1
Der Fluch, den das Mädchen ausstieß konnte in keine Menschensprache übersetzt werden.
Mit einem lauten Klirren zerschellte das kleine Glasbehältnis an der gegenüberliegenden Wand, an der nun Reste der klebrigen grünen Flüssigkeit herunterliefen.
Der Raum, in dem das Mädchen saß, war klein und nur karg eingerichtet. An der einen Seite, gegenüber der Tür, stand ein hölzernes Regal, gefüllt mit Büchern verschiedenster Literatur. Hauptsächlich waren Themen vertreten, welche etwas mit Giften zu tun hatten.
An der Wand links des Regals stand, mit etlichen Glassplittern übersät, ein gusseiserner Ofen, welcher dem Zimmer flackerndes Licht spendete.
Zischend verflüchtigten sich die Inhalte zahlreicher Phiolen auf seiner Oberfläche, und hinterließen hässliche Flecken.
Gegenüber des Ofens war der Boden voll mit leeren Phiolen, diversen Kräutern und Wurzeln, Mörserschalen und Messbechern.
Inmitten all dieser Utensilien saß an die Wand gelehnt, das Mädchen. Sie schien jung, hatte feuerrote Haare, welche ihr bis auf die Schultern reichten und ein fein geschnittenes Gesicht, dessen Augen in einem tieferem grün schimmerten als bei anderen Vertretern ihres Volkes.
Doch was einem Betrachter als erstes ins Auge fallen musste, war ihr Hautfarbe, welche einen klaren Grünstich hatte.
Zitternde feingliedrige Hände führten eine weitere Phiole an ihre Lippen, welche sich aufgrund des Geschmacks der Flüssigkeit zusammen zogen. Ein kurzer Augenblick der Stille, und -klirr-, eine weitere Phiole zerschellte an der Wand.
Ein kurzer Weinkrampf schüttelte den zierlichen Körper der Frau, als die Tür aufging.
Herein kam ein Geschöpf ohne Gesicht. Allein flatternde Bandagen schienen den Körper zusammenzuhalten.
„Fenaria, bist du schon wieder hier. Finde dich mit deinem Schicksal ab! Du kannst daran nichts ändern. Du konntet es bisher nicht, und du wirst es nie können!“
„Ich will so aber nicht bleiben!“ schrie eine hohe, brechende Stimme. „Schau mich doch an! Kein Wunder, dass niemand der Meinigen etwas mit mir zu tun haben will.“
„Die anderen sind doch bloß neidisch auf“ er brach unvermittelt ab, als eine Phiole seinen Kopf nur knapp verfehlte.
„Hör doch auf mit deinem Drecksgeschwätz! Neidisch! Auf was denn? Auf meine, einem dreckigen Orc ähnelnde Hautfarbe? Darauf, dass ich tödlich wirken kann, sobald ich blute? Oder vielleicht etwa auf den Astralen, welcher mich aufzieht?“ Die letzten Worte schleuderte sie ihm direkt entgegen.
Mit kühler Stimme erwiderte der Astrale: „Es ist genug mit deinem Selbstmitleid! Akzeptiere endlich die Welt so, wie sie ist! Und jetzt komm mit, es ist Zeit für das Training.“ Er zeigte auf die geöffnete Tür.
Ärgerlich stand sie auf, und ging hinaus. Sie würdigte den Astralen mit keinem Blick.
Dieser gab ein Geräusch von sich, was bei einem anderen Wesen vielleicht ein Seufzen gewesen wäre, und schloss die Tür.
Das Training war wie immer anstrengend. Doch befriedigte es ihre aufgestaute Wut.
Auf einem offenen Areal wurde sie im Kampf mit Schwert, Dolch und Wurfwaffen unterrichtet.
Ihre Übungspartner waren ausnahmslos Astrale. Überhaupt war sie die einzige Frau auf diesem Gelände. Mit anderen Fraun traf sie nur beim theoretischen Unterricht zusammen, welcher ihr nicht von den Astralen gegeben wurde.
Doch war sie nie erpicht auf diese Stunden, denn die anderen Fraun brachten ihr mit etwas Glück höchstens Ignoranz entgegen. Andere regelmäßige Reaktionen waren Verachtung und Spott.
Den Rest ihrer Freizeit verbrachte sie in diesem kleinen, stickigen Raum. Darauf aus, ein Mittel zu finden, welches das Gift neutralisiert, welches durch ihre Adern fließt.
Das Gift. Es zeichnete sie seit der Kindheit an. Injiziert von ihrer eigenen Mutter. Ihre Mutter. Sie hatte sie noch nie gesehen, hatte keine Erinnerungen an sie, außer. Ein plötzlicher Schmerz riss sie aus den Gedanken. Sie war mitten im Training abgeschweift, und hatte sich einen hässlichen Schwerthieb von ihrem Gegner eingefangen. Sie schaute hinunter auf ihren linken Arm, auf die Stelle, wo der Schmerz herkam. Durch das zerschnittene Fleisch sickerte ein Strom grün-roten Blutes.
Ihr Gegner ließ die Waffen sinken.
„Ihr solltet während einem Kampf nie an etwas anderes denken, als an die Waffe in eurer Hand und euren Gegner.“ Sie warf ihm einen unfreundlichen Blick zu, und fing wieder an zu fechten. Ihr linker Arm baumelte nutzlos an ihrer Seite herunter. Im Gegensatz zu ihrem Gegenüber hatte sie nun nur noch ein Schwert, und wurde dementsprechend mit Schlägen eingedeckt, welche allerdings keine blutenden Wunden mehr hervorriefen.
Am Ende des Trainings war sie völlig ausgelaugt. Der Kampf an sich verlangte ihr schon einiges ab, der Blutverlust tat sein Übriges.
Sie zog sich mit wackligen Schritten in ihr Zimmer zurück. Es war genauso zweckgebunden eingerichtet wie alle Zimmer in diesem Gebäude des Konsortiums. Ein Bett, ein Tisch samt Stuhl, ein Schrank und eine magische Lampe, das war alles, was das Zimmer an Einrichtung hergab.
Bevor sie sich auf das Bett legte, schmierte sie eine Salbe aus dem Schrank auf ihren aufgerissenen Arm, und verzog vor Schmerzen das Gesicht.
In Gedanken versunken löschte sie das Licht, zog sich aus und drehte sich auf die Seite, um gleich darauf einzuschlafen.
2
Am nächsten Tag stand theoretischer Unterricht auf dem Zeitplan. Also hängte sie nach dem Aufstehen die Kampfausrüstung vom vorherigen Tag in den Schrank und zog sich leichte Stoffkleidung an. Am linken Ärmel des roten Gewandes war eine Stelle dicker als der Rest. Dort war der Verband angebracht, welcher die Wunde vom Vortag bedeckte.
Danach setzte sie sich an ihren Tisch, und begann zu frühstücken. Keiner der Astralen leistete ihr Gesellschaft. Astrale mussten keine Nahrung einnehmen, und auch sonst hatte keines der Wesen größeres Interesse daran, mit Fenaria zu verkehren.
Das allerdings war der jungen Frau nur Recht. Konnte sie sich doch selbst mit diesen Magiewesen nur schlecht anfreunden.
Nachdem sie mit dem Essen fertig war, öffnete sie die Tür, und begann den Weg zu den Portalen.
Sie musste durch einen langen Gang, welcher auf der rechten Seite von einer kalten Steinmauer begrenzt wurde, und nach links den Blick auf das Übungsgelände freigab, welches in der Morgensonne verlassen da lag. Am Ende des Ganges angekommen, ging sie durch eine schwere Holztür, welche bedrohlich knarrte, und fand sich in einer großen Halle wieder. Die Halle war erfüllt von magischem Licht, und es roch nach Verbranntem. Ganz am Ende der Halle konnte man auf einer Plattform Portale glitzern sehen. Diese waren ihr Ziel. Im Gegensatz zu dem Übungsplatz war es hier ganz und gar nicht leer.
Links und rechts standen in Reihen Astrale, welche sich in den arkanen Künsten übten. Man hatte das Gefühl einen Exerzierplatz vor sich zu haben.
Über einen Steg, welcher an der Decke der Halle hing, ging sie auf die Portale zu. Interessiert betrachtete sie die unter sich hin und her fliegenden Bälle purer Magie. Mal brennend heiß, mal eiskalt zischten die Geschosse durch die Luft, und hinterließen Spuren der Verwüstung auf dem Boden und in den Einschlagsstellen. Jedoch wurden nie die Übenden selbst getroffen. Schließlich erreichte sie den Astralen, welcher die Portale überwachte. Er blickte sie nur einmal kurz an, soweit man das bei einem Wesen ohne Gesicht beurteilen konnte und winkte sie durch. Fenaria, daran gewöhnt, nicht gegrüßt zu werden bediente sich des mittleren Portals. Nicht viele wussten, dass das Konsortium hier feste Portale unterhielt, und Fenaria wurde eingetrichtert, darüber Stillschweigen zu bewahren.
Als sie am Zielort eintraf, außerhalb eines kleinen Gebäudes mitten im Immersangwald, richtete sie als erstes ihre Haare, welche durch die Reise durch das Portal immer in Unordnung gerieten. Sie ließ sich damit mehr Zeit, als nötig gewesen wäre, denn sie hatte es nicht eilig, zum Unterricht zu erscheinen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, würde sie den Unterricht schon längst nicht mehr besuchen. Doch wollten die Astralen, dass sie diesen Stunden beiwohnte. Und da diese ihr schließlich Unterkunft und Speise gewährten, und außerdem mit ihrem Dozenten in engem Kontakt standen, konnte sie nicht umhin, den Unterricht zu besuchen.
Sie ging also in das Gebäude, in welchem die Klasse schon versammelt war, und setze sich auf ihren Platz, welcher in der hintersten Reihe lag. Der Raum war kreisrund, gegenüber des Eingangs befand sich das Pult des Dozenten. Davor standen in Reihen die Bänke, an denen die Schüler saßen. Ein Kronleuchter spendete dem Raum ohne Fenstern Licht. Sie sah kurz in die Klasse. Die Emotionen, welche ihr entgegengebracht wurden, waren die üblichen. Verachtung, Spott, sogar Hass und ein klein bisschen Angst. Doch lag heute noch mehr Spannung in der Luft als sonst.
Dennoch beachtete sie die ihr zugeworfenen Blicke nicht, und konzentrierte sich auf die Worte von Kalendin, ihrem Lehrer. Das Thema des Unterrichts waren berühmte Namen der Menschischen Geschichte. Wie meist, verlief der Vormittag todlangweilig. In der Pause, in welcher der Lehrer abwesend war, begannen wieder die üblichen Spötteleien. Es schien so, als ob sich die gesamte Klasse gegen Fenaria gewandt hatte.
Da auch dies nichts besonderes war, versuchte sie es so gut es ging zu ignorieren. Doch hob sich diesmal Galadris, ein für seine Art besonders kräftiger und grobschlächtiger Elf, besonders ab. Er war erst seit kurzem in der Klasse. „Ha! Ich wette sie will uns nur deshalb nichts über Ihre Mutter erzählen, weil sie genau weiß, dass es eine Orcin war.“ Lautes Gelächter. „Doch ihr Vater war mit Sicherheit ein Bastard von einem Troll und einem Fraun.“. Fenarias Augen schienen Blitze zu versprühen. Doch ließ sich Galadris davon nicht einschüchtern, durch die Rufe seiner Kameraden noch angespornt, machte er weiter. „Sicherlich hat auch sie jetzt einen Trollfreund, welchen sie nach der Schule immer besucht, was sonst sollte sie immer im Wald machen?“. Das war zu viel. Ihre Hand schnellte vor, um Galadris eine Ohrfeige zu verpassen. Dieser schien darauf nur gewartet zu haben, denn er wehrte den Schlag ab, und bog ihren Arm nach hinten, so dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. „Jetzt wollen wir doch mal sehen, was dein Trollfreund so toll an dir findet.“. Seine tastende rechte Hand brachte sie zur Explosion.
Obwohl die Astralen ihr eingeschärft hatten, niemals ihr wahres Können in der Schule zu zeigen, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie stieß mit ihrem freien Ellenbogen nach hinten, dass der Elf vor Schmerz aufheulte, und befreite sich aus seinem Griff, indem sie sich ruckartig umdrehte. Der Arm, der sie vorher festgehalten hatte, lag nun in ihrem eigenen eisernem Griff. Es gab ein lautes Knacken, begleitet von einem heiseren Aufschrei des Fraun, und Fenaria kniete auf Galadris' Rücken. Sein Arm seltsam nach oben verdreht. Mit zitternder Stimme flüsterte sie: „Solltest du das noch einmal, nur einmal, versuchen, ich verspreche dir, dann wird nicht nur dein Arm und dein Stolz einen Knick haben!“
Sie wollte noch weiter reden, doch ein Rascheln hinter ihr ließ sie aufblicken. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eins der Mädchen, sie glaubte, Lyrandis, die Freundin von Galadris zu sehen, einen Dolch aus ihrem Gewand gezogen hatte. Während sie aufstand, verpasste sie dem am Boden liegenden Galadris noch einen Tritt, dass dieser aufstöhnte.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie zu dem Mädchen. „Überlege dir das gut.“. Umringt von den Übrigen unschlüssig dastehenden Fraun, erwiderte Lyrandis mit zitternder Stimme: „Du hast Gadris was angetan, dafür sollst du büßen.“. Es klang nicht überzeugend, doch schien sie tatsächlich den Willen haben, Fenaria etwas anzutun. „Du weißt nicht, mit wem du dich anlegen willst!“ erwiderte Fenaria mit leiser Stimme. Unschlüssig blieb Lyrandis stehen, den Dolch in der Hand wiegend. Plötzlich stieß sie ein Elf aus der Menge auf Fenaria zu. Mit einem Aufschrei stolperte sie vorwärts, den Dolch auf Fenaria gerichtet. Das Mädchen wich mit Leichtigkeit aus, entwaffnete die auf sie zufallende Lyrandis, und behielt den Dolch in der rechten Hand. Lyrandis, welche mit dem eigenen Schwung nicht klar kam, knallte mit dem Kopf gegen einen Tisch, und blieb bewusstlos liegen.
Fenaria schaute auffordernd in die Menge. „Habt ihr jetzt genug?“
Sie hatten nicht genug. Zwei Jungen aus der vorderen Reihe stürzten auf sie zu, bewaffnet mit Hockern. Da Fenaria einen Moment über solch stupide Methoden außer Fassung geriet, reagierte sie einen Augenblick zu spät. Dem einen Angriff konnte sie ausweichen, doch traf sie der zweite Junge mit ganzer Wucht auf ihren linken Arm. Sie spürte, wie ihre Wunde aufbrach, und das Blut anfing aus der Wunde zu fließen. Durch diesen unnötigen Angriff komplett in Rage geraten, wollte sie dazu ansetzen, mit dem Dolch zuzustoßen, als eine strenge Stimme rief: „Was, bei der Sonne, ist denn hier los?“. Doch bevor sie sich verteidigen konnte, riefen die Übrigen Schüler der Wache zu: „Sie war's!“, und zeigten auf Fenaria. Der Dolch in ihrer Hand, die bewusstlos am Boden liegende Lyrandis und der stöhnende Galadris zu ihren Füßen, das waren nicht gerade gute Argumente für sie. Sie fluchte kräftig. Wäre sie noch ganz klar im Kopf gewesen, wäre ihr vielleicht ein anderer Ausweg eingefallen. Doch das Adrenalin in ihren Adern und die vor Schmerz pochende Wunde trübten ihr Bewusstsein. Fenaria machte eine blitzschnelle Bewegung mit ihrem linken Arm. Aus dem vollgesogenen Verband schossen ein paar Tropfen Blut genau in das Gesicht des Wächters. Während dieser vor Schmerz aufschrie, und seine Waffen fallen ließ, um mit seinen Händen das Gesicht zu bedecken, huschte sie an ihm vorbei nach draußen, und rannte in den Wald. Sie hatte kein Ziel.
Zwischenspiel
Ein kleiner, kalter Raum. Von einem Ende zum anderen höchstens 3 Meter lang, und genauso breit.
In seiner Mitte stand ein grauer, steinerner Tisch, auf welchem eine gläserne Kugel stand, welche mit Rauch gefüllt war. Die Seiten des Raumes bestanden aus Regalen, welche voll standen mit surrenden und klirrenden Gerätschaften unbekannter Herkunft. Auf der einen Seite des Tisches stand ein Astraler. Seine Bandagen schimmerten rötlich, ein Zeichen, dass er einen höheren Rang bekleidete.
„Was sagt ihr da?“ Die Stimme war lediglich ein zitternder, leiser Hauch.
Sein Gesprächspartner, ebenfalls ein Astraler, allerdings mit normaler Bandagenfarbe, weiß, erwiderte: „Fenaria ist heute nicht zurückgekommen. Laut ihrem Lehrer Kalendin hat es einen Streit gegeben, als er sich kurz aus dem Raum entfernte, in welchem der Unterricht gehalten wurde. Er entschuldigt sich vielmals für seine Unachtsamkeit, Kommandant.“.
Die Kugel auf dem Tisch vollführte einen kleinen Sprung, als die Faust des Kommandanten mit gewaltiger Wucht auf den Tisch schlug. „Was soll das heißen, nicht zurückgekommen?“. Falls jemand jemals behauptet hatte, Wesen aus reiner Energie könnten nicht laut werden, noch Gefühlsausbrüche bekommen, würde jetzt eines besseren belehrt. „Ich habe ihm ausdrücklich befohlen das Kind in keinem Augenblick aus den Augen zu lassen! Wozu, zum Nether, habe ich ihn denn bezahlt?“ Die Sätze hallten durch den kleinen Raum.
„Kommandant“ Der andere Astrale schien sich nicht an dem Gefühlsausbruch seines Befehlshabers zu stören „es ist zwar ärgerlich, doch können wir daran nun nichts mehr ändern, wir sollten nach ihr suchen lassen.“
„Keine Frage.“ der Kommandant war wieder ruhiger geworden „Und ich weiß auch schon wer sich für diese Aufgabe bestens eignet. Ihr!“ Hätte der Arkane nach Luft schnappen können, er hätte es getan. „Warum denn ausgerechnet ich, Kommandant?“ „Ihr wart es, der sich mit ihrer Ausbildung befasste, ihr wart es, der ihre Mutter kannte, und weiß, welche Gefahr unserem Schützling von ihr droht. Und deshalb seid ihr der einzige, der sie beschützen und sicher hierher zurück geleiten kann und auch wird.“ Die letzten Worte zischte er gefährlich.
„Wie ihr wünscht, Saralis!“.
Mit diesen Worten entfernte sich der Astrale aus der Stube des Kommandanten.
Sein Name war Sorandis. Er war mit dem Ergebnis der Unterhaltung in keinster Weise zufrieden. Er mochte die Welt der fleischlichen Wesen nicht, er konnte sich mit dieser Fülle an Farben, Gerüchen und Gefühlen nicht anfreunden. Und nun sollte ausgerechnet er nach Fenaria suchen. Hätte er nicht in totaler Loyalität zu seinem Kommandanten gestanden, er hätte diese Aufgabe nicht angenommen. Auch die Ausbildung von Fenaria hatte er nur auf den Befehl von Saralis unternommen. Er wusste nicht, was der Kommandant an diesem Wesen hatte, oder warum er es überhaupt damals in diese Einrichtung hat bringen lassen, die selten zuvor ein fleischliches Wesen betreten hatte. Er hatte bei der Ausbildung der Frau keine Rücksicht walten lassen, und sie sehr hart trainieren lassen, in der Hoffnung sie würde eines Tages alleine gehen. Doch er hatte nicht mit dem eisernen Willen der Frau gerechnet.
Mit diesen Gedanken lief er gen Waffenkammer. Er wusste nicht, ob er Waffen brauchen würde, doch sicher war sicher. In der Welt der Fleischlichen begegnete man Wesen seiner Art oft mit Argwohn.
Er deckte sich reichlich mit Waffen des Konsortiums ein. Darunter auch einige magische Gegenstände, deren Wirkungsweise den meisten anderen Lebewesen unbekannt war.
Nachdem er für seine Meinung genügend Waffen zusammen hatte, ging er auf schnellstem Weg zu den Portalen. Er benutzte das Portal, durch welches vorher auch Fenaria gegangen war. Sein einziges Gepäck waren die Waffen, Essen oder Trinken brauchte er nicht.
Als er ankam, ließ er als erstes einen genauen Blick über die Gegend schweifen. Bäume. Viele bunte, lebensfrohe Bäume. Frisches, grünes Gras. Von Magie durchsetzte Luft. Das waren die Eindrücke, die er als erstes bemerkte.
Und ein Mensch, der mit einem erhobenen Speer auf ihn zu rannte.
3
Fenaria saß an einen Baum gelehnt auf der Erde. Auf ihrem Gesicht glitzerten die feuchten Spuren von frischen Tränen.
Was soll ich jetzt machen? Wo soll ich jetzt hin? Ob sie mich beim Konsortium vermissen? Und wenn ja, schicken sie jemanden um mich zu suchen? So wie die mich behandelt haben, war ich denen doch egal! Und wenn sie jemanden schicken, komm ich nicht mehr mit zurück! Aber wo soll ich hier hin? Zurück zur Schule? Zu diesen (wieder ein Schimpfwort, für das es keine Übersetzung gibt) ? NEIN! Ganz sicher nicht! Aber wo soll ich hin? Ich habe doch niemanden!
Sie wollte sich gerade weitere Gedanken machen, als sie ein Geräusch hörte. Es war nur ganz leise. Nicht lauter als wenn ein kleiner Zweig zertreten wird. Doch ihre langen Fraunohren hörten es ganz deutlich. Sie richtete sich nach der Seite, wo sie das Geräusch wahrgenommen hatte. Sie verweilte einen Moment lang horchend. Doch da war nichts mehr. Sie drehte sich um, und erschrak für einen Moment fürchterlich, als sie ein blaues, tätowiertes Gesicht kurz vor dem ihrigen entdeckte. Im nächsten Moment sank sie auch schon von einem Schlag betäubt zu Boden. Der NachtFrau vor ihr rieb sich die Faust und sprach etwas in Darnassisch zu seinen zwei Begleitern, welche soeben aus dem Gebüsch hervorkamen. Diese banden anschließend jeweils Fenarias Arme und Beine zusammen und trugen sie fort.
Als Fenaria wieder zu sich kam, hatte sie fürchterliche Kopfschmerzen. Sie wollte sich an den Kopf greifen, doch konnte sie ihre Arme nicht bewegen. Da fiel es ihr erst wieder ein.
NachtFraun! Hier, im Immersangwald. Nachdem sie sich wieder an die kurze Begegnung erinnert hatte, blickte sie sich um. Die Bäume um sie herum sahen nicht nach den Bäumen des Waldes aus, der hier normalerweise stehen sollte. Sie waren nicht so bunt, eher normal dunkelgrün, Laubbäume. Auch war das vorherrschende Licht auf der Lichtung nicht so farbenfroh wie vom Immersangwald gewohnt. Es war wie in der Dämmerung, obwohl es helllichter Tag sein müsste. Kein Wunder, dass in dieser Umgebung die NachtFraun nicht auffielen, obwohl sie in dieser Gegend fremd sein müssten. Es waren ihrer ungefähr ein Dutzend. Die meisten standen vor dem mittleren der drei Zelte, welche im Dreieck angeordnet in der Mitte der Lichtung standen. Das Zelt vor dem sie standen, fiel durch seine Größe und zahlreichen Verzierungen auf. „Wahrscheinlich das Zelt irgendeines Erzdruiden.“ dachte Fenaria. Sie wunderte sich nicht schlechte, als sie ihre eilig gemurmelte Behauptung bestätigt fand. Als die fünf NachtFraun, welche vor dem Zelt standen auf einmal niederknieten, weil jemand im Eingang des Zeltes erschien, sah Fenaria zum ersten Mal in ihrem Leben einen Druiden.
Er war eine imposante Erscheinung. Er war sehr groß, größer noch als die anderen Fraun in diesem Lager, welche Fenaria schon um einen Kopf überragten. Dann hatte er die typische blaue Hautfarbe der NachtFraun, und ein großes Geweih auf dem Kopf, welches über seine dunkelgrünen Haare hinausragte. Ob es angewachsen oder aufgesetzt war, konnte Fenaria nicht feststellen. Er war gekleidet in grüne Ledersachen, welche teilweise mit Federn besetzt waren. Sie versuchte sein Alter zu schätzen. Würde man von der Aura der Macht und Weisheit, die ihn umgibt ausgehen, müsste er wohl schon über 300 Jahre auf dieser Welt geweilt haben. Die Ehrerbietung, die die anderen Fraun ihm entgegen brachten, bestätigte diese Vermutung.
