Cover

Puppenspiel




Kleine Körper, aufgereiht in den Regalen.
Weiße Haut, kaltes Porzellan, rote Lippen drauf gemalt.
Bunte Kleider, froh und voller Phantasie, schmücken die kleinen Körper.
Lockige Haare, schwarz, rot, braun, blond, Kunsthaar auf Kinderköpfen.
Klare Augen, stahlend, glänzend, und dennoch totes Glas.

Schön, anmutig.
Und doch so traurig.
Puppen.

Alle so perfekt, so unschuldig.
Und doch, einen Kratzer an der Wange hat die eine, hinten die, versteckt.
Ein Finger fehlt der anderen, gramvoll versteckt im Kleid.
Hier ist es nur der Schuh, da ist der Rock zerrissen. Beides sieht man nicht.
Der in der Zweiten Reihe fehlt ein Arm.
Daneben die hat lang schon keine Haare mehr.
Einen Fleck unterm Auge hat die letzte. Aufgemalt nur aus Versehen, Täne toter Augen.

Alle wurden mal geliebt.
Mit allen hat mal wer gespielt.
Doch der ist nun erwachsen.

Aufgereiht in den Regalen, reglose Körper, lebendig nur durch Phantasie.
Tot.
Kaltes Porzellan, Glasaugen, traurig und doch klar.
Vergessen sind sie, gesammelt noch, doch nur zum Schmuck.
Die schönen stehen in der ersten Reihe.

Doch die die man geliebt, mit denen man gespielt, die vom Spiel für immer gezeichneten, die sitzen weiter hinten, denn die Zeigt man nicht.
Natürlich nicht.
Mit Puppen kann man alles machen.
Spielen.
Leben.
Lieben.
Vergessen.

Puppen leben nicht.
Sie haben nur traurige Augen.
Wie wir auch.


Ende


Weihnachten




Weihnachten, das fest der Liebe, das Fest, an dem wir aneinander denken. In der Hast des Alltags halten wir für einen Moment inne, besinnen uns und erkennen, dass wir nicht alleine sind.

Eine schöne Erkenntnis, findest du nicht?

Aber so kurz, nur ein paar Tage, dann hat uns die Realität zurück. Dann hetzen wir wieder im Fluss der Zeit, stets darauf bedacht, die doch viel zu knapp bemessene Zeit, die uns vergönnt ist, zu verlangsamen.

Doch im Moment ist Weihnachten, da ist das nicht so, oder?

Oder ist es das vielleicht doch?

Wir haben so viel zu tun, wie alle. Wir sind doch so viele, zu viele, um an alle anderen zu denken.

Also doch Hektik.

Nimm dir doch mal nur einen kleinen Moment Zeit, irgendwann, und keine Angst, du wirst nichts verpassen. Setze dich an ein Fenster und sieh hinaus. Was siehst du?

Vielleicht schneit es ja! Siehst du die Flocken? Die weißen, sanften Flocken, die kurz so kalt sind, wenn man sie auffängt, bevor sie schmelzen. Sie sind alle ganz verschieden, wenn du genau hinsiehst. Und sie sind wunderschön.

So kalt.
So einzigartig.
So vergänglich.

Sie ihrem fröhlichen Treiben zu, ist es nicht schön? So ruhig.

Schau mal, da hinten! Dort, vor dem haus gegenüber!

Siehst du das Mädchen, das dort spielt? Siehst du, wie es den Schnee genießt? Die weiße Pracht lachend mit dem mund auffängt? Hör genau hin, kannst du ihr Lachen hören?

So hell.
So klar.
So wunderschön.

Spürst du ihre Freude? Sie freut sich so sehr, dass es richtig ansteckend ist. Spürst du es auch so intensiv?

Da, sieh mal, am Ende der Straße, der kleine Junge. Er sieht nicht so fröhlich aus, so wie er da auf dem Treppenabsatz sitzt, den Kopf auf die Hände gestützt. Siehst du seine Tränen?

Nein, sehen kannst du sie nicht, er weint ja gar nicht, er hat ja keine Tränen mehr, seit sein Vater ihn und seine Mutter verlassen hat.

Er tut mir leid, dir auch? Er ist noch so jung, vielleicht fünf, höchstens sechs.

So alleine.
So verlassen.
So traurig.

Die Welt ist ungerecht, oder?

Weißt du was, ich habe eine Idee!

In der Küche steht doch noch die Dose, die alte, die mit den Plätzchen, die du letzte Woche gebacken hast. Und auf dem Herd, steht da nicht doch der Kakao, den du dir vorhin gemacht hast?

Komm, zieh deinen Mantel an und vergiss nicht den Schaal, es ist doch kalt, und dann nimm die Dose und den Kakao und noch drei Tassen und dann geh raus auf die Straße.

Wink dem Mädchen zu, es wird dir tragen helfen, und geh zu dem Jungen. Setz dich zu ihm und schenk euch Kakao ein.

Schau mal, seine Augen, wie sie zu leuchten anfangen, als er auf die dampfende Tasse schaut!

Weißt du, was ich glaube?

Ich glaube, du hast gerade jemanden wirklich glücklich gemacht. Spürst du das Gefühl? Diese Zufriedenheit, etwas Gutes gemacht zu haben?

