Die Geißel ist über Azeroth gekommen.
Die Straßen werden von sabbernden Ghulen beherrscht, welche hinter schreienden Kindern und Frauen herjagen, nur durch manch wackeren Krieger, der sich ihnen in den Weg stellt, aufgehalten.
Doch eines dieser Kinder hat keinen Krieger, der es beschützt. Es rennt in Todesangst vor einem Wesen weg, das nur noch einen Arm besitzt.
Unförmige Wörter ausstoßend, hetzt es hinter dem kleinen Jungen her.
Der Atem des Kindes, Julian ist sein Name, geht stockend, hektisch in offentsichtlicher Erschöpfung.
Nur noch schwammig tragen ihn seine kurzen Beine, der stöhnende Ghul holt mit jedem gequälten Schritt des Kindes auf.
Schließlich ist die begrenzte Kraft des Kindes aufgebraucht. Es fällt schlaff gegen die Wand eines nahen Gebäudes.
Doch die Wand gibt nach. Mit einem heiseren Schrei fällt Julian in ein Gebäude hinein, dass er zuvor nie bemerkt hatte.
Er stürzt bäuchlings auf den kalten, schwarzen Boden. Krachend fällt eine schwere eiserne Tür hinter ihm ins Schoss. Der metallische Klang wird von den riesigen Wänden der steinernen Halle, in der sich Julian befindet, tausendfach zurückgeworfen.
Ein Chaos aus Krach umgibt den zitternden Jungen, bevor er plötzlich einer unheimlichen Stille weicht.
Schlotternd vor Angst und Kälte dreht sich das Kind auf den Rücken, um zu schauen, ob der Ghul weg ist.
Er ist weg.
Julian ist allein. Allein in einem riesigen Gebäude, das aus einer einzigen gigantischen steinernen Halle besteht.
Julian wüsste es, wenn es in seinem Dorf so ein riesiges Gebäude geben würde. Obwohl er sich vor Angst kaum regen kann, besiegt seine jugendliche Neugier schließlich doch seine Emotionen, und er rappelt sich zögernd auf.
Schatten und Dunkelheit herrschen in der Halle vor. Doch von irgendwoher kommt ein eisig blaues Licht, welches einen bestimmten Punkt in der kalten Halle beleuchtet.
Wie ein Rampenlicht fällt es auf einen steinernen Thron, der in genau in der Mitte des Raumes steht.
Die Lehne des Thrones, von dem nur die Konturen zu erkennen sind, zeigt auf Julian.
„Ha-hallo?“. Zögerlich und stockend kommt die Stimme aus der Kehle des Jungen.
„Grüße, Sterblicher!“. Hallt es in einer Lautstärke zurück, dass die Wände des Raumes anfangen zu klirren wie Eiszapfen. Julian zuckt zusammen und will aus dem Raum flüchten, doch als er sich umdreht, bemerkt er, dass dort wo sie sein müsste, keine Tür mehr ist.
Unentschlossen dreht er sich wieder um.
Ein Lachen ertönt, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Keinerlei menschliche Emotionen sind in diesem Lachen zu hören. Trocken kriecht es durch den Raum wie eine Spinne, sich ihrem Opfer bewusst.
„W..wer bist du?“.
„Ich? Uninteressant. Aber wer bist du?“.
„Ich bin Julian. Aber ..“.
Die eisige Stimme unterbricht ihn.
„Sehr schön. Und was machst du hier, Julian?“.
„Ich, ich bin geflüchtet. Geflüchtet vor der Geißel.“.
„Der Geißel also. Weißt du denn überhaupt, was das ist, die Geißel?“.
Unsicher tritt Julian von einem Bein auf das andere. Die Situation war ihm unheimlich. Er wollte nach Hause.
„Nunja. Sie ist, sie ist ... der Lichking hat sie erschaffen, Arthas!“.
Als Antwort ein raues, waberndes Lachen.
„Arthas also. Nun, und wer dieser Arthas ist, weißt du sicher auch?“.
„Er war einmal ein Mensch.“.
„War?“.
„Ja, nun. Er war einmal ein Paladin.“.
„Und jetzt ist er es nicht mehr?“.
„Nein, jetzt ist er der Lichking!“.
