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Licht, Schatten, Dunkelheit

Eigentlich sollte sie nicht hier sein, durfte sie nicht hier sein. Das war ihr bewusst. Das große BETRETEN VERBOTEN Schild machte es klar und deutlich, aber sie nahm solche Dinge nie so genau. Sie hielt sie bloß für Vorschläge, für Hindernisse, die das Geheimnisvolle verbargen, die ihr die schönsten Ding untersagten. Sie festigte den Griff um ihre Kamera und kletterte vorsichtig über einen heruntergefallenen Balken. Sie folgte den dumpfen Lichtstrahlen, die durch die Decke fielen und betrachtete ihren Verlauf. Ihre Befürchtung, dass es hier zu dunkel für anständige Fotos sein würde verflüchtigten sich sofort, als sie durch die angelehnte Tür quetschte, die sich aufgrund ihres Zustandes nicht mehr öffnen ließ. Vorsichtig brachte sie die Kamera in Position und schoß ein Foto der verklemmten Tür und deren verbogenen Metals. Dann wandte sie sich der anderen Seite zu. Sie musste lächeln, als sie sah wie das hereinfallende Licht die alten herunterkommenden Mauern traf. Der Einfall des Lichtes war immer schon ihr Lieblingsmotiv gewesen. In nichts war sie besser, als das spielen mit Licht. Natürliches Licht mochte sie besonderes. Dieses konnte sie nicht kontrollieren so wie sie es mit dem künstliche in ihrem Studio tun konnte. Hier musste sie sich anpassen und nicht umgekehrt. Sie schoss ein weiteres Foto. Eine Ziegelsteinwand und ein abgebrochener Sessel befanden sich schnell im Sucher ihrer Kamera und kurz darauf auf ihrer Speicherkarte. Ihr Blick fiel von einem im Licht getränkten Gegenstand zum nächsten. Gekonnt betrachtete sie sie und entschloss sich innerhalb eines kurzen Zeitraums welchen Winkel sie für dieses Foto nutzen würde. Lächelnd machte sie das nächste Foto und vergaß dabei ganz die Zeit. Nur die Lichtstrahlen ließen sie diese wahrnehmen. Ihr kribbelten die Nackenhaare und sie ließ die Kamera sinken. Irgendetwas war anders. Sie war nicht mehr allein. 

Sie hörte das Geräusch und duckte sich schnell hinter einen alten morschen Schreibtisch. Sie konnte nicht anders und musste ein Foto davon schießen wie die Holzwürmer dort ihre Spuren hinterlassen hatten. Dann sah sie den Schein der Taschenlampe. Bei dem Licht im Raum wäre es gar nicht erst nötig gewesen, dennoch wirkte es wunderbar. Der Schein vermischte sich mit dem einfallenden Lichtstrahlen. Mit einem Lächeln auf den Lippen begann sie Fotos zu schießen. Dann fiel der Strahl der Taschenlampe auf sie und sie wusste er hatte sie gesehen.

 

Lächelnd betrachtete sie das Foto an der Wand. Es war eindeutig das beste in ihrer Ausstellung und sie hatte auch schon sehr viele Angebote, in einer Höhe bei der ihr fast schwindelig wurde dafür bekommen. Das traf nicht nur auf dieses zu sondern auch auf viele andere. Dennoch war das hier ihr Meisterwerk. Sie betrachtete den Polizisten auf der Leinwand, dessen Gesicht halb im dunklen, halb im Licht lag. Der Staub um ihn herum schimmerte und die aufblitzende Taschenlampe stand im Mittelpunkt. Lächelnd wandte sie sich von dem Foto zum Rest ihrer erfolgreichen Ausstellung zu. Licht, Schatten, Dunkelheit hatte sie sie genannt. Was für ein passender Name. Licht. Schatten. Dunkelheit.

Impressum

Bildmaterialien: Anthea Rainel
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2021

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