Aus irgendeinem unersichtlichen Grund war sie nervös, fühlte sich beobachtet. Sie konnte sich das Aufkommen für dieses Gefühl nicht erklären und versuchte es auf die Tatsache zu schieben, dass sie in letzter Zeit einfach viel zu oft alleine war. Da war es doch kein Wunder, wenn man sich merkwürdige und vielleicht auch Angst einflößende Dinge einbildete.
Immer wieder glaubte sie es aus ihrem Garten rumpeln und scharren zu hören. Gelegentlich schien es, als ob jemand die hölzernen Dielen ihrer Veranda entlanglaufen würde. Aber das war doch albern! „Du hast in letzter Zeit wohl zu viele Krimis im Fernsehen gesehen“ sagte sie zu sich selbst, um ihre Angst zu lindern. Sie versuchte zu lächeln und zuckte zusammen als sie einen Schatten bemerkte, der an ihrem Fenster vorbeihuschte.
Sollte sie die Polizei rufen? Aber was sollte sie sagen? „Entschuldigung das ich sie störe, aber ich habe so eine ungute Ahnung, dass in meinem Haus etwas nicht stimmt!?“ Ausgelacht würde sie werden. Dessen war sie sich sicher.
Unruhig lief sie in ihrem Haus auf und ab. Dauernd spähte sie aus ihrem Fenster. Nie konnte sie irgendjemanden oder irgendetwas sehen und doch blieb die Furcht, die sie sich zum Trotz ihrer Bemühungen nicht ausreden konnte. Klappernd ließ sie schließlich die Rollos nach unten, in der Hoffnung, so die Befürchtung, dass ihr jemand nachstellte, zu zerstreuen. Es half nicht. Am ganzen Leib zitternd wartete sie in der Finsternis die sie nun umgab. In ihrem Kopf stiegen grauenvolle Bilder auf, in denen sie sich ausmalte was gleich passieren würde. Sie hatte jedoch kaum Zeit gehabt, diese Fantasien mit sich durchgehen zu lassen, als sie unsanft in die Realität zurückgeholt wurde. Sie hörte wie sich ein Schlüssel klickend in der Haustür drehte und Panik überfiel sie. Ein leises schleifen, so wie es entsteht wenn Holz über Holz geschoben wird, sagte ihr, das die Tür geöffnet worden war. Angestrengt lauschte sie den schweren Schritten, die sich in Richtung Kellertreppe zu bewegen schienen. Da sich im nächsten Augenblick eine weitere Tür öffnete, war sie sicher das sie mit dieser Vermutung richtig gelegen hatte. Ihr wurde schwindlig. Nun wäre der richtige Zeitpunkt für eine Flucht und sie wollte auch fliehen. Sie wollte zur Eingangstür rennen, nach draußen... immer weiter. Doch sie war wie gelähmt. Konnte kaum Atmen. Drohte zu ersticken. Der Grund dafür war, das sie etwas wahrnahm, was sie das Gespür für ihren Körper vergessen ließ. Es roch nach etwas. Nach etwas, dass ihr sehr bekannt vor kam. Ein Deo. Kein Gutes, denn der Schweiß des Mannes war noch deutlich unter dem herben Duft des Deos heraus zuerkennen. Diese Kombination verriet ihr, wer in ihr Heim eingedrungen war. Diesen Geruch hatte sie bisher nur an einem Einzigen Mann war genommen. Außerdem lieferte das die Erklärung dafür, wie er an den Hausschlüssel gekommen war. Wieso nur hatte sie das Schloss nicht auswechseln lassen, nach allem was geschehen war? Wieso?
Wieder versuchte sie auf jedes noch so kleine Geräusch zu achten. Ein plätschern erreichte ihre Ohren. Wasser! dachte sie mit ihrem ganzen Körper; er hatte das Wasser im Keller aufgedreht. Aber warum? Wollte er ihr damit Angst machen?