„Und was war dazwischen?“.
Schweigen.
„Du weißt es also nicht.“.
Julian schüttelte den Kopf. Obwohl es die Person auf dem Thron unmöglich sehen konnte, fuhr sie dennoch fort.
„Dann will ich dir mal etwas erzählen.“. Die Stimme wechselte den Tonfall. Sie wurde sanfter, ein wenig der Kälte wich aus ihr. Dennoch war es ihr immernoch möglich, einem eine Gänsehaut in den Nacken zu treiben.
„Arthas, wie ihr ihn nanntet, war der Sohn König Terenas Menethils des zweiten.“.
„Er hat ihn umgebracht!“. Ohne es zu wollen, schrie Julian dies empört dem steinernen Thron zu.
Doch entgegen seinen Befürchtungen blieb die Stimme ruhig.
„Ja, das hat er. Aber er hatte gute Gründe. Sein Vater war ein Weichei. Ein Mummenschanz! Genauso wie all die anderen, die sich von Arthas abwandten.“.
„Abwandten?“.
„Ja, Arthas war bereit gewesen, sein Leben dafür zu geben, die Seuche zu bekämpfen, die über Lordaeron gekommen war. Zusammen mit seinem früheren Tutor, Uther Lightbringer, ging er gegen die Untoten Scharen vor, welche von Kel Thuzad, einem Totenbeschwörer erweckt worden waren.
Sogar der mächtige Prophet Medivh beschwor Arthas, nach Kalimdor zu fliehen. Pah!“ ein Ton, der klang als ob das Wesen auf dem Thron auf den Boden spucken würde, „Fliehen! Sein Platz war dort, wo sein Volk war. Wie konnte er es wagen.... Aber einerlei. Er tötete Kel Thuzad in Andorhal.
Schließlich kamen sie nach Strathholme, wo ein Schreckenslord, Mal'Ganis, dabei war, die Bevölkerung zu verseuchen, und sie zu untoten Monstern zu machen.
Der Menschenprinz wollte das einzig Richtige tun. Und zwar die Bevölkerung von Stratholme von ihrem Leiden erlösen, bevor sie durch Mal'Ganis verwandelt werden.
Aber diese Trottel von Jaina und Uther waren dagegen, und wandten sich von ihm ab.“.
Die Person auf dem Thron hielt kurz inne, wie in Erinnerungen gefangen.
„Natürlich siegte Arthas. Doch Mal'Ganis konnte fliehen. Er ließ anklingen, dass er Arthas wiedertreffen würde. In Northrend.
Und dorthin reiste er auch. Zusammen mit loyalen Truppen. Durch einen Zufall traf er dort auf seinen alten Menthor, Muradin Bronzebeard.
Die Zwerge suchten nach einem alten, mit Sagen behafteten mächtigen Schwert. Frostmourne!
Arthas wusste, dass es ihm mit diesem sagenhaften Schwert möglich sein würde, den Schreckenslord zu töten.
Doch bevor er auf die Suche gehen konnte, traf eine Delegation ein, die den Truppen des Menschenprinzen befahl, sofort nach Lordaeron zurückzukehren. Aber Arthas wusste, dass Mal'Ganis besiegt werden müsse, sollte die Welt gerettet werden.“.
Ein kurzes dunkles Lachen kam über die Lippen des Wesens.
Julian näherte sich langsam dem Thron. Er wollte wissen, wer da diese Geschichte erzählte, die er doch ganz anders gehört hatte.
„Also tat er wiederum das einzig Richtige. Er verbrannte die Bote, mit welchen die Soldaten nach Hause hätten zurückkehren können. Aber er wusste auch folgendes: Wenn seine Männer das herausfinden würden, würde sie nicht mehr voll hinter ihm stehen.
Also tat er einen schlauen Schachzug. Er drehte den Spieß so herum, dass er einige Söldner zu den Tätern machte. Die Söldner wurden eliminiert, das Problem gelöst.
Die Truppen standen hinter Arthas.
Schließlich fand Arthas zusammen mit Muradin das sagenumwobene Schwert.
Auch wenn ein selbsternannter „Wächter“ sie davon abhalten wollte. Er hatte keine Chance.
