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Kapitel 1 - Marie

Die Zeit und alles andere um mich herum scheint still zu stehen, als ich in die schönsten grünen Augen blicke, die ich je gesehen habe. Die Kerze, die auf unserem Tisch ein warmes Licht verbreitet, erhellt ihre sanften Gesichtszüge. Schenkt ihrer auch so schon natürlichen Schönheit ein Leuchten, das sie strahlen lässt, bringt ihre wundervollen Augen zum glänzen. Ich kann noch gar nicht fassen, was für ein Glück ich habe, an diesem Abend gegenüber von diesem traumhaften Mädel in einem - ihrer Schönheit nicht gerecht werdenden - Lokal sitzen und jede Sekunde mit ihr genießen zu können.

Mein Name ist Paul Tibbet und ich bin dreiunddreißig Jahre alt. Ich bin Staatsanwalt und habe schon seit vielen Jahren den Ruf, ein Aufreißer zu sein, der jede Frau haben kann und auch bekommt, wenn er sie will. Und meine Kollegen und Freunde haben recht damit.

 

Aber bei Marie ist es anders.

 

Wir lernten uns vor drei Wochen auf der Geburtstagsparty von meinem besten Freund kennen. Ich danke Benjamin Gabriel immer noch dafür, dass er sie mir vorgestellt hat. Ich war hin und weg, als Ben mit ihr zu mir kam.

»Und das hier ist Paul. Paul, das ist Marie.« So stand sie in ihrem schwarzen Kleid vor mir, streckte mir leicht neckisch ihre Hand entgegen und öffnete ihre Lippen für ein gespielt zurückhaltendes: »Hallo Paul, ich bin Marie.«

Ich streckte ihr meine Hand entgegen. »Hi Marie, schön dich kennenzulernen.« Sie strahlte mich mit einem erfreuten, ehrlichen und warmherzigen Lächeln an, in das ich mich sofort verliebte. Ich habe selten so fasziniert auf eine Lippenform geachtet, doch ihre war ganz besonders. Die sanft geschwungenen Linien zeichneten ein weiches, langgezogenes Herz nach und seitlich an ihrer Oberlippe ragte stolz eine kleine Narbe. Ich sinnierte eine kleine Ewigkeit darüber nach, woher sie wohl stammen könnte und beschloss, dass der Gedanke, sie hätte sie sich bei einem kleinen Missgeschick am Klettergerüst in ihrer Kindheit zugezogen, am besten zu ihrer Art passte. Ich spürte ihre Hand in meiner und wie sich ihre filigranen Finger kühl in meine Hand schmiegten. Es fühlte sich so richtig an, als wären ihre Hände nur dafür geschaffen, in meinen zu liegen. Ich konnte den Augenblick allerdings nur kurz genießen, da Benjamin gleich darauf Marie schon wieder mit sich zog, um sie auch den anderen Gästen vorzustellen.

Ich nutzte die Chance und ging an die Bar, nahm ein paar Drinks, gegen meine Aufregung und innere Nervosität. Aus sicherer Entfernung ließ ich sie nicht aus den Augen, verfolgte sie mit meinen Blicken, wohin Ben sie auch schleppte und beobachtete genau ihre Reaktionen auf die anderen Gäste - vor allem die männlichen.

 

Marie ist normalerweise nicht mein Typ Frau. Ich mag es eigentlich eher zierlich mit ganz kleinen, aber dafür schön festen Brüsten und einem eher schmächtigen Körperbau. Marie fiel da aus meinem normalen Beuteschema. Sie war leicht mollig, aber nicht dick. Das Kleid, welches sie an dem Abend trug, wusste ihre Rundungen unglaublich schön in Szene zu setzen. Ihre üppigen, weiblichen Hüften und dazu der kleine hervorstehende aber straffe Bauch vermittelten fast schon den Eindruck, als würde sie ein kleines Geheimnis unter ihrem Herzen tragen. Allerdings kannte ich den Unterschied und ich war mir sicher, dass sie trotz Sport doch hin und wieder einfach zu gern naschte. Doch gerade deswegen löste ihre Erscheinung in mir ein unglaublich erotisches Begehren nach ihr aus. Sie schien eher der verspielte Charakter zu sein, was ich unter anderem aus ihrer freundlich-koketten, selbstsicheren Art schloss. Mein Blick fiel auf die schwarze Leggins, die sie unter ihrem Kleid trug. Da weder die milden Außentemperaturen, noch der wirklich angenehm temperierte Partyraum auf eine Notwendigkeit zusätzlicher Beinbekleidung schließen ließen und sie nicht den Eindruck einer verklemmten Vorschullehrerin machte, schloss ich daraus, dass es ihren verspielten Charakter unterstreichen sollte. Denn ganz ehrlich, verstecken musste sie ihre Beine sicher nicht.

