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Notizen aus dem Architekturbüro

Manchmal stimmt einen der Alltag des Architekten auch hoffnungsvoll, heute etwa hat der Baumeister im Sekretariat einer Schule statt des rechten den linken Einbauschrank rausgerissen, und alle waren so froh darüber, dass er Baumeister und kein Chirurg geworden ist, sogar der Bauunternehmer selber, und die Sekretärin doppelt, weil sie jetzt einen neuen Schrank bekommt.

 

 

 

 

vorbeugender Brandschutz (1)

(oder ‚schlechte Verstecke’)

Großbritannien

 

 

 

Wenn das Architektenhaus für die Architekturzeitung fotografiert werden soll, ist darauf zu achten, dass die Möbel dazu passen. Die Möbel der Architektenhausbewohner passen aber nicht, weshalb der Architekt in einem gemieteten Kleinlaster der Marke Sprinter von Mercedes passende Möbel von zu Hause mitbringt, und dazu zwei Helfer vom Studentenschnelldienst, die die vorhandenen Möbel hinter das Gartengerätehäuschen neben die Kompostiertruhe räumen, und die mitgebrachten Möbel aus dem Sprinter einräumen, und netterweise nach dem Fotoshooting, wie man heute dazu sagt, die einen Möbel wieder in den Kleinlaster laden und die anderen Möbel wieder von hinter dem Gartenhaus hervorholen. Ebenfalls nicht mit dem Architektenhaus harmonieren die Bewohner, weshalb sie, weil sie sich nicht hinter das Gartenhaus begeben mögen, so gestellt werden, dass sie nicht mehr auf dem Bild sind.

 

 

 

Viel Zeit bei der Bauleitung vergeht beim Zuschauen:dem Bagger, wie er baggert.

 

 

 

 

 

vorbeugender Brandschutz (2)

(Fluchtweg in feuerfeste Müllcontainer)

Schweiz

 

 

 

Kolloquien zu Architektenwettbewerben laufen immer gleich ab. Zuerst werden die üblichen Fragen gestellt, dabei handelt es sich immer und ausnahmslos um Fragen, die entweder bereits im Auslobungstext hinreichend beantwortet sind oder die für die Bearbeitung der Aufgabe völlig irrelevant sind. Nach den unnötigen Fragen fangen die Architekten dann an, mit den Preisrichtern über die geforderten Leistungen und die zur Verfügung gestellten Unterlagen zu streiten. Der Umgang mit Baufirmen ist eine gute Vorbereitung für den nächsten Asien-Urlaub. Baufirmen sind ebenso unergründlich wie Asiaten. Baufirmen achten stets darauf, ihr Gegenüber nicht zu brüskieren; sie werden daher nie mit einem klaren ‚Nein’ antworten, um keine negativen Schwingungen hervorzurufen. Sie sagen gerne und oft ‚Im Prinzip’, um zu umschreiben, dass sie nicht im Traum daran dächten. ‚Im Prinzip nächste Woche’ heißt daher ‚Nächste Woche auf keinen Fall’.

Wenn jemand etwas nicht weiß, wird er das nicht zugeben, um nicht das Gesicht zu verlieren, und wird antworten ‚Ganz sicher vielleicht’.

Wir sind dann immer bereit für einen Besuch beim japanischen Kirschblütenfest.

 

 

 

Auch Handwerker lesen Zeitung und bilden sich weiter.Am selben Tag, an dem in der Süddeutschen gestanden hat, dass es bei bis zu 20% der an Masern Erkrankten zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen kann hat der Chef beim Vergabegespräch schriftlich zugesichert, dass während der gesamten Bauzeit ständig bis zu acht Trockenbauer auf der Baustelle sein werden.

