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Der Zauber der Blumen



Prolog



Die Rose blüht
Die Rose blüht,
und lacht vor andern Rosen,
Mit solcher Huld,
und Liebesmildigkeit,
Daß gern mein Sinn sich
zu der Pflicht erbeut,
Mit andern Blumen
nie mehr zu liebkosen,
Weil alle Liebe, die erglüht,
Aus dir, du Rose blüht
Clemens von Brentano (1778-1842)

„Lass mich raus“ schrie ich ihn an. Mein Herz raste. Meine Augen waren weit aufgerissen. Ich konnte nicht blinzeln. Ich sah es vor mir. Oder, ich sah sie vor mir, die Schlucht. Die Schlucht auf die wir zurasten, mit einer so geringen Chance nicht abzustürzen, dass es praktisch unmöglich ist. Er lachte nur. Und ignorierte mich ansonsten völlig. In meinen Kopf begann sich ein Druck auszubreiten, der mein Denken erlahmen ließ. Das war nicht gut. Ich musste aus dem Wagen. Fieberhaft überlegte ich, während ich begann meine Fesseln mithilfe eines Messers zu durchtrennen, dass in meiner hinteren Hosentasche gesteckt hatte. Seltsam das er an so was nicht gedacht hatte. Aber egal ich konnte mich jetzt nicht darum kümmern, was in diesem kranken Hirn vor sich ging. Die Bäume flogen scheinbar an uns vorbei. Nur verschwommen nahm ich sie in der Abenddämmerung war. Die Sonne zeigte ihre letzten Farben. Ein purpurrot, dass ich unter gewöhnlichen Umständen schön gefunden hätte. Im Moment machte die Dunkelheit mit dem kleinen Streifen Sonnenlicht die Sache noch unheimlicher. Es wirkte noch gefährlicher. Ein Schlag fuhr durch meinen Kopf als ich entsetzt nach vorne starte. „Verdammt halt an du Idiot.“ Er fuhr weiter. Was sollte das, wollte er sterben oder was? Ich wusste er war verrückt, aber… . Oh verdammt noch mal ich dachte zu viel nach, es wurde Zeit, das ich etwas tat. Rausspringen kam nicht ihn Frage. Nicht bei dieser Höllengeschwindigkeit. Außerdem war mit Sicherheit die Kindersicherung drinnen. Ich riss meine Hände endgültig aus den Seilen und stürzte nach vorne. Versuchte das Lenkrad ihn die Finger zu bekommen und es zu drehen. Ich wusste es würde nichts bringen. Aber ich wollte nicht sterben. Noch nicht. Ich hatte Angst. Ich wusste nicht wie es war zu sterben. Das weiß kaum jemand. Die meisten die es wissen sind Tod. Es ist einfach grauenhaft, nicht zu wissen was mit einem passiert oder nicht mehr da zu sein, selbst wenn man sich sicher ist, das niemand da ist der einen vermisst. Wie eine Rose. Erst ist sie schön, sie wächst und blüht. Dann geht sie ein und stirbt. Und dann landet sie im Müll oder in einer Grube oder sonst wo. Im Abgrund. Und dann wird sie vielleicht ersetzt. Aber nur vielleicht. Möglicherweise wird um sie ein paar Minuten getrauert. Wenn überhaupt. Sie ist nicht wichtig. Ein paar Minuten, höchstens ein, zwei Stunden, dann ist sie vergessen. Nein, ich würde komplett vergessen sein. Niemand würde mich ernsthaft vermissen, wie die Rose. Der einzige Unterschied ist… ich hatte noch nicht die Zeit gehabt zu blühen und wunderschön zu sein, damit man bewundert wird. Mit aller Kraft die ich aufbringen konnte schob ich die Hände des Idioten weg und zerrte am Lenker. Doch wie ich es bereits geahnt hatte. Es war zu spät. Ich sah noch, wie in der Nacht blaue und gelbe und ein paar rote Lichter an uns vorbeirauschten, dann spürte ich wie das harte unter den Rädern schwand als wir zu fallen begannen. Erst ganz langsam, ganz unecht. Wie in Zeitlupe. Man konnte es gar nicht richtig glaube. Ich fühlte die leere in meinem Kopf, als hätte jemand alles was darin war heraus gesogen. Dann wurde es schneller, so schnell, das man keine Zeit mehr zum denken hat. Man sieht nichts mehr. Dann kommt der Aufprall. Und dann…dann spürt man erst mal nichts mehr.