Die Anwesenheit des Druiden erklärte auch die eigenartigen Bäume und die Dämmerung.
Diese Leute konnten stark auf die Natur einwirken, und dieser hier schien große Erfahrung damit zu haben.
Da Fenaria dem Druiden nicht ihre Aufmerksamkeit schenken wollte, machte sie sich daran ihre Fesseln zu untersuchen. Wie sie schnell bemerkte, waren es keine normalen Fesseln, sondern Wurzeln oder biegsame Äste, welche aus dem Baum, an den sie gebunden war, hervor sprossen. Ihre Arme waren in einem spitzen Winkel nach unten gebunden. Ihr Füße, jedoch, waren frei. Dennoch spürte sie noch die Eisschnittstellen, wo ihre Füße vorher gebunden gewesen waren. Sie wollte sich gerade ihre Situation klarmachen als sich der Druide sich zu ihr umdrehte, und erhobenen Hauptes auf sie zukam. Er sprach thalassisch, perfekt, ohne Akzent.
„Grüne Grüße, Junge Frau“ der Spott in seiner Stimme war unverkennbar. „was macht ein zerbrechliches Wesen wie du an den Grenzen des Immersangwaldes?“. Er ließ sie nicht einmal antworten. „Was auch immer du hier vor hattest, nun hast du eine andere Zukunft vor dir. Eine sicherlich unschönere.“. Zum ersten mal konnte Fenaria den Hass in seiner Stimme hören, als ob Fenaria persönlich ihm etwas angetan hätte. „Du bist ein Ding gegen die Natur! Du müsstest tot sein, nicht so fidel und am Leben.“ Er beugte sich ganz nah an ihr Gesicht, so dass Fenaria die rasierten Bartstoppeln genau sehen konnte. „Das Gift, was durch deine Adern fließt, ist gegen die Natur.“ Nun flüsterte er mit von Gefahr beladener Stimme „Und der Druiden Aufgabe ist es, alles was gegen die Natur ist, auszumerzen.“. Er entfernte sich wieder von ihr, und stand nun einen Meter vor ihr. „Aber vorerst haben wir hier eine andere Aufgabe. Ich fürchte“ ein gehässiges Grinsen „du wirst solange hier warten müssen.“ Er wand sich ab und ging zu seinem Zelt zurück, die NachtFraun wichen rasch zurück. Erst jetzt begann Fenaria wieder die Luft einzuatmen, welche sie vorher unbewusst angehalten hatte. Sie spürte Angst. Es war nicht das erste Mal in ihrem Leben, doch diese Angst war anders. Es war nicht die Angst, welche man hat, wenn man als kleines Kind im Dunkeln zu Bett geht, und der Schrank aussieht wie ein Worg. Es war auch nicht die Angst, welche man empfindet, während man schwer krank ist, und nicht weiß, ob man wieder genesen wird. Es war die Angst, dass man im nächsten Augenblick tot sein könnte. Nicht nach einer bestimmten Zeit. Nicht angesagt. Sondern plötzlich. Aus der reinen Laune eines Fremden heraus. Und diese Angst spürte sie das erste mal in ihrem Leben. Es war ihr auch unerklärlich, warum der Druide ihr solchen Hass entgegenbrachte.Sollte es tatsächlich wegen ihrer „Unnatürlichkeit“ sein? Da konnte sie doch nichts dafür, sie hatte ja sogar verzweifelt versucht, diese Vergiftung aufzuheben, die sie so entstellte. Doch hatte sie all die Jahre kein Gegenmittel gefunden, und langsam begann sie den Worten des Astralen zu glauben. Es gab kein Gegenmittel. Sie wurde von ihren Gedankengängen durch drei NachtFraun abgelenkt, welche in ihrer Nähe standen und sich in Darnassisch unterhielten. Scheinbar rechneten sie nicht damit, dass Fenaria dieser Sprache mächtig ist. Doch genau das war sie, die Astrale hatten sie sie gelehrt, nachdem ihr elfischer Lehrer sich weigerte, irgendetwas von den NachtFraun zu erzählen.
Sie verstand die Unterhaltung also genau. „Meinst du diese Aktion kann irgendetwas bewirken? Ich meine, schau doch wie sehr dieser Wald verseucht ist.“. Darauf erwiderte die zweite Frau, dessen grüne Haare in der Dämmerung schwarz erschienen: „Wir können es nicht wagen, an seinen Worten zu zweifeln!“ Damit meinte sie offensichtlich den Druiden. „Schau doch, er hat diese verderbte Magie doch schon aus diesem Stückchen Wald geholt!“ Darauf erwiderte die andere Frau wieder: „Aber das hier ist nur ein kleines Stück. Der ganze Immersangwald ist mehrere Quadratkilometer groß! Dieses ganze Gebiet der Natur wiederzugeben und aus den Fängen dieser Fehlgriffe“ dabei schaute sie verächtlich auf Fenaria „zu befreien verlangt möglicherweise größere Kräfte, als die von unserem Druiden.“ Jetzt erst schaltete sich der dritte Nachtelf in das Gespräch ein. „Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen ihm vertrauen. Und der Aufgabe, auf die wir geschickt wurden. Haben wir uns nicht alle freiwillig gemeldet?“ Die zwei anderen NachtFraun nickten, die eine eifrig, die andere eher widerwillig. „Ich hätte mich vielleicht anders entschieden, wenn nicht“ der andere Elf unterbrach sie „pscht! Da kommt er wieder“. Doch der Geweihträger verschwand schon wieder in einem anderen Zelt, wobei er sich ducken musste, um nicht gegen den Eingang des Zeltes zu stoßen.
Der Elf, welcher das Gespräch vorher unterbrochen hatte, fing wieder an zu reden.“Wir kennen alle deine Beweggründe. Doch solltest du versuchen, deine Wut gegenüber den Sin`Dorei etwas einzuschränken. Sonst wird er dich bei der Ausübung deiner Aufgabe stören.“ Die angesprochene Frau murrte nur etwas mürrisch aber erwiderte nichts. „Aber diese Frau, welche wir gefangen haben, scheint ein ganz schrecklich von der Norm abgewichenes Exemplar zu sein. Man muss sich nur vor Augen führen, was sie mit dem Strick gemacht hat.“ Dabei deutete sie auf zwei neben Fenaria liegende Stücke Schnur. Das eine Stück war normal durchgeschnitten, und etwas größer, also hatte es wahrscheinlich ihre Füße gebunden. Das andere Stück war kleiner, und auch aufgetrennt. Aber nicht geschnitten. Seine Enden sahen aus wie verätzt, und bei genauerem Hinsehen konnte man grün-rotes Blut daran kleben sehen. Jetzt verstand sie auch, warum sie mit diesen Wurzeln gefesselt war, diesen konnte ihr Gift wohl nichts anhaben. „Irgendetwas Fremdes hat sie in sich. Ein Gift, dass nicht einmal unser Druide kennt. Wie er schon sagte, sie müsste tot sein. Ich bin gespannt, was er aus ihr rausbekommt, sobald wir wieder in Darnassus sind!“.
Mit diesen Worten wandte er sich ab, und ging auf eine vor einem anderen Zelt stehende Gruppe zu. Das Mädchen mit den schwarzen Haaren murmelte noch ein „Lass gut sein.“ zu der anderen Frau, bevor auch sie sich zu ihren Gefährten gesellte. Die verbliebene Frau jedoch ging auf Fenaria zu. Alles an ihr spiegelte die Verachtung wieder, die sie für das Mädchen zu empfinden schien. Sogar in ihrem Gang lag Hass.
„Jetzt ich dir zeigen, was sich gehören für deine Art!“ Ihr Thallassisch war grottenschlecht.
Doch sprach die Faust, mit welcher sie ausholte eine eigene Sprache. Fenaria schloss die Augen in Erwartung des kommenden Schlages.
Doch es kam anders. Der Angriff begann.
4
Sorandis blieb seelenruhig stehen, und erwartete den auf ihn zu rennenden Mensch. Als die Speerspitze noch ungefähr einen Meter von ihm entfernt war, drehte er sich blitzschnell zur Seite, nahm den Speer am Schaft und riss ihn nach vorne, wobei er den hinteren Teil kräftig nach oben drückte. Der Elf, komplett aus dem Gleichgewicht gebracht, verlor den Halt, ließ den Speer los, und flog längs in das grüne Gras. Der Astrale nahm die Waffe des Fraun, und kam langsam auf ihn zu. Dieser lag nun seitlich auf dem Waldboden und war in Schutzhaltung zusammen gekrümmt. Er hatte lange schwarze Haare, welche aus seinem für einen Fraun unförmigen Schädel wuchsen. Die Beine hatte er angezogen, und die Arme vor das Gesicht geschlagen. Sorandis richtete den Speer auf den hilflos daliegenden Fraun, und begann Fragen zu stellen. „Warum hast du mich angegriffen? Wer hat dich geschickt?“. Der Elf drehte plötzlich den Kopf zu seinem Befrager und brabbelte unzusammenhängende Worte. „Tot ... überall Tod, alles vorbei... muss beschützen .... Familie beschützen ... mich beschützen .... Kinder retten ..... verzehrender Tod ... alles weg. ... Fremdes töten ... beschützen....“. Es war offensichtlich, dass der Elf nichts verstand und den Verstand verloren hatte. Da Sorandis bemerkte, dass von diesem Wesen keine Gefahr mehr ausging, legte er den Speer weg und drehte den Fraun auf den Rücken, um ihn genauer zu untersuchen. Dieser wehrte sich nicht. Das Gesicht, welches teilweise von seinen ungepflegten schwarzen Haaren verdeckt wurde, war vor Irrsinn verzerrt. Die Augen huschten unruhig von einer Seite zur anderen, und manchmal verschwanden die Pupillen samt grüner Iris auch vollkommen, so dass man nur das Weiße in seinen Augen sehen konnte. Als der Astrale den Kopf genauer untersuchte, fand er die Ursache für dessen seltsame Unförmigkeit. Der Schädel war mehrmals gebrochen, und unkontrolliert wieder zusammengewachsen. Dass dieser Elf noch lebte war ein Wunder. Die Kleidung, die der Elf trug war komplett zerschnitten und verwahrlost, so wie der Rest seines Körpers. Es schien, dass die Zeit, in der der Elf das letzte Mal in der Zivilisation geweilt hatte sehr lange her war. An den Stellen, an denen die Kleidung aufgerissen war, konnte man schlecht verheilte Narben entdecken. Aber was dem Astralen den endgültigen Hinweis gab, war eine Wunde, welche mitten auf seinem Bauch klaffte. Es war ein Schnitt, wie ihn nur rostige Waffen verursachten. Die Ränder waren nicht gerade, sondern unschön gezackt, wie gerissen. Außerdem war die Wunde nicht verheilt, sondern eiterte immer noch.
Zusammen mit den Wörtern, welche der Frau immer noch vor sich hin murmelte konnte Sorandis nur einen möglichen Schluss ziehen. „Ein Opfer der Geißel. Eigenartig. Die Todesschneise liegt mehrere Kilometer entfernt. Und das Gebiet wird für gewöhnlich sorgfältig abgeschirmt, damit keine Untoten daraus entkommen können. Einer der Posten muss ausgefallen sein.“ Da der vollkommen erschöpfte Elf für den Astralen keinerlei Nutzen mehr hatte, nahm er den Speer und rammte ihn dem Elf in den Brustkorb. Unter einem kurzen Zucken schaute der Elf dem Astralen in das Gesicht. Man konnte meinen Dankbarkeit in seinen Augen zu erkennen.
Als sich Sorandis auf dem Weg zu Fenarias Schule machte, denn dort wollte er mit seinen Nachforschungen anfangen, dachte er nochmal über die seltsame Begegnung nach. Der Krieg gegen die Untoten war schon lange vorbei. In diesem Krieg sind tausende gefallen, und das Mädchenn wurden fast ausgerottet. Nun durchzieht eine Schneise der Verwüstung Quel Thalas, das Fraunreich. In diesem Gebiet, genannt Die Todesschneise, wandeln immer noch vereinzelt Untote. Der Elf von vorher musste in dem Krieg um den Sonnenbrunnen mitgekämpft und überlebt haben. Doch hatte dieser Kampf ihm wohl den Verstand genommen. Sorge machte Sorandis nur, dass dieser Elf nicht von den Wachen aufgegriffen wurde, die überall im Immersangwald patrouillieren, um eben solche Leute aufzugreifen, und nach Silbermond, die Hauptstadt der Fraun, zu bringen oder zu eliminieren. Er wiederholte seinen Gedanken von vorher noch einmal. Einer der Posten musste ausgefallen sein, aus welchem Grund auch immer. Ob das etwas mit Fenarias Verschwinden zu tun hatte? Ob Fenaria geradewegs in die Todesschneise gelaufen war? Dann wäre ihr Überleben stark in Frage gestellt. Der Astrale zwang sich diesen Gedankengang nicht weiter zu verfolgen. Nichts wies darauf hin, dass es tatsächlich so passiert ist. Wahrscheinlich war Fenaria nur aus jugendlichem Leichtsinn weggelaufen, und fand nun nichtmehr zurück. Viel anders konnte es nicht sein. Als er bei dieser Überlegung angekommen war, hatte er sein Ziel erreicht. Die Schule Fenarias. Er ging durch den Vordereingang hinein. Ihm bot sich ein eigenartiges Bild. An eine Wand gelehnt saßen zwei junge Fraun, der eine mit einem verbundenen Arm, die andere mit einem Verband um den Kopf. Um sie herum stand in einem Halbkreis die übrige Klasse, Kalendin im Vordergrund. Dahinter zwei Wächter, der eine mit einem hässlich zugerichteten Gesicht. Die zwei jungen Fraun schienen gerade den Grund zu erläutern, weswegen alle so zugerichtet waren. Wohl zum wiederholten Male, denn sie hielten sich seltsamerweise ziemlich genau an die Wahrheit. "Dann hat sie Galadris den Arm gebrochen und mich provoziert. Ich wollte natürlich meinen Scha, äh, Galadris verteidigen, wie es sich gehört, und bin mit meinem Dolch auf Fenaria losgegangen, aber sie..." "Woher hattest du diesen Dolch, und warum nimmst du Waffen mit in die Schule?" fragte einer der Wächter. "Also ich, äh, eigentlich wollte ich nur, naja, das..." "Lasst gut sein, sie hat sich doch nur verteidigen wollen." verteidigte Kalendin Lyrandis.
"Diese Furie hat es doch nicht anders verdient. Unnatürlich ist so etwas, eine Krankheit!" murmelte der Wächter mit dem ekelhaft zugerichteten Gesicht. Nun schaltete sich der Astrale ein, welchen bisher noch niemand bemerkt hatte. "Ich glaube nicht, dass ihr euch darüber auch nur erlauben könnt, ein Urteil zu fällen.". Als die anderen Personen im Raum die scheinbar aus dem Nichts kommende Stimme hörten, drehten sie sich zu dem Astralen um. Da es anderen Wesen sehr schwer fiel, Astrale auseinander zuhalten, fragte Kalendin: "Und was gibt euch das Recht, Magiewesen, so über wirklich Lebende zu urteilen?" Sorandis überhörte die unverkennbare Provokation, und antwortete: "Das Recht, verehrter Herr Kalendis, ist das Recht des Zahlenden!". Erst jetzt wusste Kalendin wen er vor sich hatte. Sofort verbeugte er sich. "Verzeiht, Sorandis. Diese Worte waren nicht gewählt, sondern aus einer reinen Laune heraus gesprochen. Bitte, entschuldigt meine Unverschämtheit."
„Eure Unverschämtheit ist es nicht, welche mich veranlasst, euch jegliche Zuneigung seitens des Konsortiums zu nehmen! Ihr habt unser Vertrauen missbraucht, und die euch zum Schutz beauftragte Frau einfach weglaufen lassen.“.
„A-aber ich habe mein möglichstes getan, bitte, gebt mir noch eine Chance, ich werde sie wiederfinden, auch diese Wächter hier werden auch ihr möglichstes tun. Wir haben doch keinen Grund, uns mit dem Konsortium schlecht zu stellen!“
„Natürlich habt ihr den nicht. Aber das kann euch auch nicht hFraun. Wir haben euch gewarnt.“ der Astrale hielt kurz inne „aber ich gebe euch eine letzte Chance, euch wenigstens ein bisschen zu rehabilitieren. Wohin ist Fenaria gelaufen?“.
Die restlichen Kinder, welche das Gespräch verständnislos verfolgt haben, meldeten sich nun empört zu Wort: „Ihr sucht diese Missgeburt? Was wollt ihr von ihr? Was habt ihr überhaupt mit ihr zu tun? Lasst sie doch im Wald verrecken! Sie hat es nicht anders verdient, sie ist eine Schande für ihre Art!“. „Was ich mit ihr zu tun habe, oder zu tun gedenke, geht euch nicht das Geringste an!“. Nun wandte sich der Lehrer an die Kinder: „Bitte, seid kooperativ, mir zuliebe. Habt ihr gesehen, wohin Fenaria gelaufen ist?“ Eine der Fraun antwortete widerwillig: „Ja, sie ist nach Westen gelaufen, mitten in den Immersangwald hinein!“ „Und sie hat meinen Dolch mitgenommen, diese Schlampe!“ ergänzte Lyrandis.
Kalendin schaute unglücklich. „Nun, da habt ihr eure Information, ich befürchte, mehr kann ich euch nicht sagen, da ich, Schande über mich, bei diesen Vorgängen nicht zugegen war.“ Der Astrale erwiderte: „Viel ist das wirklich nicht, aber ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber glaubt ja nicht, das Konsortium wird euch jemals wieder hFraun oder euch unterstützen, bei was auch immer!“.
Der Angesprochene Kalendis nickte nur schwach, und wollte noch etwas erwidern, doch Sorandis war schneller. „Nun denn, gehabt euch wohl!“ sagte er, und ging schnellen Schrittes aus dem Gebäude.
Er ließ viele verwirrte Gemüter zurück. Der Wächter mit dem zerstörten Gesicht schaute dem Astralen wütend hinterher. „Ich habe noch eine Rechnung mit deinem Schützling offen!“ sagte er so leise, dass ihn niemand in dem Raum verstehen konnte.
Der Weg des Astralen führte geradewegs in den Wald. Die Spur von Fenaria war nun, da er die grobe Richtung wusste, nicht schwer zu verfolgen. Sie hatte sich nicht bemüht ihre Spuren zu verwischen. Abgeknickte Äste hier, Fußspuren dort. Es war so einfach, dass Sorandis sich wunderte, als die Spuren auf einer Lichtung plötzlich aufhörten. „Das ist interessant. Entweder, sie hat sich plötzlich auf meine Ausbildung besonnen, oder sie wurde gegen ihren Willen von hier entfernt.“. Er ließ den Blick über den freien Platz wandern. In der Nähe eines Baumes sah er etwas blitzen. Es war der Dolch. „Also entfernt!“ flüsterte er, und rannte los, ohne die Waffe näher zu betrachten.
5
Plötzlich und ohne Vorwarnung sprang er aus dem Unterholz. Das Mädchen vor Fenaria wurde auf einmal zur Seite gerissen. Als Fenaria hinunter schaute, um zu sehen, was sie so unerwartet von ihrer Peinigerin befreit hatte, wünschte sie sich, es wäre nicht geschehen. Denn das hier war schlimmer. Am Boden, auf der zuckenden und schreienden Frau saß ein halb vermoderter Körper. Er bohrte gerade seine Zähne in ihr zartes blaues Halsfleisch. Ihr Geschrei verwandelte sich in ein Gurgeln bevor sie noch ein paar mal zuckte und dann erschlaffte. Als der Ghul sich abwandte, musste Fenaria sich übergeben. Von dem Hals der Frau waren nur noch Teile der Wirbelsäule übrig. Der Ghul wandte sich plötzlich zu Fenaria um. Er war, so schien es, nicht mehr als Knochen, um die noch ein bisschen Haut und ein paar Sehnen flatterten. Da wo seine Augen hätten sein müssen, waren nur leere Höhlen, in denen ein eigenartiges Feuer flackerte. Ein schwarzes Feuer! Sein von Blut verschmiertes Maul war eine scheinbar grinsende Grimasse. Als sie merkte, wie er sich zum Sprung bereit machte, schloss sie mit ihrem Leben ab. Der Ghul sprang, doch wurde er mitten im Sprung von einem grünen Blitz getroffen, und flog an Fenaria vorbei. Er lag nun ein paar Schritte rechts neben ihr. Seine schwarzen Augenhöhlen fixierten Fenaria immer noch, aber er bewegte sich nicht mehr. Als sie ihren Blick von dem verwesten Körper lösen konnte, sah sie den Grund, warum sie noch im Besitz ihres Halses war. Es war der Druide. Er hatte dem Ghul eine Ballung von Natur Magie in den Rücken gejagt. Er schaute sie nur kurz undefinierbar an, und widmete sich dann wieder dem inzwischen heftig tobenden Kampf. Als Fenaria diesen sah, wunderte sie sich, dass der Druide sich die Zeit genommen hatte, sie zu verteidigen. Und tatsächlich konnte sie nicht mehr machen, als diesem Gemetzel zu zugucken, denn sie war immer noch gefesselt. Die Geißel war deutlich in der Überzahl. „Wie, zur Sonne, sind die hier hingekommen. Die Todesschneise wird doch bewacht!“ dachte Fenaria sich. „Sollte...sollte etwa ein neuerlicher Angriff der Geißel auf Quel Thalas bevorstehen?“. Sie schüttelte sich bei dem Gedanken. Denn sollte dem so sein, konnte diese lächerliche Streitmacht der NachtFraun die Geißel nicht aufhalten. Und das bedeutete ihren sicheren Tod. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie für NachtFraun betete. Es war überhaupt das erste Mal in ihrem Leben, dass sie betete. Aber da sie zur vollkommenen Handlungslosigkeit verurteilt war, schien ihr das die beste und einzige Möglichkeit zur Hilfe. Das, und den NachtFraun Hinweise auf angreifende Ghuls zuzuschreien. Doch die NachtFraun verteidigten sich auch ohne Fenarias Hilfe überzeugend. Einer war gerade im Kampf mit drei Untoten auf einmal. Während er einen mit seinem Schwert in Schach hielt, wich er immer wieder den unsicher und grob geführten Schlägen des Zweiten aus. Dem Dritten hatte er gerade mit seinem Schild einen gewaltigen Schlag verpasst, dass dieser zurück taumelte und mangels Koordination um fiel. Er wich wieder einem Schlag des Ghuls aus, schlug eine Riposte und hieb dem anderen Untoten mit Schwung den Kopf ab. Dieser fiel daraufhin zusammen. Dann musste er sich schon wieder unter einem Hieb des anderen lebenden Kadavers ducken, und nutze diese Gelegenheit, um dem Ghul kurzerhand einen Knochen aus dem Bein zu reißen. Der Ghul fiel auf die linke Seite, kroch aber weiterhin auf den Fraun zu, bis dieser ihm den Kopf mit dem Schild zertrümmerte. Er wollte sich gerade dem anderen, immer noch am Boden liegenden Geschöpf zuwenden, als etwas Gewaltiges aus dem Wald brach und den Ghul einfach unter seinen Füßen zerquetschte. Der Nachtelf schrie auf und wich zurück. Er erkannte unschwer, dass er gegen diese Kreatur alleine keine Chance hatte. Es war eine Kreatur wie aus einem Alptraum. Scheinbar aus wahllosen Leichenteilen zusammengesetzt, hatte sie drei Arme, einen schrecklich zugerichteten Kopf, und einen offenen Bauch, aus dem verschiedene Gedärme quollen. „Fleischbestie!“ kreischte der Nachtelf. Als ob es vorher abgesprochen worden wäre, änderten die NachtFraun ihre Verteidigungslinien. Diejenigen, die vorher nur einen Ghul bekämpft hatten, übernahmen von anderen die Gegner, damit diese sich gegen die Fleischbestie formieren konnten. Insgesamt standen nach kurzer Zeit vier NachtFraun der Kreatur gegenüber, welche keine Anstalten machte, anzuhalten. Ein Elf warf einen Speer auf die Bestie, welcher einfach in ihrem Körper stecken blieb. Sie bemerkte ihn nicht einmal. Sie stapfte weiter auf die kleine Gruppe zu, welche jetzt einigermaßen ratlos vor ihr stand. Ein Elf mit weißen Haaren versuchte einen Ausfall nach links, doch bewegte sich die Fleischbestie für ihre Größe ungewöhnlich schnell, und kam dem Angriff zuvor, indem sie den Elf einfach mit ihrem kräftigsten Arm, er sah aus wie der Arm eines Orks, wegstieß. Der Elf flog mit Wucht gegen einen Baum, und blieb reglos an dessen Wurzeln liegen. Die verbliebenen Fraun wechselten einen kurzen Blick. Fenaria traute ihren Augen bei dem folgenden Manöver nicht. Einer der Fraun sprang die Fleischbestie frontal an. „Verdammt, ihr springt in euren Tod!“ schrie Fenaria dem Fraun zu. Doch dieser reagierte nicht, im Gegenteil, er gab seine Deckung auf, indem er seinen Speer in die rechte Hand nahm, wie zum Wurf, anstatt ihn mit beiden Händen zu halten, so dass er noch einen Schlag abhalten könnte. Die Kreatur sprang auf diesen leichtsinnigen Angriff direkt an. Sie ließ alle drei Arme zusammen nach vorne schnellen, und zerquetschte den Elf in der Luft. „Das war doch vorauszusehen!“ würgte Fenaria verständnislos hervor. „Aber, wo sind die zwei anderen Fraun?“ wunderte sie sich. Auch die Fleischbestie schien ein wenig verwirrt. Sie suchte ihre vorher noch so sicheren Ziele, die sie anhand der leichten Beute aus den Augen gelassen hatte. Als sie sie nicht fand, stapfte sie weiter auf den Mittelpunkt des Lagers zu. Da lösten sich plötzlich hinter ihr zwei Gestalten aus den Schatten. Es waren die vorher so sicheren Ziele. Sie stürmten von hinten an, legten sich, kurz bevor sie die Fleischbestie erreichten, auf den Boden und rutschten so zwischen den Beinen dieser hindurch. Während dem Rutschen schlugen sie mit aller Wucht auf die Beine der Kreatur ein. Diese schaute noch einmal kurz verwundert auf ihre zertrümmerten Gliedmaßen, als sie nach hinten fiel. Die Arme schlugen noch immer aus, als ob sie nicht begriffen hätten, dass sie nun nichts mehr treffen könnten. Als die Fleischbestie auf den Boden auf traf, erzitterte dieser. Die nun vollends aus dem Schatten aufgetauchten Fraun liefen um die Bestie herum, und hackten systematisch auf diese ein. Zuerst wurden die Arme vom Körper getrennt. Danach der Kopf. Und selbst dann gaben sie sich noch nicht zufrieden. Sie zerteilten noch den ganzen restlichen Körper, als ob sie Angst hätten, dass dieser wieder auferstehen könnte. Wäre Fenaria nicht durch das durch ihre Adern fließende Gift grünlich gewesen, nach dieser Prozedur wäre sie es ganz bestimmt. Währen dem Kampf mit dem Giganten, schien sich auch der restliche Kampf aufgelöst zu haben. Der Boden war übersät mit Leichen. In der Überzahl waren Körper, welche vorher schon tot gewesen waren. Doch kannte man auch blaue Leichenteile entdecken. Es waren also auch NachtFraun gefallen. So schnell, wie das Mädchenn kampfbereit gewesen waren, kehrten sie zur Ruhe zurück. Sie fingen an, die Leichen der gefallenen Kameraden aufzuschlichten, wobei sie jede einzelne mit einem Gebet besprachen. Als das Mädchen, welche direkt vor Fenaria gefallen war, weg geholt wurde, schaute ihr eine grün haarige Frau in die Augen. In diesen Augen stand grenzenlose Traurigkeit und ebenso grenzenloser Hass. Scheinbar schrieb diese Frau Fenaria den Tod an ihrer Kameradin zu. Als die NachtFraun alle Leichen auf einen Haufen geschlichtet hatten, stimmten sie ein Klagelied an. Es dauerte lange Zeit, und Fenaria fühlte sich durch die Worte des Liedes gereizt. Es besang das grenzenlose Leid der NachtFraun, samt dem Verrat durch die HochFraun. Als Fenaria gerade aufschreien wollte, sie sollten doch endlich aufhören, hörten sie auf. Fenaria war einigermaßen verblüfft. Doch schlug diese Verblüffung in Ekel um, als sie sah, dass die NachtFraun darangingen, den Haufen von Leichen anzuzünden. Zwar wusste sie, dass das unvermeidlich war, wollte man die Körper vor Nekromantischer Vergewaltigung schützen. Doch stand der Wind so, dass Fenaria der nicht gerade süßliche Geruch der verbrannten Leichen in die Nase zog.
