Es spielte keine Rolle was er tat immer war es zu wenig – ausnahmslos. Es war nicht wichtig, ob es sich um einen Kuchen eine Suppe oder einfach nur einen Salat handelte, immer fehlte das Salz. Heute würde er noch einen Versuch wagen. Er hatte sich extra ein Rezept herausgesucht indem genaue Salzangaben standen. Dieses mal würde es ihm gelingen. Vorsichtig legte er das ausgedruckte Rezept auf seine Arbeitsfläche. In einer großen Schüssel Eier trennen und das Eiklar mit einer Prise Salz und dem Handmixer zu steifem Schnee schlagen. Gehorsam tat er es. Nach kurzem Zögern beschloss er sich dazu die wirkliche Menge Salz hineinzugeben und nicht wie sonst sparsam damit sein. Danach Dotter, Zucker, Vanillezucker, Wasser und Öl in einer anderen Schüssel schaumig schlagen, das Mehl mit Backpulver vermischen und in die Dottermasse einrühren, hieß es weiter. Noch gut gelaunt schnappte er sich eine zweite Schüssel. Schritt für Schritt ging er das Rezept durch. Er sollte ja nichts übersehen. Zuerst den Dotter, dann den Zucker. Sicherheitshalber warf er einen erneuten Blick auf das Rezept und auf die Mengenangabe. Den Eischnee in die Masse unterheben und zu einem cremigen Teig verrühren, laß er weiter. Das würde er hinkriegen. Vorsichtig ließ er den Eischnee in die andere Schüssel gleiten, dann begann er mit dem Durchrühren. Kurz erstarrte er, als ihm wieder einfiel, dass er ihn nur unterheben und nicht zerrühren sollte. „Die Kuchenform einfetten und bei 180°C 25-30 Minuten backen“, laß er laut vor, während er das Blech mit Butter einschmierte.
Zufrieden mit sich selbst leerte er den Teig auf des Blech und betrachtete es stolz. Dann sah er zum Ofen – er hatte ihn nicht vorgeheizt. Ungeduldig stand er neben dem Backofen und wartete bis dieser 180° erreicht hatte.
Endlich konnte er ihn in den Ofen schieben. Sicherheitshalber stellte er sich einen Wecker, während er dem Kuchen beim Backen zusah. Endlich war es dann soweit: Er war fertig. Es roch köstlich und kaum, dass sein Wecker geläutet hatte, hatte er das Blech schon aus dem Rohr genommen. Was für ein prachtvoller Kuchen!
Vorsichtig stach er ihn mit der Gabel an und verbrannte sich dabei fast am Blech. Er beschloss noch etwas zu warten bis der Kuchen ausgekühlt war. Gut sah er auf jeden Fall aus. Die Kruste war knusprig und dank des kleinen Stückchens, das er schon herausgenommen hatte konnte er erkennen, dass er auch sehr schön fluffig war. Er war ihm richtig gut gelungen – vorausgesetzt er hatte genug Salz genommen. Vorsichtig versicherte er sich, dass der Kuchen etwas ausgekühlt war und steckte es in den Mund. Keine zwei Sekunden später fand er sich selbst über dem Waschbecken und den Kuchen ausspuckend. Er schmeckte nur nach Salz. Begierig trank er mehrere Schlucke Wasser und verzog das Gesicht, als er feststellte, dass der Salzgeschmack in seinem Mund noch vorhanden war.
Was hatte er nur falsch gemacht? Erneut füllte er sein Glas mit Wasser und trank es in Windeseile. Dann zog er das Rezept zu sich. Stumm starrte er einige Minuten das Blatt Papier an. 1 Priese. Dort stand eine Priese. Er hatte einen Esslöffel genommen.
Bildmaterialien: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2022
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