1. Kapitel




All these lives that you've been taking,
Deep inside, my heart is breaking.
Broken homes from separation.
Don't you know it's violation?

Daughtry : All These Lives

Durch ihre Gedanken angetrieben stapfte Anabelle zu einem See, der abgelegen von der großen, grauen Stadt in der sie lebte, lag. Es war einer der wenigen noch grünen Stellen in dieser Umgebung. Es war ihr Lieblingsplatz. Hier kam sie oft her, wenn sie wieder einmal genug von den Streitereien ihrer Eltern hatte und sie einfach nur alleine sein wollte.
Diesmal war sie aber auch aus einem anderen Grund hergekommen. Sie hatte eine Entscheidung zu treffen, die ihr nicht leicht viel. Das lag nicht daran, dass sie zwischen zwei großartigen Möglichkeiten wählen durfte. Nein, weder die eine noch die andere war besonders Verlockend oder bot ihr eine nennenswert positive Veränderung ihres bisherigen Lebens an. Endlich hatte sie ihren geliebten See erreicht, der ihr in den letzten Jahren so viel Trost gespendet hatte. Vorsichtig trat Anabelle auf den alten, morschen Steg. Bei fast jedem Schritt gaben die hölzernen Platten ein leises knarzen von sich. Sie ging bis zum Ende, setzte sich dann auf den Rand und ließ ihre Beine über dem dunklen Wasser baumeln. Das ihre Hose dabei nass und dreckig wurde machte ihr nichts aus. Es gab sowieso niemanden für den sie hätte gut aussehen müssen. Dafür hatten ihre Eltern mit ihrem Verhalten schon gesorgt.
Der Herbstwind wehte eine kühle Brise um Anabelles Gesicht und ließ ihre Haare leicht flattern. Nicht mehr lange und der Winter würde hereinbrechen, denn von den Laubbäumen waren schon fast alle bunt-gefärbten Blätter abgefallen. Das Mädchen spürte wie ein Kloß in ihrem Hals steckte, als sie auf dem grünlich schillernden Wasser eine glückliche Entenfamilie ihre Runden drehen sah. Wut stieg mit einem Mal in ihr auf und sie schleuderte einen kleinen, kalten Stein, der neben ihr auf dem Steg gelegen hatte, in Richtung der Enten, welche mit lautem, erschrockenem quaken das Weite suchten. „Ich hasse euch“, schrie sie. Eine glückliche Familie! Wie es war in einer solchen zu leben wusste Anabelle kaum noch. Glücklich. Das war sie schon lange nicht mehr. Urplötzlich stiegen Schuldgefühle in ihr auf, weil sie einen Stein auf die armen, unschuldigen Tiere geworfen hatte. Anabelle schämte sich. Zum Glück hatte sie nicht getroffen. Am Ende wäre sie noch Schuld an dem Tod eines kleinen, neugeborenen Entenbabys gewesen.
So wie ihre Eltern an ihrem Tod schuld gewesen waren. Denn innerlich war Anabelle schon längst gestorben. Sie dachte an ihren Vater, der sie regelmäßig schlug, weil er die Aggressionen, die ihre stets betrunkene Mutter bei ihm auslösten, nicht anders loszuwerden wusste. Der Beschluss sich scheiden zu lassen kam nicht überraschend, das nicht. Trotzdem war es ein Schock für sie. Anabelle musste sich zwischen den beiden entscheiden. Zu wem sollte sie ziehen? Zu der Alkoholkranken Mutter oder zu dem gewalttätigen Vater? Vielleicht konnte sie ihrer Mutter helfen, wenn sie mit ihr alleine wohnte. Oder vielleicht auch nicht. Würde ihr Vater aufhören sie zu schlagen, wenn er die Hasstiraden seiner Frau nicht mehr länger ertragen musste? Oder würde es dann noch schlimmer werden? Trauer und Angst überfielen Anabelle. Sie hatte Angst sich selbst mit ihrer Entscheidung noch mehr ins Unglück zu stürzen. Und trotz allem was ihre Eltern ihr angetan hatte, fürchtete sie sich davor die beiden mit ihrer Wahl zu verletzen.