Sie hatte das Gefühl, dass dies Absicht war. Doch unterstütze kein Hinweis diese wage Vermutung.
Als das Feuer erloschen war, und Fenarias Magen vollends leer, fingen die NachtFraun an, die Zelte abzubauen. „Ihr wollt weg? Warum? Wohin?“ fragte Fenaria, obwohl sie wusste, dass sie keine Antwort bekommen würde. Doch sie bekam eine. „Das wirst du noch früh genug sehen.“ sagte der Druide, der gerade zu ihr kam. „Du kommst auf jeden Fall mit. Wir haben noch etwas mit dir vor.“. Fenaria erschauerte bei dem Tonfall, welchen der Druide wählte. Auf einmal waren ihre Arme frei. Sie wollte sich schon zur unüberlegten Flucht wenden, als Wurzeln aus dem Boden schossen, und sie gänzlich umfingen, sie sogar knebelten. „Verzeiht mir, Geister des Waldes!“ flüsterte der Druide, als er die Wurzeln am unteren Ende abschnitt. Fenaria die kurz gedacht hatte, dass die Wurzeln dadurch kaputt gingen, wurde enttäuscht. Fenaria war nun also wieder gefesselt. Wesentlich unbequemer als vorher, denn sie konnte sich gar nicht mehr bewegen, und die Wurzeln in ihrem Mund schnitten in ihre Lippen. Zwei Fraun kamen, und packten sie auf einen Wagen, neben eine Zeltplane.
Der Druide sprach. „Gehen wir nun weiter!“. Und sie gingen weiter.
6
Sorandis schnaufte wütend, als er den inzwischen leeren Kampfplatz erreichte. „Schon wieder zu spät! Ich hatte es mir einfacher vorgestellt!“. Er überblickte die Lichtung, welche inzwischen in der Dämmerung lag. Drei große eingedrückte Stellen im Gras, welches sich noch nicht erholt hatte. In der Mitte der drei Stellen ein verkohlter Kreis. Mehrere Fuß im Durchmesser. Überall drumherum Leichenteile, bunt durcheinander gewürfelt. Arme, Beine, dazu merkwürdig viele Köpfe mit leeren Augen. Alles lag im Schatten der untergehenden Sonne, und zog dabei eigenartige Schatten. Der Astrale zog seine Schlüsse schnell. „NachtFraun Spione! Haben wohl einen mächtigen Druiden dabei.“ sagte er mit Blick auf die Bäume zu sich selbst. „Das erklärt auch das Auftauchen dieses verrückten Fraun. Sie haben sicherlich den ein oder anderen Posten aus dem Weg räumen müssen, denn, bei aller Schattenkunst, an den hier patrouillieren Wachen kommt auch eine so große Ansammlung von NachtFraun nicht vorbei, ohne bemerkt zu werden. Allerdings ist es dennoch eigenartig, dass sie so weit auf fremdes Gebiet vordringen. Sie müssen etwas Spezielles vorhaben, das alleinige konvertieren dieser Bäume, das kann nicht der einzige Grund sein.“ er hielt inne, und ließ seinen Blick erneut über den Kampfplatz wandern. Seine Augen blieben an einem Baum hängen, der zwei eigenartige Auswüchse hatte. Als er sich diesem näherte erblickte er zwei Stricke auf dem Boden. Er hob sie auf, und schmunzelte innerlich, da sein Äußeres nicht imstande war, solcherlei Gefühle preis zugeben. „Das sieht doch ganz nach unserer Fenaria aus! Also haben sie sie tatsächlich! Aber was wollen sie mit ihr? Umbringen offensichtlich nicht. Das hätten sie auch gleich an der Stelle erledigen können, wo sie sie aufgegriffen haben, und sie nicht erst mit schleppen und fesseln müssen. Sie wird sich also immer noch in ihrer zweifelhaften Gesellschaft befinden. Aber was ist ihr Ziel? Wohin sind sie gegangen? Na, das wird sich herausstellen.“. Er holte ein Säckchen aus seinem Umhang. Aus dem Säckchen schüttelte er ein glitzerndes Pulver und verteilte es überall auf der Lichtung. Unter der Einwirkung des Pulvers und den spärlichen Sonnenstrahlen, welche noch auf den Boden fielen, bildeten sich blasse Spuren. Diese Spuren waren nicht fest, sondern wirbelten an bestimmten Stellen auf dem Boden, wie kleine Strudel. Dabei blieben sie aber immer am selben Platz. An manchen Stellen wirbelten die Strudel besonders stark. Das eingedrückte Gras am Platz , wo das Zelt des Druiden gestanden hatte war so eine Stelle.
„Interessant. Dieser Druide muss stärkere magische Kräfte haben, als man ahnen will.“ der Astrale ging den Spuren nach. Er bleib an der einzigen Stelle stehen, an der die Spuren im Wald verschwanden. „Diese verflixten NachtFraun. Gerissen schlau. Gehen an der gleichen Stelle aus dem Wald raus, an der sie auch rein gekommen sind, und ändern die Marschrichtung wahrscheinlich erst im Wald. Als ob sie wüssten, dass ich diese Art der Verfolgung zwischen den magieverseuchten Bäumen des Immersangwaldes nicht anwenden kann.“. Er ärgerte sich. Er hatte nicht vorgehabt, die Suche nach Fenaria so lange dauern zu lassen. Für längere Reisen war er nicht ausgerüstet. Er fluchte. Danach stand er einige Minuten reglos an der Stelle, wo die Spuren verschwanden. Er überlegte. Schließlich fasste er einen Entschluss. Er holte ein weiteres Säckchen aus seinem Umhang, und streute auch dessen Inhalt über die Lichtung. Wo das matte Pulver auf den Boden traf, verschwanden sofort die Spuren, welche diesem vorher einen matten Schimmer verliehen hatten. Als der Boden wieder seine ursprüngliche Farbe hatte, eilte er schnellen Schrittes auf die Stelle zu, an der die Spuren im Wald verschwunden waren. Er wollte gerade seinen Fuß über die Grenze zum Immersangwald setzen, als ein Zischen und ein trockenes „Plock“ ihn stocken ließen. Im Baum neben ihm zitterte leise ein Pfeil. „Im Namen Silbermonds und Lor Themar! Anhalten! Waffen weglegen, und auf die Knie, Magiewesen!“. Ganz langsam drehte sich Sorandis um. Die Szene, die er vor fand, war alles andere als motivierend. Einige Schritte vor ihm stand ein Waldläufer General der Fraun. Er hatte lange blonde Haare, welcher er zu einem Zopf gebunden hatte. Gekleidet war er mit einem verzierten Lederwams und dazu passenden Hosen. Alles in einem schlichten Braun. Hinter ihm warteten vier weitere Waldläufer mit gespannten Bögen. Sorandis versuchte einen Bluff. „Ha, glaubt ihr wirklich, ihr könntet mich mit Pfeilen verletzen? Seht ihr irgendwo an mir Fleisch oder Blut? Sehe ich so aus, als ob ich mich von Holzstäbchen aufspießen lassen würde?“. Er hoffte so Zeit zu gewinnen. Doch wurde er enttäuscht. „Wir wissen sehr genau, was mit euch ... Astralen los ist. Auch wenn ihr nicht aus Fleisch und Blut besteht, könnt ihr genauso leicht verletzt werden wie wir. Denn das Energieniveau in eurem Inneren braucht das Gleichgewicht. Wenn wir dieses durch so ein, wie nanntet ihr es, Holzstäbchen durcheinander bringen, werdet ihr euer Äquivalent für Schmerz erleiden, oder sogar vergehen. Von Sterben kann man ja bei euch nicht sprechen! Also, ergebt euch, und legt eure Waffen nieder“.
„Weswegen wollt ihr mich festnehmen? Was genau wird mir vorgeworfen?“.
Der Mensch lachte kurz auf. „Was euch vorgeworfen wird? Nun, bisher nur unerlaubtes Eindringen in fremdes Territorium, Spionage, Einschleusen von Feinden und Mord. Mehr auch nicht.“. „Aber das ist doch Schwachsinn, wieso sollte ich hier Spionage betreiben. Das Konsortium ist neutral zu allen Völkern Azeroths. Und wen habe ich denn eingeschleust? Und Mord? Wen habe ich getötet?“.
„Das ist jetzt belanglos! Von Belang ist nun einzig und allein, dass ihr hiermit verhaftet seid, und euch uns sofort und ohne jegliche Gegenwehr auszuliefern habt, sowie eure Waffen abgeben müsst! Solltet ihr Gegenwehr leisten, oder versuchen zu fliehen, haben wir das Recht, euch auf der Stelle zu erschießen. Also, wie lautet eure Entscheidung?“.
Da Sorandis einsah, dass seine Chancen mehr als schlecht waren, und es seiner Situation nicht hFraun würde, die Waldläufer Silbermonds auf dem Hals zu haben, entschloss er sich auf die Forderung einzugehen, vorerst.
„Was habe ich schon für eine Wahl?“ sagte er, und begann seine Waffen abzulegen. Allerdings nur diese, welche das Mädchenn auch als solche zu erkennen fähig waren. Das waren seine Schwerter und der Dolch. Sowie einige Phiolen mit unzweifelhaftem Inhalt.
„Kluge Entscheidung!“ sagte der General mit Blick auf die abgelegten Waffen. „Und ihr behauptet, von keinem Mord zu wissen? Mit solch einem Arsenal an Waffen taucht ihr auf, und behauptet ernsthaft, keine schlechten Absichten gehabt zu haben?“.
„Ja, das behaupte ich!“.
„Na, wir werden sehen, wie lange ihr das noch behauptet.“ der Mensch lachte schallend. „Und jetzt, abführen!“. Zwei der Waldläufer trennten sich von den Übrigen und gingen auf den Astralen zu, Seile aus ihren Taschen ziehend. Nach einer Weile kam einer der Fraun zu ihrem General zurück, und flüsterte mit eingezogenem Kopf und zitternder Stimme: „Äh, Verzeihung, aber wie ... wie sollen wir dieses Wesen fesseln? Unsere Seile halten nicht.“. Der General stieß einen Fluch aus.
„Diese Dinger machen aber auch nur Ärger! Nun, dann ... dann müssen wir ihn halt so abführen.“ Man merkte, dass dies dem General sichtlich unangenehm war. Die zwei Fraun nahmen den Astralen hierauf in ihre Mitte, und hielten ihn notdürftig an den Bandagen fest. Der General ging vor Sorandis, und die zwei anderen Fraun bildeten den Abschluss. So verließ die eigenartige Prozession den Platz, an dem noch vor einigen Stunden Wesen ihr Leben gelassen hatte. Hätte der Astrale schmunzeln können, er hätte es getan. Er sah wieder eine Chance.
7
Der Trupp kam für seine Größe recht schnell voran. Und das obwohl die NachtFraun mangels Zugtieren die zwei Wägen selbst ziehen mussten. Dennoch waren sie nach einer Tagesreise noch nicht am Ziel angekommen. Wo dieses Ziel lag, das war Fenaria bisher noch nicht klar geworden. Obwohl die NachtFraun nicht wissen konnten, dass Fenaria sie verstand, waren sie sehr sparsam mit ihren Äußerungen. Sparsam und vorsichtig. Als ob sie Angst hätten, der Wald selbst könnte sie hören. Der Zug machte gerade wieder eine Pause. So gingen sie schon seit ihrer Abreise vor. Es wurden Boten ausgesandt. Ihrer meistens zwei. Diese kundschafteten die Richtung aus, in welche die NachtFraun marschieren wollten. Das dauerte immer seine Zeit. Vermied aber ungewollte Begegnungen mit Patrouillen. Im Moment wartete der Zug mal wieder mitten im Wald. Zwischen den Bäumen, welche blühten, als wäre es Frühling, dabei war es schon später Herbst. Die Wägen mit den lilafarbenen Zeltplanen fielen in der Umgebung der bunten Bäume nicht weiter auf.
Das Gras, welches der Zug überquert hatte, zeigte keinerlei Spuren. Dabei hätte es eingedrückt sein müssen. Vögel zwitscherten in den Bäumen, und Eichhörnchen flitzten die Äste entlang. Gebüsch gab es keines. Nichts was den Weg zwischen den Bäumen blockierte. Auch keine Spinnen oder sonstiges Ungetier. Es schien fast so, als sei dieser Wald eigens geschaffen worden, nur damit man in ihm spazieren gehen konnte. So jedenfalls kam es Fenaria vor. Die NachtFraun schienen dies anders zu empfinden. Sie blieben immer wieder an Stellen stehen, und suchten nach einem Weg, dessen Verlauf Fenaria klar und deutlich sehen konnte. Dabei murmelten sie oft etwas von „Verdammte Magie!“ oder „Ich verliere noch den Verstand, muss ich das länger aushalten.“. Natürlich spürte auch Fenaria die überall in diesem Wald anwesende, ja, diesen Wald formende Magie. Doch empfand sie diese als angenehm, wohlig und sogar auf besondere Weise erfüllend. Die NachtFraun dahingegen gingen alle gebückt und schwer fällig. Als ob sie die Fülle an arkaner Energie deprimieren oder belasten würde. Fenaria fragte sich, ob die NachtFraun auch in dieser, nicht von ihrem Druiden manipulierten Umgebung so gut kämpfen konnten, wie auf der Lichtung, wo die Geißel sie angegriffen hatte. Doch war diese Frage irrelevant, denn schließlich saß Fenaria gefesselt und geknebelt auf einem dieser Wägen, und konnte rein gar nichts ausrichten. Als sie wieder aus ihren Gedanken fand, erschienen gerade die zwei ausgeschickten Kundschafter bei dem Zug. Beide keuchten, als wären sie mehrere Stunden lang gerannt.
„Sin'dorei .... auf dem Weg ..... vor uns. An der ..... Zahl ungefähr ..... ein ... halbes Dutzend. Müssen .... umgehen.“. Der Druide, welchem der Elf Bericht erstattet hatte, nickte kurz. Dann begann er einen schnellen Zauber zu wirken. Kleine grüne Fäden verließen seine Hände, und umschwirrten die beiden keuchenden NachtFraun, um schließlich sacht in ihre Körper einzudringen. Die Kundschafter erholten sich augenblicklich. Der Druide ging, nachdem er das Mädchenn von ihrer Erschöpfung geheilt hatte, an den Anfang des Zuges, und begann einen Zauber zu wirken. Er stand da, die Finger beider Hände vor der Brust aufeinander gelegt, den Kopf mit den geschlossenen Augen leicht geneigt. Sein Gesicht eine Maske reinster Konzentration. Sein Geweih zitterte leicht. Plötzlich zog er mit einer schwungvollen Bewegung die Hände auseinander, bildete mit seinem Körper ein Kreuz und warf den Kopf nach hinten. Inmitten dieser Bewegung löste sich mit einem Knall etwas fliegendes aus seiner Brust. Dieses Etwas flog schnell in den Himmel und war verschwunden. Der Druide jedoch verharrte in seiner Stellung. Eine ganze Zeit lang. Fenaria war kurz davor sich zu beschweren, auch wenn sie sich dafür wieder was einfangen würde. Doch hinderte sie der Knebel daran, und bevor sie sich darüber aufregen konnte kam das fliegende Etwas zurück. Sie konnte es nun genauer sehen. Es war ein Adler. Allerdings kein Adler aus Fleisch und Blut. Er war durchscheinend und leuchtete rötlich. Er verharrte mit kräftigen Flügelschlägen kurz in der Luft vor dem Druiden, bis er schließlich mit einem kleinen „Puff“ wieder in dessen Brust verschwand.
Erst jetzt erwachte der Druide wieder aus seiner Starre. Er schüttelte sich kurz, dann sprach er zu den NachtFraun, welche wie immer gierig an seinen Lippen hingen: „Ich habe einen Umweg ausgemacht. Er wird uns nicht viel Zeit kosten, und das Mädchenn werden uns nicht bemerken.“. Fenaria wunderte sich, warum der Druide diese Art des Auskundschaftens nicht immer benutzte, anstatt Boten aus zuschicken, welche erstens länger brauchten und zweitens meistens erschöpft wieder zurück kehrten. Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, erkannte sie den Grund. Der Druide, welcher sonst immer als erster vor dem Zug ging, hatte einem anderen Nachtelf den Weg beschrieben, welchen sie gehen mussten. Er selbst ging nun neben dem Wagen, auf dem Fenaria lag. Sie hatte nun Möglichkeit ihn genauer zu betrachten. Er ging jetzt gebückt, wie die anderen Fraun, obwohl er auf dem bisherigen Weg immer als einziger aufrecht und stolz marschiert ist. Ab und an musste er sich sogar am Wagen festhalten. Es war also offensichtlich, warum er diesen Adler nicht oft beschwören konnte.
Sie marschierten weiter. Stundenlang. Hunger und Durst, und auch andere Notwendigkeiten begannen Fenaria große Probleme zu bereiten. Sie hoffte, dass sie ihr Ziel bald erreicht haben würden, auch wenn sie nicht wusste, was das Ziel war.
Sie waren immer weiter nach Süden gereist, was Fenaria anhand der Sonne ausmachen konnte. Außer dem einem Umweg musste keine Zeitverzögerung in Kauf genommen werden.
Der Druide hatte sich wieder erholt. Er ging nicht mehr neben dem Wagen, auf dem Fenaria saß, sondern führte den Zug wieder an. Dennoch war Fenaria natürlich nicht unbeobachtet. Die grün haarige Frau, welche Fenaria auf der Lichtung nach dem Kampf mit der Geißel hasserfüllt angeschaut hatte, ging neben ihr. Sie warf ihr von Zeit zu Zeit schwer misszudeutende Blicke zu. Fenaria schüttelte sich. Dieser Frau wollte sie nie gefesselt und alleine begegnen.
Dass der Zug in ein anderes Gebiet kam, merkte sie zuerst an der Veränderung der Luft.
Die angenehme, magiegeladene Luft des Immersangwaldes machte einer Aura der Fäulnis platz. Das bunte lebendige Treiben wich einer Vorahnung des Todes. Es schoss Fenaria durch den Kopf. Die Geisterlande. Warum gehen wir in die Geisterlande? Als zweites merkte sie die Veränderung der Landschaft. Von einem Moment auf den anderen wechselten die Farbe und das Tierreich. Die Bäume, vorher bunt und frühlingshaft, verwandelten sich in trostlose, kahle Gerüste. Ein Großteil schon abgestorben. Die Tiere, falls man überhaupt einmal welche erblicken konnte, waren krank oder nur noch faulende Kadaver. Meistens viel zu klein für ihre Art. Kein Vogelgezwitscher mehr. Keine fröhlich umher springenden Eichhörnchen mehr. Einfach nichts. Eine trostlose Einöde ohne jegliches Leben. Selbst das Licht der Sonne war hier dunkler. Was also wollten die NachtFraun hier? Gerade die NachtFraun. Jene, welche die Natur brauchten, um überleben zu können. Fenaria verstand das alles nicht. Den Fluss, welcher die natürliche Grenze der Geisterlande darstellte, hatten sie schon überquert. Wie genau, das hatte Fenaria nicht mitbekommen. Sie hatte keine Brücke gesehen. Sie vermutete, dass der Druide wieder irgendeinen Natur Zauber angewandt hatte, um das Wasser zu manipulieren. Es war ihr aber auch egal. Ihr Durst zehrte nun so sehr an ihr, dass sie ihre anderen Beschwerden vergessen hatte. Ihre Lippen waren von den Wurzeln eingerissen, und ihr Mund vollkommen ausgetrocknet. Dass das Mädchen, welche neben ihr ging, immer wieder genüsslich aus einem Schlauch Wasser trank machte die Sache nicht einfacher.