So schön.
So gut.
So einfach.

Oder war es schwer gewesen? Oder hektisch? Oder hat es weh getan?

Schau mal, in einigen Jahren, siehst du den jungen Mann, der dort den Schnee vom Bürgersteig räumt, dort, vor dem Haus gegenüber?

Er schaut auf und winkt dir zu hinter deinem Fenster, hinter dem du so oft sitzt, seit du alt bist und alleine.

Er ist mit seiner Arbeit fertig und aus dem Haus kommt eine junge Frau. Auf dem Arm ihr Kind ist warm angezogen, es ist sein erstes Weihnachten. Der Mann legt seinen Arm um die Frau und gemeinsam überqueren sie die Straße.

Sie verlassen dein Blickfeld, sie sind wohl auf dem Weg zu Bekannten.

Plötzlich klingelt es bei dir. Du schreckst auf und gehst zur Tür, auf denen Stock gestützt.

Du öffnest di Tür und siehst dir drei, die Frau, den Mann und das Baby. Sie begrüßen dich fröhlich und kommen rein. Die Frau hat noch eine Kanne dabei, eine Kanne voller Kakao. Und eine Dose mit Plätzchen.

Spürst du dir Träne auf deiner Wange?

Nicht traurig.
Nicht alleine.
Nur noch glücklich.

Ende


Königin der Nacht




Leise schlich sie durch die verlassenen Gassen der Stadt. Ihr geschmeidiger, schwarzer Körper huschte durch die Lichtkreise der Straßenlaternen. Weit über ihr warf der Vollmond sein blasses Licht auf sie hernieder. Sterne leuchteten am sonst nachtschwarzen Himmel.

Es war still, nur manchmal hörte sie, wie Tauwasser von den schneebedeckten Dächern tropfte. Auch auf den Straßen lag die dünne, weiße Pracht. Sie überquerte die Straße und ihre Pfoten hinterließen kleine Abdrücke, die schon bald von Größeren wieder vernichtet werden sollten.

Sie hörte Stimmen und blickte in die Richtung, aus der sie kamen. Dort, am Ende der Straße, erschienen Menschen im Licht der Laternen. Schnell verschwand sie in einer Nische zwischen zwei Häusern. Die Menschen kamen näher und passierten sie, ohne sie zu bemerken.

Noch einen Moment wartete sie, bevor sie sich wieder aus ihrem Versteck wagte und weiter durch die schlafende Stadt schlich.

Langsam fing es an zu regnen. Fröstelnd setzte sie ihren Weg fort, ihren Weg, der doch kein Ziel hatte.

Der Regen wurde stärker und schon bald war sie völlig durchnässt. Endlich fand sie einen dunklen Hinterhof, in dem eine kleine Kiste stand. Schutzsuchend verkroch sie sich in ihr und hörte dem Regen zu, wie er auf die Kiste trommelte.

Zitternd rollte sie sich zusammen und legte ihren Schwanz wie eine Federboa um ihren grazilen Körper.

Plötzlich fiel Licht auf die Kiste, in der sie lag. Ängstlich blinzelte sie in den Schein der Lampe, die auf sie gerichtet war. Dort, nur ein paar Schritte entfernt, stand ein Mädchen und rief nach ihr.

Freudig kletterte sie aus der Kiste und lief dem Mädchen entgegen, das sie glücklich hochhob und an seine Brust drückte. Sie fing an zu schnurren und vergrub ihre Krallen im weichen Stoff der Kleidung des Mädchens, all die Wärme genießend, die von diesem Geschöpf ausging.

Schluchzend drückte das Mädchen die Katze. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Was hast du dir dabei nur gedacht?“, schalte sie das kleine Geschöpf, bevor sie sich mit ihr auf den Weg nach Hause machte, zurück ins Warme.

Ende.

Der treue Narr




Sagt, habt Ihr denn schon einmal
Davon gehört, was einst gewesen
In einem fernen Land in ferner Welt?
Ach, nein? Noch nie habt Ihr gelesen
Von einem, der keinen Krieger, doch ein Held
In der größten aller Schlachten war?

So lasst mich Euch erzählen,
Was Assan, Herr der Dunkelheit,
Für einen tapf’ren Narren hat’,
War Meister aller Fröhlichkeit,
Riss Possen, wie er’s immer tat,
Bis der Krieg ins Lande kam.

Fürwahr, er war kein großer Krieger,
So blieb er, als das Heer zog aus,
In der Festung seines Herrn,
Wollt’ nicht kämpfen, blieb zu Haus’,
Doch sein Schicksaal war nicht fern,
Es wartete im Hof auf ihn.

Mit Pauken und Trompetenklang,
So zog das Heer hinaus,
Durchs Tor hinaus in große Schlacht.
Von seinem hohen Fenster aus
Sah’s und nun hielt er die Wacht
Ob Festung und das Volk.

Die Tage, sie verstrichen schnell,
Und schon war eine Woch’ vorbei,
Doch das Heer kam nicht zurück,
Noch kamen Boten beiderlei.
Von Niederlage oder Siegesglück;
Der Narr, zu ihm drang nichts.