 

Ich überlegte eine Weile, wie ich sie herum bekommen könnte, bis mir plötzlich einer der typischen, betrunkenen Dummdussel auffiel, der sich Marie näherte. Jetzt musste ich schnell handeln. Der könnte meine ganze Strategie platzen lassen. Wenn ich jedoch keine Zeit verlor, würde er mir mit seinem plumpen Verhalten direkt in die Hände spielen.

In einem Zug leerte ich mein Glas, in dem sich noch ein kläglicher Rest befand, entschloss mich, zu den beiden hinüber zu gehen und erhob mich noch im selben Augenblick von meinem Platz an der Bar.

 

In diesem Moment schossen mir meine Freunde in den Kopf, wie sie schon auf unzähligen Partys total resigniert die Frage aller Fragen an mich richteten: »Wie kriegst du eigentlich immer die Mädels rum?«

Der Trick ist im Grunde ganz einfach und doch für 99% der Männer ein unüberwindbares Hindernis. Man schaut sich das Verhalten der anderen potentiellen Geschlechtspartner der Frauenwelt an und macht genau das Gegenteil. Damit bekommt man eigentlich jede Frau. Dazu gehören noch eine ganz kleine Prise Fein- und Taktgefühl. Das rundet die Sache ab.

Ein sehr gutes Beispiel: In der Disko gibt Georgio Vollpfosten der Dame seiner Wahl einen Drink aus und grabscht ihr an die Brüste oder den Hintern. Versuch fehlgeschlagen, würde ich sagen. Alle Frauen erwarten mittlerweile, dass der verunsicherte Macker ein Getränk ausgibt und lassen sich gemütlich von dem Vollpfosten aushalten. Sex gibt es natürlich keinen. Wie heißt es gleich so schön: Warum die Kuh kaufen, wenn man die Milch umsonst haben kann?! Irgendwann kommt ein mehr oder minder von Intelligenz gezeichneter Vorwand – meist abhängig vom Alkoholisierungs- und Sympathiegrad des jeweiligen Gegenübers – und die Mädels sind weg. Dicht bis über beide Ohren und lediglich erleichtert um die Kosten für Eintritt und Mindestverzehr, treten sie den Heimweg an oder machen sich auf zur nächsten Party, um sich dort dann von dem nächsten Depp aushalten zu lassen. Herr Vollpfosten allerdings kann darauf warten, bis nur noch die Mitleidsmädel – hässlich, zerfressen von Selbstzweifeln, perspektivlos, ganz offensichtlich ohne Geruchssinn und vor allem mit Ansprüchen, die aufrecht unter einem Teppich durchlaufen könnten – übrig bleiben.

Diese, aus Pest oder Cholera ausgewürfelte, neue Herzdame lädt er nun auf Drinks ein, bis sie schlussendlich völlig willenlos mit zu ihm nach Hause kommt.

Ich schaue mir dieses Schauspiel jeden Donnerstag bis Sonntag an.

Ja, ich gebe es zu. Ich arbeite Freitags fast nie. Dafür scheint an diesem Tag zu oft die Sonne und meist ist eh schon gegen Mittag Schluss. Was Freitag an Arbeit rein kommt, kann auch noch bis Montag auf Sichtung und Bearbeitung warten.

Aber zurück zum Thema. Ich wiederum gehe anders vor, als meine Konkurrenz. Situationsabhängig und subtiler. Ich schaue mir die Dame des Begehrens an und versuche ihren Typ herauszufinden. Verspielt, eher ernst, locker, in- oder extrovertiert, sportlich, hibbelig; und gehe dann nach einem bestimmten Muster vor. Einmal stoße ich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 02.06.2014
ISBN: 978-3-7368-2831-5

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