Sie hoffte immer mehr, dass sie nun endlich ankommen würden. Tatsächlich ging es schneller voran. Der Druide schickte die Botschafter nun immer seltener aus, und sie mussten seltener anhalten. Wer sollte sich hier auch aufhalten? Dachte Fenaria sich. Nach einer endlos erscheinenden Zeit wurde der Zug langsamer und hielt schließlich an. Doch im Gegensatz zu den Aufenthalten, um das Gebiet auszukundschaften verließen keine Fraun den Zug. Stattdessen redete der Druide mit einer für Fenaria nicht sichtbaren Person. Als der Druide geendet hatte, traten aus dem Wald ringsum NachtFraun mit gesenkten Bögen hervor. Noch mehr von denen. Was zum Sonnenbrunnen wollen die hier? Die neu hinzugekommenen NachtFraun nahmen sich der Wägen an, und lösten die komplett erschöpften Fraun ab, welche die Wägen bis hierhin gezogen hatten. So ging die Reise noch ein paar Minuten weiter. Dann änderte sich die Umgebung nochmals. Die toten, faulenden Bäume wichen den von Natur Magie veränderten Bäumen der NachtFraun. Und schon nach ein paar Baumreihen konnte man ein Lager dieser ausmachen. Es war weitaus größer als das kleine Lager mit den drei Zelten. Hier standen mindestens 10 große Zelte und dreimal so viele kleine Einmannzelte. Um diese Zelte herum wuselten in dem eigenartigen Mondlicht, das nun, wo es inzwischen tatsächlich Nacht war, nicht so eigenartig aussah, wie auf der Lichtung, dutzende Kal'dorei. Die meisten waren weibliche NachtFraun und in voller Rüstung. Fenaria hatte von den Schildwachen der NachtFraun gehört. Das hier mussten welche sein. Typisch waren die Cleven und die verzierten schweren Rüstungen.
Es war offensichtlich, dass das hier das Ziel der NachtFraun war. Doch blieben alle bis auf den Druiden am Rand des Lagers stehen. Der Druide aber ging, nachdem er Fenaria von dem Wagen geholt hatte, und neben sich her zerrte, auf ein unglaublich reich geschmücktes ein Mann Zelt zu. Aus diesem Zelt trat eine NachtFrau. Eine schon für sich imposante Erscheinung. Sie hatte Blaue Haare, zu einem langen Zopf gebunden. Ihr Gesicht, wie für NachtFraun üblich tätowiert, zeigte eine außerordentliche Strenge. Ihre Augen, blau leuchtend, erzählten eine lange Lebensgeschichte, doch auch Güte. Ihre schlecht sichtbaren Narben auf ihrem Gesicht und ihren Gliedmaßen zeugten von Kampferfahrung. Als sie anfing zu sprechen, hörte man eine tiefe, melodische Stimme, welche keine Widerrede duldete.
„Reiwen! Ich habe euch nicht so schnell zurück erwartet. Was beschert mir die zweifelhafte Freude?“ Der Druide machte einen Kratzfuß. Widerwillig, wie es schien. „Nun, ich muss euch um einen Gefallen bitten. Ich“ das Mädchen unterbrach ihn harsch. „Mich um einen Gefallen bitten? Habe ich nicht schon genug für euch getan? Wer hat bei der Priesterschaft für euch gesprochen? War nicht ich das? Wer hat den Druidenzirkel überredet, dass ihr nicht mit ihnen gehen müsst? War nicht auch ich das? Und wer hat die finanziellen Mittel für euren Trupp gestellt? Es scheint mir, dass auch ich das war! Und ihr habt den Mut mich um einen Gefallen zu bitten? Ich habe so das Gefühl, dass ich mal mit einem Gefallen eurerseits an der Reihe wäre. Wie wäre es, wenn ihr damit anfangt, zu erzählen was es mit dieser Sin'Dorei, die ihr da mit euch führt auf sich hat? Sie sieht nicht gesund aus. Reiwen? Was habt ihr vor?“.
Der Druide, welcher unter diesen Worten merklich kleiner geworden war antwortete: „Anrawen, sie ist der Grund meines Anliegens. Seht, nein ,lasst mich bitte aussprechen, sie ist nicht krank. Wäre sie krank, würde sie eines Tages dieser Krankheit erliegen. Aber das ist nicht der Fall. Sie hat, ach was. Seht einfach selbst.“ Er nahm aus seinem Umhang ein Messer, und schnitt Fenaria in den Arm, so das ein paar Tropfen Blut hervortraten. Fenaria quittierte dies nur mit einem giftigen Blick. Der Druide hob ein Blatt vom Boden auf, und ließ das Blut darauf tropfen. Das Blatt begann augenblicklich zu qualmen, und fing an, sich aufzulösen.
Das Mädchen zog eine Augenbraue hoch. „Nun, das ist wirklich interessant.“
„Nicht wahr? Dieses Wesen muss so schnell wie möglich vom Druidenzirkel untersucht werden. Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben.“.
Anrawen stützte die Hände in die Hüften. „Wisst ihr, Reiwen, das ist wieder einmal so typisch für euch! Ihr habt etwas gefunden, was euch wichtig erscheint, und denkt nun es ist das wichtigste der Welt, dass wir uns vorzüglich darum kümmern. Ihr vernachlässigt sogar eure Aufgabe, den Wald zu konvertieren. Nur um mir diese Fraun Göre zu bringen, welche wahrscheinlich noch nicht einmal weiß, warum ihr sie gefangen habt. Denkt ihr wirklich, das sei so wichtig? Sie ist nur eine Ausnahme. So etwas kommt in der Natur vor. Das sollte gerade euch geläufig sein.“.
Reiwen schien rot anzulaufen. „Eine... Ausnahme! Vielleicht, aber was wenn nicht? Wenn dies eine Reaktion des Magieentzugs ist? Was dann? Ich sage, wir müssen das untersuchen. Und dafür muss dieses Kind nach Darnassus!“.
Das Mädchen seufzte. „Hach, ihr übertreibt schon wieder. Aber nun gut. Ich werde euch diesen letzten Gefallen tun, damit ihr endlich Ruhe gebt. Aber erwartet nicht, dass ich euch noch einmal hFrau. Ich will Gegenleistungen sehen! Davon gab es bisher herzlich wenig.“. Sie wandte sich Fenaria zu. „Wie heißt ihr eigentlich?“. Die Frage war auf Darnassisch gestellt. Fenaria tat so , als ob sie sie nicht verstehen würde. „Also gut, wie heißt ihr?“. Dieses Mal stellte Anrawen die Frage auf Thallassisch. Fenaria schaute Anrawen böse an. „Ach ja, Reiwen, entfernt diesen lächerlichen Knebel!“ „Aber..“ „Tut gefälligst was ich sage!“. Der Druide nickte schwach, murmelte ein paar Worte, und der Knebel löste sich aus Fenarias Mund. Sie spuckte aus. „Verflucht seid ihr, ihr verdammten..“. „Pass auf, was du sagst, Kindchen. Es könnte dir Leid tun. Also, wie heißt du?“. Fenaria blickte Anrawen direkt in die Augen. „Mein Name ist Fenaria!“. „Fenaria! Und wie weiter?“. „Nichts weiter!“
„Also ein Findelkind, nun gut. Das tut nichts zur Sache.“ Fenaria schaute die Priesterin weiterhin zornig an, doch das Mädchen kümmerte sich nicht mehr um sie. „Reiwen! Ich werde dieses Kind nach Darnassus bringen lassen. Aber ihr solltet nun wieder gehen, und mit eurer Aufgabe fortfahren, für die ihr aus Darnassus hierher gekommen seid. Ich erwarte euren nächsten Bericht in zwei Monden!“.
Der Druide wollte noch etwas sagen, doch schnitt ihm die Priesterin mit einer herrischen Geste das Wort ab.
„Geht!“.
Reiwen verneigte sich knapp, und eilte dann zu seinen Leuten zurück, welche daraufhin mit ihm zusammen aus dem Wald verschwanden. Richtung Immersangwald.
„Nun,... Fenaria. Wie ich Reiwen kenne, hat er euch weder zu essen oder trinken gegeben. Sein Hass auf euer Volk ist unvergleichlich. Auch ich bin von ihm nicht angetan. Aber ein Unmensch bin ich dennoch nicht. Hier habt ihr etwas zu essen und auch etwas zu trinken. Und erleichtern könnt ihr euch auch eben. Nur müsst ihr damit klar kommen, dass ich nicht weg gucken werde. Zu leicht machen will ich es euch ja auch nicht. Ach ja, diese lächerlichen Wurzeln noch.“ Anrawen wedelte einmal mit der Hand, und Fenarias Fesseln fielen ab. Fenaria spürte Dankbarkeit, als sie ihre trockene Kehle benetzen konnte, sowie ihren Magen füllen. Auch dem anderen Angebot kam sie mit Dankbarkeit nach.
„Nun, genug des Komforts. Ich muss euch nun wieder festbinden. Doch werde ich andere Methoden benutzen als dieser Druide.“. Sie führte Fenaria zu einem Baum außerhalb der Zelte. Auf dem Weg dorthin rief sie eine andere Frau zu sich. „Das ist Tadoa. Sie wird euch mittels eines Zaubers binden. Versucht nicht zu fliehen, ihr werdet morgen per Schiff nach Darnassus gebracht. Was euch dort bevorsteht... gute Nacht!“. Anrawen entfernte sich, dafür kam das Mädchen namens Tadoa näher. Sie war jung, jünger noch als Fenaria. Hatte noch kein tätowiertes Gesicht, dafür wache Augen, welche von ihrem blonden Haar, für NachtFraun ungewöhnlich, teilweise überdeckt wurden. Sie stellte sich vor Fenaria und sprach in gebrochenem Thallassisch: „Stellt euch so, dass euch bequem ist. Der Zauber bringt vollkommene Bewegungslosigkeit mit sich. Es tut mir Leid.“. Und es schien ihr tatsächlich Leid zu tun, als sie den Zauber zu wirkte. Unsicher, sogar zögerlich. Scheinbar hatte sie noch nicht den Hass der Alten auf Fenarias Rasse übernommen, sondern betrachtete sie noch als gleiches Volk. Während Tadoa den Zauber wirkte betrachtete Fenaria sie genauer. Eine eigenartiges Gefühl bekroch sie, dass sie bisher noch nicht in dieser Ausprägung wahrgenommen hatte. Es wahr ein Gefühl, als ob man vor etwas steht, das zum Greifen nahe ist, und das man haben will. Unbedingt haben will. Sie gab sich diesem Gefühl hin. Etwas fing an sie zu durchströmen, immer stärker zu durchströmen. Das Mädchen vor ihr fing an zu zittern, sie sprach immer undeutlicher. Mit dem stärker werden des Gefühls spürte sie eine aufkommende Sucht nach mehr. Ein kurzer Gedanke durchzuckte sie. Magiesucht! Sie hatte davon gehört, es auch schon in kleinerem Maße erlebt, doch so heftig war es noch nie gewesen. Sie sog immer mehr in sich auf. Sie befand sich schon in einem wahren Rausch. Das Mädchen vor ihr war nun blass und schien kurz davor zusammenzubrechen. Fenaria gab sich dem letzten Ziehen in ihr hin, und sog noch einmal mit voller Macht an der unsichtbaren Quelle. Tadoa brach zusammen. Ohne einen Laut. Nachdem der Strom von Magie so schnell verebbte, bekam Fenaria sich wieder in den Griff. Gehetzt schaute sie sich kurz um. Niemand hatte etwas bemerkt. Doch das konnte sich schnell ändern. Sie nutzte also die Gelegenheit, und rannte so schnell sie konnte weg von dem Lager der NachtFraun. Gerade als sie zwischen den Bäumen verschwand, hörte sie hinter sich schon lautes Rufen. „Wachen! Gefangene flüchtet!“. Sie hörte auch noch das Knarzen trockenen Holzes gespannter Bögen.
8
Sorandis machte sich gerade bereit für den Sprung. Die Waldläufer waren einen Moment unaufmerksam, diesen wollte er nutzen. Doch in diesem Augenblick sagte der Waldläufer, welche vorausging einen Satz, der Sorandis dazu brachte noch einmal einzuhalten. „Dame Auriferous wird nicht gerade erfreut sein, zu wissen, dass Astrale nun mit NachtFraun gemeinsame Sache machen.“. Dame Auriferous. Diese Frau kannte er. Er war auf einmal nicht mehr so erpicht darauf zu fliehen. Er hatte einen anderen Plan gefasst. Da das Mädchenn sich in diesem Wald sehr gut auszukennen schienen, ging die Truppe schnellen Schrittes durch das Gehölz. Immer nach Osten, bis sie auf eine Straße kamen. Dieser Straße folgten sie Richtung Süden. Auch auf der Straße war der Wandel deutlich spürbar. Das Licht wurde dunkler, die Umgebung beängstigender. Doch Sorandis ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Er spürte keine Veränderung seines Gemüts. Dafür brauchte es größere Ereignisse, als den bloßen Wechsel von einer fröhlichen Umgebung in eine trostlose. Auch die Waldläufer schienen daran gewöhnt zu sein. Auch wenn sie nicht ganz verbergen konnten, dass sie sich in diesem Gebiet nicht wohl fühlten. Aber sie zögerten nicht, die Brücke zu überschreiten, hinter welcher die Erde ganz besonders von der Geißel heimgesucht worden war. Auch auf der anderen Seite der Brücke ging die Straße weiter. Allerdings weitaus löchriger als noch im Immersangwald. Das Mädchenn schritten nun noch schneller aus als vorher. Es schien, als ob das Mädchenn so schnell wie möglich ihren Gefangenen abliefern wollten, um wieder aus den Geisterlanden herauszukommen.
Nach der dritten Kurve konnte Sorandis schon die ersten Häuser der nächsten Stadt sehen. Er wusste wie sie hieß. Tristessa. Früher ein hübsches HochFraun Dorf, war sie nun ein notdürftig restaurierter Vorposten gegen die Geißel. Er schätzte, dass dies ihr Ziel war. Um so näher man kam, umso besser konnte man den verwahrlosten Zustand der Häuser erkennen. Die meisten hatten Löcher in den Wänden und in den Dächern. Manche standen so schief, dass man meinen konnte, sie würden im nächsten Moment umfallen. Dennoch konnte man noch die typische Bauweise der HochFraun erahnen. Es waren ausschließlich runde Bauten. Keinerlei Ecken. Vor langer Zeit mussten die Bauwerke einmal bunt angemalt gewesen sein. Jetzt konnte man nur noch abblätternde graue Schatten erkennen. Die Häuser standen alle im Kreis um einen Platz herum. Auf diesem Platz stand eine Statue, welche zwei tanzende HochFraun zeigte. Komischerweise war diese Statue vollkommen in Ordnung. Als ob sie die Unbeugsamkeit der Erbauer repräsentieren wollte. Am auffälligsten waren aber die Gestalten, welche um die Statue herum, auf dem freien Platz, und vor den Häusern standen, oder sich zwischen ihnen bewegten. Es gab derer zwei Arten. Die vorherrschende ging eigenartig gebückt und schlurfend. Aber man hatte nicht den Eindruck, dass dies an der Umgebung lag. Denn diesen Gestalten schien diese Atmosphäre eher zu gefallen, als dass es sie störte. Die andere Art, die sich noch herumtrieben war deutlich in der Unterzahl. Auch sie gingen gebückt, aber im Gegensatz zu den anderen huschten sie schnell von einem Haus zum anderen, statt sich lange auf der Straße aufzuhalten. Es war offensichtlich, dass ihnen diese Umgebung nicht behagte. Außerdem wichen sie den schlurfenden Personen aus, als ob sie ansteckend wären.
Als die kleine Truppe bei der Wache ankam, welche die Straße und somit den Eingang nach Tristessa bewachte, wurden sie von diesen aufgehalten. „Halt! Wohin wollt ihr mit diesem Astralen?“ fragte der rechte Wächter, welcher im Gegensatz zu seinem Kameraden noch bei voller Gesundheit zu sein schien. Der andere war blass, und stütze sich mehr auf seine Pike, als dass er sie festhielt. „Wir haben vor, diesen Astralen bei Dame Auriferous abzuliefern. Wir haben ihn im Verdacht, die NachtFraun Operationen in diesem Gebiet zu unterstützen.“ „In Ordnung, ihr dürft durch. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in Tristessa.“ antwortete der Wächter mit einem schwachen Grinsen.
Die Waldläufer gingen samt Sorandis zielstrebig auf ein bestimmtes Gebäude zu. Währenddessen konnte Sorandis einen Blick auf die Gestalten werfen. Deren Gesichter waren meistens unter Kapuzen verborgen. Was er klar erkennen konnte, war, dass die schnell hin und her huschenden Gestalten Fraun waren. Die, welchen sie auswichen, hielten den Blick meistens gesenkt, so dass man nur ein unergründliches Schwarz unter der Kapuze sehen konnte. Doch einmal sah eine der Gestalten auf. Was Sorandis sah, verwunderte ihn nicht. Er blickte in ein mageres Gesicht, welches keine Augen hatte. Auch sein Unterkiefer fehlte. An manchen Stellen schauten die Gesichtsknochen aus der Haut. Es war ein Verlassener. Jemand, der von der Geißel dahin gerafft wurde, wieder auferstanden ist, sich jedoch eines freien Willens bedienen konnte. „Das Mädchenn scheinen in größerer Bedrängnis zu sein, als ich dachte, wenn sie sich der Hilfe dieser Leute bedienen müssen.“ dachte sich Sorandis. Sie hatten den Eingang des Gebäudes erreicht. Es hatte keine Tür. Nur ein Vorhang verbarg das Innere vor neugierigen Beobachtern.
Der Waldläufer General nahm Sorandis den zwei Fraun ab, welche ihn den Weg bis hierher festgehalten hatten, und schritt durch den Umhang. Sorandis hinter ihm. Es bot sich ihnen eine interessante Szene. Im einzigen Raum dieses Gebäudes standen je zwei Fraun und Verlassene. Diese befanden sich in einem heftigen Zwiegespräch, und verhielten sich dabei nicht gerade leise. Scheinbar war der Vorhang, welcher die Tür dieses Raumes darstellte, verzaubert, denn sonst hätte man den Streit, der hier herrschte, noch in ganz Tristessa vernehmen müssen.
Der Streit herrschte jeweils zwischen einem Vertreter der jeweils anderen Rasse.
Eine blonde Frau stritt sich mit einem Untoten, welcher ihr während er laut auf seine Meinung pochte immer wieder lüsterne Blicke zu warf.
Der andere Verlassene, welcher seine wenigen verbliebenen Haare zu einem Zopf zusammen gebunden hatte, welcher allerdings schon knapp unter dem Hals aufhörte, stritt sich mit einer rothaarigen Frau, welche wütend gegen ihn anredete.
Doch bekamen Sorandis und der Waldläufer General dies nur kurz mit. Denn sobald sie eintraten, verstummten beide Parteien. Die rothaarige Frau strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und sagte forsch zu dem General: „Ja, Lethvalin? Ich hoffe ihr habt einen gewichtigen Grund, zu stören?“. Der angesprochene Elf stand stramm und begann zu berichten:
„Ich und meine Einheit waren gerade dabei, unsere normale Route abzulaufen. Dabei stießen wir auf eine Lichtung, dessen Bäume auch schon von den NachtFraun konvertiert worden waren. Nun ja, auf dieser Lichtung schien ein Kampf der NachtFraun mit der Geißel stattgefunden zu haben, was auf den Ausfall des südlichen Postens zurückzuführen ist. Überall lagen Leichen, allerdings ausschließlich Leichen der Geißel. Tote NachtFraun haben wir nicht gefunden, aber einen gelöschten Scheiterhaufen. Wir wollten das Gebiet gerade weiter untersuchen, als wir Schritte hörten. Wir versteckten uns zwischen den Bäumen, um den Neuankömmling in Sicherheit zu wiegen. Er ließ nicht lange auf sich warten. Es war ein Astraler. Wir haben ihn in Verdacht, dass er die Spuren des Kampfes verwischen wollte, denn er streute ein eigenartiges Pulver auf den Boden. Er ist also ein Verbündeter der NachtFraun. Was sonst sollte er an dieser Stelle zu suchen haben? Wir haben ihn gefangen genommen, und mitgebracht. Das hier ist der Verräter!“. Mit den letzten Worten ging er zur Seite, und gab die Sicht auf Sorandis frei, welcher bisher hinter ihm gestanden hatte. Das Gesicht der rothaarigen Frau, welches während dem Bericht von Lethvalin immer dunkler geworden war, hellte sich mit einem Mal auf. Sie breitete die Arme aus: „Sorandis! Ich hätte nicht gedacht, dich jemals wiederzusehen. Was verschlägt dich hierher?“. Lethvalin schaute unsicher und verwirrt von einem zum anderen. „Was? Wie? Das ist ein Straftäter! Er hat ein Bündnis mit den NachtFraun! Wir“ das Mädchen unterbrach ihn. „Still! Das ist Sorandis. Wir kennen uns von früher, als ich noch in Silbermond stationiert war. Er ist ein Botschafter des Konsortiums, und niemals unser Feind. Und jetzt, lasst ihn antworten.“.
Sorandis ließ sich nicht lange bitten. „Nun, es freut mich, euch wiederzusehen, geehrte Dame Auriferous! Nun, ich bin hier, weil ich eine bestimmte Frau suche. Sie heißt Fenaria. Sie steht unter unserem Schutz. Durch blöde Zufälle hat sie sich hier verlaufen. Bitte fragt nicht näher. Ich kann und darf nicht mehr dazu sagen. Nun, ich habe den berechtigten Verdacht, dass die NachtFraun sie mitgenommen haben, aus welchem Grund auch immer. Deswegen war ich auf dieser Lichtung, ich habe ihre Spur verfolgt, und hätte sie vielleicht schon, hätte euer Untergebener mich nicht vorher aufgegriffen.“ Lethvalin errötete bei diesen Worten. „Entschuldigt, ich konnte nicht wissen, dass...“ wiederum wurde er von der Dame unterbrochen. „Ist in Ordnung, Lethvalin. Schließlich ist das eure Aufgabe.“. Der General nickte. Auriferous fuhr fort. „Ihr sucht eine junge Frau? Nun, mir ist nichts zu Ohren gekommen. Tut mir Leid. Hmm, aber ihr habt den Verdacht, dass diese verdammten NachtFraun sie haben? Dann wollen sie sie sicherlich wegbringen lassen, wahrscheinlich gleich nach Darnassus. Und ihr sagt, die Bäume dort waren auch schon konvertiert? Also ist es wahr. Es muss sich ein Druide hier herumtreiben. Einer mit viel Macht. Das passt mir nicht. Wir haben mit den Trollen und der Geißel hier genug zu tun.“. Sie hielt kurz inne, und wechselte flüsternd ein paar Worte mit der blonden Frau neben sich. Schließlich sah sie wieder auf, und blickte Sorandis an. „Wir müssen unsere Bemühungen wohl doch mehr auf diese NachtFraun ausweiten. Auch wenn mir das nicht passt. Wir werden eine Einheit aus schicken, die sich diesem Problem annehmen soll. Wie wär's, Sorandis, wollt ihr sie begleiten? Ihr würdet mir damit einen Gefallen machen, und ein bisschen Unterstützung gegen diese NachtFraun kann nie verkehrt sein. Außerdem seid ihr der beste Fährtenleser den ich kenne, und würdet uns damit sehr unterstützen.“. Lethvalin errötete bei diesen Worten wieder, und murmelte etwas von „Astraler, und Fährtenleser, dass ich nicht lache!“. Sorandis antwortete: „Nun, eigentlich arbeite ich grundsätzlich allein. Aber ich will euch diesen Gefallen nicht abschlagen. Also gut. Wer soll mich begleiten?“. Die rothaarige Frau lächelte. „Im Moment steht uns nicht viel zur Verfügung. Aber ich denke, alte Bekannte eignen sich am besten für diese Aufgabe. Also, Lethvalin, ihr werdet diesen Herren mit eurer Einheit begleiten und ihn unterstützen! Solltet ihr auf NachtFraun treffen, ihr wisst was ihr zu tun habt!“. Lethvalins Gesichtsfarbe wandelte sich vom normalen Zustand in eine Mischung aus marmorweiß und rot. „ich soll dieses ... dieses Wesen unterstützen?“. „Ja, das sollt ihr, und das ist ein Befehl.“ wie nebenbei erwähnte sie noch: „Ihr wisst, was auf Befehlsverweigerung steht?“. Knirschend antwortete Lethvalin: „Ja, das weiß ich. Wie ihr befiehlt, Dame Auriferous!“. Damit wandte er sich steif ab und ging nach draußen.
„Nun, Sorandis, ich schätze, ihr wollt sogleich aufbrechen?“ „Ja, ich denke, das ist das beste!“ Die Dame nickte. „Das denke ich auch. Dann wünsche ich euch viel Glück bei der Suche, und lasst euch mal wieder sehen, es war mir eine Freude.“ sie deutete eine Verbeugung an. „Danke, ich hoffe, euer General wird seine Vorurteile über Bord werfen. Sonst könnte die Unternehmung unangenehm werden“. Er verbeugte sich und ging ebenfalls nach draußen.
