hab ich es geschafft", sagte er und hielt mir ein kleines Messer unter die Nase. Er hatte es so schnell eingesteckt, dass niemand es bemerkt hatte.
,,Du solltest damit nicht vor der Überwachungskamera rum wedeln. Sonst ist es wieder weg, ohne das wir es benutzen können", tadelte ich mit ihm. David verdrehte die Augen.
,,Ich stehe mit dem Rücken zur Kamera. Das Messer wird von meinen Schultern verdeckt",sagte der Besserwisser. Ich stemmte die Arme in die Hüften.
,,Und was ist mit der Kamera in der Ecke hinter mir", fragte ich ihn. Wir mussten aufpassen, sonst würden wir unsere einzige Chance vermasseln. David klopfte mir auf die Schulter und steckte das Messer wieder ein.
,,Die funktioniert nicht", sagte er.
,,Und wovor weißt du das?", fragte ich ihn verwundert. David seufzte.
,,Ich bin ein Technikfreak. Die beiden Kameras sind vom gleichen Modell und außerdem relativ alt. Die hinter dir funktioniert nicht, dass kannst du daran erkennen, dass das rote Lämpchen nicht blinkt. Ein Anzeichen dafür, dass sie nicht mehr funktioniert", erklärte er mir. Ich sah ihn verdutzt an. Ich hatte nicht gedacht das er sich so sehr für Technik interessierte.
,,Kannst du dich auch in Systeme häcken, wie Paul?", fragte ich ihn interessiert. David sah verlegen weg.
,,Ich hab mich bisher noch nie wo reingehäckt, aber ich könnte es sicher lernen", sagte er entschlossen. Ich sah ihn besorgt an.
,,Bist du dir sicher das du es schaffst das Ortungsgerät umzubauen?", fragte ich ihn unsicher. David nickte zögerlich.
,,Das ist unsere Chance Logen einen Tipp zu senden. Eigentlich muss mann nur die Funktionen des Ortungsgeräts umdrehen", sagte er nachdenklich. Ich zog den Schuh aus und warf ihn auf David. Wenn einer der Wachmänner das beobachtete, würde es so aussehen, als würde ich ihn damit bewerfen. Er setzte sich unter die Kamera. Diesen bereich konnte sie nicht erfassen und David konnte sich Seelenruhig an die Arbeit machen. Er entfernte vorsichtig das winzige Gerät und musterte es.
,,Bist du dir sicher, dass du das kannst?", fragte ich ihn erneut. Ich konnte ihm ansehen, dass er nicht so recht wusste, was er machen musste. Er seufzte und fuhr sich durch die kurzen Haare.
,,Nein", sagte er leise. Oh mann, dachte ich mir und setzte mich zu ihm. Ich legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
,,Mach dir keine Sorgen David. Du kriegst das hin. ich vertraue dir", sagte ich aufmunternd.
,,Ich mach mir sorgen darüber, dass ich es verhaue." ich nahm ihm das Messer aus der Hand.
,,Es ist egal ob du es schaffst oder nicht. Das einzig wichtige ist, dass du es versuchst. Logen wird uns auch so finden. Es würde nur länger dauern", sagte ich beruhigend. Das hoffte ich jedenfalls.
,,Das ist überhaupt nicht motivierend", sagte er verzweifelt. Ich stieß ihm gegen seinen Arm und reichte ihm das Messer.
,,Mach das beste daraus", sagte ich und klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und stand auf.
Ich lief unruhig auf und ab. David arbeitete schon seit gefühlten Stunden am Ortungsgerät, ohne Erfolg. Zu mindestens hörte es sich so an, als er fluchte, weil er sich erneut mit dem Messer in die Hand geschnitten hatte. Er wischte sich das Blut unbeeindruckt am T-Shirt ab und machte weiter.
,,Ich muss nur noch dieses eine Kabel verbinden und dann habe ich es", sagte er. Ihm tropfte der Schweiß über die Stirn und er wischte es mit dem Handrücken weg. Ich ging zu ihm rüber und setzte mich neben ihm.
,,Ich hab es gleich", sagte er und verbindete das Kabel. Wir beobachteten das kleine gerät, wie es nichts tat. Ich klopfte David auf die Schulter.
