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Heimat. Ein abstraktes Wort. Seit dem ich von meiner langen Reise wieder gekehrt bin, ist dieses Wort noch viel seltsamer. Alles hier hat sich geändert, ich erkannte mein zu Hause nicht mehr wieder, als ich angekommen war. Alles hatte sich geändert, doch wiederum nicht viel. Jetzt sitze ich einer Gefängniszelle, weil ich die Menschen darauf aufmerksam machen wollte. Das nur wegen einem Huhn. Ja, wegen einem goldenen Huhn.

Alles fing damit an, dass ich einen Spaziergang durch meine Heimatstadt unternahm. Ich ging über den Rathausplatz und da sah ich es: eine goldene Statue, die ein Huhn darstellte. Die Statue war drei Meter hoch und auch fast genau so breit. Am Anfang dachte ich, es wäre eine gewöhnliche Statue, irgendeine Skulptur von einem angesagten Künstler oder so. Da ich nicht viel mit Kunst am Hut hatte, beachtete ich sie nicht weiter. Ich ging an ihr entlang. Was für eine hässliche Statue. Und dazu auch noch in Gold.

Ich ging zu einer Bank und saß mich. Die Statue war in meinem Blick. Wie ich diese Statue bereits seit diesem Augenblick hasste! Ich wollte mich auf eine andere Bank setzen, doch ich sah, dass die Bänke nicht mehr so standen, wie es sonst immer der Fall war: sie waren nun alle so ausgerichtet, dass man immer das Huhn vor Augen hatte.

Seltsam. Ich stand wieder auf und ging über den Platz. Dieser war, wie jeden Tag um jene Uhrzeit, bereits gut besucht. Da ich etwas mehr über die Statue wissen wollte, hielt ich einen Passanten an und befragte ihn.

- Das goldene Huhn? Was? Du kennst es nicht? Wie kann so etwas möglich sein? Jeder weiß doch, dass das goldene Huhn der Erschaffer von allem ist. Er ist der Anfang und das Ende vom allem. Ohne es würden wir nicht existieren! Es erschuf uns nach seinem Ebenbild.

Was für ein Spinner. Ich ließ ihn wieder alleine und setzte mich wieder auf die Bank. Es saß bereits eine Frau dort. Ich fragte auch sie, was es mit dem Huhn auf sich hatte. Seltsamerweise wiederholte sie das Gleiche als der Spinner. Sie faselte vom Anfang, vom Ende, von Ebenbildern und so weiter.

Dies konnte doch nicht war sein. Ich war der Überzeugung, dass ich in einer aufgeklärten Welt lebte, wo das Mystische nicht mehr existiert oder wo zumindest niemand auf solch einen Schwachsinn mehr hört. Was für ein Schwachsinn. Goldenes Huhn, dass ich nicht lache! Seit wann verehren die Leute ein Geflügel? Es stimmt zwar, dass Hühner auf zwei Beinen gehen, das jedoch nicht bedeutet, dass das ach so glorreiche goldene Huhn uns nach seinem Ebenbild erschaffen hat.

Ich sah nun, das eine Gruppe von Leuten zur Statue ging. Sie knieten sich nieder, murmelten etwas Unverständliches vor sich hin, standen wieder auf, sahen der Statue in die Augen, verbeugten sich und verließen den Platz wieder. Dies setzte der Ganzen Sache den Hut auf. Wie dumm doch die Menschen sein können! Ich konnte mir dies nicht mehr länger ansehen, stand auf und ging einfach wieder nach Hause.

Zu Hause schaltete ich den Fernseher an. Vielleicht könnte ich so erfahren, was es mit dem Huhn auf sich hatte. Erster Kanal: Ein paar Menschen richten eine weitere goldene Statue auf. Zweiter Kanal: eine andere Statue wird eingeweiht. Dritter Kanal: Eine Dokumentation über das Vermächtnis des goldenen Huhns. Wütend schaltete ich die verfluchte Kiste wieder aus. Was ist in den Köpfen der Leute nur los? Wie konnte man nur an solch ein Huhn glauben? Hatten sie selbst ein Spatzenhirn? Ich wurde Huhn- … ich miente schweinwild. An diesem Tag beschoss ich, den Menschen ihre Dummheit zu zeigen. Ich plante eine Racheaktion.

Den restlichen Tag werkelte ich in meiner Garage an meinem Projekt, bis spät in die Nacht hinein. Während des Tages kamen gelegentlich Leute an der Garage vorbei und fragten mich, warum ich so viel Zeit dort verbringe, anstatt dem goldenen Huhn zu huldigen. Ich gab ihnen natürlich keine Antwort, sie würden es momentan so wie so nicht verstehen.

Sehr früh am morgen, ich war erst fertig geworden, legte ich die einzelnen Teile meiner Aktion in den Anhänger meines Autos und fuhr in die Innenstadt. Ich parkte nicht weit vom Rathausplatz entfernt und brach die einzelnen schwere Teile auf den Platz. Neben dieses hässliche Huhn. Ich montierte die Teile und verdeckte das Resultat mit einer riesigen Plane. Zufrieden wartete ich ab bis der Tag begann.

So gegen Mittag waren wieder viele Menschen am Platz, fast alle standen beim huhn und fragten mich, was dies zu bedeuten hatte. Ich antwortete ihnen nicht, sondern enthüllte mein Werk. Die Leute sahen es erschreckt an: es war eine 3 Meter auf 3 Meter Skulptur eines scheißbraunen Ferkels. Ja ein scheißbraunes Ferkel. Es sah einfach bombastisch aus und stahl dem Huhn die Schow. Ein Raunen ging durch die Menge.

- Was hat dies zu bedeuten?, rief jemand. Was ist dieses Ding?

- Wie?, fragte ich, kennen Sie nicht das scheißbraune Ferkel? Woher kommen sie denn? Er ist der allmächtige, der einzig wahre Schöpfer von Allem und Alles. Nur so etwas Geschmackloses kann die Welt erschaffen haben!

Ich kniete nieder murmelte etwas unverständliches, stand wieder auf, sah ihm in die Augen und verbeugte mich. Die Leute waren entsetzt. Sie hatten langgezogene Gesichter, sie sahen so desorientiert durch die Gegend, dass ich nicht anders konnte als in Lachen auszubrechen. Sie sahen mich so an, als hätten sie eingesehen, wie töricht ihr eigenes Handeln doch war. Wie es sich herausstellte, waren die Leute nicht die einzigen, die verantwortlich für diese Huhngeschichte waren: es dauerte nicht lange, da kam schon die Polizei, nahm mich fest, verscheuchte die Menge und führten mich ab. Das Ferkel wurde wieder so schnell wie nur möglich mit der Plane zu gedeckt.

Und so kommt es, dass ich nun in einer Gefängnisszelle sitze. Ich bin in U-haft und warte meinen Prozess ab. Man hatte mir einen Anwalt angeboten, doch ich lehnte ab, da ich wusste, dass jener mich nicht verteidigen werde. Ich frage mich, wie der Prozess sich abspielen wird. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich wegen Verleumdung am goldenen Huhn verurteilt bin!

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Tag der Veröffentlichung: 18.07.2011

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