Dame Auriferous seufzte. „So viele Probleme, und so wenige Lösungen.“.
Plötzlich kam Leben in einen der Verlassenen, welche bisher nichts gesagt hatten. Es war derjenige mit dem Zopf.
„Seid ihr sicher, dass es eine gute Idee ist, noch mehr Kräfte darauf zu verschwenden, diese NachtFraun zu verfolgen? Ich finde wir sollten uns ganz und gar der Todesfestung und der Geißel widmen!“. Dieser Satz war der Grund dafür, dass der Lärmpegel in dem Gebäude wieder auf die vorherige Lautstärke anstieg.
Sorandis bekam davon nichts mehr mit. Er stand draußen und hielt Ausschau nach seinen künftigen Begleitern.
Er sah sie auf der Straße ortsauswärts. Sie waren also schon vorgegangen. Ohne auf ihn zu warten. Er seufzte innerlich. „Na, das kann ja heiter werden!“ und lief ihnen hinterher. Ohne ein Wort zu sagen schloss er sich der Gruppe an. Ohne ein Wort zu sagen, gab ihm der General seine Waffen wieder. Sorandis betrachtete die Gruppe genauer. Es waren nicht wie anfänglich nur fünf Waldläufer, sondern nun rund ein Dutzend. Alle in glänzenden Rüstungen, bewaffnet mit Schwertern und Bögen.
Schweigend lief die Gruppe die Straße zurück, und zurück zu der Lichtung im Wald, wo sie Sorandis aufgegriffen hatten. Alles war so, wie sie es verlassen hatten.
Lethvalin drehte sich zu Sorandis um. „So, großartiger Spurenleser, wohin haben sich die NachtFraun verzogen?“.
Sorandis verkniff sich ein Kommentar, und holte aus seinem Umhang einen Kristall. Diesen hielt er sich vor die Augen, und verfolgte eine nur für ihn sichtbare Spur. Das Mädchenn folgten ihm misstrauisch. „Wenn ihr uns in eine Falle führt, seid ihr des Todes.“ Sorandis schwieg und verfolgte die Spur weiter, welche nun zwischen den Bäumen immer schwerer zu lesen wurde. Das Mädchenn wurden immer unruhiger. Einer dementierte: „Hier soll ein Trupp NachtFraun vorbei gekommen sein? Das Gras ist vollkommen unberührt! Könnt ihr uns das erklären?“. Sorandis blieb stehen, und drehte sich zu dem Mensch um. „Ja, das kann ich. Wahrscheinlich habt ihr der Dame nicht genau zugehört, oder ihr versteht es nicht. Diese NachtFraun haben Unterstützung von einem mächtigen Druiden. Er kann das Gras dazu bringen, wieder normal zu stehen. Ohne jegliche physische Spuren. Aber gerade die Magie, mit welcher er diese Spuren verdeckt, ist es, welche ich verfolgen kann. Hiermit!“ er deutete auf seinen Kristall. „Aber das ist nicht so einfach, und ich wäre euch dankbar, würdet ihr den Geräuschpegel auf dem gleichen Niveau halten wie vorher.“. Schließlich kamen sie an einen Fluss. „Das ist der Elrendar“ sagte Lethvalin. „Er hat nur eine Brücke, und die ist an der Straße. Es scheint so, als ob ihr euch geirrt habt, Herr Astraler. Also.“ er wandte sich zu seinen Untergebenen um. „Ab jetzt folgen wir lieber unseren eigenen Künsten! Wir – Was?“ fragte er, als einer der Fraun hinter ihn zeigte. Er drehte sich langsam um. Und sah Sorandis, wie er auf dem Wasser steht. Oder besser, über dem Wasser. „Aber.. aber.. wie?“. „Druide!“ antwortete der Astrale nur. „Ihr solltet euch beeilen. Ich konnte diese Brücke kurzzeitig reaktivieren, weil der Druide zu schwach war, sie vollständig verschwinden zu lassen. Ich weiß aber nicht, wie lange ich das halten kann.“. Das Mädchenn beeilten sich, über die unsichtbare Brücke zu kommen. Sichtlich ungern, denn sie betraten nun abermals die Geisterlande. Lethvalin hielt ab jetzt den Mund, und widersprach nicht mehr. So liefen sie noch eine Weile weiter. Es ging nun schneller, da die Magie des Waldes hier deutlich schwächer war, und die Spuren des Druiden klarer zu lesen.
Nach ein paar Minuten stoppte Sorandis. Inzwischen war es dunkel geworden, und die toten Geäste der Bäume ringsum sahen in den Schatten bedrohlich aus.
„Hier verlieren sich die Spuren. Eigenartig. Das kann doch nicht sein, es muss...“ er hörte auf zu sprechen als ein schriller Schrei ertönte. „Fenaria.“ es war nur ein Flüstern. „Kommt mit, wir haben sie gefunden!“ schrie er den Waldläufern zu, welche sofort die Schwerter zogen, und ihm folgten. Er preschte in die Richtung, aus welcher die Stimme gekommen war. Diese war nach einem kurzen Wimmern abgebrochen. Als sie die ersten konvertierten Bäume erreichten, hörte man erneut die Stimme. Diesmal allerdings sprechen: „Ihr verdammten nachtelfischen Biester! Lasst mich in Frieden. Ich habe nichts mit euch. Nein! Lasst mich gefälligst gehen, AU!“. Sorandis und die Waldläufer beschleunigten ihre Schritte. Als Sorandis durch die letzten Bäume auf eine Lichtung trat nahm er verschiedene Dinge wahr. Einmal Fenaria, wie sie auf ihrem Hinterteil auf dem Boden rutschend versuchte vor zwei NachtFraun zu fliehen. Die linke Hand auf ihre rechte Schulter gepresst, aus der ein Pfeil ragte.
Auch sah er von links weitere NachtFraun anrücken, welche auf Fenaria zu hielten. Bewaffnet mit gespannten Bögen und Schwertern.
Außerdem kamen von geradeaus drei NachtFraun, welche auf ihn zu stürmten. Mit gezogenen Schwertern.
Er schrie den Waldläufern zwei kurze Befehle zu. Sofort fielen die beiden NachtFraun, welche Fenaria bedrängten zu Boden. Jeweils zwei Pfeile im Hals. Außerdem stellte sich die Hälfte der Waldläufer, zusammen mit Lethvalin, mit gezogenen Schwertern den von links kommenden NachtFraun entgegen. Die andere Hälfte ließ einen Pfeil nach dem anderen auf die Angreifer nieder.
Sorandis selbst zog zwei kurze Schwerter, und stürmte auf die von vorne kommenden NachtFraun zu. Diese waren viel zu überrascht, um seinen schnell geführten Hieben ausweichen zu können. Die erste fiel sofort, ein Blutschwall ergoss sich zusammen mit verschiedenen Gedärmen auf den grünen Boden. Die anderen zwei versuchten Sorandis zu umgehen. Doch war der Astrale zu geübt in Kampftaktiken, um auf diese Methode reinzufallen. Er beschrieb einen Kreis, so dass das Mädchenn ihm immer ihre Gesichter zuwenden mussten, damit sie ihn nicht aus den Augen verlieren. Dann sprang er plötzlich eine von ihnen an. Die völlig überrumpelte NachtFrau fiel zu Boden. Ihr Kopf ein paar Fuß neben ihr. Sorandis wandte sich der noch übrigen Frau zu, welche gerade im Begriff war, einen verzweifelten Angriff zu wagen. Sie rannte mit gezogenem Schwert auf Sorandis zu. Dieser wich im letzten Moment blitzschnell aus, und warf der Frau seine Klinge hinterher, welche ihren Platz in deren Rücken fand. Sie sank zusammen. Kurz vor Fenaria, welche dasaß und verdutzt auf Sorandis blickte. Er zog eine andere Klinge aus seinem Umhang, und begab sich zur Reihe der Waldläufer, welche gerade vier NachtFraun beschäftigten.
Er half den Waldläufern kurz aus, und nach einer kurzen Zeit, waren auch diese Angreifer nicht mehr am Leben. Es war nur noch eine NachtFrau übrig, welche aber fliehen konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie Verstärkung geholt hätte. Lethvalin kam zu Sorandis. „Nun, habt ihr eure Fenaria gefunden? Scheint so! Und wir haben das gefunden, was wir wollten. Ich bin dafür, wir verabschieden uns nun voneinander. Wir werden zurückkehren nach Tristessa, und Bericht erstatten. Das sind zu viele für uns. Wir brauchen hier mehr Leute.“ er zögerte. „Ich danke euch für eure Hilfe. Gehabt euch wohl.“ Mit diesen Worten rief er seine Waldläufer zusammen, welche sich daraufhin zurückzogen. Richtung Tristessa.
Sorandis schüttelte den Kopf. Er würde diese Leute nie verstehen. Er ging zu Fenaria. Sie lag auf dem Boden. Ohnmächtig. Er untersuchte sie kurz, und zog dabei den Pfeil aus ihrer Schulter. Dessen Spitze und der Teil vom Schaft, den ihr Blut berührt hatte, sah aus, wie angenagt. Er holte eine Phiole aus seinem Umhang und träufelte etwas Flüssigkeit auf die Wunde, welche langsam aufhörte zu bluten.
Dann lud er sich Fenaria auf die Schultern und beeilte sich, aus dem Gebiet der NachtFraun herauszukommen, welche wieder im Anmarsch waren. Diesmal mit deutlich mehr Leuten.
Er war zufrieden. Er hatte sie gefunden.
Schattensturm
1
Als sie aufwachte, versuchte sie die Augen zu öffnen. Doch geblendet von hellem Licht schloss sie sie sofort wieder und zuckte zusammen.
„Oh, entschuldige, ich habe nicht bemerkt, dass du aufgewacht bist. Du kannst die Augen jetzt ohne Gefahr öffnen.“ hörte sie unerwartet eine weiche Stimme.
Sie versuchte nochmals die Augen zu öffnen. Es dauerte zwar einige Zeit, bis sich ihre lichtempfindlichen Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, aber sie konnte sie dieses Mal offen behalten. Sobald sie mehr als nur bloße Umrisse sehen konnte, schaute sie sich um. Sie lag auf einem kleinen Bett in einem kleinen Zimmer. An den Wänden hingen keinerlei Bilder, dennoch waren sie aufgrund diverser Verzierungen schön anzuschauen. Links von dem Bett, auf dem Fenaria lag, war ein großes Glasloses Fenster eingelassen. Durch dieses wehte ein warmer Wind und ließ die purpurroten Vorhänge leicht flattern. Gegenüber von ihrem Bett war eine Tür. Und rechts von ihr erkannte sie die Besitzerin der Stimme, welche vorhin mit ihr gesprochen hatte.
Es war eine Frau. Sie hatte lange, blonde Haare, welche locker auf ihre Schultern fielen. Diese Schultern waren mit Platten Rüstung bedeckt. Genauso wie ihr restlicher Körper. Nur ihre Hände waren frei. Mit diesen strich sie Fenaria gerade sanft eine Strähne aus dem Gesicht. Fenaria regte sich. „Seid ihr... seid ihr eine... eine Blutritterin?“. Das Mädchen zog ihre Hand zurück, richtete sich auf und strich sich nun ihrerseits eine Strähne aus dem Gesicht. „Ja, ich bin eine Blutritterin. Treue Anhängerin Kael'Thas und erklärter Feind allen untoten Lebens.“. Fenaria fiel das Reden noch schwer. „Wie..wie komme ich hierher? Wo bin ich überhaupt? Und wie lange war ich bewusstlos?“.
Die Blutritterin setzte sich auf einen Schemel neben dem Bett, auf welchem Fenaria lag und begann zu erklären. „Als erstes: Mein Name ist Lilieth. Und du bist hier in Silbermond. Was das ist, solltest du eigentlich wissen.“ Als Fenaria schwach nickte, fuhr sie fort. „Nun, ich hätte mir Sorgen um meine Heilkünste machen müssen, wüsstest du es nicht! Ja, ich habe deine Wunden versorgt, nachdem ein Astraler namens Sorandis dich vor ein paar Stunden hierher gebracht hat. Schwer angeschlagen, möchte ich behaupten. Du hattest Glück, dass er dich gefunden hat. Hättest du ihn nicht gehabt, wärst du jetzt wohl verblutet. Übrigens, interessantes Blut, was du hast.“ Sie hob ein Bettlaken hoch, in dem ein großes Loch zu sehen war. „Wüsste gerne, wie du dazu kommst. Scheinbar hattest du schon öfters in deinem Leben Glück!“. Als Fenaria sie empört anschaute ergänzte sie schnell: „Nein, nein. Nicht Glück, dass du diese – entschuldige – Verunstaltung deines Körpers in dir trägst, sondern, dass du diese überlebt hast. Du bist zäh!“. Fenaria versuchte, da ihr dieses Thema unangenehm war, die Gedanken der Heilerin auf andere Sachen zu lenken. Sie stellte ihr eine Frage, die sie seit kurzem beschäftigte: „Sagt mal, da ihr eine Blutritterin seid, kennt ihr euch aus mit ... mit der Magiesucht?“ sie zögerte sichtlich dieses Thema anzusprechen, war es doch nicht immer sonderlich beliebt unter ihresgleichen. Das Gesicht von Lilieth wurde eine Spur härter, doch antwortete sie mit der gleichen Stimme wie vorher: „Ja, ich habe gewisse... Erfahrungen in diesem Bereich. Ich bin sogar gewillt, dir auf einige Fragen zu antworten. Aber nicht auf alle. Was willst du denn wissen?“.
Fenaria, etwas zuversichtlicher geworden, fing an: „Hm, Sorandis hat euch aufgeklärt, wie es zu meiner Verletzung kam? Die NachtFraun und so weiter?“. Lilieth nickte nur kurz, Fenaria fuhr fort. „Gut. Ich konnte aus diesem Lager nur flüchten, weil ich, ich weiß nicht wie ich es erklären soll, einer NachtFrau, welche gerade einen Zauber wirkte, die Energie entzogen habe. Es kam ganz plötzlich. Ohne, dass ich es gewollt hätte. Erst als sie dann zusammenbrach, konnte ich aufhören, und wieder klar denken. Bei all den anderen Fraun ist mir das aber nie passiert. Warum? Sie hatten doch sicherlich größere Kräfte als diese junge Priesterin?“.
Die Blutritterin nickte kurz. „Ja, das kann ich dir beantworten. Aber als erstes: Die Magiesucht ist etwas, dem du dich nicht entziehen kannst. Du saugst sie mit der Muttermilch ein. Ab diesem Zeitpunkt kannst du die Magie spüren. Und dich ihrer bedienen. Die einen auf diese – und die anderen auf die andere Art. Nun, wie gesagt kannst du dich dieser Sucht nicht widersetzen. Viele haben es versucht, niemand hat es geschafft. Du kannst sie einschränken, aber sie niemals völlig ablegen. Sie ist ein Merkmal der unsrigen Rasse. Aber nun auf dein spezielles Problem. Diese NachtFrau von der du sprichst, war jung und wohl auch unerfahren. Hör zu. Umso jünger und unerfahrener ein Elf oder ein Mensch oder ein Troll, oder jede andere magiebegabte Rasse ist, umso schwieriger kann derjenige seine Magie bündeln und kontrollieren. Und wenn so jemand einen Zauber wirkt, dringt eine gewisse Menge Magie nach draußen, bleibt sozusagen außerhalb des Zaubers, der eigentlich gewirkt werden soll. Und diese Magie spüren wir. Auch ist es diese Magie, welche besonders leicht aufzunehmen ist, da sie nicht kontrolliert fließt. Die anderen Fraun haben ihre Zauber also einfach besser unter Kontrolle gehabt, als diese junge NachtFrau, von der du redest. Außerdem spielt auch eine gewisse Einstellung zu demjenigen, auf den du den Zauber wirkst, eine Rolle. Du musst den Zauber, den du wirkst, auch wirklich mit jeder Faser deines Körpers deinem Gegenüber wünschen. Ich denke diese Frau hatte Mitleid mit dir. Mitleid ist bei jeglicher Art des Kampfes wohl dein schlechtester Begleiter. So hat er auch die NachtFrau schwach und anfällig gemacht. Merke dir das für die Zukunft! Habe nur Mitleid, wenn du es dir erlauben kannst!“. Fenaria, welche dem Vortrag mit geschlossenen Augen, aber aufmerksam gelauscht hatte, nickte entschlossen. „Ja! Ja, ich habe aus den letzten Tagen gelernt!“.
Kurz flackerten kurze Bilder vor ihrem inneren Auge auf. Tote NachtFraun. Verstreute Körperteile. Das hasserfüllte Gesicht des Druiden. Brennender Schmerz in der Schulter. Sie öffnete die Augen, in denen nun ein wildes Feuer flackerte. „Ja, das habe ich!“.
Lilieth fing an zu lächeln. „Gut, da diese Frage jetzt wohl geklärt ist, und ich alles für dich getan habe, muss ich mich wieder meiner eigenen Arbeit widmen. Es wäre gut für dich, wenn du noch etwas liegen bleiben würdest. Aber ich werde dich auch nicht daran hindern, wenn du einen Spaziergang durch unsere wundervolle Stadt machen willst. Also, gute Besserung.“. Die Blutritterin stand auf, nahm sich ihre Handschuhe von einem kleinen Schrank, der neben dem Bett stand, und ging auf den Ausgang des Zimmers zu. Fenaria, deren Zorn ebenso schnell verraucht war, wie aufgekommen, besann sich auf ihre Erziehung und rief Lilieth noch hinterher: „Vielen Dank für alles, Lilieth. Mein Name ist übrigens Fenaria!“. Während sie die Tür öffnete, drehte Lilieth den Kopf noch einmal zu Fenaria und antwortete mit einem Lächeln: „Ich weiß. Und keine Ursache!“. Damit war sie verschwunden.
Fenaria blickte ihr hinterher. Plötzlich nahm sie eine Bewegung rechts von sich wahr. Sie erschreckte sich, und drehte sich zu der Bewegung. Erleichtert atmete sie auf, als sie sah, dass es nur ein Spiegel war, welcher die Bewegungen des Vorhanges wiedergegeben hatte.
Sie nutzte die Gelegenheit und versuchte aus dem Bett aufzustehen. Es funktionierte. Sie spürte die Wunde an ihrem Rücken fast nicht mehr. Nur noch ein kleines Ziehen erinnerte an den Pfeil, der noch vor wenigen Stunden dort gesteckt hatte.
Sie stellte sich vor den Spiegel, und betrachtete sich. Unter einigen Verrenkungen konnte sie auch auf ihre Schulter blicken, und sah dort nicht einmal eine Narbe, welche der Pfeil hinterlassen hatte. Nur einen kleinen Bereich, welcher schwach glimmte. Als sie sich wieder normal vor den Spiegel stellte, bemerkte sie ein ungewohntes Gefühl am linken Arm. Sie schaute auf ihn hinunter. Die Binde fehlte! Die Blutritterin hatte also nicht nur die Pfeilwunde geheilt. Ein warmes Gefühl der Zuneigung durchfloss Fenaria. Als sie ihren nun freien Unterarm betrachtete fiel ihr Blick, wie so oft, auf eine lange, feine Narbe, welche sich ihren linken Unterarm entlangzog. Diese Narbe war nicht durch das Training mit den Astralen verursacht worden. Ihre Gedanken streiften zurück in die Vergangenheit, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie Sorandis einmal gefragt hatte, wo sie diese Narbe denn her hätte. Er hatte es ihr erklärt. Und Fenaria war während dieser Erklärung immer schlechter geworden. Er hatte gesagt, ihre Mutter hätte sie an diesen Stellen aufgeschnitten, um ihr besser das Gift einflößen zu können, welches sie schließlich getötet hätte, hätten die Astralen sie nicht gefunden. Weitere Erklärungen gab er nicht ab. Seitdem hatte sie nie mehr nach ihrer Mutter gefragt. Sie ging langsam durch das Zimmer und an das Fenster. Sie blickte in Gedanken verloren hinaus in den blauen Himmel. Ihre Mutter. Gefragt hatte sie zwar nie danach, aber ihre Gedanken konnte sie nicht blockieren. Warum hat sie das getan? War ich ein Problem? Eine Störung, die beseitigt werden musste? Und warum vergiften? Es geht doch einfacher? Hatte meine Mutter mit Giften zu tun? Könnte sie mich heilen? Und selbst wenn, sie würde es doch nicht machen. Warum sollte sie? Sie riss sich gewaltsam aus diesen Gedanken, und zwang sich durch das Fenster zu schauen, um sich abzulenken. Der Anblick verschlug ihr den Atem, und ließ sie ihre Mutter sofort vergessen. Silbermond! Natürlich hatte sie davon gehört, in Geschichten und Erzählungen. Sowie im Unterricht. Aber dort gewesen war sie noch nie. Sie blickte hinunter auf einen Markt. Auf einem riesigen Platz boten verschiedene Händler ihre Waren an. Hauptsächlich waren das Fraun, aber auch einige andere Rassen waren vertreten. Fenaria konnte Orcs und Tauren erblicken. Um den Markt herum boten verschiedene Gaukler ihre Kunst dar. Feuerschlucker spiehen meterhohe Flammenfontänen in die Luft, dass die Zuschauer geblendet zurückwichen, um gleich darauf in Applaus auszubrechen und dem sich verbeugenden Gaukler ein paar Münzen hinzuwerfen. Dann gab es da noch Jongleure, welche so viele scharfe Gegenständen gleichzeitig in die Luft warfen, dass Fenaria sie gar nicht zählen konnte. Vor diesen Leuten, meistens Orcs, standen die Leute in einem noch größerem Abstand als bei den Feuerschluckern. Wahrscheinlich aus Angst, dass eins der Schwerter abhanden kommen könnte.
Und schließlich gab es auch noch die Hütchenspieler. Diese saßen eher an dunklen Ecken, wovon es nicht viele gab, denn alles war lichtdurchflutet, und versuchten naive Stadtbewohner und Reisende um ein paar Münzen zu betrügen.
Durch all diese Leute und Stände rannten spielende Kinder. Manchmal war hinter diesen Kindern ein Händler oder eine Händlerin zu sehen, welche diesen zeternd nachlief. Doch einholen taten sie diese nie.
Links des Marktes hielten drei Fraun einen Vortrag, dessen Inhalt Fenaria nicht hören konnte. Doch fand er wohl bei vielen Personen Anklang, denn sehr viele Fraun drängelten sich vor den Dreien. Der ganze riesige Platz war eingerahmt von Häusern. Darunter mindestens zwei Tavernen, aus denen man, hörte man genau hin, fröhliche Gesänge hören konnte.
Ganz im Westen des Platzes stand ein Brunnen, welcher so schön gearbeitet war, dass Fenarias Augen einige Minuten an den Statuen hängen blieben.
Fenaria wurde von ihren Sinneseindrücken so beherrscht, dass sie erst merkte, dass jemand hinter ihr stand, als sie dessen Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie erstarrte. „Deine Schulter scheint wieder in Ordnung zu sein. Was hast du dir dabei gedacht, wegzulaufen?“. Fenaria entspannte sich wieder. Diese Stimme und dieser Tonfall konnte nur einem gehören. Sie drehte sich um, und schaute Sorandis ins Gesicht. „Ihr wisst nicht, was vorgefallen ist. Ich halte es in dieser Schule nicht mehr aus, und ich werde da nicht mehr hingehen!“. „Na, das werden wir sehen. Außerdem kann ich mir sehr gut vorstellen, was dort vorgefallen ist. Du hast dich provozieren lassen. Diese Tatsache, und dass ich dich gerade vollkommen unvorbereitet getroffen habe lässt mich zu dem Schluss kommen, dass du noch viel Übung brauchst! Und jetzt komm mit, wir haben die seltene Ehre eine Audienz mit Lor'themar Theron zu haben!“.
Fenaria seufzte nur, und folgte dem Astralen, da sie wusste, dass sie gegen ihn sowieso nicht ankommen würde. Auch ihre Frage, was sie denn beim Regenten von Silbermond wollten, ließ sie bei sich.
Er ließ sie sich noch schnell anziehen, dann führte er sie durch das Haus, es war eine weitere Taverne, wie sie beim Hinuntergehen bemerkte, auf den Marktplatz hinaus.
Wiederum wurde sie von Eindrücken übermannt. Alles war bunt und roch stark nach Frühling. Die meisten Personen hatten fröhliche Gesichter, besonders die Hütchenspieler, welche gerade einen besonders naiven Orc gefunden hatten.
