Der Weg war verschneit. Es lag nicht sehr viel Schnee, aber dennoch durchnässte er seine Turnschuhe. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg. Er hätte das besser vorbereiten sollen. Für dieses Wetter war er nicht gut genug ausgestattet. Seine Jacke war zu dünn und der Wind pfiff durch sie. Wenigstens hatte er daran gedacht sich eine Haube, Schal und Handschuhe mitzunehmen. Immerhin etwas. Dennoch nicht genug. Er zitterte. Immerhin würden es nun schöne Fotos werden. Fotos von einer verschneiten, idyllischen Landschaft, mitten im Schnee versunken.
Er fröstelte und der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Er hatte sich definitiv nicht gut genug vorbereitet. Vorsichtig kniete er sich hin und schoss ein Foto von einem seiner Fußabdrücken im Schnee. Sie waren die Einzigen, die weit und breit zu sehen waren. Er richtete sich auf und verfluchte den Wind, der nun wieder durch seine Kleidung pfiff. Er musste schleunigst in den Wald, um ihm zu entkommen. Schnell überwand er die flache Ebene zwischen ihm und dem kleinen Waldstück. Erleichtert atmete er auf, als der Wind ihn nicht mehr erreichen konnte.
Es war hier still – bis auf den Wind, der nun etwas abgeschwächt war, war nichts zu hören. Kurz blieb er stehen und sah sich um. Dann bewegte er sich langsam weiter vor und wünschte sich, dass der Schnee unter seinen Füßen nicht so laut knirschen würde. In dieser Stille hörte er es noch lauter und er wollte niemanden aufschrecken. Vor allem nicht die wenigen Kleintiere, die ihm möglicherweise über den Weg laufen würden. Oder auch nicht.
Er ließ seinen Blick durch das Unterholz wandern. Der Großteil war von Schnee bedeckt. Dazwischen waren einige abgebrochene Zweige und Tannennadeln. Ein trostloser Anblick.
Er schoss einige weitere Fotos und wandte sich wieder um. Frustriert sah er zurück, bevor er sich wieder seiner Kamera widmete. Eine Menge Nebelfotos hatte er schon – gemeinsam mit Unmengen von verschneiten Landschaften. Er fotografierte einige verschneite Tannenzapfen und ließ seinen Blick weiter nach oben schweifen. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er einen Eiszapfen und stellte den Fokus scharf. Direkt auf die Spitze. Das erste war verschwommen, beim zweiten waren sie kaum zu sehen und beim dritten beschloss das Licht ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er fluchte leise. Soviel zu, er wolle ein paar schöne Tierfotos im Schnee machen. Warm genug angezogen, um auf Wildtiere zu warten war er auf keinen Fall und hier war sowieso weit und breit keine Spur von welchen. Genervt nahm er die Kamera wieder vors Gesicht und betrachtete die umstehenden Bäume durch seinen Sucher.
Dann sah er sie. Da saß sie. Direkt vor ihm. Mit einem Lächeln auf den Lippen richtete er seine Kamera auf sie. Das war es. Das perfekte Foto.
Der Wind warf ihn um und mit einem Schrei kippte er nach vorne über und versank im Schnee. Die Blaumeise auf dem kleinen Vogelhäuschen, das wohl ein Förster aufgehängt hatte, schreckte hoch und flatterte keck davon. Bald schon war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.
Er fluchte. Diese Gelegenheit auf das perfekte Foto hatte er verpasst und für eine neue war ihm zu kalt, außerdem dämmerte es schon. Heute würde er kein sinnvolles Foto mehr zustande bekommen.
Bildmaterialien: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 02.12.2021
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