Sie blickte auf dem immer grauer und dunkler werdenden Himmel. Anabelle ahnte, dass sie nicht mehr lange bleiben konnte, aber sie musste doch eine Lösung für ihr Problem finden. Heute noch. Also beschloss sie, ohne eine Lösung würde sie hier nicht weggehen. Fieberhaft und mit immer schwerer werdendem Herzen grübelte sie nach und kam doch zu keinem Punkt. „Das ist doch alles Mist“, schluchzte sie und versuchte verzweifelt die salzigen Tränen zu unterdrücken. Dauernd fielen ihr gute und noch mehr schlechte Gründe für jeden Elternteil ein.
Ein leichtes nieseln riss sie für einen Moment aus ihren Gedanken. Regen machte ihr nicht so viel aus, doch der folgende Donner, der auf das beginnende Gewitter hinwies bedeuteten ihr, dass sie trotz ihres Beschlusses diesen Ort nicht mehr zu verlassen, eher würde gehen müssen. Umringt von den hohen Bäumen, wäre es sicher keine gute Idee zu bleiben, wenn die ersten Blitze den Himmel streifen würden. Sie musste außerdem noch durch ein kleines Stückchen Wald laufen, der sie vom See und ihrer Stadt trennte. Und vom Blitz erschlagen zu werden, war selbst für Anabelle kein verlockendes Angebot. Dafür liebte sie ihr armseliges Leben doch noch viel zu sehr. Doch noch war das Gewitter weit genug weg und ein paar letzte Minuten wollte sie ihren kleinen, runden See noch genießen.
Mit unglücklicher Miene betrachtete sie einen Frosch, der mit einem lauten „Quark“ ins Wasser hüpfte und damit leichte, schwingende Wellen auf der Wasseroberfläche auslöste. Wenn sie doch nur mit jemandem reden könnte. Leider war Anabelle durch die vielen Streitereien ihrer Eltern verletzlich und zurückhaltend geworden. Deswegen war Anabelle nicht gerade gut bestückt was richtige Freunde betraf. Nur zwei Freunde hatte sie . Ihren besten Freund Philipp, der unglücklicherweise gerade Urlaub mit seiner Familie machte. Derjenige der gleich danach kam, war ihr schwarzer Kater Saphir, der nach seinen merkwürdigen, blauen Augen benannt worden war. Aber den konnte sie ja schlecht um Rat fragen. Auch Philipp fiel aus, da Anabelle kein Handy besaß, mit dem sie ihn hätte anrufen können. Außerdem wäre es blöd zu glauben, ein solches Problem am Telefon lösen zu können.
Der Wind wehte nun so stark, dass Anabelles blondes Haar wild durch die Luft gepeitscht wurde und man konnte kaum noch etwas erkennen. Nur die Äste, die langen Grashalme und das Schilf, die sich im Takt der Windstöße hin und her wiegten, waren noch auszumachen. Die wenigen Blätter an den Bäumen raschelten und flüsterten. Anabelle fing an zu zittern. Sie zog ihren langen, schwarzen Mantel näher zusammen. Die Regentropfen fingen an auf die Erde nieder zu prasseln und ein weiteres Donner grölen war zu hören. Fröstelnd machte sie mit ihren Armen einige Dehnübungen um sich warm zu halten. Dann stand sie auf um sich den Weg durch das Labyrinth von dunklen Tannen zu bahnen. Aber nicht um nach Hause zugehen. Diesmal nicht. Das nahm sie sich vor. Irgendwo würde Anabelle sich in der großen Stadt einen Unterschlupf suchen und dort die Nacht verbringen.