,,Es war ein Versuch", ermunterte ich ihn. David fuhr sich über die Stirn.
,,Ich dachte es würde funktionieren", sagte er enttäuscht. Doch plötzlich geschah etwas unerwartetes. Der kleine Chip fing an zu vibrieren! Beigester sah ich zu David.
,,Du hast es doch geschafft", sagte ich erfreut. David schien nicht sehr erfreut. Er reusperte sich kurz und stand vorsichtig auf.
,,Das sollte vermutlich nicht passieren", sagte er unsicher. Ich stand ebenfalls auf und wir entfernten uns zum anderen Ende des Raumes.
,,Vermutlich?", fragte ich ihn und zog eine Augenbraue hoch. David zuckte mit den Schultern.
,,Ich mache das zum ersten mal", verteidigte er sich. ,,Du hast gesagt es ist nicht so schlimm, wenn ich es nicht schaffe." Manchmal wünschte ich mir( na ja nicht nur manchmal, sondern sehr oft), dass ich meinen Mund halten könnte. Ich legte meinen Kopf schief und musterte das DING, dass David erschaffen hatte. Es vibrierte nicht mehr. Nein, jetzt bewegte es sich auch noch. Es fing an sich im Kreis zu drehen.
,,Wenn du gewollt hättest, dass es sich bewegt, hätte es nicht funktioniert", sagte ich zu David. Er grinste.
,,ich hab einen mini Roboter erschaffen", sagte er stolz und beobachtete seine Erfindung neugierig. Die Kreise wurden immer größer. Nach zwei Minuten knallte es gegen die Wand und fing an zu qualmen.
,,Dein Roboter ist Tot", sagte ich zu David uns lachte. Er sah mich böse an und ging vorsichtig zu dem zerstörten Ortungsgerät. Er holte das Messer und streckte den Arm aus und wollte das Gerät vorsichtig anstupsen.
,,Achtung!", schrie ich zu ihm. David schreckte erschrocken hoch, stolperte zurück und viel rückwärts auf den Boden. Ich fing an zu lachen und David sah mich böse an.
,,Für was war das den bitte schön?", fragte er mich sauer. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte nicht mehr zu lachen. Er rappelte sich auf und klopfte den nicht vorhandenen Staub von seiner Hose.
,,Ich hatte Lust drauf", sagte ich mit einem fetten Grinsen im Gesicht.
,,Ein echt guter Grund", brummte er.
,,Komm lass mich das machen", sagte ich und nahm ihm das Messer aus der Hand. Ich stupste das Ortungsgerät vorsichtig an und es ging in Flammen auf. Es ging einfach in Flammen auf! Ich schrie und wich zurück. David schaute erschrocken auf den Haufen schwarzer Asche. Das einzige war zurück geblieben war. Vor der Tür hörte ich Schritte. David lief schnell auf den Haufen zu und stellte sich darauf. Genau im richtigen Moment, denn die Tür öffnete sich und einer der Wachmänner trat ein und sah sich um.
,,Was ist los?", fragte er mit einer sehr rauen Stimme. Es hörte sich an, wie die Stimme eines Rauschers.
,,Nichts", sagte David und ich gleichzeitig und sahen ihn unschuldig an.
,,Und von wo kam der Schrei?"
,,Ich, ich...", stotterte ich.
,,Sie hat eine Spinne gesehen", erklärte David dem Wachmann.
,,Ja genau. ich hab eine Spinne gesehen", bestätigte ich.
,,Sie müssen wissen, sie hat furchtbar Angst vor Stimmen", fügte David hinzu. Der Wachmann sah sich noch einmal misstrauisch um und verließ den Raum, nachdem er uns noch einen warnenden Blick zu geworfen hatte.
,,Ich hab Angst vor Spinnen", fragte ich ihn wütend. ,,Bin ich ein kleines Mädchen? Konnte dir nichts besseres einfallen?"
,,Tut mir Leid. Mir ist nichts besseres Eingefallen", sagte er entschuldigend. ,,Die ist auch nichts eingefallen", warf er mir dann vor.
,,Tut mir Leid. Ich hab ein bisschen überreagiert", gab ich zu.
,,Ein bisschen?", neckte er mich.