Kleine Kinder huschten um ihre Beine herum, und ließen sie mehrmals stolpern. Aber das machte ihr nichts aus, denn sie war überaus glücklich hier zu sein. Alles kam ihr so fremd und doch wunderbar vor. Als sie ein Elf freundlich grüßte wusste sie mit einem Mal, was ihr so unheimlich fremd war. Die Leute hier glotzten sie nicht eigenartig an, wenn sie vorüber ging! Sie behandelten sie wie eine normale Frau. Höchstens mit etwas freundlichem Interesse. Aber niemals abwertend oder wie ein Tier mit einer ekelhaften Krankheit. Ein Gedanke schoss durch ihren Kopf, und sie riss sich von Sorandis los. Sie rannte zu dem Brunnen, welchen sie aus dem Fenster gesehen hatte, und an dem sie und Sorandis gerade vorbeigekommen waren. Sie beugte sich über den Rand, dass ihre Haare das Wasser berührten, und kleine Kreise darauf zogen. Und tatsächlich. Ihre Hautfarbe hatte sich verändert. Das hatte sie vorhin in dem Spiegel überhaupt nicht bemerkt. Sie war zwar noch nicht normal wie bei den anderen Fraun, aber deutlich heller als vorher. Jetzt schäumte sie vor Glück fast über, und hörte auch nicht die Schimpfkanonade, welche Sorandis auf sie los ließ. Wie in Trance folgte sie ihm, entgegenkommende Fraun immer grüßend, von dem großen Marktplatz weg. Sie gingen durch ein großes Tor, vor und hinter dem je zwei Wachen standen. Mehr nahm Fenaria nicht wahr. Sie hatte die Ereignisse der letzten Tage nun vollends vergessen. Erst der Turm hob sie sanft aus ihrer Trance. Der Turm. Er war riesig. Er überragte all die anderen Gebäude Silbermonds, welche für sich schon groß waren. Und verziert war er so stark, dass man die Grundfassade nur noch an wenigen Stellen erkennen konnte. Fenaria hatte das Bedürfnis sich niederzuknien vor dieser einmaligen Leistung ihres Volkes. Doch Sorandis zog sie weiter. Sie gingen so schnell um einen ebenfalls riesigen Brunnen herum, dass Fenaria diesen nicht genauer betrachten konnte. Erst als sie bei einer Art Rampe angekommen waren, wurde Sorandis langsamer. Fenaria meinte den Grund dafür zu erkennen. Die Rampe, welche in den riesigen Turm führte, war besetzt mit Wachen. Aufgestellt an beiden Seiten. Das Mädchen und der Astrale schritten langsam durch diese Reihen. Fenaria hatte ihr Lächeln, welche sie den ganzen Weg bis hierher getragen hatte, abgelegt, da es ihr unpassend erschien. Sie musste sich allerdings immer noch zwingen, den Mund nicht vor Staunen aufstehen zu lassen, denn der Turm wurde, wenn das überhaupt möglich war, je näher man ihm kam, noch größer. Sorandis sagte etwas zu Fenaria, sie verstand allerdings nur ein paar Worte, da sie nicht zuhörte, und die einzeln für sie keinen Sinn ergaben: „Einmalig....Gelegenheit......kommt nicht wieder......Respekt.......Lor'themar....Disziplin!“. Disziplin. Ja, das hatten die Wachen, welche sie nun genauer anschaute. Es waren mindestens 30 Stück. An jeder Seite. Sie standen so still, dass man denken könnte, sie wären zu Stein erstarrt. Auf einmal packte Sorandis Fenaria an den Schultern und schüttelte sie: „Hör jetzt auf mit diesem irrelevanten Verhalten! Es kann ja sein, dass das alles stark auf dich wirkt. Aber du musst dich jetzt beherrschen. Disziplin ist das Zauberwort! Wir haben nur diese eine Gelegenheit, vor Lor'themar vorzusprechen, und die müssen wir nutzen. Also benehm dich, wir kommen gleich zu ihm rein.“ Fenaria lächelte und zeigte hinter Sorandis, auf den Aufgang zur Rampe. „Scheint so, als ob es noch jemand anderes dringender hätte, und sich nicht so auf Disziplin versteht.“. Sorandis drehte sich abrupt um, und bekam so gerade noch mit, wie eine hochrangige Wache mit einem Gesichtsausdruck, welcher eine Mischung aus grenzenlosen Euphemismus und Panik ausstrahlte, auf ihn zu rannte. Sie machte keine Anstalten auszuweichen, und Sorandis war zu verblüfft, um zu reagieren. So fielen er und Fenaria unsanft zu Boden. Sorandis wollte gerade aufstehen, und lautstark protestieren, doch der Mensch schrie einen Satz in den Turm hinein, der ihn jeder Sprache beraubte.
„Kael Thas ist zurückgekehrt! Lor'themar! Unser Prinz ist wieder da!“.
2
In die sonst bewegungslos an einem Fleck stehenden Wachen kam Bewegung. Trotz ihrer eintrainierten Disziplin blickten sie sich um und tuschelten mit ihren Nachbarn. Viele blickten auch auf den Eingang des Turms, in Erwartung der Reaktion des Lordregenten. Diese ließ nicht lange auf sich warten. Kurze Zeit, nachdem der Überbringer der überraschenden Nachricht vor Erschöpfung auf den Boden gesunken war, konnte man drei Gestalten erblicken, welche im Laufschritt aus dem Turm eilten. Als erstes kam ein Mensch heraus, welcher unschwer als der Lordregent zu erkennen war. Er hatte eine kräftige Gestalt und lange weiße Haare. Sein Alter war nicht zu schätzen, doch bewegte er sich geschmeidig und sicher. Hinter ihm kamen noch zwei andere Fraun gelaufen. Der eine, ein Waldläufer, hatte blonde Haare, lief mit gezogener Waffe und musterte im Laufen aufmerksam die Umgebung. Der letzte hatte schwarze Haare, ein hartes Gesicht und einen langen Stab in der Hand, dessen aus Metall gearbeitete Spitze rot leuchtete. Fenaria merkte die starke magische Aura, die von ihm ausging.
Sorandis, immer noch am Boden sitzend, flüsterte ihr zu: „Der Waldläufer ist Lor'themars Freund Halduron Wolkenglanz, und fühlt sich wohl besonders für den Schutz seines Regenten verantwortlich. Der Schwarzhaarige Elf ist Großmagister Rommath. Ein mächtiger Magier. Den vordersten erkennst du wohl. Es ist Lor'themar. Derjenige, bei dem wir nun eigentlich eine Konferenz hätten.“. Fenaria nickte und wollte aufstehen, aber Sorandis hielt sie an der Schulter fest. „Nein. Bleib sitzen. Auch wenn es demütigend erscheint, wir wollen in dieser Situation nicht mehr auffallen als möglich!“. Fenaria, welche die Gesten und das Verhalten von Astralen während ihrer Kindheit sehr gut hat studieren können, wunderte sich über Sorandis. Nie hatte sie einen Astralen vor einer noch so hohen, fleischlichen, wie sie es nennen, Persönlichkeit auf dem Boden knien gesehen. Nun aber saß Sorandis nicht nur auf dem Boden, er machte auch keine Anstalten diesen Zustand zu ändern. Fenaria konnte aus diesem Verhalten unschwer deuten, dass etwas passiert war, was Sorandis ganz und gar nicht gefiel. Sie fragte ihn: „Was ist los mit euch? Ihr benehmt euch doch recht sonderbar, warum sollen wir nicht aufstehen, und unser Recht auf eine Aussprache einfordern?“. Fenaria hatte mit Absicht etwas übertrieben. Wusste sie doch, dass die lang erwartete Ankunft Kael Thas' gegen eine Unterredung mit einem Astralen dem Lordregenten vollkommen unwichtig vorkommen musste.
Doch Sorandis Antwort verschaffte ihr keine Klarheit. Im Gegenteil, sie verwirrte sie nur noch mehr. Er antwortete nämlich gar nicht. Er saß nur da, den nicht vorhandenen Blick in die Ferne gerichtet.
Inzwischen waren der kleine Trupp, angeführt von Lor'themar, schon von der Rampe verschwunden, und lief in die Richtung des Eingangstors von Silbermond. Die Wachen, welche auf der Rampe standen, schauten sich einige Augenblicke unentschlossen an, bis auch sie los gingen. Anfangs langsam und unsicher, dann immer schneller. Bis sie fast rannten. Bald waren auch sie aus Fenarias Blickfeld verschwunden. Sie stand auf, weil sie sich albern vor kam, wie sie neben einem Astralen auf dem kalten Stein saß. Als sie sah, dass Sorandis allerdings immer noch keinerlei Anstalten machte, auch aufzustehen, stieß sie einen Seufzer aus. Sie redete auf ihn ein: „Wollt ihr hier sitzen bleiben, bis ihr Wurzeln schlagt? Wenn wir zu lange hier warten, kommen sie wieder. Samt Kael Thas.“. Der letzte Satz war ihr nur so herausgerutscht. Aber er schien Sorandis aufzuwecken. Er sprang auf, und zog Fenaria mit sich. Wiederum ohne ein Wort zu sagen. Fenaria begann sich zu ärgern. Selbst wenn Sorandis irgendetwas Angst bereitete, was unwahrscheinlich schien, konnte er doch trotzdem mit ihr reden. Außerdem konnte sie sehr gut selbst laufen, und entscheiden wo sie hin wollte, aber Sorandis hielt sie fest. Er schleifte sie bis in das Gasthaus, aus dem sie ursprünglich gekommen waren. Sämtliche Proteste ihrerseits ignorierte er. Auf dem Weg zum Gasthaus bemerkte Fenaria, dass alle Menschen in der Stadt auf den Eingang Silbermonds zuzudrängen schienen. Der Markt war bis auf ein paar Orcs und Tauren verlassen. Sogar alle Stände waren leer. Die Waren dort höchstens mit schwachen Flüchen gegen Diebstahl gesichert. Auf dem Zimmer zog Sorandis sofort die Vorhänge des einen Fensters zu, und setzte sich auf das Bett. Er bedeutete Fenaria, sich neben ihn zu setzen. Erst jetzt begann er zu sprechen. „Hör zu, Fenaria. Diese Leute, die neu angekommen sind. Sie dürfen dich nicht sehen. Ich weiß, dass du nicht viel auf die Rückkunft Kael Thas gibst. Warum auch, du wurdest nicht mit diesem Wahn vom errettenden Prinzen erzogen. Aber es ist doch wichtiger, als du denkst. Selbst für dich. Mehr kann und darf ich dir nicht sagen. Aber es ist wichtig -“. Fenaria war während seinen Worten immer unruhiger geworden. Jetzt platzte es aus ihr heraus: „Was ist wichtig? Euch ist doch nur eins wichtig! Mich unter Verschluss zu halten! Ich weiß, warum diese Leute mich angeblich nicht sehen dürfen! Wahrscheinlich hätten sie Mitleid mit mir, und würden mich eurem Griff entreißen wollen. Aber nein! Ihr habt sicherlich wichtigeres mit mir vor! Wisst ihr was? Ich pfeife auf euch und eure angebliche Erziehung!“.
Mit diesen Worten riss sie sich los, und stürmte nach draußen. Sorandis hätte in normalen Zustand nicht eine Sekunde gebraucht, um Fenaria wieder zurück zu bringen. Aber etwas hatte seine Pläne aufs Äußerte durcheinander geworfen. Und das machte ihn schwach. Er riss sich zusammen. Er wusste, dass er Fenaria davon abhalten musste, das zu tun was sie sicherlich vorhatte. Ansonsten könnte das Ihr und auch das Ende einiger Astraler bedeuten. Er stand auf und hoffte, dass Fenaria keine allzu großen Dummheiten machen würde.
Diese jedoch war schon lang die Treppe, welche in den Schankraum führte, hinunter gelaufen und aus dem Gebäude hinaus. Sie hatte den Ausgang der Taverne genommen, welcher nicht auf den Marktplatz, sondern genau auf die gegenüberliegende Seite führte.
Als sie aus der Taverne trat, sah sie, dass sich eine riesige Prozession auf die Stadt zu schob. Rechts von ihr war das riesige Eingangstor von Silbermond. Trotz dem seit Jahren erwarteten Ereignis standen dort noch einige Wachen. Mit sehr mürrischen Gesichtern. Doch Fenaria interessierte mehr das, was links von ihr passierte. Sie rannte der Menge aus Fraun hinterher, welche sich hinter Kael Thas und Lor'themar her wälzte.
Die ersten Personen waren schon durch den ersten großen Torbogen, welcher den Eingangsbereich der Stadt von dem zweiten Marktplatz trennte. Fenaria kämpfte sich durch die Menge. Alle Fraun, die sie sah hatten einen beinahe fieberhaften Gesichtsausdruck. Man konnte erkennen, dass sie dieses Ereignis komplett traumatisierte. Nach einiger Zeit, die Prozession hatte inzwischen den zweiten Torbogen durchquert, näherte sich nun also dem Quartier der Blutritter, hatte Fenaria den Kopf der Schlange erreicht. Zum ersten mal in ihrem Leben sah sie ihren Prinzen. Er war selbst von hinten eine eindrucksvolle Erscheinung. Er war größer als ein durchschnittlicher Mensch, und trug eine der reich verziertesten Roben, die Fenaria je gesehen hatte. Ihr Grundstoff war aus kostbarem Purpur. Die Muster, welche die Robe zierten, waren entweder aus purem Gold, oder einer seltsamen schwarzen Farbe, welche das Licht der Umgebung zu verschlingen schien. An mehreren Stellen waren Smaragde eingelassen. Grün wie Smaragde leuchteten auch drei Kugeln aus reiner Energie, welche über seinen Schultern sowie über seinem Kopf schwebten.
Außer Kael Thas scheinen noch andere Fraun aus der Scherbenwelt, dem gelobten Land, gekommen zu sein. Es waren an die 50 Stück. Sie waren eingehüllt in Mäntel, und man konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Fenaria fröstelte es, wenn sie diese länger anschaute.
Fast wäre sie gegen ihren Vordermann gelaufen, als die Masse plötzlich stehen blieb.
Sie waren inzwischen vor den Hallen der Blutritter angekommen. Fenaria fragte sich, was sie hier wollten, wäre doch der riesige Turm viel besser für eine Besprechung zwischen Kael Thas und Lor'themar geeignet.
Plötzlich drehte sich Kael Thas um. Fenaria sah ein Gesicht von unglaublicher Härte, die Augen fast schon wie im Wahnsinn. Sie fragte sich, ob die anderen Fraun das denn nicht bemerken würden. Aber die schauten immer noch wie im Fieber. Kael Thas' Augen strichen langsam über die Menge. Als sie über Fenaria glitten, blieben sie einen Moment stehen. Fenaria glaubte in diesen plötzlich Erkennen aufflackern zu sehen. Und noch etwas. Hass! Doch als der Prinz seine Augen von ihr löste, und Anstalten machte, etwas sagen zu wollen, hoffte sie, sich getäuscht zu haben.
Als Kael Thas anfing zu sprechen, widerrief sie innerlich die Worte, die sie Sorandis zu gesagt hatte. Mit diesen Leuten wollte sie nicht mitgehen. Kael Thas' Stimme war kalt und hart. Wie seine Augen. Außerdem war sie seltsam verzerrt, so dass es Fenaria Schauer über den Rücken jagte. Auch die anderen Fraun wachten langsam aus ihrer verblendeten Starre auf. Die Stimme schien nicht nur auf Fenaria diese Wirkung zu haben. Man sah zum ersten Mal zweifelnde Blicke unter der Bevölkerung.
Der Inhalt der Worte war allerdings noch bedeutender.
„Sin`Dorei! Ich bin zurückgekehrt! Ich, euer Prinz, Kael Thas. Nachdem ich in der Scherbenwelt vielfältige Erfahrungen gesammelt habe! Ich habe euch vor einiger Zeit durch meinen Boten beigebracht, wie ihr euren Hunger nach Magie stillen könnt. Auf ungefährliche Art und Weise. Doch ist diese Art der Stillung unseres Hungers zeitaufwendig und hält nicht lange an. Ich habe eine bessere Methode gefunden.“ er machte eine Kunstpause, in welcher sich die Menge der Fraun mit Augen anschaute, welche sowohl Zweifel, aber vor allem Hoffnung ausdrückten. „Zusammen mit Illidan Stormrage habe ich Wege gefunden, große Dämonen ihrer Energie zu berauben, und sie uns einzuverleiben! Es ist nicht schwieriger, und hält viel länger an. Das ist der neue Weg! Folgt mir nun in eine bessere Zukunft, und verlasst diese schwache sterbliche Stadt! Kommt, Brüder und Schwestern. Zusammen erobern wir die Welt neu! Jetzt!“. Während seiner Rede war die Unruhe in der Bevölkerung gewachsen. Lor'themar, welcher ganz vorne stand, fing an, die Gedanken, welche alle Leute beschäftigten, laut auszusprechen: „Mächtiger Prinz. Bitte, erlaubt euch keinen Scherz mit uns. Wir sollen Silbermond im Stich lassen? Sowie alle unsere Gefährten und Boten, welche in fernen Gegenden für unser Wohl operieren? Es ist wahr, wir warteten lange Zeit auf eine Möglichkeit das gelobte Land zu erreichen, und diese Welt zu verlassen. Aber inzwischen haben wir uns an das Leben hier gewöhnt, und uns geht es gut. Wir haben eine Allianz mit der Horde gebildet, und werden geduldet. Unsere Stadt blüht jeden Tag etwas mehr auf. Wir haben nicht vor, uns von so gefährlichen Methoden abhängig zu machen, wie das Saugen von Dämonenenergie. Das geht über unsere Grenzen hinaus. Es tut mir unendlich Leid, aber ich denke ich spreche im Namen des ganzen Volkes, wenn ich sage: Überdenkt euer Vorhaben! Ihr seid jederzeit in dieser Stadt willkommen, und ich werde auch den Thron für euch räumen. Aber fortgehen werden wir nicht mehr. Nicht jetzt!“.
Die Antwort von Kael Thas, welcher während der Rede von Lor'themar immer roter geworden war, fiel kurz aus: „Ihr habt kein Vertrauen mehr in mich! Das hatte ich erwartet. Alle Sin`Dorei hier sind verweichlicht und zu nichts Neuem bereit! Ihr verdient das gelobte Land nicht! Aber ich bin nicht nur deswegen gekommen, ihr habt noch etwas, was ich gebrauchen kann!“. Nach diesen Worten geschah alles furchtbar schnell. Kael Thas Blick konzentrierte sich ein weiteres Mal auf Fenaria, und jetzt konnte sie ganz klar seine Überlegenheit und seinen Hass erkennen. In ihrem Kopf bildete sich schmerzhaft ein projektiertes Wort: „Verräterin!“. Ihr wurde kurz schwarz vor Augen.
Als sie wieder sehen konnte, hatten die Gestalten, welche Kael Thas begleiteten ihre Mäntel abgeworfen. Geschrei erhob sich in der Menge, als man die Gesichter der Fraun erkennen konnte. Es mussten einmal Fraun gewesen sein. Jetzt waren sie nur noch schwerlich als solche zu erkennen. Ihre Haut hatte verschiedene Farben angenommen, welche allesamt unnatürlich waren. Tiefes blau und Blutrot waren am häufigsten zu sehen. Sie trugen unter ihren Mänteln schwere Rüstung, welche in den gleichen Farben leuchtete wie ihre Haut. Am auffälligsten aber waren die Hörner, welche ihnen allen aus der Stirn wuchsen. „Wie Dämonen!“ flüsterte neben Fenaria ein schwarzhaariger Mensch. Die anderen Fraun nickten nur, und standen da wie erstarrt. Auch Fenaria stand da wie erstarrt. „Verräterin!“. Sie konnte es nicht vergessen. Wen hatte sie verraten. Sie hatte diesen Elf noch nie zuvor gesehen. Sie wurde auf andere Gedanken gebracht, als die dämonenartigen Fraun ihre Waffen zogen. Das Geschrei der Menge wurde noch lauter, und ein schreckliches Gedränge fing an.
Sie hörte wieder Kael Thas sprechen. Hart und grausam: „Was sagt ihr zu dem Ergebnis meiner weiteren Forschungen? Die Teufelsblütigen sind stärker als jeder andere Elf. Ich werde euch M'uru nehmen. Mit oder ohne Gegenwehr. Es liegt bei euch, wie viele Tote ihr begraben wollt.“. „M'uru? Was ist das?“ hörte sie in dem Geschrei der Menge um sich herum Stimmen. Sie wusste es nicht. Aber sie konnte sich denken, wo dieser Gegenstand, oder was es war wohl liegen musste. Denn Kael Thas ging geradewegs auf das Quartier der Blutritter zu. Zusammen mit ihm 30 der Teufelsblütigen. Der Rest riegelte das Gebiet in einem Halbkreis um den Eingang zu den Hallen der Blutritter ab. Doch Kael Thas bewegte sich nicht auf den Haupteingang der Hallen zu, sondern auf eine kleinere, links davon liegende Öffnung. In dieser erschienen auf einmal ein paar Fraun. Alle in Plattenrüstung. Eine von ihnen trat vor. Sie hatte rote Haare: „Ich entbiete euch Ehre, Prinz. Aber ihr dürft M'uru nicht mitnehmen. Er ist die Quelle unserer Macht, ohne es würde sie versiegen, und wir mit ihr -“ Sie wollte noch fortfahren, aber Kael Thas unterbrach sie: „Oh, Lady Liadrin, ihr wisst nichts von dem, was uns möglich ist. Ihr werdet uns an nichts hindern! Für den Sonnenzorn!“. Den letzten Teil schrie er, und die Teufelsblütigen griffen daraufhin mit einem widerlichen Kampfschrei an. Das Mädchenn im Eingang hatten inzwischen Verteidigungshaltung angenommen, doch man konnte sehen, dass ihr Kampf aussichtslos war. Fenaria, die sich nicht der Menge angeschlossen hatte, welche inzwischen durch den Torbogen hinter ihr geflohen war, stand alleine auf dem Platz. Sie fragte sich, wohin Lor'themar verschwunden war. Er hätte hier hFraun müssen! War er so feige? Doch hatte sie nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn als sie bemerkte, dass sie immer noch ganz alleine den Kampf der Blutritter mit den Teufelsblütigen beobachtete, bemerkte sie gleichzeitig, dass einer der Teufelsblütigen auf sie zu kam. Schnell auf sie zu kam. Sie wollte sich gerade umwenden, um zu fliehen, auch wenn es chancenlos erschien, denn der Teufelsblütige war jetzt schon so schnell, wie Fenaria im schnellsten Lauf. Doch plötzlich ragten über ein Dutzend Pfeile aus dem Körper des Halb Dämonen. Er fiel hart zu Boden und schlitterte noch bis vor Fenarias Füße. Er bewegte sich noch. Fenaria trat geistesgegenwärtig mit aller Kraft auf den hässlichen roten Kopf, der vor ihr lag und Blut aus hustete. Es knackte einmal hässlich, und die Bewegungen des Teufelsblütigen hörten abrupt auf. Sie drehte sich nach hinten, um zu sehen wer ihr das Leben gerettet hatte, und glaubte gleichzeitig den Grund zu sehen, warum Lor'themar und seine zwei Begleiter so schnell verschwunden waren. Sie hatten die Stadtwache benachrichtigt. Es eilten dutzende Fraun auf Fenaria zu, doch nicht Lor'themar führte sie an, sondern der Waldläufer. Sie wollte ausweichen, wurde aber von der Masse einfach mitgenommen. Dann trafen die ersten Soldaten schon auf die Verteidigungslinie der Teufelsblütigen. Es war ein einziges Chaos. Fenaria konnte nichts erkennen außer wirbelnden Schwertern, zustechenden Piken und knapp an sich vorbei schwirrenden Pfeilen. Ihre Ohren wurden gepeinigt von Geschepper und Geschrei. Sie musste aufpassen, dass sie nicht stolperte. Denn über den schönen Steinboden verteilt lagen schon die ersten Leichen. Einmal konnte sie durch die Kampfreihe kurz einen Blick auf den Eingang zu dem Aufbewahrungsort M'urus erkennen. Der Anblick war entmutigend. Auf dem Boden lagen einige bewegungslose Fraun. Kael Thas war schon verschwunden. Die Stadtwache wurde mit den Teufelsblütigen relativ schnell fertig, und eilte nun auf den Eingang der Hallen zu. Fenaria wollte sich, jetzt da mehr Platz war, abwenden, als ihr Blick auf eine ihr bekannte Frau fiel. Sie eilte zu dieser, und kniete sich neben sie. Die restlichen Soldaten rannten in den Eingang hinein, und beachteten die am Boden liegenden Fraun nicht.