2.Kapitel
We don't know wonderland
We don't know how to get there
We will keep on searching for the way
We dream all the way
Of the moments we'll have there
We can see them all clear today
On the way to wonderland
On the way

Sunrise Avenue : Wonderland

Mittlerweile war es stockdunkel geworden und Anabelle stolperte ziellos im Wald über tückische Wurzeln oder sie verfing sich im Geäst von hinterlistigem Gebüsch. Die Blondine verfluchte sich immer wieder, wegen ihrer Dummheit nicht sofort losgegangen zu sein, als sie bemerkt hatte, dass ein Unwetter nahte. Zudem versuchte sie, die Panik und das Verlangen laut los zu kreischen, zu unterdrücken, die von ihr Besitz ergriffen, wann immer sie das Gefühl hatte, dass gleich irgendein Verrückter oder ein wildes Tier auf sie losstürzen würde. Leider übermannten sie diese Gefühle in kurzen, regelmäßigen Abständen. Immerhin hatte sie die Sorge wegen ihrer Eltern für diesen Moment vergessen.
Anabelle hörte ein rascheln hinter sich. Obwohl sie wusste, dass sie aufgrund der Dunkelheit unmöglich hätte etwas sehen können wirbelte sie herum und blickte mit klopfendem Herzen in die Richtung aus der das verräterische Geräusch gekommen war. Stocksteif stand sie da und starrte auf ein scheinbar leeres Loch, umringt von Ästen, Zweigen, Nadeln und Blättern. Irgendwie wünschte sie gleichzeitig es möge etwas passieren. Gleichzeitig betete sie, dass dort einfach nichts wäre und das sie sich das alles nur einbildete. Wieder knackte es und wieder war nichts zu sehen. Ein Windhauch wehte von hinten durch Anabelles klatschnasse Haare. Es fühlte sich an, als würde direkt hinter ihr jemand stehen. Reflexartig riss sie ihren Kopf zurück in die andere Richtung. Doch als Anabelle auf diese Stelle blickte, war auch dort nichts weiter, als das Gefühl, die Ahnung, die sich wie Blei um Anabelle zu legen schien, dass genau dort etwas gewesen war. „Ganz ruhig“, redete sie auf sich ein. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und streckte vorsichtig ihre Hand aus. Ihr Kopf war erfüllt von vielen grauenhafter Bilder, über das was passieren könnte, wenn sie gleich die Luft mit ihrer Hand durchtrennen würde. Das Mädchen hielt den Atem an, schloss die Augen und wartete. Ihre Hand griff nach Luft. Aber sie glaubte etwas um sich herum gehen zu spüren. Etwas, dass ihrer ausgestreckten Hand auswich, sie mit einem kreisenden Windhauch umrundete, dann zwischen den wieder raschelnden Blättern in das schwarze Loch verschwand und sie schließlich alleine mit ihrer Angst zurückließ.
„Das ist nur Einbildung... Das bildest du dir nur ein... Keine Panik!“ flüsterte Anabelle immer wieder vor sich hin um sich zu beruhigen. Dennoch fing sie an zu rennen, durch den Wald und den inzwischen nachlassenden Regen. Wieder stolperte sie über Wurzeln, die aus dem Boden ragten. Sie fiel hin und ihre Jeans riss an den Knien auf. Anabelle war das egal. Eher fürchtete sie, dass sie sinnlos im Kreis oder aber in die falsche Richtung rannte. In die Richtung, dich nicht aus dem Wald, in ihre Stadt führte, sondern viel weiter hinein in das hölzerne Gefängnis.
Stundenlang, so schien es ihr, war sie durch den Wald gelaufen. Mit zitternden Beinen und einem Schwindelgefühl ließ sie sich vor lauter Erschöpfung am Stamm eines alten Baumes zu Boden gleiten. Ihre Kleidung triefte immer noch vor Nässe, obwohl der Regen inzwischen versiegt war. Anabelle winkelte ihre Beine an, schlang ihre Arme schützend um sich und begann zu schluchzen. Würde sie hier je wieder rauskommmen? Und wenn ja... Schlagartig fielen ihr wieder ihre Eltern ein. Wenn sie hier herauskommen sollte, musste sie sich ja immer noch um diesem Problem kümmern. Sollte sie wirklich weglaufen? Das schien die einfachste Lösung. Aber war die einfachste Lösung auch die Richtige?Außerdem würde sie auf jeden Fall noch mal nach Hause müssen, um wenigstens ihren Rucksack zu packen. Geld brauchte sie mit Sicherheit auch. Völlig fertig bettete sie ihren Kopf auf die feuchte Erde und weinte sich in den Schlaf.