,,Okay, ich hab überreagiert. Zufrieden?"
,,Ja", sagte er und grinste mich an.
,,Und was machen wir jetzt", fragte ich ihn und lies mich mit dem Rücken an der Wand auf den Boden gleiten. David setzte sich neben mich.
,,Abwarten", antwortete er.
,,Aufwachen ihr Schlafmützen", weckte uns Jordans Stimme. ,,Es ist Zeit für einen kleinen Tipp, für eure Freunde!", sagte er mit einem frechen Grinsen. Ich richtete mich auf und ging langsam auf ihn zu. Ich rieb mir über die müden Augen und wünschte mir mein Traum wäre war gewesen. Es wäre so schön gewesen ganz weit weg von all meinen Problemen zu sein.
,,Beeilt euch ein bisschen", spornte er uns an. ,,Wir müssen einen Zeitplan einhalten." Fröhlich ging er vor uns her und bog in einen Raum ein, den wir noch nicht gesehen hatten. Dieser raum war eindeutig der schönste Raum in diesem ganzen Gebäude. Ein gemütliches Sofa stand hinten in der Ecke und an der Wand hing ein Fernseher. Was mich allerdings verunsicherte waren die zwei Stühle in der Mitte des Raumes und Seile die davor auf dem Boden lagen. Jordan deutete auf die Stühle und sagte ,,Setzen". Wir setzten uns hin. Die Seile kamen nicht zum Einsatz. Zwei Wachmänner kamen und der eine hatte einen Videokamera in der Hand.
,,Sir, wir haben gebracht was sie wollten", sagte der Braunhaarige.
,,Gut gemacht", lobte Jordan. ,,Bindet die beiden auf den Stühlen fest." Der Braunhaarige kam zu mir und band das Seil fest an meine Hand.
,,Kannst du die Seile bisschen lockern? Das ist echt schmerzhaft", beschwerte ich mich. Ich dachte er würde mich ignorieren, doch nach einem Blick hinter zu jordan, um zu versichern das er nicht beobachtet wurde, lockerte er das Sel Ich sah ihm finster zu wie er meine andere Hand fest band, diesmal lockerer.
,,Haben sie noch andere Wünsche?", fragte er Jordan. Dieser grinste ihn an.
,,Positioniert die Kamera auf und stellt euch hinter die beiden", befahl und drehte sich zu uns um. Er hob die Hand.
,,Das hätte ich beinahe vergessen. Stellt euch danach hinter unseren beide Gäste und richtet eure Waffel auf ihre Köpfe." Er grinste mich an. ,,Wir wollen doch deinen lieben Freund Logen ein bisschen anspornen sich zu beeilen. Die Spuren die ich hinterlassen habe waren anscheinend nicht so hilfreich. Oder er freut sich dich losgeworden zu sein." Jordan machte mich nur noch wütender und er wusste das auch. Kein Wunder das er so viele Feinde hatte, ihm viel es nicht schwer Leute dazu zu bringen ihn zu hassen. Mich wunderte es, dass er damals überhaupt bei den DEDS aufgenommen worden war. Jordan runzelte nachdenklich die Stirn.
,,Ihr seit in einem viel zu gutem Zustand",schlussfolgerte er. Er ging zu David und schlug ihm in den baucht. David stöhnte auf und versuchte sich zusammen zukrümmen, wurde aber von den den Seilen davon abgehalten. Er packte ihn an den Haaren und zog seinen Kopf zurück, um ihm mit der andren Hand in sein Gesicht zu schlagen. Davids Lippen platzten auf und ihm lief Blut aus dem Mund.
,,Stopp!", schrie ich und versuchte von dem Stuhl aufzustehen. ,,Lass ihn in ruhe." Jordan drehte sich zu mir um und schritt langsam auf mich zu.
,,Würdest du gerne seine Prügel übernehmen?", fragte er mich. Ich nickte hastig.
,,Ja, aber lass ihn bitte in Ruhe", flehte ich.
,,Nein", schrie diesmal David.
,,Fass sie nicht an oder du wirst es bereuen", drohte er ihm.
