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Wer andren eine Grube gräbt

Wer andren eine Grube gräbt hat definitiv nichts besseres zu tun. Oder etwa doch nicht? Er war sich nun nicht mehr ganz sicher, denn diese Grube war ganz sicher nicht für ihn. Zumindest würde er nicht am Ende dieses Tages darin liegen.

Er rammte die Schaufel in die Erde und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Allmählich wurde es dunkel. Er musste sich langsam schon beeilen. Die Grube war noch nicht besonders tief. wenn man jedoch bedachte, dass es Mitte November und der Boden schon fast gefroren war kam sie ihm schon viel tiefer vor. Stumm rechnete er sich vor wieviel Zeit er noch hatte. Nicht viel. Und definitiv nicht genug. Aber er durfte nicht schlampig werden.

 

Mit einem Seufzen machte er sich wieder an die Arbeit. Er konnte es sich nicht leisten aufzuhören. Er hatte nicht die Zeit dazu. Erst als die Sonne untergegangen war gab er auf. Es hatte keinen Sinn mehr weiter zu machen. Absolut keinen Sinn. Monika hatte heute noch scherzhaft gemeint, dass man sich zu dieser Jahreszeit schon echt Mühe geben müsste eine Grube auszuheben. Sie hatte Recht behalten, aber nun hatte sie keine Möglichkeit mehr darüber zu lachen. Er ließdie Schaufel fallen und bückte sich. Es war schwerer als er gedacht hatte und am Ende beschloss er sie zu schleifen. Nicht das es eine Rolle gespielt hätte ob er sie getragen hätte oder nicht – immerhin war sie schon tot, aber sie hatte es auch nicht besser verdient. Da waren sie sich alle einig gewesen. Er fragte sich was Sasha wohl dazu gesagt hätte. Er gab ihr einen letzten Stoß und Monikas lebloser Körper rollte in das Loch.

Er wagte es nicht die Scheinwerfer seines Autos aufzudrehen, um besser sehen zu können. Schnell schnappte er sich die Schaufel und begann die Grube wieder zu füllen. Mit jeder Schaufel dachte er an das was sie getan hatte und bald schon flog die Erde so schnell ins Loch, dass seine Gedanken nicht mehr nach kamen. Du hast deine Tochter geschlagen. Du hast dafür gesorgt, dass sie keine Freunde hat. Du hast sie hungern lassen. Du hast sie vor aller Augen gedemütigt. Du hast… Seine Gedanken blieben hängen, als das Bild wieder vor seinen Augen auftauchte. DAS BILD! Das Bild, das zu ihrem Tod geführt hatte. Der Junge, der Sasha auszog, sie vom schreien abhielt. Und wie ihre Mutter bloß daneben gestanden und das Geld gezählt hatte, während sie vergewaltigt wurde.

Er schloss die Augen und verdrängte das Bild seiner zehnjährigen Schwester. Er war froh mit seinen Freunden hineingeplatzt zu sein, auch wenn ihn die Panik und Machtlosigkeit nicht mehr losließen. Aber sie waren nicht machtlos gewesen und deshalb stand er nun hier mit einer Schaufel in der Hand.

 

Er warf die letzte Schaufel Erde hinein und begann sie festzutreten. Nun würde sie ihr nie mehr weh tun können. Erleichtert warf er die Schaufel zurück in seinem Kofferraum und startete den Motor. Er warf noch einen schnellen Blick zurück.

Irgendwie hatte sie sich diese Grube selbst gegraben – im übertragenen Sinn. Er hatte bloß das ausheben für sie übernommen.

Impressum

Bildmaterialien: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 31.10.2021

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