Ich hatte Gänsehaut an den Armen und stampfte wütend mit dem Fuß auf – bestimmt wegen der Kälte. „Pha! Das kotz mich echt an! Was denken die sich eigentlich wer sie sind?“, meckerte ich herum. „Vielleicht sollten wir es für heute echt Aufgeben“, schlug Miriam vor. Unsere gefälschten Ausweise waren noch lange nicht so überzeugend, wie Miris Kontakte versprochen haben. Die Türsteher würden uns mit den Dingern nirgendwo reinlassen. Bereits bei 3 Diskos wurden wir abgeschoben. Ich hatte an diesem Abend Miriam meine Kleidung aussuchen lassen. Mit dem Ergebnis, welches nicht wirklich passte, und für mein Empfinden etwas zu freizügig war. Dicke Nebelschwarten hingen über unseren Köpfen, doch Miri weigerte sich zu zittern und tat so, als kümmere sie die Kälte nicht im Geringsten. „Nein!“, riss mich Miriam aus meinen Gedanken. „Hier kommen wir rein! Das spüre ich.“ „Es ist schon nach Mitternacht Miri.“ Die Stöckelschuhe, die mir Dana, meine Schwester, geborgt hatte, waren die reinste Folter für mich und meine Füße, weshalb ich von einem Bein aufs andere trat, um die Schmerzen auszuhalten. „Ich möchte aber abtanzen und Spaß haben!“, rief sie wie ein Kleinkind. Ich sah Miriam an, und sie sah nicht gerade wie 19 aus, wie es ihr gefälschter Ausweis zeigte. Dies erhöhte unsere Chance aber nicht, in den Club zu kommen. „Ach komme Jenna! Wozu sind wir denn jung?“ „Hoffentlich nicht dazu uns ins Koma zu saufen!“ Ich konnte mir etwas bessere vorstellen als stundenlang bei einer Disko Schlange zu stehen, um nicht rein gelassen zu werden. „Wir können es ja nächstes Wochenende wieder probieren. Versprochen. Und bis dahin haben wir bessere und glaubwürdigere Ausweise.“ „Nicht mal was zu trinken habe ich“, schmollte sie. Dabei bemerkte ich, wie sie allmählich klein beigab. Ich wusste aber schon aus Erfahrung, dass Miri nie auf trockenem sitzenblieb. „Irgendwo bekommen wir sicher was her. Aber da kommen wir nicht rein!“ Sie hatte ein besonderes Talent um an Alkohol ran zu kommen, denn egal wo Miri war, ließ die Party nicht lang auf sich warten. „Nagut… Aber du schuldest mir was!“ „Warum schulde ich dir was?“, fragte ich. „Weil wir wegen dir schon so früh gehen!“
Wir waren erst ein paar Schritte gelaufen, als ich es in den geborten Schuhen nun wirklich nichtmehr aushielt. Ich blieb stehen und zog sie aus. Lieber lief ich auf dem verschmutzten Asphalt, als mit noch mehr Blasen zu holen. „Wir sollten uns ein Taxi nehmen“, schlug ich vor. Miriam schüttelte aber den Kopf. Wir hatten nicht viel Geld dabei, und je mehr wir laufen würden, desto weniger würde am Ende auch das Taxi kosten. Ich wohnte zwar in der Nähe der Stadt, aber nicht nah genug, um die ganze Strecke zu Fuß zu laufen. Ein graues Taxi mit blauer Aufschrift fuhr an uns vorbei, und ich schaute ihm sehen süchtig hinterher. „Wir brauen sowieso etwas Bewegung um nicht zu platzten.“, witzelte Miri. Ich fragte mich, warum ich mich immer wieder auf ihr dummen kleinen Abenteuer einließ, die für sie jedesmal viel spaßiger waren als für mich. Die weniger sexy Begleitung zu sein, war keine besonders glamouröse Rolle. „Mir tun aber die Füße weh“, erwiderte ich. „Wer schön sein will, muss…“ „..leiden, ja ja, schon verstanden“, unterbrach ich sie mürrisch. Wir gingen schweigend nebeneinander weiter. Ich wusste nur zu gut, dass sie sauer war, wegen des vermasselte Abends und plante insgeheim schon das nächste Abenteuer indem sie mich hineinziehen konnte. Doch diesmal würde ich nicht drauf rein fallen. Ich liebte Partys machen genauso wie sie, aber wenn ich nicht gut drauf war, oder einfach keine Lust hatte, dann gab es für mich auch keine Party. Egal wie viel Spaß die Anderen dabei hatten. Der Verkehrslärm war mittlerweile so weit entfernt, dass ich die Schritte hinter uns hören konnte. Miriam schien es nicht bemerkt zu haben, doch ich war mir sicher, dass uns jemand folgte.
Da wurden die Schritte plötzlich lauter und schneller und mischten sich mit stoßartigen Atem sowie gedämpften Stimmen. Miriam schaute mich an, und ihre Blick verriet mir, dass sie dasselbe gehört hatte. Sie war die Mutigere von uns, deshalb signalisierte ich ihr, sie solle sich umsehen. Das tat sie auch. Als ich sie fragen wollte was sie sah, rannte sie schon los. Das war Antwort genug. Ich versuchte, sie einzuholen, doch sie war schneller als ich und der Abstand zwischen uns blieb. Am Ende der Straße war ein Parkhaus. Miri rannte hinein, und ich rannte hinterher. Es gab sicher mehrere Plätze wo sicher mehr Leute zu finden waren, doch Miri entschied sich blindlings für die schwach bedeutete Tiefgarage. Ich wagte zum ersten Mal einen Blick nach hinten und erblickte die dunkle Silhouette vier breitschultriger Männer. Sie pfiffen als sie sahen, dass ich mich zu ihnen umgedreht hatte. Als ich wieder nach vorne sah war Miriam verschwunden. Mein Fluchtreflex versagte völlig, als ich nun plötzlich alleine war, und ich erstarrte. „Hier drüben!“, zischte Miri, doch das Echo in der Garage war so verwirrend, dass ich nicht sagen konnte, woher ihre Stimme kam. Also blieb ich wie angewurzelt stehen und hoffte, mein Tod würde schnell und schmerzlos sein. Über mir flackerte gelbes Licht. „Hey Kleine“, schnurrte einer der Männer mit einer Stimme, die alles andere als freundlich klang. Ich drehte mich zu ihnen um. Nachdem ich stehen geblieben war, hatten sie es auch nicht mehr so eilig und schlenderten nun lässig auf mich zu. „Rennst du immer vor ein bisschen Spaß davon?“, fragte ein anderer. Aus irgendeinem Grund fanden seine Freunde diese Bemerkung zum Brüllen und ihr Gelächter hallte durch die Garage. Wie zur Säule erstarrt, stand ich da, die bloßen Füße in einer Pfütze aus kaltem Wasser und Motoröl. Mein Mund öffnete sich, um etwas zu sagen, vielleicht sogar, um zu schreien, doch es kam kein Ton heraus. Und dann gaben die Lichter ihren Geist auf. Obwohl es ohnehin schon dunkel war, schloss ich meine Augen. Ich wollte nichts von dem was sie mir antun würden. Ich wusste: Ich würde sterben. Irgendwo hinter mir hörte ich ein Quietschen von Autoreifen, doch ich kniff meine Augen nur noch fester zusammen.
Tag der Veröffentlichung: 08.05.2014
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Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem Bruder, die mich immer und überall beschützt. Ich liebe dich