,,Was willst du dagegen machen?", fragte Jordan ihn provozierend. David schwieg. ,,Das dachte ich mir", sagte Jordan. Er wannte sich von uns ab und ging hinter zu Sofa. ich versuchte mich umzudrehen, um zu sehen was er dort machte, doch meine Fesseln gaben mir nicht genug Bewegungsmöglichkeit dafür.
,,Ich verprügele nur ungern Mädchen", sagte er. Wer es glaubt, dachte ich mir. Mich hatte er davor auch geschlagen. was hatte sich verändert?
,,Ich hab für dich was anderes", sagte er. Es klang so als wäre er direkt hinter mir.
,,Nein", schrie plötzlich David. ,,Bitte lass sie in Ruhe. Reicht es nicht wenn du mich verletzt?", fragte er Jordan. Ich wusste nicht was er meinte, bis ich einen schmerzhaften Stich einer Spritze an meinem Hals spürte.
,,Was ist das?", fragte ich ihn panisch. ich spürte wie sich die kälte in meinem Körper verbreitete und sich in meinen Zellen einnistete.
,,Blauer Eisenhut", sagte er und zog die Spritze aus meinem Hals. Er kam zu mir und wedelte mit der Spritze vor meinen Augen herum. ,,Das könnte dich umbringen wenn du nicht das gegenmittel bekommst", sagte er mit einem psychopathischem grinsen im Gesicht.
,,Bitte sag mir das du das Gegengift hast", sagte David verzweifelt.Jordan schüttelte den Kopf.
,,Ich muss euch enttäuschen. Ich hab das Gegenmittel nicht. Du kannst nur noch hoffen, dass Logen rechtzeitig kommt um dich zu retten", sagte er nüchtern und ging zu der Kamera. Ich sah ängstlich zu David rüber und mir liefen die Tränen über das Gesicht.
,,Beruhig dich Adria. Logen wird uns retten und er wird das Gegenmittel besorgen", versuchte er mich zu beruhigen. Es gelang ihm nicht. Seine Stimme zitterte und er war den tränen nahe. Ich schluckte und versuchte mich zusammen zu reißen. Dei Wachmänner stellten sich hinter uns und ich spürte den lauf der Waffe an meinem Hinterkopf. Würde es angenehmer sein durch einen Schuss zu sterben oder langsam von einem Gift umgebracht zu werden? Nein. Ich durfte nicht auch noch anfangen darüber nachzudenken, welcher Tot angenehmer ist. Logen würde uns retten. Jordan stellte sich zwischen David und mich. Die Kamera lief.
,,Lieber Logen, wie geht es dir?", fragte er höflich. ,,Ich vermute mal nicht so gut. Deinen kleinen Freunden hier geht es auch nicht so gut", sagt er bedauernd und legte mir die Hand auf die Schulter. ich versuchte sie abzuschütteln, doch er drückte mir nur noch fester seinen Finger in die Schultern. ,,Ich hätte gedacht du würdest uns gerne einen Besuch abstatten. Wir hatten dich und deine Freunde schön früher hier erwartet, doch ihr seit nicht gekommen. Das enttäuscht mich bisschen." Er klatschte laut in die Hände und grinste. ,,Keine Sorge ich hab für euch eine neue Motivation. Ich hoffe mal das es euch motiviert. Unser lieber David hier, wird in jeder Stunde die ihr nicht hier seit verprügelt werden. Das ist allerdings angenehmer, als Adrias Folter." Er grinste und schwieg. ,,Unsere kleine, süße, liebe Adria, hat von mir eine Dosis blauer Eisenhut gespritzt bekommen. Ihr kennt doch sicher die Auswirkungen? Wenn nicht kläre ich euch mal auf. Am Anfang wird ihr Mund taub und sie wird ihre Zunge nicht mehr spüren. Ihr ganzer Körper wird unangenehm kribbeln. Ihr wird kalt werden und sie wird glauben das sie erfriert. Das sind nur ein paar Symptome. Bei einer starken Dosis könnte sie auch an einem Herzinfarkt oder Atemstillstand in den ersten Stunden sterben. Aber macht euch nicht so viel sorgen. Sie hat nur eine leichte Dosis bekommen. Wir wollen ja nicht das sie gleich stirbt", sagte er. ,,Ich empfehle euch so schnell wie möglich hier her zu kommen." Er ging langsam zur Kamera. ,,Ach und bevor ich es vergesse, ich würde viele Agenten mitbringen.Am besten welche von den DEDS. Bringt auch euren alten Vorgesetzten mit. Wir haben viele Sicherheitsmänner die euch umbringen könnten und wie ihr wisst sind die DEDS am besten ausgebildet", sagte er zum Abschied.