Er wartete, der Zweifel wuchs,
Würd’ Assan jemals wiederkehr’n?
Doch der Narr, so treu ergeben,
Hoffte, dass in weiter Fern’
Assan immer noch am Leben
Sei und kehrte heim alsbald.

Doch des Nachts in Dunkelheit,
Ein Schatten zu den Toren schlich,
Der Schatten tat die Tore auf,
Und als die Nacht dem Morgen wich,
Die Feinde durch das Tor hinauf
Kamen zu erobern Assans Burg.

Sie weckten alle Schläfer auf
Mit Klang, dem Klang der Schwerter,
Und eh die Sonn’ Zenit erreicht’
War’s stille in der Burg und später,
als das Sonnenlicht erbleicht,
der Schatten zu den Feinden ging.

Der Narr sah alles aus der Eck’
In der er sich verbarg vor’m Feind,
Sah, wie der schwarze Mantel fiel,
Der Träger mit dem Feind vereint,
Der Feind den Schatten sicher hielt,
Des Weibes Assans liebliche Gestalt.

Da kochte Wut im Narren auf,
Die Verräterin mit Hass er sah,
Er ergriff das Kampfgerät,
Ging los auf die, die untreu war,
Er stach ihr in die Brust, sie geht
In die Knie, sie war tot.

Erschrocken sah der Feind den Narr’n,
Der Narr ihn keines Blickes würdigt’,
Sah auf das Antlitz seiner Königin,
Die unten dort am Boden liegt.
War Assan treu von Anbeginn,
Doch das Reich war nun verloren.

Mit Wucht ihn die Erkenntnis traf,
Dass alle Schlachten sind vergebens,
Wenn Herrscher und die Herrscherin
Nicht mehr steh’n im Licht des Lebens.
Und so sah er keinen Sinn
In seinem eigenen Bestehn.

Ihm traten Tränen in die Augen,
Als die Tat ihm wurd’ bewusst,
Die Treue, sie hat ihn getrieben
Zum Mord, doch dann zum Frust,
Wär’ er doch nicht zu Haus’ geblieben,
Wär’ er wohl tot, jetzt holt’ er’s nach.

Das Messer nähert sich der Kehle,
Als wenn es nun, vom Blutdurst wild,
Sich gegen seinen Träger richt’
Und der Narr, er war gewillt,
Dass er hier und jetzt erblich’
Und zu seinem Herrn hingeht.

Nun hörtet Ihr, was einst gescheh’n,
Mit einem, der die Treue hielt,
Selbst als besiegt sein König war,
Er hatte dieses Spiel gespielt
Und gewählt, als es zu Ende war,
Den Freitod, von der Treue wegen.




Der Königin Tod



Hoch über dem Feld des Krieges
Steht sie, von fern noch zu sehn’,
Gerade und stolz scheint sie zu stehn’,
Sie ist die Königin, doch nicht des Sieges.

Ihr Land, ihr Volk, sie ham’ verloren,
Ihr Blick, einst gütig, doch nun leer,
Ihr Herz gebrochen, ihr Los ist schwer,
Ihr Los, aus diesem Krieg geboren.

Langsam geht sie über’s Feld,
Eine Träne über ihre Backe rinnt,
Sie schaut auf, die Trän versinkt,
In diesem Krieg gab’s keinen Held.

Sie sieht ihr Volk, es ist nun tot,
Vor ihr liegt es jetzt im Dreck,
Für immer fort, es bleibt nun weg,
Der Schlamm – von Volkes Blute rot.

Sie bricht Zusammen, sie weint und schreit,
Mitten auf dem Feld der Leichen,
Doch das Licht, es will nicht weichen,
Drum hat sie sich von ihm befreit.

Dem Licht folgt nun die Dunkelheit,
Sie, die einst so mächtig war gewesen,
Hat selber sich, ich hab’s gelesen,
genommen die Lebendigkeit!




<<font;center>font;_bold>Der Traum


Der schöne, schwarze Hengst, auf dem sie saß, galoppierte über die endlos scheinenden grünen Hügel. Warmer Wind peitschte ihr Gesicht und riss an ihren Kleidern. Der gleichmäßige Gang des Schwarzen gab ihr Sicherheit. Vorsichtig ließ sie die Zügel los und breitete die Arme aus. Glück durchströmte sie bis in die Fingerspitzen, als sanftes kribbeln im Bauch beginnend und sich dann nach außen hin ausbreitend, bis es sie schließlich ganz auszufüllen schien und als lautes Lachen aus ihr herausbrach. Sie warf den Kopf zurück und genoss dieses Gefühl, während ihr Pferd sie sicher dem Horizont entgegentrug.

Rot hob sich der abendliche Himmel vom dunklen Land ab, die Sonne stand übermäßig groß vor dem Mädchen und ihrem Reittier. Plötzlich beschleunigte der Hengst immer mehr, wurde schneller und schneller, bis schließlich die Landschaft zu einem Schleier aus grün und braun verschwamm. Nur noch die Sonne war deutlich in ihrem Orange zu erkennen, als das Pferd seine Flügel ausbreitete und vom Boden abhob. Die kräftigen Schwingen hoben und senkten sich, als es anmutig der Sonne entgegenflog. Gleißend helles Licht blendete seine Reiterin und ließ sie ihre Augen schließen. Immer höher flogen sie und die warmen Sonnenstrahlen streichelten sanft das Gesicht des Mädchens.