Ein leises, freches Kichern weckte sie. Gefolgt von einem lauten Rascheln. „Sei leise, du weckst sie noch auf“, hörte sie eine hohe Stimmer wispern. Anabelle fuhr erschrocken hoch und schaute gehetzt in alle Richtungen. Sie glaubte ein „Schhh“ zu hören, das von einem erneuten lustigen kichern beantwortet wurde. Das Mädchen schaute dort hin, wo sie die Stimmen herzukommen glaubte und schreckte entsetzt zusammen. Dort aus einem dunklen, Loch blinkten ihr zwei gelb leuchtende Lichter entgegen. Das es sich dabei um das gleiche schwarze Loch wie vorhin handelte kam ihr in dieser Situation nicht in den Sinn. Die Ursache für diese Lichter waren ihr viel wichtiger. Waren das Augen? So flink wie sie nur konnte, rappelte Anabelle sich auf und griff nach einem glitschig-nassen Stock. ''Besser als gar keine Waffe'', dachte sie und hielt den Stock wie einen Baseballschläger. Trotz ihrer Angst und den schnell schlagendem Puls war sie bereit sich gegen dieses Tier zu verteidigen. Es musste riesig sein, denn die blinkenden Augen waren bestimmt über einen Meter über dem Boden. Was konnte das nur für ein Tier sein, dessen Augen immer abwechselnd, ohne Unterbrechung auf und zu gingen. Es sah aus wie die blinkenden Lichter einer Christbaumlichterkette. Der Unterschied war, das sie sich vor einer solchen noch nie gefürchtet hatte. Mit steifen Beinen und immer noch erhobenen Stock tapste sie langsam auf das Loch zu. Anabelle schloss kurz die Augen, um sich auf den Kampf um ihr Überleben endgültig bereit zu machen. Als sie die Augen wieder öffnete, musste sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sich die Lichter vermehrt hatten. Drei Stück zählte Anabelle nun. Ein Tier mit drei Augen!? Anabelle schnappte nach Luft.. Doch die Anzahl der leuchtenden Augen vermehrte sich zu ihrer Erschütterung noch mehr. Vier... fünf. Anabelle öffnete den Mund um zu schreien, aber heraus kam nur ein jämmerliches Fiepen. Sie wich einen Schritt zurück, stolperte und fiel auf ihren Po. Den Stock konnte sie gerade noch festhalten und hielt in schützend vor sich. „Verschwinde“, rief sie. Es sollte stark und mutig klingen, doch ihre Stimme brach weg. Trotzdem hoffte sie dem oder den Tieren Angst gemacht zu haben. Aber nein. Als Antwort kam wieder dieses alberne Kichern. Nur diesmal mehrstimmig. Anabelle wich verstört, so gut es auf dem dreckigen Boden ging, zurück. Welche Tiere konnte kichern? Das Lachen nahm rasch ab und auf einmal begannen die Lichter auf Anabelle zu zufliegen. Eins nach dem anderen. Erleichterung erfüllte Anabelle, als sie sah, dass es weder Tiere noch ein anders blutrünstiges Monster waren. Der Mund klappte ihr auf, sobald sie erkannte was da auf sie zu kam. Es waren fünf kleine, menschenähnliche Mädchen. Gerade mal groß genug um auf einer Handfläche Platz zu haben. Alle hatten sie langes blondes Haar und scheinbar seidene, gefranste Kleider, in je einer anderen Farbe. Die Ohren dieser Wesen lugen spitz unter ihren hellen Haarschöpfen hervor. Auf dem Rücken waren bei allen große, weiße Flügel mit silber- glitzernden Streifen. Sie sahen wunderschön aus. Anabelle traute ihren Augen nicht und zwickte sich mehrmals fest am Unterarm. Sie wollte sich beweisen, dass all das hier nur ein verrückter Traum war. Zu ihrem großen Bedauern tat die Zwickerei ziemlich weh und die hell-leuchtenden Gestalten blieben dort wo sie waren; direkt vor ihr.
