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Der Hoffnungsschimmer am Horizont

Es wurde hell. Jetzt hatte er eine Chance. Die Hoffnung flammte in ihm auf und aus irgendeinem unerklärlichen Grund stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Es erlosch schnell wieder. Wieso lächelte er. Er hatte überhaupt keinen Grund dazu. Nichts in seiner Situation war zum lachen – oder auch nur lächeln. Doch die Hoffnung trotzdem noch überleben zu können übermannte ihn und er rappelte sich wieder auf. Er würde nicht in diesem Wald sterben. Er würde ihn nicht töten können. Am Tag hatte er einen Vorteil und nicht umgekehrt.

Noch war es jedoch nicht Tag. Es wurde erst hell. Wenn die Sonne hoch am Himmel stand hatte er es geschafft. Aber erst dann. Er eilte weiter, stolperte auf dem unebenen Waldboden, fiel wieder hin und bekam dadurch noch mehr Schlamm auf seine Kleidung, als er schon davor hatte. Seine Knie schmerzten und er spürte seine Beine nicht mehr. Er wünschte, es hätte am Vortag nicht geregnet und dass es wärmer wäre. Warm genug, um ohne Jacke auszukommen, doch er hatte keine Zeit gehabt, sich eine anzuziehen, als er weggegangen war – weggelaufen war. Das Splittern des Holzes der kleinen Waldhütte klang noch immer in seinen Ohren, obwohl es schon mehrere Stunden her war, dass der Werwolf seine Hütte zerfetzt hatte. Er spürte immer noch den Atem in seinem Nacken, obwohl er weit und breit nicht zu sehen war. Eins stand fest: Er würde nie mehr einen Wald auch nur betreten, sollte er das hier überleben.

Er stolperte erneut über eine Wurzel, schaffte es allerdings sich zu halten. Schnell hastete er weiter. Obwohl ihm bewusst war, dass er nicht schneller wurde, wenn er sich ständig umdrehte, schaffte er es nicht sich davon abzuhalten. Dadurch nahm er den Rest seiner Umgebung weniger wahr und kam mehrere Male als notwendig ins Stolpern. Er wandte sich erneut um. Dies war ein großer Fehler. Er blieb an der Wurzel hängen und knallte der Länge nach hin. Nur die Tatsache, dass er nun schon den Waldrand erkennen konnte, ließen ihn seine restlichen Kräfte zu sammeln und erneut hochzukommen. Er taumelte völlig kraftlos und der Verzweiflung nahe auf den Waldrand zu. Bald hatte er ihn erreicht. Bald war er in Sicherheit. Nur noch wenige Meter.

 

Er hatte sich verschätzt. Es waren mehr als nur wenige Meter, doch dennoch konnte er das Ende schon sehen. Das Ende dieses Schreckens. Die Hoffnung trieb ihn an. Die Hoffnung brachte ihn dazu immer wieder aufzustehen und weiterzulaufen. Sie war alles, was ihn am Leben hielt. Mit ihr würde er es schaffen. „Der Wald ist bald zu Ende“, sagt er sich immer wieder selbst vor. „Bald hab ich es geschafft. Bald bin ich in Sicherheit.“ Die Bäume wurden lichter. Sie wichen der Dunkelheit und schufen Platz für das Feld. Er hatte den Rand schon fast erreicht. Ein riesiger Schatten baute sich vor ihm auf. Er sah noch die Zähne des Untiers, die im Licht aufblitzten, dann stürzte es sich auch schon auf ihn. Der letzte Schrei seines Lebens hallte durch den Wald, bevor wieder Stille eintrat. Er hätte besser nicht auf Hoffnung zählen sollen.

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Bildmaterialien: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 16.12.2021

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