Langsam senkte sie die Arme und legte ihre Hände auf den geschmeidigen Hals vor ihr. Vorsichtig ließ sie ihre Finger durch die weichen Federn gleiten und öffnete die Augen. Der große Adler wandte ihr seinen mächtigen Kopf zu, als würde er ihre Berührungen genießen. Dann legte er sich in die Kurve und ihr Blick wanderte nach unten. Dort, tief unter ihnen, sah sie die Landschaft vorüberziehen. Wie winzig doch alles aus dieser Höhe heraus betrachtet aussah! Fasziniert lehnte sie sich weiter vor, um besser sehen zu können. Felder und Wälder gingen ineinander über und verschmolzen zu einem Teppich aus grün und braun.

Auf einmal senkte der Adler den Kopf und flog wieder nach unten. Größer und größer wurden die Bäume unter ihnen, bis sie schließlich nur wenige Meter über deren Spitzen in atemberaubender Geschwindigkeit dahinflogen.

Schlagartig hörte der Wald auf, als sie über eine Klippe flogen und sich unter ihnen nur noch das weite Meer befand. Immer tiefer sank der Adler, bis er und das Mädchen schließlich in die schillernden Wellen eintauchten. Sie klammerte sich an dem Delphin fest, der gleich nach seinem Eintauchen in das kühle Nass wieder an die Oberfläche kam.

Noch immer stand die untergehende Sonne groß vor ihnen am Himmel. Schwarz ragten Segel vor ihr auf. Je näher der Delphin ihnen kam, desto größer wurden sie, bis das Mädchen das Schiff schließlich ganz sehen konnte. Ihr Blick wanderte an der gewaltigen Außenwand des Schiffes hoch zur Reling. Ganz vorne am Rumpf war eine Gallehohnsfigur in Form eines geflügelten Delphins angebracht. Ein schwarzes Pferd schmückte das größter der aus der Nähe betrachtet rubinroten Segel.

Der Delphin wurde langsamer und schwamm nun ganz nah an der Wand des Schiffes entlang, bis sie zu einer Strickleiter kamen, die bis zu ihnen herunter reichte. Neugierig griff das Mädchen nach den Sprossen und kletterte daran hoch.

Vorsichtig betrat sie das Deck und sah sich um. Nirgends war jemand zu sehen. Nichts war zu hören außer dem leisen Quietschen der Masten, wenn der Wind die Segel straffte. Sie ging ein paar Schritte, als sie noch ein Geräusch vernahm. Sie drehte sich in die Richtung, aus der es kam, um. Dort, zwischen den Tauen und Fässern, stand jemand. Er musste sie auch gesehen haben, denn er kam auf sie zu. Erschrocken blieb sie stehen, bis er schließlich vor ihr stand.

Schulterlange, leicht gewellte schwarze Haare rahmten sein schmales Gesicht ein. Seine Adleraugen und die leichte Hakennase gaben ihm ein strenges Aussehen, wäre da nicht das leichte Lächeln um seine geschwungenen Lippen gewesen. Auf seinem kobaltblauen Umhang prangte ein silberner Delphin.

Er streckte seine Hand aus und berührte das Mädchen an der Wange. Die Berührung war kalt, aber nicht unangenehm. Eher wie die des Delphines, der sie zum Schiff getragen hatte. Glücklich ließ sie sich von ihm in seine Arme ziehen und genoss seine Nähe.


"Sag mal, träumst du schon wieder?" Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen und sah auf, direkt in die Augen ihrer wütenden Lehrerin. "Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du in meinem Unterricht gefälligst nicht zu schlafen hast?" Beschämt senkte sie die Augen und sah auf das Heft auf ihrem Tisch. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Schimpftirade ihrer Lehrerin, doch ihre Gedanken waren längst weitergegangen. "...und lass dir das eine Lehre sein!" Wütend drehte sich die Lehrerin um und rauschte davon. Seufzend sah das Mädchen aus dem Fenster. Ein schwarzes Pferd galoppierte über die sanften, grünen Hügel vor dem Schulgebäude...

Ende


Das Rad




Ein großes Rad das Schicksal ist,
das immer weiter sich doch dreht,
Es dreht sich weiter und es geht
Zu stoppen nicht mit aller List.

Immer, immer weiter dreht
Sich das Rad der Zeit im Kreise,
Bis man dann nach langer Reise
Wieder auf dem Boden steht.

Es dreht das Rad des Schicksals sich
Weiter stets im gleichen Takt.
Wer drunter liegt hat Pech gehabt
Denn Rücksicht kennt es nicht.

Es geht hinauf und auch herab,
Es dreht sich stets im gleichen Trott.
Von unten hoch geht es nicht flott,
Wieder runter geht’s im Trab.

Das ist das Rad das immer rollt,
Solang die Menschheit bleibt besteh’n.
Dreht es sich weiter und wir geh’n,
wie es das Rad der Zeit gewollt.


Die Dose




Es war einmal ne Dose klein,
Der Inhalt, der war flüssig, fein.