Immer noch unfähig sich zu bewegen, betete sie, er möge sie nicht finden und das sie sich irrte, auch wenn sie sich sicher war, dass dies nicht der Fall sein würde. Warum nur hatte sie es so weit kommen lassen? Ein Pochen an ihren Schläfen ließ sie einen winzigen Augenblick zu spät erkennen, dass er inzwischen hinter ihr stand. Das ihre Gebete nicht erhört worden waren. Wie ein Axt hieb durchfuhr es sie, als sie zu dieser Erkenntnis kam. Ein schütteln übermannte sie. Sie kannte den Grund warum er hier war. Wusste, was er wollte. Sanft strichen seine Finger über ihren Rücken. Dann ganz plötzlich schlangen sich seine Arme fest um ihren Körper und zerrten sie runter in den Keller. „Lass mich los“, brüllte sie, trotz des Wissens, dass dies keinen Sinn mehr machte. Verzweifelt strampelte sie mit den Beinen und warf ihren Körper so gut es ging hin und her. Zwecklos. Aber wie sollte man sich auch gegen einen Verrückten wären.
Leider hatte sie erst herausgefunden das er verrückt war, als sie schon verheiratet gewesen waren. Er war der irrsinnigen Auffassung, dass es für jeden Mann und für jede Frau nur einen Partner im ganzen Leben geben durfte. Weil sie davon wusste, und weil sie Angst hatte er würde sie verlassen, hatte sie ihn bei seiner Frage nach früheren Freunden und Beziehungen belogen. Es war eine kleine Notlüge. Damals liebte sie ihn und wollte ihn auf keinen Fall verlieren. Nur eine kleine Notlüge. Mit fatalen Folgen. Irgendwann hatte er durch einen unglücklichen Zufall alte Liebesbriefe gefunden, die nicht von ihm stammten und von denen sie sich nicht hatte trennen wollen, weil viele schöne Erinnerungen mit ihnen verbunden waren. Daraufhin hatte er sie aufs übelste beschimpft; als Lügnerin und Schlampe bezeichnet. Voller Zorn hatte er sie grün und blau geschlagen und schließlich die Scheidung eingereicht, über die sie letztendlich mehr als froh gewesen war.
Jetzt war er wieder hier. Hier bei ihr. Jetzt wollte er endgültige Rache.
Ihr Ex-Mann warf sie gegen eine Wand in ihrem Waschraum und sie glitt mit schmerzenden Gliedern auf den Kellerboden, wo sie jäh aus ihren furchtbaren Gedanken gerissen wurde. Feuchtigkeit kroch den Stoff ihrer Kleidung empor. Der Keller war von ihrem Ex mit Wasser überflutet worden und im sitzen reichten die Wassermassen schon bis zu ihrer Taille. Es war kalt. Kalt wie Eis Genauso wie sein Herz. Und wie seine Hände, die nun ihre Handgelenke umschlangen und sie mit Handschällen an eine der wenigen, nicht durchtrennten Wasserrohre kettete. „Hör auf mit dem Scheiß“, flehte sie ihn an. Die Panik in ihrer brechenden Stimme war nicht zu überhören. Doch er lachte nur. Fieberhaft überlegte sie noch, wie sie sich retten könnte, wie sie ihn zur Vernunft bringen konnte, aber es schien aussichtslos. Ihr Herz raste und sie fing an zu weinen. Ein unkontrolliertes Schluchzen stieg aus ihrer Kehle. „Schnauze“, knurrte er. Mit von Tränen verschleiertem Blick sah sie, wie er etwas dunkles vom Boden aufhob. Was genau es war wusste sie nicht. Sein Keuchen und die Schweißperlen auf seiner Stirn verrieten ihr jedoch das es schwer sein musste. „Ich habe dich immer geliebt“, sagte er zärtlich, auch wenn die Anstrengung in seiner Stimme deutlich erkennbar war. Er starrte sie mit irren, weit aufgerissenen, eisblauen Augen an, die sie früher schön gefunden hatte. Dann riss er das dunkle schwere Teil nach oben und ließ es auf ihren Kopf niedersausen. Ein dumpfes pochen machte sich in ihrem Schädel breit. Sie schmeckte Blut und dachte noch „ich werde Leben“. Dann wurde es schwarz um sie und das letzte was sie hörte war sein rasselnder Atem.
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2011
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