Wütend starrte ich zu Jordan. Warum tat er uns das an? Konnte er nicht jemand anderen finden, auf den er wütend sein konnte?,,Warum tust du das?", fragte ihn David. ,,Warum verletzt du andere Menschen um deine Rache zu bekommen?" Jordan drehte sich zu ihm um nachdem er die Kamera ausgeschaltet hatte.,,Du hättest das Gleiche getan, wenn sie dich heraus geschmissen hätten." David sah ihn verachtend an.,,Sie hätten dich nicht raus geworfen wenn du es nicht verdient hättest. Keine Drogen nehmen, ist eine einfache Regel. Hättest du sie nicht genommen, würde dein Leben jetzt anders aussehen." Jordans Gesicht wurde vor Zorn rot.,,Tue nicht so als würdest du mich kennen David Parker oder mich ansatzweise verstehen", zischte er David an. ,,Du solltest wissen das manche menschen Drogen nicht widerstehen können. Frag doch deinen Vater!", sagte er wütend. ,,Ach das geht ja nicht, er ist Tod." Daraufhin schwieg David. Jordans Worte hatten bei David eine alte Narbe aufgerissen und sie erneut zum Bluten gebracht. Ich wusste das David sich den Tod seines Vaters nicht verzeihen konnte. Er quälte sich mit der Frage, ob er was dagegen hätte tun können, doch es war zu spät. Sein Vater war alt genug gewesen, um seine Entscheidungen zu treffen und letztendlich hatte er der falschen Person vertraut.,,Sein Vater wäre noch am Leben, wenn du dich nicht in sein leben geschlichen hättest, wie eine Schlange",sagte ich. Mir kam ein Gedanke. ,,Das alles war geplant", stieß ich wütend aus. Jordan lächelte. ,,Du wusstest, das die DEDS für David kommen würden. Du hast es vermutet, vielleicht hast du ihnen sogar auf ihn aufmerksam gemacht. Und ich wurde Teil dieses Planes, weil meine Mutter in deinem Leben aufgetaucht ist. Die Verhaftung von Mr Smith, unsere Entführung, das gehörte alles zu deinem Plan.",,Ich dachte du würdest früher darauf kommen Adria. ich hab alles geplant bis ins kleinste Detail. Und am Ende werde ich meine Revanche bekommen", sagte er zufrieden. Nein das wirst du nicht. Ich werde nicht zulassen das noch mehr Leute verletzt werden.,,Bring sie in ihre neue Zelle", wies Jordan die Wachmänner ein. Ich spürte den lauf der Waffe, der von meinem Kopf entfernt wurde. Der braunhaarige schnitt die Fesseln mit einem Messer ab und musterte mich mitleidig. Ihm sollte es eher leid tun, dass er für einen Mann wie Jordan arbeitete. Ich stand auf und schwankte kurz. Mir wurde kurz schwarz vor Augen. Ich klammerte mich automatisch am Arm des Wachmannes fest, der mich sofort stützte.,,Ist alles in Ordnung?", fragte er mich besorgt. Ich blinzelte ein paar mal und meine Sicht wurde allmählich klarer. ,,Es geht wieder", sagte ich leise und drückte ihm dankend den Arm. ich versuchte ohne den Mann, der doch nicht so böse war, einen Schritt zu machen. Es gelang mir nicht. Und hätte mich der Mann nicht fest gehalten, hätten der Boden und ich ein un nettes zusammentreffen gehabt. Jordan beobachtete fasziniert, wie ich halb vom Wachmann getragen wurde, weil meine Beine zittrig und schwach waren.,,ich hatte nicht vermutet, dass blaues Eisenhut so schnell bei dir wirken würde. die Dosierung muss falsch gewesen sein", sagte er unbekümmert. ,,Hoffen wir mal, dass Logen sich nicht so viel zeit lässt hier aufzutauchen." Der Wachmann, der David am Arm fest hielt, räusperte sich kurz.,,Sir, entschuldigen Sie meine Neugierde, aber Sie haben doch das Gegenmittel, für den Notfall", fragte er besorgt, mit