Und weil er schmeckte gar so lecker,
Erfreute vielerlei Geschmäcker,

War er getrungen und die Dose leer,
Nun sie brachte keinen Nutzen mehr.

Doch da gabs jetzt ein Problem,
Was sollte mit der Dos geschehn?

Sollte sie hinfort geworfen
Werden, still und heimlich im Verborgnen

Ins Gebüsch, den Teich, den Bach,
Aufs Feld, den Spielplatz oder ach!

Vielleicht doch auch, wer hätts gedacht,
In den Eimer, der für Müll gemacht.

Dieses doch sehr dubiose Ding,
Das an einem Pfosten hing,

War sauber mehr als alles drum
Herum, da wärs doch richtig dumm,

Wenn man es verschmutzen würde
Und drum nimmt man schnell die Hürde

Und die Dose landet, gar nicht übel,
Gut geworfen, drin im Blumenkübel.


Der Sturz




Hoch oben auf der Berge Zinnen,
Da steht er, den Blick gesenkt.
Seine einst schneeweißen Schwingen
Sind nun zerrissen und schwarz.

Den Blick nach oben er nun hebt,
Bis er das Dach der Welt berührt.
Im Engelsreich hat er gelebt,
Der Weg zurück ist ihm verwehrt.

Er tat, was Unrecht war gewesen,
Zumindest ward ihm das gesagt,
Von andren wunderbaren Wesen,
Die mit ihm dieses Reich geteilt.

Was er wirklich einstmals tat,
Damit im diese Strafe zugeteilt,
Davon er keine Ahnung hat,
Noch wird er’s jemals wissen.

Geschehen ist’s und nimmermehr
Wird er zurück ins Reich der Engel
Kehren wo er einst kam her
Und wird für immer sein verbannt.

So wird es allen dann gescheh’n,
So, wie essein Schicksal ist,
Auch wenn sie treu zur Heimat steh’n.
Nur Einjemand ihnen Böses will.


Vampirjäger-Schicksal




Es ist bereits dunkel, als ich vorsichtig das Haus verlasse. Ich muss aufpassen, dass meine Eltern nichts davon mitbekommen, denn sie wollen nicht, dass ich mich nachts draußen rumtreibe, aber ich muss! Wer würde in dieser Stadt noch ruhig schlafen können, wenn ich es nicht tun würde? Was würden die Leute sagen, wenn sie wüssten, mit welchen Problemen ich nachts, wenn alle schlafen, fertig zu werden habe? Aber sie wissen es nicht, sie danken mir nicht mal dafür, dass ich nachtnächtlich ihre Leben rette! Aber das ist auch gut so, denke ich und husche schnell die Straße runter, immer Richtung Friedhof.

Ich erreiche mein Ziel, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Das ist gut, denn das, was hier passierte, passiert und noch passieren wird, ist zu gefährlich. Denn, wer würde einem Vampirjäger glauben, was er macht? Wer würde an die Existenz von Vampiren glauben? Und dann auch noch in einem Ort wie diesem?

Ich schon. Jede Nacht sehe ich sie, die Jäger und Gejagten der Finsternis. Ich sah, was sich keiner der friedfertigen Bewohner dieser ruhigen Kleinstadt auch nur in seinen schlimmsten Albträumen vorstellen kann!

Eine Bewegung schreckt mich aus meinen Gedanken auf. Da! Dort, am Rande meines Blickfeldes, hinten bei dem hohen Grabstein, dort bewegte sich etwas! Schnell ducke ich mich und nähere mich langsam besagtem Grabstein, immer darauf bedacht, keine Geräusche zu machen und nicht überrumpelt zu werden. Doch als ich an der Stelle ankomme, von der ich glaubte, jemanden gesehen zu haben, ist diese leer. Ich richte mich zu meiner vollen Größe auf und blicke mich um, doch ich kann niemanden sehen.

Wieder beuge ich mich zum Boden. Halb erwarte ich, dort in der weichen Erde Abdrücke von Füßen mit Krallen zu finden, denn dann wäre ich nah an meinem Ziel. Doch stattdessen sind es Abdrücke von schweren Stiefeln. Ich bin also nicht alleine, aber der Andere ist kein Vampir. Ein Jäger? Oder ein Anbeter der Finsternis? Ich weiß es nicht, doch ich will! Ich will wissen, wer sich da in meinem Gebiet befindet.

Also schleiche ich weiter, meine Nase berührt fast den Boden, damit ich meine Spur nicht verliere. Immer weiter über das Totenfeld führen sie mich, die Fußspuren. Im Zickzack um Gräber, Büsche und Steine, immer näher komme ich der Mitte des riesigen Friedhofes. Plötzlich halte ich an und betrachte den Boden genauer.