Fenarias Stimme zitterte: „Lilieth? Bitte, sag etwas. Du lebst doch noch, ich kann sehen, dass du noch atmest. Bitte!“. Fenaria schaute mit Tränen in den Augen auf das Mädchen vor ihr, zu der sie noch vor kurzer Zeit eine so große Zuneigung verspürt hatte. Ihr Gesicht war fast nicht wieder zu erkennen. Frisches Blut bedeckte es, welches aus ihrer Nase und den zahlreichen Schnittwunden in ihrem Gesicht lief. Ihre Haare hingen ihr verklebt über die Augen. Fenaria wischte sie mit zitternder Hand weg. Da schlug Lilieth plötzlich die Augen auf, und fixierte Fenaria mit verschwommenen Blick.
„Fe..naria! Das...das habe ich mir so....nicht vor....gestellt. Es tut...mir Leid... unsere ....meine.... blinde Loyalität... hat uns allen.... geschadet. Bitte....verzeih...mir. Der Sonnen....zorn. Er ist.... falsch!“ sie musste Blut ausspucken. „Ich bitte dich.... du musst..... fliehen! Geh...Kind...geh! Wenn du kannst......räche ......uns!“. Mit diesen Worten wendeten sich ihre Augen ab. Ins Nirgendwo. Fenarias Augen begannen zu tränen. Ihre Stimme war ein gebrochenes Flüstern. „Das werde ich! Lilieth, ich werde euch rächen! Ich -“. Sie wurde von einem lauten Knall unterbrochen, der aus dem Eingang neben ihr kam. Zusammen mit dem Knall flogen einige Fraun daraus hervor. Unter ihnen Halduron. Sie blieben einige Meter entfernt rauchend auf dem Boden liegen. Dem Knall folgte ein irres Gelächter. Kael Thas erschien in dem Eingang. Er zentrierte seinen Blick auf Fenaria. In seinen Augen flackerte das unaufhaltsame Feuer des Wahnsinns. „Ich wusste, du würdest warten. Jetzt werde ich dir zeigen, was es heißt, den Sonnenzorn zu verraten! Ich -argh“. Plötzlich fasste er sich mit beiden Händen ins Gesicht, und stieß Schmerzensschreie aus. Fenaria, die nicht begriff, was geschah wurde von hinten gepackt und in eine Gasse gerissen. Auf einmal spürte sie ein eigenartiges Gefühl, als ob sie sich übergeben musste, und wollte sich umwenden, aber etwas hielt sie fest. Dieses etwas flüsterte ihr etwas zu. „Stillhalten, wenn du überleben willst!“. Sie wollte überleben.
3
„Ich habe uns in ein Schild gehüllt. Diese Leute können uns nicht sehen. Aber hören können sie uns dennoch. Also verhalte dich weiterhin ganz ruhig. Du hattest Glück, dass ich noch schnell genug bei dir war. Oh nein!“. Die Stimme des Etwas sackte ab. Fenaria schaute immer noch dorthin, wo sie sich noch vor ein paar Minuten befunden hatte. Und immer noch stand dort Kael Thas. Dieser war auch der Grund für den Ausruf des unbekannten Etwas. Denn er nahm gerade die Hände vom Gesicht, welches er aus einem Fenaria unbekannten Grund abgedeckt hatte. Nun konnte sie diesen Grund erkennen. Das Gesicht des Fraun Prinzen war komplett verbrannt. Die Haut löste sich an einigen Stellen schon ab. Doch schien das dem Fraun überhaupt nichts auszumachen. Im Gegenteil. Er begann wieder mit einem irren Gelächter. Als Fenaria schon dachte, er würde damit nie mehr aufhören, begann er zu sprechen. Seine Stimme war, soweit das überhaupt möglich war, noch unnatürlicher geworden. Sie erinnerte eher an einen Dämon als an einen erhabenen Fraun.
„Ha! Dachtet ihr, ich würde nur meine Diener mit übernatürlichen Kräften ausstatten?“ Fenaria versuchte zu ergründen, an wen Kael Thas seine Worte richtete, doch sah sie auf dem Platz niemanden außer Kael Thas und einige Teufelsblütige, welche aus der Kammer der Blutritter heraus kamen. „Ihr Narren! Ich selbst habe am meisten Energie von allen aufgesaugt. Ich bin unbesiegbar!“. Zum Ende hin wurde er immer lauter und den letzten Satz schrie er mit sich überschlagender Stimme heraus. Die Aura um Fenaria wurde einen Moment lang spürbar schwächer, als etwas mit Kael Thas geschah, dass das Wesen hinter Fenaria ein „Beim Sonnenbrunnen!“ aushauchen ließ. Kael Thas veränderte sich. Seine Haut fing an, sich noch mehr abzulösen. Nicht nur auf dem Gesicht. Auch aus seinem Umhang fielen lose Hautstücke, welche mit einem hässlichen Klatschen auf den Boden auftrafen. Unter der abgelösten Haut kam eine andere Haut zum Vorschein. Diese war, entgegen der der Teufelsblütigen, nicht anders farbig. Nur blässer. Viel blässer. Nachdem an seinem Gesicht nichts mehr von der alten Haut hing, fing auch seine Kleidung an sich zu verändern. Es sah so aus, als ob eine lange Zeitspanne innerhalb kurzer Augenblicke ablaufen würde. Die ehemals prächtige Robe bekam Risse und verschliss innerhalb kürzester Zeit. An der Brust löste sie sich vollkommen ab. Aus der entblößten Brust wuchs so schnell, dass man es kaum mit den Augen verfolgen konnte ein grüner Kristall. Er bohrte sich durch die Haut nach draußen, bis er schließlich eine gute Handspanne aus dieser herausstand. Sogleich begann er unheilvoll zu strahlen. In einem pulsierenden grünen Licht. Das einzige was sich an Kael Thas Erscheinung nicht geändert hatte, waren die drei grünen Kugeln aus reiner Magie, welche nach wie vor über seinen Schultern und seinem Kopf schwebten.
Das Etwas hinter Fenaria murmelte wieder etwas: „Ein Täuschungszauber! Wir alle sind einem einfachen Täuschungszauber unterlegen.“. Die Stimme klang verzweifelt. Wenig Hoffnung konnte man aus ihr heraus hören. Fenaria konnte es fast nicht mehr aushalten, nicht zu wissen, wer sie festhielt. Obwohl sie bereits eine Vermutung hatte. Sie wollte sich schon umdrehen. Aber Kael Thas, der wieder begonnen hatte zu sprechen, ließ sie sich eines besseren besinnen.
„Komm heraus, kleiner Magier, und gib mir was ich will, oder ich werde es mir holen müssen. Beide Varianten werden für dich tödlich enden. Aber die eine mit Sicherheit schmerzhafter als die andere!“ wieder irres Gelächter. „Ich gebe dir zehn Sekunden.“. Scheinbar wusste Kael Thas zwar, dass sie in der Nähe waren, aber nicht wo. Immerhin, dachte sich Fenaria.
Doch sah sie keine Möglichkeit hier weg zu kommen, ohne dass er sie bemerken würde. Und er begann auch schon, die Zeit herunter zu zählen.
„10!“. Was sollte sie tun?
„9!“. Sie wollte ganz sicher nicht in den Fängen dieser Kreatur landen!
„8!“. Lieber würde sie sich einen Dolch in das Herz rammen.
„7!“. Sie stand ganz still, und hoffte, dass das Etwas hinter ihr etwas sagen würde.
„6!“. Irgendetwas!
„5!“. Nur sie nicht ausliefern.
„4!“. Es musste etwas passieren.
„3!“. Notfalls würde sie alleine fliehen.
„2!“. Auch wenn das chancenlos sein würde.
„1!“. „Lauf!“
Die Stimme schnitt in ihren Geist wie ein Messer. Sie rannte los. Weg von dem Platz, auf dem Kael Thas stand, und sie nun sah. Weg von dem Etwas, was sie gerettet hatte. Das Etwas! Sie konnte es nun erkennen. Es war Großmagister Rommath. Ihre Vermutung bestätigte sich somit.
„Was macht er da? Will er mir nur Zeit verschaffen? Warum?“. Fenaria rannte so schnell sie ihre Füße trugen. Weg von all dem, was sie nicht verstand. Weg von dem, was sie umbringen wollte. Plötzlich stolperte sie über den Saum ihres Kleides, was sie schon seit Tagen an hatte. Sie schrie auf und fiel längs auf den Boden. In dem Moment ertönte hinter ihr ein lauter Knall und eine flirrende Hitze erreichte sie. Sie drehte sich auf den Rücken, und blickte zurück. Dort stand Großmagister Rommath, welcher aus unbekannten Gründen gewusst hatte, dass sie hier war. Die Hände hatte er in einer herrischen Geste erhoben. Drei Mannslängen vor ihm war eine Feuerwand in die Höhe geschossen, welche Kael Thas von ihm abtrennte. Fenaria wollte sich gerade aufrichten, um zu Rommath zurückzukehren, und ihn mit sich zu nehmen, als sich die Feuerwand teilte. Durch sie hindurch schritt Kael Thas. Das Flackern des Feuers warf beängstigende Schatten auf sein vor Mordgier verzerrtes Gesicht. Seine Robe nahm nicht den geringsten Schaden von dem Feuer.
„Du stellst dich mir in den Weg? Du solltest es besser wissen, gerade du! Erinnere dich noch ein letztes Mal an unser erstes Treffen, bevor du deine Ahnen aufsuchst!“. Fenaria kroch auf dem Boden weiter zurück, als Kael Thas immer weiter auf Rommath zuging. Die enge Gasse begrenzte den Spielraum der beiden Magier. Während das Kael Thas gar nicht zu stören schien, warf Rommath besorgte Blicke von links nach rechts. Seine vorher in Feuer gehüllten Hände hingen schlaff an seiner Seite. Kael Thas kam ihm immer näher. Er hob die Hände, welche sogleich anfingen in smaragdgrünem Feuer zu leuchten. Mit einem diabolischen Grinsen auf dem Gesicht murmelte er eine Formel. Fenaria konnte gerade sehen, wie er die rechte Hand zum vollenden des Zaubers auf Rommath richten wollte, als sich die Feuerwand, welche immer noch stand, wiederum teilte. Etwas schnellte daraus hervor, und sprang Kael Thas an. Schneller als Fenaria gucken konnte, ragte eine Schwertspitze neben dem Kristall aus der Brust des Prinzen. Dieser fiel auf die Knie, hatte den Zauber nicht beenden können. Der Schemen rannte auf den still da stehenden Rommath zu, und packte ihn an einem Arm. Dann rannte er auf Fenaria zu.
„Törichtes Mädchen!“. Es war Sorandis. „Du weißt nicht einmal annähernd in welche Schwierigkeiten du uns hier bringst!“. Er packte auch Fenaria an einem Arm, und zog sie mit sich. Fenaria ließ sich nun nur zu gern führen, wusste sie doch, dass sie so schnell wie möglich von den Teufelsblütigen weg mussten, welche auf den Tod ihres Meisters nicht gut reagieren würden. Doch eine Stimme, die ihre Nackenhaare zu Berge stehen ließ, wies sie deutlich auf ihren Irrtum hin.
„Ihr seid auch mit von der Partie? Ich werde euch alle rösten! Und nehmt dieses schwache Metall mit!“. Mit den letzten Worten zischte etwas knapp an Fenaria vorbei. Es war das Schwert, mit welchem Sorandis Kael Thas erstochen hatte. Das jedenfalls hatte sie bis jetzt gedacht. Ein Blick über ihre Schulter zeigte ihr, dass Kael Thas entgegen jeder Logik noch am Leben war. Wütender als zuvor. Er rannte mit unglaublicher Geschwindigkeit hinter ihnen her. Und als ob das nicht schon genug wäre, folgten ihm auch noch sieben Teufelsblütige. Mit der gleichen Geschwindigkeit. Und dem gleichen Zorn auf den Gesichtern.
Sorandis zog die beiden Fraun hinter sich her. Von sich aus hätten sie niemals so schnell rennen können, wie es gerade taten. Doch holten Kael Thas und seine Diener trotzdem auf. Fenaria konnte nicht erkennen, wohin sie eigentlich rannten. Auch Rommath schien sich zu fragen, denn er eröffnete Sorandis seine Zweifel: „Astraler, wohin rennen wir? Es gibt keinen Ausweg. Lass uns in Ehre sterben, und diesem Kind hier dadurch Zeit zur Flucht verschaffen! Es hat noch etwas großes vor sich!“.
Sorandis blickte den Großmagister an. „Woher wisst ihr von -“ er schaute Fenaria kurz an, und verstummte, um an anderer Stelle fort zu fahren. „Wir haben alle eine Chance auf Flucht. Dieses Gasthaus ist mein Ziel, und wohl auch eures, wenn ihr euch an gewisse Installationen erinnert, welche man nach dem Angriff der Geißel einbauen ließ.“. Nun war es an Rommath verwundert zu sein. „Aber woher kennt denn ihr die Architektur Silbermonds? So genau?“. Sorandis schüttelte nur den Kopf. „Uninteressant. Es ist unsere letzte Chance. Ihr werdet später noch genug Zeit finden, zu kämpfen!“.
Jetzt sah auch Fenaria das Gasthaus. Es war nicht das selbe, in dem sie Lilieth getroffen hatte. Es war weitaus schäbiger. Vor dem Gasthaus lag tatsächlich ein betrunkener Elf, der die ganze Sache nicht mitzubekommen schien, und sich auch jetzt für nichts außer seine Flasche interessierte. Sie rannten an diesem Fraun vorbei in den Eingang. Sofort blieb Rommath stehen, und murmelte einige Beschwörungsformeln. Sofort verhärtete sich der Vorhang, welcher als Türersatz diente und wurde undurchsichtig.
„Lange wird sie das nicht aufhalten!“ flüsterte Rommath erschöpft.
„Das stimmt, aber es gibt uns Zeit, unsere Flucht vorzubereiten.“.
Fenaria sah sich kurz in dem Schankraum um. Es gab nicht viel zu sehen. Es gab eine Bar mit ein paar Hockern davor. Hinter der Bar ein Wandregal mit hochprozentigem Alkohol. Ein paar Tische standen auch noch herum, auf welchen nicht ausgetrunkene Getränke standen. Nirgends war ein Elf zu sehen.
Fenaria musste plötzlich an etwas anderes denken: „Was ist mit all den anderen Fraun? Sie sind alle dem Zorn Kael Thas ausgeliefert! Wir müssen etwas für sie tun!“. Rommath blickte sie an. „Ihr beweist Großmut. Ganz wie ich dachte. Aber ihr macht euch unnötig Sorgen. Unser Lordregent hat für verschiedene Fälle vorgesorgt. So sogar für diesen oder eher einen ähnlichen. Nämlich dem Fall, dass sich eine fremde, aber starke Macht in Silbermond verbreiten würde. Für diesen Fall wurde eine magische Kuppel geschaffen, welche unter der Stadt liegt. Diese Kuppel wurde von den besten Magistern mit Schutzzaubern belegt, und ist selbst für einen Meister wie Kael Thas nur mit einem riesigen Zeitaufwand zu knacken. Und er hat wichtigeres zu tun, als unser Volk hier auszulöschen. Jedenfalls hoffe ich das!“.
„Aber warum seid ihr nicht auch dort? Ihr würdet dort sicher mehr gebraucht als hier. Dort sind mehrere Tausend Fraun zu retten. Hier beschäftigt ihr euch nur mit mir. Auch wenn ich euch dafür unendlich dankbar bin, aber warum?“.
Der Magier wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als Sorandis sie unterbrach.
„Wir haben jetzt weitaus wichtigere Dinge zu tun. Seid einfach froh, Fenaria, dass er hier ist. Sonst wärt ihr jetzt tot! Wenn wir das hier entgegen aller Wahrscheinlichkeit auch überleben sollten, habt ihr immer noch Zeit zum plaudern.“. Fenaria fühlte wieder die alte Aufsässigkeit in sich aufsteigen. Doch hinderte sie ein ungeheurer Lärm, der ausserhalb des nun mit Magie verstärkten Vorhang einsetzte, daran sich zu widersetzen.
„Sie beginnen die Sperren zu durchbrechen!“. Sorandis nahm Fenaria am Arm. „Los, komm mit!“.
„Wo wollt ihr mit mir hin? Das hier ist ein Gasthaus. Jetzt ein Nickerchen einzulegen erscheint mir mehr als unangebracht!“. Sorandis ging nicht einmal auf ihren Spott ein, sondern zog sie weiter, auf eine Treppe zu, die ein Stockwerk tiefer führte. Rommath folgte ihnen. Sie gingen die hölzerne Treppe hinunter, welche jeden hektischen Schritt von Fenaria und Rommath mit einem Knarzen quittierte. Der Astrale erzeugte keine Geräusche. Als sie unten angekommen waren erkannte Fenaria, wofür dieser Keller diente. „Oh, ein Weinkeller. Noch einmal richtig besaufen, bevor wir abgemetzelt werden. Das nenne ich einmal in Würde sterben. Klasse!“. Fenaria griff nach einer Flasche „Bester Sonnentropfen“, doch Sorandis hielt hart ihren Arm fest. „Sei doch nicht ganz so dumm! Sondern helf mir lieber. Deine Angst darfst du übrigens gern weiterhin mit Respektlosigkeit überspielen!“. Während er das sagte, begann er an einem Schrank herum zu drücken. Fenaria stand still da und schaute zu. Sie spürte erst jetzt, nachdem Sorandis sie darauf hingewiesen hatte, was für eine große Angst sie hatte. Sie wurde von jemanden verfolgt, welcher sie töten wollte. Weil sie etwas getan hatte, woran sie sich nicht erinnerte. Und dieser jemand war mächtiger als alles, was sie zuvor gekannt hatte. Dazu kam noch, dass nicht nur ihr eigenes Leben auf dem Spiel stand, sondern auch noch das zwei weiterer Wesen. Eines davon jemand, den sie nicht einmal richtig kannte, und der ihr aus ihr unerfindlichen Gründen das Leben gerettet hatte. Und selbst wenn sie für Sorandis keine sonderlich sympathischen Gefühle hegte, wollte sie doch auch nicht an seinem Tod schuld sein.
„Verdammt nochmal, Fenaria! Wach auf und helf mir endlich!“. Fenaria zuckte zusammen, und half Sorandis und Rommath dabei, das Weinregal zur Seite zu schieben, wobei etliche teure und edle Weine zu Bruch gingen. Doch das war allen dreien zu diesem Zeitpunkt vollkommen egal.
Endlich bewegte sich das Regal widerwillig zur Seite. Es schleifte über den Boden und gab dabei hässliche knirschende Geräusche von sich.
Fenaria wäre in dem Moment in dem das Regal die Sicht auf ein dunkles Loch in der Wand freigab am liebsten vor Scham im Boden versunken. Ein Geheimgang! Da hätte sie auch von selbst drauf kommen können. In dem Moment in dem sie das dachte, wurde der Lärm, welcher immer noch von der Schankstube nach unten schallte von einem so lauten Knall übertönt, dass Fenaria dachte, sie würde taub werden.
„Sie haben den Schutz durchbrochen! Nehmt die Füße in die Hand!“. Sorandis stieß Fenaria in das dunkle Loch. Fast wäre sie gefallen, aber unbändige Angst hielt sie auf den Beinen. Hinter ihr stürmte Sorandis in das Loch, und hinter ihm kam Rommath. Letzterer trug ein Feuer in seinen Händen, welches die Umgebung erhellte. Fenaria sah einen sauber gearbeiteten Gang vor sich. Er führte durch die grobe Erde gehauen so weit geradeaus, dass der Weg irgendwann wieder im Dunkel verschwand.
„Lauft voraus. Ich werde den Zugang versperren. Das wird uns wieder ein bisschen Zeit geben.“. Sorandis ließ sich nach diesen Worten zurückfallen. Rommath und Fenaria rannten so schnell sie konnten weiter. Plötzlich ertönte eine Explosion und ein Rumpeln, als ob die Decke einbrechen würde. Kurz darauf erschien Sorandis wieder an ihrer Seite.
„Der Eingang ist komplett eingebrochen. Doch auch das wird sie nicht lange aufhalten.“. Rommath meldete Zweifel: „Wohin wollen wir, wenn wir den Gang durchquert haben? Er führt, wie ihr sicherlich wisst, in den Immersangwald. Nahe einer kleinen Schule.“. Fenaria musste bei diesen Worten lächeln. Sie wusste, was Sorandis vorhatte, und das gab ihr ein bisschen mehr Hoffnung.
„Ihr werdet es früh genug sehen. Und ihr seid der erste Mensch außer unserem Jungspund hier, der es sehen wird.“. Entweder gab sich Rommath mit dieser Erklärung zufrieden, oder er sparte sich den Atem zum Rennen. Fenaria fühlte schon lange, wie sich Erschöpfung in ihr breit zu machen begann. Doch wusste sie, dass sie durchhalten musste. Ein von hinten kommendes mordlüsternes Geschrei gab ihr einen zusätzlichen Motivationsschub. Sie konnte nicht einschätzen, wie lang sie schon gerannt waren. Der Gang sah überall gleich aus. Als Fenaria schon nicht mehr daran glaubte, sah sie weit vor sich einen Lichtpunkt. Wie auf ein Kommando wurden alle drei schneller. Sie holten noch einmal das letzte aus sich heraus. Der Lichtpunkt rückte näher. Jedoch wurden auch die Schritte hinter ihnen immer lauter. Auf einmal ging es bergauf. Und dann waren sie draußen. Ohne Übergang. Fenaria schaute erschreckt zurück, doch sah sie den Eingang nicht mehr.
Rommath, der das bemerkt hatte, sagte nur: „Wieder ein einfacher Täuschungszauber, diesmal zu unseren Gunsten!“.
Fenaria nahm jetzt wieder den grünen Boden und die bunten Bäume wahr, welche einen krassen Gegensatz zu dem tristen Braun des Geheimganges darstellten. Am liebsten hätte sie sich auf das weiche Gras fallen gelassen und geschlafen. Doch waren sie noch lange nicht in Sicherheit.
Rommath fuhr zu Sorandis gewandt fort: „Und nun? Wo sollen wir hin, hier gibt es nichts!“.
Sorandis antwortete: „Es ist nicht weit weg, kommt einfach mit.“. Rommath zuckte mit den Schultern und folgte Sorandis. Fenaria tat es ihm gleich. Hinter sich hörte sie plötzlich wieder das Geschrei, welches kurz abgebrochen war, als sie den Tunnel verlassen hatten, und jetzt in noch gefährlicherer Lautstärke wieder einsetzte.
Auf einmal hielt Sorandis an. Die Lichtung war ihr nur allzu bekannt. Was sie kurz irritierte war eine Leiche eines Fraun, welche im Gras lag, und aus deren Bauch ein Speer ragte. Doch erschien ihr das jetzt vollkommen unwichtig. Sorandis begann damit, Formeln auf zusagen und dabei bestimmte Gesten durchzuführen. Rommath, der diese Gesten gut kannte, wusste was Sorandis vorhatte. „Ihr wollt ein Portal öffnen? Das dauert viel zu lange! So viel Zeit haben wir nicht!“.
Doch Sorandis schüttelte nur den Kopf. Fenaria drehte sich dorthin um, woher sie gekommen waren. Sie erwartete jeden Moment, dass Kael Thas samt seinen Dienern auf die Lichtung gestürmt kommen würde. Und, dass sie in einem Feuerball vergehen und von dieser Welt verscheiden würden. Doch es passierte nichts. Im Gegenteil. Das Geschrei, welches man vorher noch vernehmen hat können, war verstummt. Auf einmal tat sich mit einem Zischen das Portal auf. Es leuchtete an den Rändern bläulich, und in der Mitte hielt sich eine Schwärze, die das Licht zu verschlingen schien. Das übliche Portal nun mal. Rommath flüsterte ehrfürchtig: „Wie habt ihr das so schnell geschafft? Portale benötigen mehr Zeit und weitaus mehr Ruhe, als wir hier hatten!“.
„Das ist ein festes Portal, welches immer in den Nethersturm führt. Es muss nur aktiviert werden. Das ist einfacher als eines komplett neu zu beschwören! Aber nun los, wir haben nicht viel Zeit!“ sprach Sorandis und verschwand in dem Portal.
