Er zuckte zusammen, als er das Geräusch hinter sich hörte und wandte sich um. Der Schatten der Mauer bewegte sich, doch er konnte dessen Auslöser nicht erkennen. Beunruhigt wandte er sich wieder seinem eigenen Ziel zu. Stumm betrachtete er sie. Kaum jemand nahm ihn wahr. Als wäre er nicht da. Als wäre er nie da gewesen.
Hin und wieder schüttelte er mit dem fast leeren Becher vor ihnen hin und her. Es war kaum Geld darin, doch das Geräusch der aneinander klirrenden Münzen ließen die Menschen hersehen, oder brachte sie dazu die Blicke schnell abzuwenden, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, um ihn aus ihren Gedanken zu verscheuchen. Als gäbe es ihn nicht. Weil sie sonst etwas hätten tun müssen. Er war es gewohnt. Manchmal machte er sich nicht einmal mehr die Mühe seine Bitte auszusprechen. Es reichte, wenn er ihnen den Becher vor die Nase hielt. Das Ergebnis wäre ohnehin dasselbe.
Ein Mann ging an ihm vorbei und warf achtlos einige Münzen in den Becher. Er rief ihm ein Danke hinterher. Die anderen Menschen sollten ja nicht glauben, dass er undankbar wäre. Er ließ seinen Blick in den Becher schweifen. 25 Cent. Dennoch wagte er es nicht sich auch nur in Gedanken zu beschweren. Er konnte jeden Cent gebrauchen.
Seine Nackenhaare sträubten sich und er wandte seinen Blick wieder zur Mauer um. Der Schatten hatte sich nicht bewegt. „Das hast du dir nur eingebildet“, versuchte er sich zu beruhigen und beobachtete wieder die Menschen vor ihm. Es dauerte nicht lange bis er sich erneut umdrehte. Der Schatten war starr, aber er bildete sich ein, dass er vor wenigen Sekunden ein Stück weiter hinten war.
Ein Mann ging an ihm vorbei und unterhielt sich mit einem Freund. Laut genug, dass er ihr Gespräch hören konnte. „Diesen Abschaum sollte man von der Straße wegschaffen.“ Sein Freund stimmte ihm zu. Stumm betrachtete er die beiden Fremden, die schon aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Er hätte kein Problem damit gehabt von der Straße herunterzukommen, allerdings war er sich sicher, dass sie das nicht so gemeint hatten.
Stumm sah er den Menschen zu. Wie sie sich unterhielten. Wie sie lachten. Wie sie über ihre Alltagsprobleme sprachen, die in seinen Augen absolut keine wichtigen Probleme waren. Nur kleine Unannehmlichkeiten. Sie alle waren so voller Freude. Sie waren nicht alleine. Sie hatten alle jemanden zum Reden, Schreiben, Telefonieren. Das hatte er alles nicht. Er war ganz alleine. So alleine.
Etwas streifte an seinem Ellbogen. Etwas Haariges und er bekam eine Gänsehaut. Er war erstarrt und musste sich kurz seelisch darauf vorbereiten bis er es wagte sich umzudrehen. Die schwarze Katze stieß ihn mit dem Kopf an und begann zu schnurren. Mit einem sanften Lächeln begann er sie zu streicheln und zufrieden legte sie sich auf seinen Schoß und schloss die Augen. Jetzt war er nicht mehr alleine auf der Straße. Jetzt hatte er eine Katze. Er beschloss sie Felicity zu nennen. Er fand, es würde passen.
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2021
Alle Rechte vorbehalten