Leise fluche ich, als ich die wirren Spuren betrachte. Der Mensch, den ich verfolge, musste erschrocken sein, denn seine Spuren waren überall. Ich betrachtete den Boden genauer, und was ich sah, ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Dort, mitten unter den anderen Abdrücken, war er, der Abdruck eines nackten Fußes mit langen Krallen. Genau das, was ich nicht gebrauchen konnte! Ein Vampir befand sich in meinem Revier! Und das schlimmste: Er hatte es offenbar auf den Menschen abgesehen, der leichtsinnigerweise nachts auf den Friedhof ging. Oder war es nicht leichtsinnig? Wollte er das etwa? Doch wer konnte schon eine Begegnung mit einem ausgewachsenen Vampir wollen? Vielleicht ein Vampirjäger? Ja, das musste es sein, deshalb war ich schließlich auch hier. Das passt mir gar nicht. Denn was haben Jäger in meinem Gebiet zu suchen? Gar nichts, meiner Meinung nach.

Ich schrecke auf, als mir der Wind einen Schrei an die Ohren trägt. Nichts Menschliches war an diesem Schrei zu erkennen, er war hoch und laut, dabei klang er jedoch, als würde er durch meterdicke Watte gedämpft. Dann ein Schuss. Der Schrei wiederholte sich, doch diesmal blieb mir fast das Herz stehen, so qualvoll war er. Ich springe auf und sah mich um. Woher kam der Schrei? Ich kann es nicht feststellen, genauso wie die Richtung, aus der der Schuss kam. Ich wirbele im Kreis, damit mir nichts entgeht, das mir weiterhelfen könnte.

Plötzlich erscheint vor mir eine Gestalt und rennt, ohne mich zu bemerken, an mir vorbei. Die Gestalt hält ihren rechten Arm fest umklammert und stöhnt leise. Ich sehe ihr entsetzt hinterher. Hoffentlich wurde der Mensch noch nicht gebissen! Hoffentlich war er noch ein Mensch und keiner der untoten Schreckensgestalten. Doch schnell fasse ich mich wieder. Ich bin schon zu lange im Geschäft, als dass mich so etwas noch erschrecken könnte.

Ich renne los, in der Hoffnung, ihn noch einzuholen, bevor er verschwindet, doch ich bin zu spät. Er ist bereits in sein Auto gestiegen und fährt in Richtung Stadt. Enttäuscht wende ich mich ab. Ich hatte gehofft, heute Nacht noch arbeit zu bekommen, doch dieser Mensch hatte mir die Hoffnung vorerst zunichte gemacht.

Langsam gehe ich zurück auf den Friedhof. Ich will mir den Ort, an dem der Mensch den Vampir erlegt hat, einmal genauer ansehen, vielleicht war der Untote ja nicht der einzige, der es heute Nacht gewagt hatte, sich bei mir blicken zu lassen.

Als ich schon fast dort angekommen bin, wo der Kampf stattgefunden hat, höre ich ein leises Knacken unter meinen Füßen. Ich sehe nach unten und hebe das, was das Geräusch gemacht hat, auf. Vorsichtig betaste ich das kleine silberne ding und halte es zwischen zwei Fingern in den Schein des fahlen Mondlichts. Eine Silberpatrone! Der Mensch musste ein völliger Amateur sein, wenn er an den Unsinn glaubte, dass man Vampire nur mit geweihten Silberkugeln oder Bolzen vernichten kann! Ich lache leise auf und lasse mich in das Gras sinken, welches den Weg säumt. Wenn der wüsste, dass man Vampire genauso töten kann wie normale Menschen auch.

Langsam gehe ich wieder nach Hause, ich bin leicht enttäuscht, weil ich diese Nacht nichts zu tun hatte, aber die nächste Nacht kommt bestimmt. Leise schleiche ich mich ins Bett und warte darauf, dass meine Mutter mich wecken kommt.


Ich befinde mich auf dem Weg zur Schule, als mir meine Freundin Ella in die Arme rennt. Wild gestikulierend fängt sie an, auf mich einzureden. Ich verstehe nicht viel, aber den Sinn ihrer Worte bekomme ich mit. Wir haben einen neuen Lehrer an unserer Schule. Ich verstehe ihre Begeisterung nicht, denn das kommt ab und zu vor. Während ich versuche, sie zu beruhigen, gehen wir zusammen in den Klassensaal und setzen uns auf unsere Plätze.

Ich nehme meinen Stundenplan aus der Tasche und betrachte ihn. Wir haben jetzt Religion. Plötzlich fällt mir ein, dass unser alter Lehrer ja pensioniert wurde. Darum hatte sich Ella also so aufgeregt! Wir hatten einen neuen Religionslehrer. Ich muss zugeben, ich wollte auch wissen, wen wir da wieder zugeordnet bekommen hatten, aber deswegen musste man doch nicht gleich solch einen Aufstand machen!

Die Tür geht auf und ich sehe genau wie meine Mitschüler zu dieser, gespannt, wer durch die Tür kommen würde. Es erscheint ein noch relativ junger Mann und geht zum Pult. Sein rechter Arm ist anscheinend verletzt, denn er trägt ihn in einer Schlinge. Seine Haare sind hellgrau, genau wie seine Augen. Er trägt einen langen, braunen Ledermantel und darunter eine Kutte, die ihn als Mönch ausweist.