 

 

 

 

vorbeugender Brandschutz (3)

Japan

 

 

 

 

 

Vorbeugender Brandschutz (4)

China

 

 

 

 

Der Mangel auf dem Wohnungsmarkt führt dazu, dass Leute Wohnungen mit zur Straße hinaus gelegenen vollverglasten Wintergärten anmieten, die aber, weil ohne Verbindung zum festen Boden unter den Füßen, eher Winterbalkon heißen müssten, und dass diese Neumieter dann weder etwas anfangen können mit den Glaskisten, die ja nur eine geschlossene Wand haben, noch sich bewusst sind, dass die Öffentlichkeit diese Tatsache mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nehmen muss, will sie nicht immer beim Vorbeigehen demonstrativ wegsehen. Als es noch keine kleinen Kameras gab, mit denen heute überall, vornehmlich in Mägen und für die Bildzeitung, rumgefilmt wird, wurden Berichte von Mäusekinderstuben durch eine Glasscheibe gefilmt. Und genau so präsentieren sich die Winterbalkonbesitzer, nur dass diese in der Regel keinen Nachwuchs darin aufziehen, sondern dort ihren Rumpelmüll lagern. Warum gibt es eigentlich keine Vollverglasungswinterbalkoneignungstests vor der Unterschrift unter den Mietvertrag?

 

 

 

 

Als ich einmal Chefarchitekt in einem kleineren Architekturbüro war, fragten wir uns oft, warum im Fernsehen keine Architekten-Sitcoms gesendet wurden, wohl aber Sitcoms über Rechtsanwälte, Verkäuferinnen, Ärzte, wie auch Sitcoms über Schwule und Sitcoms über Sitcoms und stellten verwundert fest, dass es anscheinend in Rechtsanwaltskanzleien, bei Psychologen, in Krankenhäuser, in Kaufhäusern, ja sogar in Gefängnissen lustiger zugeht als in Architekturbüros. Wir vermuteten, dass die Stimmung in den verschiedenen Berufen ganz entscheidend von den darüber gesendeten Sitcoms geprägt wird. Als es daher vor Weihnachten etwas ruhiger wurde, begannen wir mit der Entwicklung einer Sitcom im Architekturbüro.

Sofort kam der Vorschlag, Frau März die Rolle des automatischen Obentürschließers zuzuweisen, ob wegen des üblichen Gesichtsausdrucks oder ihrer Größe von geschätzt einem Meter neunundsiebzig sei dahingestellt. Dies wurde dann auch, außer bei Frau März, mit großer Begeisterung aufgenommen, aber auch mit Skepsis, ob der gemeine Fernsehzuschauer denn überhaupt wisse, etwa aus Baumarktbesuchen, was ein automatischer Obertürschließer sei und ob das also nicht eher ein Insiderwitz wäre. Daraufhin schlug Frau Strobel vor, den Hund des Chefarchitekten mit türkischem Honig zu füttern, woraufhin diesem das Maul verklebt wäre und er in Trance verfallen würde. Sie würde dann den Hund auf den Armen ins Büro des Chefarchitekten tragen und versichern, es sei ein besonders netter Hund gewesen, nach einigen Minuten sich der türkische Honig aber wieder aufgelöst haben würde und der Hund wieder ganz normal rumspringen. Das fanden wieder alle lustig, nur der Chefarchitekt nicht, er konnte mich noch gut daran erinnern, wie Frau Strobel mit seinem Hund im Arm in der Türe gestanden hatte und versichert hatte, wie fröhlich der Hund doch zu Lebzeiten gewesen sei, und wie begierig er den türkischen Honig gefressen hatte.

Es wurde hier noch eingewandt, dass sich dies auch in einer Rechtsanwaltskanzlei ereignen könnte, also keineswegs architekten-spezifisch sei. Wichtig sei doch, die besondere Lustigkeit der Architekten hervorzuheben. Alle schauten betreten. Dann machte der langhaarige Praktikant den Vorschlag, dass es für eine Sitcom höchst zeitgemäß wäre, wenn er die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 07.06.2015
ISBN: 978-3-7368-9877-6

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