Bedauerlicherweise starb Muradin bei der Entdeckung des Schwertes, bevor auch er Arthas vor dem angeblich verfluchten Schwert gewarnt hatte.
Doch darum konnte Arthas sich nicht kümmern. Er musste Mal'Ganis töten. Natürlich konfrontierte er schließlich den Schreckenslord, welcher ihm sagte, dass die Stimmen, die neuerdings in Arthas Kopf umherschwirrten die Stimmen des Lichkings wären.
Als Arthas daraufhin sagte, dass genau diese Stimmen ihm befielen, Mal'ganis zu töten, war dieser sehr verwundert. Und kurze Zeit danach tot.
Arthas verließ seine Truppen in Northrend, er hatte etwas wichtiges zu tun. Er ging zurück nach Lordaeron und entfernte seinen verweichlichten Vater. Nun sollte er über die Reiche herrschen.
Doch plötzlich tauchte ein anderer Schreckenslord auf, welcher ihm beteuerte, er würde ihn für keinerlei frühere Handlung verantwortlich machen.“. Wiederum eine kurze Stille in der eisigen Halle.
„Dann brach Arthas auf, um die Überreste Kel Thuzads aus Andorhal zu holen.“.
„A-aber hat er ihn nicht selbst umgebracht? Was hatte er mit seiner Leiche vor?“.
„Ja, er hat ihn umgebracht. Aber jetzt brauchte er ihn. Und nicht einmal der Tod würde ihn daran hindern, sein Vorhaben durchzusetzen. Wieder einmal verrauchten Menschenleben auf dem Weg zu einem höheren Ziel.
Die Überreste des Totenbeschwörers waren in einem erbärmlichen Zustand. Aber der Schreckenslord Tichondrius gab dem Führer Frostmournes einen Hinweis. Eine spezielle Urne sollte in der Lage sein, die Überreste Kel Thuzads zu beherbegen.
Drei Paladine mussten dran glauben: Ballador the Bright und Sage Truthbearer. Sowie Uther Lightbringer persönlich.“.
„Er hat seinen eigenen Menthor umgebracht? Ich habe gehört, er wäre so etwas wie ein Vater für ihn gewesen!“ flüsterte Julian.
„War, war. Einerlei. Er bekam die Urne, welche ironischerweise die Überreste seines eigenen Vaters beinhaltete. Er warf sie achtlos auf den Boden, und vertauschte sie mit denen Kel Thuzads.
Nun musste Kel Thuzad wieder ins Leben gerufen werden. Und sein Geist flüsterte Arthas zu, wie das passieren konnte. Der Sonnenbrunnen! Das Herz der Hochelfen würde genügend Macht haben, in wieder ins Leben zu bringen.“.
Ein raues Lachen entrang sich der Kehle des unsichtbaren Sprechers.
„Aber natürlich gaben die hochnäsigen Elfen den Weg zu ihrem Lebenswerk nicht frei. Sie leisteten sogar heftigsten Widerstand. Und das alles unter der Leitung dieser verfluchten Sylvannas!“.
„Sylvannas Windrunner?“ Julians aufeinanderschlagende Zähne schufen eine Geräuschkulisse von klappernden und widerhallenden Lauten der Angst.
„Ja, Sylvannas Windrunner.“, die Stimme verzog sich in tiefstem Hass, „aber auch sie unterlag schließlich. Um sie zu bestrafen, versklavte er ihren geschundenen Körper, und ließ sie als Banshee wieder auferstehen, um ab diesem Zeitpunkt seinem Willen zu folgen.“.
„Aber, aber sie steht doch nicht mehr unter seinem Willen, oder?“.
„Verdammt nochmal! NEIN!“. Der Saal erbebte und Julian fiel zitternd auf den Boden.
Doch so schnell der Wutanfall des Wesens gekommen war, so schnell ebbte er wieder ab.
„Was gibt es noch viel darüber zu berichten? Kel Thuzad wurde wiederbelebt, und nun galt es nach Dalaran aufzubrechen, um etwas zu beschwören, dass mächtig war. Mächtiger wohl sogar als Arthas. Der Dämonenlord Archimond. Nur durch Medivhs Buch, welches in Dalaran lagerte, war dies möglich.