Na toll, denke ich. Ich habe etwas gegen diese Typen, die die ganze Zeit nur vom letzten Gericht und Buße reden, während ich mir die Nächte für ihr geistiges Wohl um die Ohren haue! Ich stöhne leise auf, doch wahrscheinlich war ich etwas zu laut, denn Ella stoßt mich tadelnd an. Schnell fasse ich mich wieder und versuche, mich auf den Mann in der Kutte, der da vor uns steht, zu konzentrieren, doch heute fällt mir das schwer. Ich weiß nicht, wieso, doch die vergangene Nacht will mir nicht aus dem Kopf. Schon seltsam, denn normalerweise grübele ich nicht über die Geschehnisse der Nächte, die ich auf dem Friedhof verbringe, doch diesmal ärgerte ich mich. Etwas war mit entwischt, und das spürte ich ganz deutlich.

Ich erschrak, als mir Ella unter dem Tisch gegen mein Schienbein trat und blickte auf. Vor mir stand unser Lehrer und sah mich streng an. War ich etwa eingeschlafen? Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber ich hoffe, dass ich nicht zu lange gedöst habe. Der Mann vor mir beginnt zu sprechen, aber seine Worte dringen nur langsam bis zu meinem Bewusstsein vor.

Er ist wütend, weil ich geschlafen habe. Er fragt mich, bei welchem Thema wir sind. Ich sehe hilfesuchend zu Ella, diese tut so, als wäre sie ein Hühnchen und zeigt dann mit ihren Fingern: lange Zähne. Ich verstehe, aber das Thema gefällt mir nicht. Was weis der da vor mir schon von Vampiren? Ich stelle mich dumm und sehe ihn aus großen Augen mit meinem Besten Unschuldslächeln an. Doch er scheint nicht erfreut und fragt, ob ich zu lange vorm Fernseher gesessen hätte. Dann hält er mir eine Standpauke darüber, wie schädlich und gotteslästernd doch das Fernsehen wäre. Ich höre wieder nur halb zu, denn ich bin wirklich müde. Erst als er mit der Hand auf den Tisch haut, sehe ich wieder auf und meine Augen fokussieren sich.

Er sagt, dass ich bis zur nächsten Stunde einen 1-stündigen Vortrag über Vampire vorbereiten soll. Ich halte den Atem an. Wenn ich das machen würde, könnte ich meine Nächte nicht mehr so völlig verschwenden, höre ich ihn noch sagen, dann dreht er sich um und geht wieder nach vorne.

Wut kocht in mir hoch. Was würde er sagen, wenn ich tatsächlich diesen Vortrag vorbereiten würde und plötzlich das Grauen persönlich vor seiner Tür auftauchen würde? Ich bin Entsetzt über so viel Arroganz, denn er hatte mich ja nicht mal gefragt, warum ich müde bin! Nicht, dass ich die Wahrheit gesagt hätte, aber wenigstens versuchen hätte er es können!

Als es klingelt, renne ich mit gesenktem Kopf und mit geballten Fäusten aus dem Saal. Den Rest des Tages bekomme ich gar nicht richtig mit, aber allmählich reift in mir der Entschluss, heute Nacht einmal diesem Ignoranten einen Besuch abzustatten.

Die Schule ist aus und ich halte mich hinter einer Mauer an den Parkplätzen versteckt. Da kommt er aus dem Haus und geht zu den Fahrrädern. Ich seufze erleichtert auf. Das macht mir das alles sehr viel einfacher, jetzt kann ich ihm bis zu seinem Haus folgen. Gesagt, getan. Als wir nach einer halben Stunde endlich am Ziel sind, brauche ich erst einmal eine Verschnaufpause. Doch dann stehe ich wieder auf und merke mir die Straße und das Haus, bevor ich zufrieden nach Hause gehe.

Schon ist es wieder Abend und ich schleiche mich aus dem Haus. Doch diesmal tragen mich meine Füße nicht wie sonst zum Friedhof. Zielsicher finde ich den Weg, den ich mir vor wenigen Stunden genau eingeprägt hatte. Schon bald kann ich das Haus sehen, doch in diesem Moment öffnet jemand die Tür und ich verschwinde schnell hinter einem der parkenden Autos.

Mist. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wollte einfach nur an der Tür klingeln und die Reaktion abwarten. Doch durch diesen Plan hatte er mir jetzt ruiniert. Dafür wird er mir bezahlen! Ohne ein Geräusch zu verursachen folge ich ihm unauffällig, als ob ich sein Schatten wäre, doch er bemerkt mich nicht.

Ich beginne gerade, mich zu fragen, wohin er gehen wird, als er sich gehetzt umsieht und zu rennen beginnt. Ich zögere nicht und laufe ebenfalls los. Ich bemerke, dass der Weg mir bekannt vorkommt und realisiere plötzlich, wohin uns unsere Beine führen: zum Friedhof.

Freude keimt in mir auf. Das ist besser, als alles, was ich zu hoffen gewagt habe!

Der Friedhof. Langsam kommt er in Sichtweite, wie er verlassen vor uns liegt. Nebelschwaben und Schatten huschen im Licht der Laternen zwischen den Grabsteinen, die sich düster dem Himmel entgegenstrecken, umher. Herrlich, dieser Anblick. Jedes mal, wenn ich nachts hierher komme, lässt er mein Herz höher schlagen.

