Abhay wanderte nun schon ganze acht Tage durch Thar Desert, die größte Wüste die Indien zu bieten hatte. Man hatte ihn aus seiner Wellblechhütte geworfen weil er ein Dalit, ein Unberührbarer war. Lange Zeit war er von den andern Slumbewohnern geduldet worden, was wohl an seiner Frau Nuri gelegen hatte. Sie war stets freundlich zu den anderen gewesen, hatte geholfen wo es nur ging. Er erinnerte sich daran wie sehr seine Nuri den Sonnenaufgang geliebt hatte. Wenn die Sonne aufgeht, schenkt Shiva einer geschundenen Seele ein neues Sein, hatte sie immer gesagt. Doch nun war sie fort, und Abhay trauerte nicht nur um sie, sondern auch um sein langjähriges zu hause. Der Wind verhöhnte ihn, blies Abhay den feinen Sand ins Gesicht. Seine Augen brannten, sein Mund lechzte nach Wasser, seine Beine nach einem Stopp, beides würde er vorerst nicht bekommen. Schwerfällig stapfte er eine Dünne hinauf, während die Nacht eisig über seine Haut strich.
Er wusste nicht wohin er ging, ja ob er vielleicht sogar dem Tod, der seine flüchtigen starren Klauen schon seit Tagen nach ihm ausstreckte, entgegen ging.
Es war ihm egal, er hatte ohne hin nichts mehr für das es sich lohnte zu leben. Der Überlebensdrang erwachte jedoch rasch, als ein kleiner Ziegelbau, vor dem ein Eimer stand, in Sicht kam.
Das erlösende Kühl vor Augen, flogen Abhays Füße fast über den Sand. Der Eimer mit der Schnur fand schnell in den dunklen Schacht des Brunnens. Gierig zog Er den Eimer, der nun schwer wog, hoch. Das verbotene Wasser lief seine Kehle hinab und entlockte ihm ein erleichtertes Seufzten. Abhay wusste das er in dieser Region nicht aus dem Brunnen trinken durfte, um das Wasser nicht zu verschmutzen, wie die Menschen sagten. Doch das interessierte in jetzt herzlich wenig, so kam es das er den Mann nicht bemerkte, der sich näherte. Viel zu spät wurde er sich der Gefahr, die hinter ihm stand bewusst. Mit einem gewaltigen Stoß schubste Chaman, der Abhay als das erkannt hatte was er war, ihn in Richtung des Brunnens. Abhay knallte gegen die Ziegel, einer gab nach fiel mit einem grauenvollen dumpfenknall in das Wasser, ein Zweiter folgte, dann ein Dritter. Abhay verlor den Halt, fiel mit den Steinen nach unten.
Die Kälte des Wasser umfing seinen Körper. Ohne Mühe zog das Nass ihn in seinen eisernen Sog. Abhay konnte nicht schwimmen, sein Körper konnte sich nicht aus der Umarmung des Wassers befreien. Er merkte wie sein Körper, schwer; von dem geschluckten Wasser, noch schneller zu Boden sank. Doch Abhay war nicht traurig, denn er wusste, im nächsten Leben, würde er ein anderes Leben führen dürfen, in einer anderen Kaste, vielleicht sogar mit seiner Nuri. Das Wasser, das immer noch vom Aufprall des Eindringlings schwang, kam zur Ruhe. Ein paar Luftblasen stiegen auf, mischten sich unter die Luft. Es wurde still im Brunnen. Der Horizont gab die Sonne frei. Mütterlich, strichen die warmen Finger der Sonne über den Brunnen. Sie berührte den Brunnen, das Wasser, doch erreichte sie nicht den Grund. Ein neuer Tag vertieb die grausame Nacht. Das emsige Indien erwacht erneut. Das Leben ging weiter, das tat es immer schon.
Texte: Copyright by Lisa.D
Tag der Veröffentlichung: 23.06.2011
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