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Ausgebrannt

Verdrossen starrte sie auf die Rechnung in ihrer Hand. Wie sollte sie das bloß bezahlen? Sie wusste es nicht. Es wäre nicht so, als würde sie es nicht verdienen können, aber sie hatte keine Zeit dafür. Alles was sie tat war arbeiten und schlafen und dennoch reichte es nicht. Immerhin waren Miete, Warmwasser und Lebensmittel auch noch zu bezahlen. Und natürlich noch diese eine Sache, die am meisten Geld fraß. Außerdem war da noch Jonas. Sie warf einen blick in Richtung Zimmertür. Der Fünfjährige würde nun sicher tief und fest schlafen und hoffentlich nichts von ihren Sorgen mitbekommen. Sie wollte ihn damit nicht belasten.

Ihr Blick viel wieder auf die Stromrechnung. Sie war viel zu hoch. Dabei sparte sie doch sowieso schon wo es ging. Ohne ihren Mann kam sie einfach nicht zurecht und sie fragte sich, ob das mit Jonas so eine gute Idee gewesen war. Sofort verwarf sie den Gedanken wieder. Sie verfluchte sich sogar selbst dafür diesen Gedanken überhaupt gehabt zu haben. Sie würde ihren kleinen Engel nie her geben. Für nichts auf der Welt und wenn sie dafür hungern musste.

Müde legte sie die Rechnung auf die Seite und stand auf. Ihr blick fiel auf den kleinen Tannenbaum aus Papier, der dieses Jahr ihr Weihnachtsbaum war. Einen echten hatten sie sich nicht leisten können, doch es war einfach gewesen Jonas davon zu begeistern, dass das hier ein viel besserer sein würde und sie hatten ihn gemeinsam gebastelt. Das kleine Feuerwehrauto, das er zu Weihnachten bekommen hatte lag noch darunter, wenn man darunter bei einem Papierweihnachtsbaum, der kaum größer als das Auto selbst war als darunter bezeichnen konnte. Sie hatte es billig in einem Secondhandshop gekauft. Dennoch war das und der Weihnachtsbraten der Grund warum sie jetzt diese Rechnung in der Hand hielt und rein gar nichts davon bezahlen konnte. Sonst wäre sich die hälfte davon wohl noch ausgegangen. So war dies nicht der Fall.

Sie fühlte sich erschöpft und matt. Sie wollte einfach nur schlafen, doch sie konnte nicht. Sie musste noch arbeiten. Zumindest versuchen einen Teil der Rechnung bezahlen zu können. Vielleicht könnte sie mit der Firma etwas aushandeln, dass sie den Rest der Rechnung nach der Auszahlung ihres Gehalts bezahlen konnte. Sie stützte sich auf diese Hoffnung. Anders hätte sie es wohl kaum geschafft sich zum Schreibtisch zu setzen und ihr Diensthandy herauszuholen. Sie schaltete es ein und betätigte den Knopf, der der Zentrale vermittelte, dass sie nun bereit war. Es war eine sehr freie Dienstzeit. Jedoch war sie sehr mies bezahlt, allerdings tat es ihr gut.

Das Handy klingelte auch schon. „Soforthilfe für psychische Probleme, ich bin Maria, wie kann ich ihnen Helfen?“ Am anderen Ende herrschte Stille. Dann begann eine Frau zu sprechen. Sie erzählte und erzählte und bei jedem Satz dachte sie sich wie lächerlich deren Ängste waren. Wie winzig ihre Probleme waren im Gegensatz zu ihren eigenen. Wie machtlos sie war.

Bevor sie wusste was sie tat hatte sie schon aufgelegt und das Handy war ihr aus der Hand geglitten. Sie war müde. Sie konnte nicht mehr und bei einem war sie sich sicher – Sie brauchte Hilfe. Aber wer konnte ihr schon helfen?

Impressum

Cover: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2022

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