Doch diesmal erfüllt er mich mit Vorfreude. Ich sehe, wie min Opfer nur wenige Meter vor mir durch das Tor diesen geweihten Ort betritt. Er hält inne und ich verstecke mich hinter einem der Grabsteine. Auf dem Bauch krieche ich vorwärts, bis ich ihn sehen kann. Er zieht etwas unter seinem Hemd hervor, doch auf die Entfernung kann ich nicht genau erkennen, was es ist. Vorsichtig nähere ich mich noch etwas, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt.

In der Schule klärt er uns über Vampire auf, nachts schleicht er sich auf den Friedhof und sein Arm ist offensichtlich verletzt. Sein RECHTER Arm. Ich erinnere mich wieder an den Vorfall in der vergangenen Nacht. Natürlich, der Mann, der vor mir steht, ist der gleiche, der gestern Abend auch auf dem Friedhof war!

Ich schaffe es gerade noch, einen Lachanfall zu unterdrücken, als ich an seinen stümperhaften versuch, dem Vampir, dem er gestern begegnet ist, Herr zu werden, denke. Er kann von Glück reden, dass er nicht gebissen worden ist, denn dann würde er sich heute Abend nicht noch mal als Vampirjäger versuchen.

Inzwischen bin ich so nah an ihn herangekrochen, dass ich den Gegenstand, der nun um seinen Hals baumelt, erkennen kann. Schon wieder muss ich mich anstrengen, nicht in Lachen auszubrechen, als ich das schön verzierte Kreuz betrachte. Doch, ich habe es allen ernstes mit einem Aufschneider zu tun.

Ich beschließe, ihn zuerst noch gewähren zu lassen, da ich gespannt bin, wie er sich bei der Jagt nach den Untoten anstellen würde. Ja, ich fieberte der Begegnung zwischen ihm und dem Vampir sogar entgegen.

Er folgt langsam mit umherschweifenden Augen dem Weg ins Herz des Friedhofes, ohne zu bemerken, wie ich hinter ihm herschleiche, stets darauf bedacht, kein Geräusch zu machen.

Plötzlich hält er inne und betrachtet die weiche Erde vor einem der Gräber genauer. Ich versuche, zu erkennen, was er betrachtet, doch der Versuch misslingt mir. Resignierend lasse ich mich zurück auf das Gras fallen.

Ein Fehler.

Mein Ellenbogen trifft einen trockenen Zweig auf dem Boden. Erschrocken höre ich das Krachen des Holzes. Doch ich bin nicht der Einzige. Er sieht ruckartig vom Boden auf und späht in meine Richtung. Mein Herz droht, jeden Augenblick zu explodieren. Zitternd versuche ich, in das schützende Dunkel der Grabsteine zu verschwinden, doch er kommt langsam der Stelle, an der ich liege, näher.

Ich versuche so gut wie möglich wieder die Kontrolle über meinen Körper zu gewinnen, als ein schriller Schrei vom anderen Ende des Friedhofes zu uns rübergeweht wird. Er richtet sich sofort wieder auf und rennt in die Richtung, aus der der Schrei gekommen ist. Ein tiefes Seufzen verlässt meinen Mund, bevor ich ebenfalls aufstehe und mich auf den Weg mache.

Schon wieder höre ich diesen markerschütternden Schrei und beschleunige meine Schritte. Ich biege um eine Ecke und bleibe wie erstarrt stehen. Vor mir, keine 10 Meter entfernt, steht er und versucht, den Vampir, der ihm gegenüber Aufstellung genommen hat, mit seinem Kreuz abzuwehren.

Nein, das darf ich nicht zulassen.

Ich nähere mich den beiden Kontrahenten, als mich der Vampir plötzlich wahrnimmt und schreiend zu rennen beginnt. Auch der Mensch muss meine Anwesenheit bemerkt haben, denn er dreht sich um. Seine Augen weiten sich vor entsetzen, als er mich erblickt und aus seinem Mund kommt nur noch ein Stottern, als ich noch einen Schritt auf ihn zugehe und meine krallenbesetzte Hand nach ihm ausstrecke.

Ich berühre seine Schulter und kann auf einmal die Furcht, die in durchströmt fühlen. Ein Gefühl von Wonne macht sich in mir breit, als ich auch meine andere Klaue nach ihm ausstrecke und Ihn mit einem Grinsen näher an mich heranziehe. Vor Erregung breite ich langsam meine Schwingen aus. Noch diese Nacht würde er erfahren, was ein Vampir war. Schon bald würde er selber als Untoter durch die Welt wandern. Das würde ihn lehren, lose Reden zu schwingen und sich so hoffnungslos zu unterschätzen.

Während ich mich in seiner Angst sonne, beginnen meine Gefühle langsam, verrückt zu spielen. Hier, auf diesem Friedhof, war ich der Herr über Leben und Tod und alles, was dazwischenlag. Die anderen Vampire hatten dies bereits vor längerem begriffen; sie nahmen Reißaus vor mir. Heute würde dies noch jemand lernen.

Ich verliere entgültig die Kontrolle über meine Gefühle, als sich meine spitzen Eckzähne dem Nacken des Menschen, der regungslos vor mir steht, nähern und mich die Blutlust überkommt.

Ende

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Tag der Veröffentlichung: 28.06.2008

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