„Schaut sie hat Angst vor uns“, gigelte eine der Mädchen, die ein lavendelfarbenes Kleidchen trug. „Leyla, sei nicht so gemein“, sagte eines im royal-blauen Kleid. Doch aus sie konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. „W... Was... Was seid... Seid ihr Elfen?“, stotterte Anabelle, die ihre Stimmer endlich wieder gefunden hatte. Daraufhin prusteten vier der magischen Wesen los. Nur die fünfte sah sie ein wenig mitleidig an. Es war die in dem blauen Kleid. Auch ein wenig Schalk lag in ihren funkelnden, giftgrünen Augen als sie mit glockenheller Stimmer zu sprechen begann. „Wir sind doch keine Elfen!“ Ein Hauch von Entrüstung war aus ihren Worten herauszuhören. „Elfen gibt es doch nur in Märchen, in Legenden und in Sagen. Na ja, von euch Menschen kann man natürlich nicht erwarten, dass ihr von so etwas eine Ahnung habt. Entweder ihr glaubt an jeden Unsinn, oder ihr verschließt eure Augen vor den realen Dingen.“ Sie rollte mit den Augen. „Ähm okay... aber was seit ihr dann?“ fragte die sichtlich verwirrte Anabelle, die völlig vergessen hatte, dass sie dich vor den seltsamen Mädchen fürchtete. „Wir sind Feen. Was denn sonst“, erklärte die Fee, die vorhin mit Leyla angesprochen worden war, mit leicht genervtem Unterton. „Natürlich...“, sagte Anabelle, mit Sarkasmus in der Stimme, weil sie sich tatsächlich ein wenig beleidigt fühlte, da diese Feen offenbar glaubten sie hätte keine Ahnung. Was sie in Wirklichkeit ja auch nicht hatte. Anabelle ging es gegen den Strich, wenn jemand annahm, dass sie dumm war.
„Genaugenommen sind wir Wächter-Feen...die custodi...“,sagte eine Fee in hellgrünem Gewand. Weiter kam sie nicht. „Lyra“, herrschte sie die Fee mit den größten Flügeln an. Wütend hüpfte sei in der Luft auf und ab. „ Wenn du weiter so plapperst, kannst du ihr auch gleich alles sagen. Und was dann... Du weißt das die Menschen nichts von unserer Welt erfahren dürfen. „Ja, ja“, sagte Lyra und machte einen Schmollmund. „Aber es kommt hier so selten jemand lang...“. Fasziniert betrachtete Anabelle die fünf Feen. Sie sahen nicht wirklich so aus als könnten sie gefährlich sein und deshalb ließ Anabelle ihren Stock sinken. Tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf und sie überlegte, welche sie zuerst stellen sollte, während sie vom Boden aufstand.
Gedankenverloren wischte sie hängengebliebene Erde und das Laub von ihrem Mantel. Dabei spannte sich der Mantel ein wenig an, so das sich die Ärmel ein bisschen nach oben zogen und ihre Handgelenke entblößte. Anabelle bemerkte, wie die Feen blicke austauschten. Dann sahen sie Anabelle ernst an. Nur Leyla hatte offenbar mühe sich zu beherrschen, denn sie starrte Anabelle an, als wäre sie das achte Weltwunder. Leylas Mund war leicht geöffnet und sie kämpfte scheinbar gegen den Drang, etwas zu sagen. In ihren Augen war ihr ihre Aufregung deutlich anzusehen. Außerdem hatte sie Probleme damit, ruhig in der Luft zu schweben. Stattdessen hüpfte nun sie auf und ab. „Oh mein Gott“, brach sie schließlich quietschend aus. Anabelle starrte sie an. „ Was ist?“ fragte sie. Das Benehmen der Feen irritierte sie. „Du bist die Rose“, sagte Lyra ehrfurchtsvoll. „Häh?“, machte Anabelle. Sie sah sich kurz um, weil sie sich vergewissern wollte, ob auch wirklich sie gemeint war. Offensichtlich. Außer ihr war ja niemand da. Aber was sollte das, sie als Rose zu bezeichnen. Sollte das ein Code für irgendwas sein? Oder wollten sie diese Feen nur veräppeln, weil sie es Lustig fanden, dass Anabelle in ihren Augen nicht so intelligent war wie sie. Vielleicht wollte sie sie ja einfach noch dümmer das stehen lassen. Anabelle konnte das allerdings nicht so recht glauben. Die fünf sahen einfach viel zu ernst und aufrichtig dafür aus. Keine davon schien kurz davor lachen zu wollen. „Was soll das heißen, du bist die Rose“, fragte sie schließlich, da keine der Wächter-Feen Anstalten machte auf ihr „häh“ eine nähere Erklärung abzuliefern. Wieder wechselten die fünf Blicke. „Auf deinem Handgelenk“, sagte die Fee im blauen Kleid „ist das Symbol der Rose“. „Was für ein Symbol?“ wollte Anabelle wissen. Sie hob ihren Arm und schaute ihn sich im Licht, das die Feen spendeten genauer an. Sie fand nichts. Misstrauisch blickte sie wieder zu den fünf Mädchen, die ihren Blick erwiderten.