einem kurzen Blick auf mich. Warum kümmerten sich die beiden Wachmänner um meine Gesundheit?Jordans grinsen wurde breiter. ,,Nein, ich hab das Gegenmittel nicht. Mir ist es egal ob sie stirbt oder nicht. Offiziell ist sie Tod. Keiner wird sie vermissen außer den DEDS." Er warf David und mir noch einen letzten Blick zu und verließ dann den Raum. Das zittern in meinen Beinen wurde heftiger. Der Wachmann musterte mich besorgt.,,Soll ich dich tragen oder geht es?", fragte er mich leise. Ich wollte antworten doch meine Zunge fühlte sich schwer und dick an. Ich versuchte zu sprechen, doch meine Zunge wollte nicht mehr. Mir traten die Tränen in die Augen. Diesmal schaffte ich es sie zu unterdrücken. Logen würde mit dem Gegenmittel kommen, versuchte ich mich zu beruhigen. Ich schaffte es mühsam ,,ja", zu lispeln. Vorsichtig, als wäre ich eine Glaspuppe die zerbrechen könnte, legte er seine Hand unter meine Knie und stützte mit der anderen meinen Kopf und hob mich dann hoch. Er drückte mich fest an seine warme Brust. Ich kuschelte mich an ihn und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Erst jetzt merkte, dass mir kalt wurde. Ich spürte Davids Blick auf mir. ich sah zu ihm rüber und merkte wie er mich besorgt beobachtete. Ich lächelte ihm müde zu. Sie führten uns aus dem Raum raus und gingen dieses mal einen anderen Weg. Ich legte müde meinen Kopf zurück auf seine Schulter und schloss die Augen. Ich atmete tief ein und ein bekannter Geruch kam an meine Nase.,,Wir werden euch hier raus holen", flüsterte mir der Mann zu. Erschrocken hob ich den Kopf und sah ihn an. Auch David der vor uns ging, schien das gesagt gehört zu haben.,,Nicht so auffällig",flüsterte der andere Wachmann. Schnell drehte sich David wieder um.Vorsichtig hob ich die Hand und schob den Kragen des Mannes zurück. Es war deutlich zu erkennen, dass er eine Maske trug. An seinem Kehlkopf war eine leichte Erhebung zu erkennen.,,Logen", flüsterte ich erfreut. Ich hatte doch gewusst das er kommen würde. Und unbewusst hatte ich ihn an seinem Geruch erkannt.,,Du hast doch nicht gedacht ich würde dich Jordan überlassen", flüsterte er mir zu. ,,Es wird alles wieder gut werden", sagte er. ,,Es tut mir unendlich leid, dass ihr entführt wurdet. Er hat uns zusammenschlagen lassen, als wir im Haus drinnen waren. Wir waren alle bewusstlos, als ihr entführt wurdet. Nachdem wir wach waren, hat es einen Tag gedauert bis wir eine Spur gefunden haben. Und das ihr die Funktionen des Ortungsgeräts umgedreht habt war echt schlau. Wir haben es explodieren lassen, damit Jordans Sicherheitssystem keine Gefahr erkennt." Also hatte Davids Roboter doch funktioniert.,,Wie wollt ihr uns hier rausholen?", fragte ich ihn leise. Ayden, ich vermutete mal das er es war, öffnete die Tür zu einem Raum und wir betraten es. Logen steuerte auf eins der beiden Betten im Raum und legte mich vorsichtig darauf ab und deckte mich zu. ,,Lass das mal unsere Sorge sein", sagte er. Er drückte noch einmal kurz meine Hand und ging dann aus dem Raum raus. Hinter sich schlossen sie Tür ab. Und wieder warne wir alleine. David setzte sich neben mich. er musterte mich besorgt.,,Alles wird wieder gut", flüsterte ich ihm zu. Logen würde uns hier raus holen, war mein letzter Gedanke bevor ich in einen tiefen Traumlosen Schlaf fiel.
Tag der Veröffentlichung: 14.08.2018
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An meine Leser.