Um es kurz zu machen, Dalaran wurde komplett zerstört. Archimond beschworen.“.
„Ich will nach Hause!“.
„Du bleibst, bis die Geschichte zu Ende ist!“.
Ein Wimmern war die Antwort des Jungen, denn es war ihm nicht mehr möglich auch nur einen Muskel zu regen.
„Also. Zu diesem Zeitpunkt fühlte Arthas, dass seine Kräfte, welche ja vom Lichking persönlich gespeist wurden, mehr und mehr nachließen. Archimond erklärte, dass der Lichking für die Legion keinerlei Nutzen mehr hatte. Tichondrius würde nun das Oberkommando über die Geißel anführen.
Er und zwei weitere Schreckenslords wurden in Lordaeron zurückgelassen, um über Arthas und andere Anhänger zu wachen.
Dass Archimond am Weltenbaum fiel, bekamen sie nicht mit. So waren sie noch überraschter als Arthas plötzlich auftauchte und sie vertrieb.
Daraufhin radierte er zusammen mit Kel Thuzad und dieser Sylvannas Windrunner alle menschlichen Verbliebenen auf Lordaeron aus.
Aber die Macht des Lichkings war weiter gesunken, und Sylvannas konnte sich aus der Kontrolle reißen. Sie stellte Arthas einen feigen Hinterhalt. Kel Thuzad eilte ihm unnötigerweise zu Hilfe. Sylvannas floh.
Die Klagen des Lichkings verfolgten Arthas immer schlimmer, und schließlich brach er nach Northrend auf, um seinem Herrn und Meister beizustehen.
Es entwickelte sich zu einem tödlichen Rennen gegen Kael Thas und Illidan, welche beide im Sinn hatten, den Frostthron zu zerstören.
Aber mithilfe mächtiger Spinnenwesen, Anub Arak war ihr Anführer, konnte Arthas eine Abkürzung durch ein verborgenes Tunnelsystem nehmen.
Er kam fast zu spät. Die Macht Frostkrones war dabei zu fallen. Doch indem er vier Runensteine aktivierte, öffnete er einen Eingang in den riesigen Berg.
Wie auch immer, Illidan wartete schon auf ihn. Doch auch dieser Narr konnte Arthas nicht aufhalten. Schwer verletzt floh er.
Schließlich schleppte Arthas sich die tausende von Stufen hoch, bis er die Spitze erreichte. Ein riesiger Eisblock stand dort, und etwas in ihm. Nicht nur eine Rüstung. Sondern ein denkendes Etwas.
Arthas wusste, was zu tun war. Er zerschlug das eisige Gefängnis, und setzte sich den Helm Ner'Zuls auf.
Sofort verschmolzen sein und das Wesen des Lichkings zu einem. Dem neuen, noch viel mächtigeren Lichking!
Und nun sollen alle diesem einen König dienen!“.
Julian konnte sich mit einer plötzlich aufbäumenden Willenskraft wieder bewegen.
„Er ist ein Monster! Er tötet unschuldige Menschen! Er hat kein Herz!“.
Tatsächlich hörte das Herz des Jungen auf zu schlagen, als sich das Wesen auf dem Thron auf einmal umdrehte.
Leuchtende Augen starrten ihm in unbändigem Hass entgegen. Die Stimme, die nun ertönte war dunkler als je zuvor, sie schien das spärliche Licht zu verschlucken, bis nur noch die Augen des unnatürlichen Wesens in der Dunkelheit glühten.
„Nein, das hat er nicht!“.
Ein plötzlicher surrender Ton, auf den das Geräusch auf den Boden spritzenden Blutes folgte.
Als der leblose Körper des kleinen Jungen plump auf den Boden aufschlug waren seine Augen genauso leer wie die Brust des Wesens, das nun hässlich lachend über ihm stand.
„Es gibt kein Entrinnen! Für niemanden! Und so werdet ihr alle enden! Zuerst ahnungslos, doch in eurer letzten Stunde werdet ihr einsehen, dass es nur einen wahren König gibt! Einen wahren Herrscher! Mich!“.
Texte: Das Cover und alle Figuren, sowie alles andere im Roman gehört Blizzard Activision Inc.
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2011
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