„Du kannst es hier vermutlich nicht sehen“, sagte die Wächterin im gelben Gewand. „Ähm... nein kann ich nicht“, gab Anabelle ihr recht. „Das liegt daran, dass es ein magisches Symbol ist. Menschen sind blind, wenn es darum geht diese Zeichen zu sehen. Nur Augen, wie unsere, welche in unserer Welt bereits magisches und zauberhaftes gesehen haben, können sie sehen. Genauso, wie es mit diesem Stempel, der dir auferlegt ist, der Fall ist.“ Anabelle schwirrte der Kopf. Auf ihrem Arm sollte ein magisches Symbol geben? Magisches... Zauberhaftes... . Und was meinten sie mit unserer Welt? Das Mädchen versuchte seine Gedanken zu ordnen, während die Wächter-Feen miteinander tuschelten. Eine ganze Weile ging es so weiter, bis die gelb gekleidete Fee wieder das Wort an Anabelle richtete. „Ich glaube, das beste wird sein, wenn du erst einmal nach Hause gehst und dich ausruhst. Du siehst aus, als hättest du dringend ein wenig Schlaf nötig.“ Das hatte sie allerdings. Doch die Worte nach Hause ließ bei ihr wieder eine Woge von Trauer und Wut in ihr aufsteigen. Außerdem war sie auch ein bisschen neugierig auf diese Feen-Zauber Welt geworden. Wenn sie sich entscheiden müsste, würde sie auf jeden Fall lieber noch ein wenig hier bleiben, um von den Feen noch ein wenig mehr zu erfahren. Diese Lyra schien vorhin ja ganz erpicht darauf gewesen zu sein, ihr etwas zu erzählen. Das wäre ihrer Meinung definitiv besser als nach Hause zu gehen. Anabelle rümpfte bei dem Gedanken ihre Nase. Bevor sie aber etwas hätte sagen können um ihre Ansichten zu erläutern, hatte die Fee im gelben Kleid erneut das Wort ergriffen. „Wir werden in der Zwischenzeit den Rat benachrichtigen, dass die Rose eingetroffen ist... also du.... Wir werden mit ihnen die Lage besprechen.“ Rat? „Und Morgen treffen wir uns dann wieder hier mit dir, damit...“. „Was!“ Unterbrach Anabelle sie. „Wie kommst du darauf, dass ich morgen noch mal hier her komme“, motzte sie. Natürlich interessierte sich Anabelle für diese Welt und im Moment würde sie gerne mehr davon erfahren, aber das diese Feen einfach annahmen, sie würde kommen, weil sie es so beschlossen hatten ging Anabelle gegen den Strich. Sie wollte nicht das irgendwelche dahergelaufenen... geflogenen... Feen ihr sagte was sie zu tun hatte. Das hasste sie auch schon an ihren Eltern. Aber von jemandem herumkommandiert zu werden, den sie seit höchstens einer Stunde kannte und dann auch noch von Wesen an die sie vorher nicht einmal geglaubt hatte. „Du musst kommen“,sagte eine Fee in einem zartrosa Kleidchen, dass bisher noch kein Wort mit Anabelle geredet hatte. Ihre Stimme war leise und schüchtern. „Wir brauchen deine Hilfe.“ Dieser zurückhaltende Ton überraschte Anabelle und dämpfte ihren plötzlich erschienenen Zorn ein wenig. „Meine Hilfe“, wiederholte sie ungläubig. „Ich bezweifle, dass ich euch bei irgendetwas helfen könnte... selbst wenn ich es wollte. Abgesehen davon würde ich den Weg hierher ohnehin nicht mehr finden... wenn ich hier überhaupt raus finde“. „Du kannst uns ganz sicher helfen“,flötete die schüchtern klingende Fee eifrig. „Und wir können dir dafür den Weg aus dem Wald zeigen wenn du möchtest.“ Das wäre allerdings hilfreich dachte Anabelle und nickte. „Na gut“, seufzte sie „wenn ihr mich hier raus führt, dann verspreche ich, dass ich mich morgen mit euch treffen werde.“ Die Feen strahlten und die Erleichterung war ihnen deutlich anzusehen.
„Na komm“, sagte die rosa gekleidete Fee und umschloss mit ihrer kleinen Hand einen Finger von Anabelle um sie zu führen.
Fortsetzung folgt...


ist schon in Arbeit...


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Lara und Sarah Weil es nichts schöneres gibt als wahre Freunde hab euch lieb

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