Das ließen sich Rommath und Fenaria nicht zweimal sagen. Fenaria ging hinter Sorandis durch das rettende dunkel wabernde Etwas. Als sie gerade spürte, wie die Kälte des Portals auf sie übergriff hörte sie das hässliche Lachen wieder. Wie aus weiter Entfernung, aber dennoch nicht leiser. Dazwischen konnte sie gezischte Worte vernehmen. „Wenn ihr spielen wollt – bitte!“. Als Fenaria vollends in dem Portal verschwunden war, spürte sie einen seltsamen Widerstand. Nur kurz. Aber dennoch war er da. Ihr erster Gedanke als sie aus dem Portal stolperte war:
„Das ist nicht der Nethersturm!“.
4
Ihr zweiter Gedanke war: „Wo sind die anderen?“. Sie schaute sich um. Das Portal hatte sie in eine unwirtliche Gegend geführt. Das Gebiet hatte eine erschreckende Ähnlichkeit mit den Geisterlanden. Aber hier gab es im Gegensatz zu den Geisterlanden vor allem Nadelbäume. Zwar waren diese meistens kahl, aber dennoch an ihren Stämmen als solche zu erkennen.
Sie wusste nicht, ob sie die Tatsache, dass sie nicht in den Geisterlanden war als positiv oder negativ empfinden sollte. Sie schaute sich weiter um.
Sehr weit konnte sie nicht blicken, denn das Land um sie herum war sehr hügelig. Auf den Hügeln wuchs spärliches gelb-braunes Gras. Erschreckend war, dass es um sie herum absolut still war. Sie konnte keine Tiere hören und auch keinen Wind, der in den Blättern raschelte. Einfach nichts.
Aber noch erschreckender war für sie, dass sie alleine war. Komplett alleine. Normalerweise hätte sie wenigstens Sorandis sehen müssen, der ja nur kurze Zeit vor ihr durch das Portal gegangen war. Aber da war niemand. Auch wenn sie berücksichtigte, dass er vielleicht nicht gewartet hatte, was an sich schon unwahrscheinlich war, hätte sie ihn sehen müssen. Das Portal war auch schon verschwunden. Es hatte sich geschlossen, sobald sie es verlassen hatte. Also konnte sie auch nicht damit rechnen, dass Rommath noch nachkommen würde. Sie setzte sich an einen verrottenden Baum ohne Rinde und begann nachzudenken.
Was soll ich machen? Wenigstens vor Kael Thas bin ich hier wohl vorerst sicher. Oder war mit dem Spiel, welches er erwähnte, das hier gemeint? Dass er unsere Gruppe zerreißt und jeden einzeln verfolgt? Aber warum lande ich dann gerade hier? Und wo ist hier überhaupt? Und warum sind die anderen nicht hier? Ein Portal kann doch nur an einen Ort führen und nicht an verschiedene gleichzeitig. Aber die anderen sind zweitrangig. Ich muss mich zuerst um mich kümmern. Dann kann ich den anderen hFraun. Hier herum sitzen bringt mich auch nicht weiter. Aber wohin soll ich gehen? Am besten folge ich einer Himmelsrichtung, bis ich auf bewohnte Gegenden treffe. Aber von wem bewohnt? Ich kann nur hoffen, dass hier Leute wohnen, die mich verstehen und mir nicht feindlich gegenüberstehen. Hoffentlich wohnen hier überhaupt Leute. Dachte sie als sie nochmal einen Blick in die Umgebung warf. Aber dann ging ein Ruck durch sie. Denken bringt mich nicht weiter. Handeln zählt! Also auf!
Sie stand auf, richtete sich ihr inzwischen ziemlich zerknittertes Kleid, und schaute nach der Sonne. Da es später Nachmittag war, hing die Sonne im Südwesten. Dann soll das meine Richtung sein. Sie ging los. Über das krank aussehende Gras und an toten Bäumen vorbei, welche traurig und bewegungslos da standen. Tiere sah sie keine. Es wurde immer dunkler, und auch kälter. Doch dank Fenarias Konstitution machte ihr das nichts aus. Fraun können in der Dämmerung so gut sehen, wie am Tag. Und ihr Körper kommt auch mit niedrigen Temperaturen gut klar. Sie erkletterte einen Hügel, welcher genau in ihrer Richtung lag, um sich einen kurzen Überblick zu verschaffen. Der Hügel war einer der höchsten in der Umgebung, so dass sie freies Blickfeld hatte. Rechts von sich konnte sie einen See mit einer Insel in der Mitte erblicken. Das Wasser spiegelte den von der untergehenden Sonne blutrot gefärbten Himmel wieder und bot damit einen starken Kontrast zu den grauen Blattlosen Bäumen auf der Insel. Links von sich sah sie nur noch mehr Wald, welcher kurz vor einer hohen Bergkette aufhörte.
Doch wenn sie geradeaus blickte, in die Richtung die sie eingeschlagen hatte, begann ihr Herz schneller zu schlagen. In weiter Entfernung konnte sie Türme erkennen. Türme von einer Stadt. Allerdings lagen diese Türme schon im Schatten, den die Berge auf sie warfen. Die Stadt wurde von den Bergen eingerahmt. Das ist mein Ziel! Da sie aber auch wissen wollte, was hinter ihr lag, blickte sie noch hinter sich. Im Nordwesten konnte sie ein Meer erblicken. Als sie den Blick weiter nach Norden wandern ließ streifte er über ein großes Gebäude, welches in weiter Entfernung lag. Aber es war so hell erleuchtet, dass man es trotz der Dunkelheit sehr gut sehen konnte. Es sah von weitem aus wie eine Burg oder eine Zitadelle. Sie verglich die Entfernung zu diesem Gebäude mit der Entfernung zur Stadt. Die Entfernung zur Stadt war weitaus kürzer, wenngleich immer noch lang. Sie entschied sich nochmals die Stadt als ihr Ziel zu wählen. Sie prägte sich die Lage dieser genau ein und stieg langsam den Hügel wieder hinunter. Dabei fiel ihr Blick auf einen Bauernhof, welcher mit seinem großen Feld etwas abseits ihres Weges lag. Plötzlich gab ihr Magen ein knurrendes Geräusch von sich. Das war es dann auch, was sie bewog dem Bauernhof einen kleinen Besuch abzustatten. Normalerweise gab es dort ja etwas zu essen, dachte sie sich. Sie hatte zwar kein Geld bei sich, aber zu irgendetwas musste die jahrelange Ausbildung bei den Astralen ja nützlich sein.
Sie näherte sich dem Bauernhof von Norden. Es war ein kleines Haus aus Holz. Beim näherkommen bemerkte sie, dass im Inneren kein Licht brannte. Das machte sie zwar etwas stutzig, aber sie sagte sich, es sei nur umso besser, wenn keiner zu Hause wäre. Vorsichtig schlich sie um das Haus herum. Das Holz, aus dem es erbaut war, bedurfte dringender Behandlung. Sie begann um ihr Essen zu fürchten, wenn die Besitzer des Hauses nicht einmal Geld dafür hatten, das Haus instand zu halten. Als sie um eine Ecke bog, eröffnete sich ihr der Blick auf das Feld vor dem Haus. Sie konnte nicht erkennen, dass dort irgendetwas wachsen würde außer Unkraut. Nun, vielleicht haben sie ihre Hauptfelder wo anders. Und lassen dieses hier erst einmal brach liegen. Hmm, schon sehr lange brach liegen. Mit diesen eher trüben Gedanken ging sie vor die Tür des Hauses, und machte sich daran diese zu öffnen. Es ging viel zu leicht. Die Tür, welche ohnehin schon verfault war, fiel einfach aus den Scharnieren und traf mit einem dumpfen Schlag auf den Boden auf. Von diesem erhob sich daraufhin sofort eine Staubwolke, welche Fenaria die Sicht nahm. Unter Husten wedelte sie die Staubwolke beiseite, und schalt sich innerlich für ihre Dummheit. Was sich hinter der Staubwolke zeigte, motivierte sie nicht gerade. Das Haus hatte nur einen Raum. Mitten im Raum stand ein Tisch, dem ein Bein fehlte, und der deswegen eine starke Schlagseite hatte. Um diesen herum lagen verschiedene Holzteile, welche wohl vor langer Zeit einmal Stühle dargestellt haben. An den Wänden hingen teils Küchenwerkzeuge, wenn sie nicht auch schon auf dem Boden lagen. In der linken Wand war ein Ofen eingelassen, welcher im Gegensatz zu den restlichen Einrichtungsgegenständen noch sehr gut erhalten war. An ihm hingen ein paar eiserne Schürwerkzeuge. Auf dem Ofen standen ein paar Pfannen und Töpfe, welche allerdings alle schon durchgerostet waren. Der Rest der Wand war entweder leer oder verdeckt mit Schränken. Fenaria machte sich daran diese zu durchsuchen. Der erste Schrank war leer, nur ein paar Spinnen hatten sich darin häuslich eingerichtet. Als sie die Tür des zweiten Schranks öffnen wollte, fiel dieser zu Boden, verursachte einen dumpfen Knall und wirbelte wieder Staubwolken auf. Fenaria wartete nicht ab, bis sich diese gelegt hatten, sonder öffnete den dritten und vorletzten Schrank. Er mochte wohl einmal etwas Essbares beinhaltet haben. Jetzt sah Fenaria nur noch einige Häufchen von undefinierbarem Staub. Sie schüttelte sich. Beim letzten Schrank hatte sie nicht mehr Glück. In ihm waren einige verrostet Messer und Schöpfkellen untergebracht. Enttäuscht und wütend schlug Fenaria die Tür des Schranks wieder zu, welche das entgegen aller Wahrscheinlichkeit heil überstand.
Inzwischen war die Sonne untergegangen. Und trotz ihrer Fraunaugen konnte sie nur noch schwer durch das Dunkel dringen. Sie beschloss, dass es in diesem Haus nichts mehr geben könnte, was für sie nützlich wäre, und ging auf die nun auf dem Boden liegende Tür zu. Als sie nach draußen trat hörte sie ein Geräusch. Sie erstarrte. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie keinerlei Waffen bei sich trug. Sie wollte sich gerade langsam in die nun reichlich vorhandenen Schatten neben dem Haus schleichen. Doch plötzlich sprang sie gerade aus diesen etwas an und riss sie zu Boden. Das etwas hatte vier Beine und war relativ klein. Wie ein Hund. Doch roch es eher wie ein Kadaver. Außerdem schien es es auf ihre Kehle abgesehen zu haben. Mit wütendem Knurren fletschte das Hundeähnliche Wesen die Zähne, und ließ das triefende Maul immer wieder kurz vor Fenarias Hals zusammen schnappen. Sie hielt das Tier mit Mühe und Not am Hals fest, als noch etwas aus den Schatten gesprungen kam. Es hatte annähernd elfische Gestalt. Dieses Wesen stürzte sich auf den Hund und riss es von Fenaria herunter. Sobald sie sich dieser Last befreit fühlte, sprang Fenaria auf und schaute auf den Kampf zwischen den beiden Lebewesen.
Beide rollten sich auf dem Boden hin und her. Bis schließlich das Fraun, oder vielmehr Menschenähnliche Wesen die Oberhand gewann und den Hund auf den Rücken schmiss. Dieser gab ein schreckliches Heulen von sich und hörte auf sich zu bewegen. Das Wesen, das den Kampf gewonnen hatte riss dem Hund ein Bein aus und erhob sich. Fenaria traute ihren Augen nicht, als der Gewinner herzhaft in das ausgerissene Bein biss. Völlig perplex wurde sie aber erst, als das Wesen, es war weiblichen Geschlecht, das erkannte Fenaria nun, ihr die Hand entgegenstreckte und kauend sagte: „Hallo, ich bin Linda. Und wer bist du?“. Fenaria klappe den ihr herunter gefallenen Unterkiefer wieder hoch und antwortete, immer noch verstört: „Man – äh - nennt mich Fenaria. Aber – was, wie - häh?“. Linda lachte: „Lass doch dieses abgehobene Ihr. Freunde können sich doch duzen. Du bist wohl zum ersten Mal hier? Man sieht euresgleichen nicht oft in den Wäldern von Tirisfal. Ist euch wohl zu dunkel hier. Kann ich verstehen. Aber man gewöhnt sich daran. Und zu essen gibt es hier auch genug. Wollt ihr?“. Mit diesen Worten streckte sie Fenaria die angebissene Keule hin, von der langsam frisches Blut auf den Boden tropfte. Fenaria reagierte nicht auf das Angebot sondern stotterte nur ein Wort: „Freu – Freunde?“. Linda lachte erneut. Ein weiches, unbeschwertes Lachen. „Ja, klar Freunde. Ich habe dir gerade das Leben gerettet und du bist mir jetzt dafür dankbar. Das macht uns doch ganz klar zu Freunden, oder nicht? Natürlich tut es das. Ich habe hier draußen eh nicht viele Freunde, da tut ein bisschen Abwechslung ganz gut. Du scheinst mir auch nicht gerade der gesellige Typ zu sein, hm? Na, macht nichts. Ich komme mit jedem gut klar. Das war schon in meinem vorherigen Leben so. Du scheinst mir nicht – was schaust du so?“.
Fenaria schaute das Mädchen tatsächlich etwas unglaubwürdig an. Dann kamen zwei Worte langsam über ihre Lippen: „Vorheriges Leben?“.
Jetzt war es an Linda, Fenaria fragend anzuschauen. „Natürlich früheres Leben. Ich bin eine Verlassene. Siehst du das nicht? Naja, ich sehe zwar im Gegensatz zu manchen meiner Kameraden noch gut aus, aber gerade du solltest es doch spüren? Ha, manche sagen, dass ich für eine Untote, wie mich manche auch manchmal nennen, zu lebhaft bin. Aber ich sage dann immer: Kann man zu lebhaft sein? Meine Kameraden sagen dann immer: Ja. Ich finde nein. Denn auch wenn ich eigentlich tot bin , darf ich mich doch freuen, an den Freuden, die das Leben zu bieten hat? Wie komisch, das Leben bietet einem schon Gestorbenen etwas. Naja, und eine meiner größten Freuden ist mich mit anderen zu unterhalten.“. Daran zweifelte Fenaria nicht. Langsam gewann sie ihre Fassung zurück. „Also eine Untote? Linda? Ähh, netter Name. Tirisfal sagt ihr?“.
Wieder ein Lachen. „Du! Sagst du! Dieses schwachsinnige gesieze kann man doch nicht durchhalten! Ja, natürlich Tirisfal. Was dachtest du denn? Nach den grünen Bäumen des Schlingendorntal sieht es hier nicht aus, oder? Oder vielleicht nach den saftigen Wiesen von Mulgore? Nein nein. Das hier ist Tirisfal, ganz sicher. Tote Bäume, toter Boden. Untote Tiere. Jaaa, Tirisfal in seiner ganzen Pracht. Nun, mir gefällt es inzwischen hier. Direkt nach meiner Wiederbelebung, wenn du es so nennen magst, war es natürlich etwas gewöhnungsbedürftig. Aber wenn man es eine zeit lang gemacht hat, macht es einem nichts mehr aus, schon tote Tiere zu essen und all das. Wenn man lang genug kaut, kann man sogar eine gewisse Süße schmecken. Du willst ganz sicher nichts ab?“. Sie hielt ihr noch einmal die angenagte Keule hin.
Fenaria schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Ich steh eher auf – äh – frischere Lebensmittel. Aber trotzdem danke. Sagt, könnt ihr – kannst du mir vielleicht hFraun?“.
Linda schaute Fenaria skeptisch an. „Normalerweise pflegen die Leute, welchen ich das Leben rette, eher mir Hilfe anzubieten. Aber ich bin ja nicht so. Also klar kann ich dir hFraun. Immerhin bist du noch nicht weg gerannt, wie so viele vor dir. Die finden mich nämlich Furcht einflößend, weißt du? Versteh ich eigentlich gar nicht. Wie gesagt, ich sehe für einen meiner Art echt noch gut aus. Dabei bin ich gar nicht eitel. Schminke, ne danke, hab ich immer gesagt. Weißt du? Weil ich finde, nur die natürliche Schönheit des Menschen zählt. Und das ist ja meistens eh die Innere. Man kann sich noch so viel Schminke auflegen, den Charakter ändert man dadurch ja doch nicht.“.
„Äh, ja. Kommen wir nochmal zurück auf die Hilfe. Ich muss Freunden hFraun. Und ich denke, dass ich dafür in diese Stadt dort im Süden muss. Und vielleicht könnt ihr – kannst du mich dorthin führen?“.
„Du kannst dir das siezen nur schlecht abgewöhnen, häh? Na macht nichts. Du wirst genug Zeit haben es mit mir zusammen zu lernen. Denn das, wo du hin willst, ist Unterstadt. Dort laufen nur so Leute herum, die so sind wie ich. Oder fast. Aber vielleicht kann dir dort tatsächlich jemand hFraun. Doch ich glaube, dass du so lange nicht mehr durchhalten wirst. Ich höre deinen Magen ja bis hierher knurren. Am besten ist, wir suchen zuerst einmal mein Lager auf. Dort habe ich nämlich auch Sachen, die du essen kannst, wenn du schon von dieser herrlichen Keule nichts ab haben willst. Und auch etwas zu trinken. Komm.“. Sie setzte sich auf einmal in Bewegung. Nach Osten, wie Fenaria erkannte. Sie folgte ihr widerwillig.
Fenaria fiel noch etwas ein: „Ähm, kannst du mir sagen, was das für ein Vieh war, dass mich angegriffen hat?“.
„Och, das war nur ein Schattenhund. Von denen laufen hier viele rum. Sehr hungrig meistens. Aber nicht so hungrig wie ich.“. Mit einem Grinsen im Gesicht wandte sie sich zu Fenaria um. Jetzt konnte sie es auch erkennen. Beschienen vom spärlichen Mondlicht sah man kleine Spuren des Untodes bei Linda. Die Pupillen waren unnatürlich geweitet. Und die Augen hatten keine Farbe. Allerdings war die Verlassene ansonsten wirklich gut 'erhalten', wie Fenaria dachte. Sie hatte graue Haare, im Mondlicht konnte Fenaria sich aber auch täuschen, eine breiten Mund und erstaunlich weiße Zähne. Lockeren Schrittes, schon fast hüpfend, lief Linda vor Fenaria her. Diese folgte eher langsam. Die letzten Tage hatten ihr doch sehr zugesetzt. Sie freute sich auf das Essen, welches Linda ihr versprochen hatte, auch wenn sie noch nicht wusste, ob es ihr wirklich so gut gefallen würde, wie sie behauptet hatte.
Nach einiger Zeit konnte Fenaria über den Baumwipfeln einen schwarzen Schatten ausmachen. Linda schien das zu bemerken und sagte: „Dort wohne ich für gewöhnlich. Eine alte Windmühle. Sehr gemütlich.“. Letzteres bezweifelte Fenaria stark. Als sie so nah an Lindas Behausung heran gekommen waren, dass man schon die durchlöcherten Flügel der Windmühle sehen konnte, blieb Linda auf einmal wie angewurzelt stehen und flüsterte: „Oh nein!“. Sofort darauf flammten zwischen den Bäumen Fackeln auf und tauchten Linda und Fenaria in ein unheimlich flackerndes Licht.
„Der letzte Tag eures erbärmlichen untoten Lebens hat geschlagen, Monster! Tötet sie, Männer! Habt auch keine Gnade mit ihrem Begleiter! Wer sich diesen Wesen anschließt hat nichts verdient als den Tod!“.
Zwischenspiel
Er war wütend. Sehr wütend. Sein Plan hatte nicht funktioniert. Anstatt dass das Portal sie dem Sonnenzorn in die Hände spielte, hatte es sie auseinander gerissen, und noch weiter von ihm weg gebracht. Doch wenigstens hatte es einen der drei zurück geschleudert. Zufällig genau den, welcher dafür verantwortlich war, dass er das Portal nicht so manipulieren konnte, wie er gewollt hatte. Dieser jemand war Schuld an seiner Wut. Und er würde sie zu spüren bekommen. Bald. Er fragte sich, wie der Astrale es hat schaffen können, das Portal erneut umzulenken, nachdem er es bereits auf ein anderes Ziel als das Ursprüngliche eingestellt hatte. Er musste stärker sein, als er gedacht hatte. Aber das kam seinen neuen Plänen nur zugute. Im Grunde genommen wurde die Sache so nur interessanter. Sein Ziel, diese verräterische Frau zu fangen, wurde dadurch nicht gefährdet. Ein Sieg war ihm sicher. Daran hegte er keinen Zweifel. Und ob das nun heute oder morgen geschehen würde, war ihm auch egal. Er hatte Zeit.
Den Astralen schien das umlenken des Portals seine letzten Reserven gekostet haben. Er wusste zwar nicht, was dem Astralen so wichtig an dem Weib war, aber es war ihm auch gleich. Dieser Zustand des Astralen kam ihm zu sehr gelegen als dass er sich darüber Gedanken machen wollte. Was konnte es besseres geben, als den Feind dazu zu benutzen, den Feind zu eliminieren beziehungsweise zu finden, wenn man sich selbst dabei um nichts zu kümmern brauchte.
„Ihr könnt mit der Prozedur anfangen!“. Danach nur noch Schreie eines gequälten nicht fleischlichen Wesens.
5
Er ächzte und stand langsam von der weichen Wiese auf. Das Portal hatte ihn geradewegs gegen einen Baum geschleudert. Sich den Kopf haltend schaute Rommath sich um. Er war etwas weiter entfernt von der Stelle ausgespuckt worden, wo er das Portal betreten hatte. Ihm war bewusst, dass das nicht das Ziel des Astralen gewesen sein konnte. Der Astrale hatte etwas von Nethersturm erzählt. Rommath kannte dieses Gebiet. Schließlich war er zusammen mit Kael Thas damals in dieses sagenumwobene Land gereist. Das sozusagen direkt vor seiner Nase ein Portal in diese Welt führte hatte er aber nicht gewusst. Und selbst wenn es ihm jemand erzählt hätte, er hätte es wohl nicht geglaubt.
Ein Portal war schwieriger zu öffnen, als es sich die meisten Menschen vorstellten. Man braucht dafür einen magischen Fixpunkt. Diese magischen Fixpunkte können zwar künstlich erstellt werden, aber dafür muss man erst einmal in dem Gebiet sein, in das das Portal führen soll. Dann kann man unter großem zeitlichen Aufwand so einen Fixpunkt erstellen, und dann, indem man sich geistig auf diesen Fixpunkt konzentriert, einen Weg durch den Nether schlagen. Der Ausgangsort kann dabei willkürlich sein. Nur das Ziel muss eben durch so einen Fixpunkt festgelegt sein. Und da Kael Thas und seine Schergen die einzigen Fraun waren, die jemals durch das dunkle Portal nach Draenor gelangt waren, wären auch sie die einzigen gewesen, die so einen Fixpunkt hätten erstellen können. Das hatten sie wohl auch gemacht, wie sonst sollten sie nach Silbermond gekommen sein sollen. Aber man wusste davon in Silbermond natürlich nichts, denn Kael Thas hatte zwar vor langer Zeit Rommath als Boten geschickt, aber damals war der Fraun Prinz den dämonischen Energie noch nicht so anheim gefallen.
Das ging ihm durch den Kopf, als er darüber nachdachte, warum das Portal nicht so funktioniert hatte, wie es sollte.
Entweder war der Fixpunkt, der zu diesem Portal gehörte genau in dem Moment, in dem sie durch dieses schritten zerstört worden, oder, was wahrscheinlicher war, jemand sehr mächtiges von außen hatte den Fluss des Nethers manipuliert. Allein die Vorstellung an so einen Vorgang erschöpfte Rommath. Aber er hatte keinen Zweifel daran, dass es so gewesen ist. Kael Thas musste das Portal manipuliert haben. Aber warum? Es wäre ihm sinnvoll erschienen, wenn sie alle drei, der Astrale, Fenaria und seine Wenigkeit, wieder zurückgeworfen worden wären. Aber er war alleine. Hat Kael Thas das Portal nicht so manipulieren können, wie er gewollt hatte? Ihm fiel noch eine andere Erklärung ein. Aber diese war so abwegig, dass er sie nicht in Betracht zog.
Er überlegte, was er nun machen sollte. Nach Silbermond gehen erschien ihm nicht sehr sinnvoll. Falls die Umleitung des Portals in dieser Weise von Kael Thas nicht gewünscht gewesen war, würde er sicherlich dort auf Rommath warten. Aber in der Nähe gab es ein kleines Dorf, Morgenluft, das zu klein war, als dass Kael Thas sich dafür interessieren würde. Da Rommath sich im Immersangwald auskannte wie sonst nirgends brauchte er nicht lange zu überlegen, welche Richtung er einschlagen musste. Er marschierte los. Schnellen Schrittes, denn er wollte Morgenluft so schnell wie möglich erreichen. Er musste die dortigen Wachen fragen, ob sie etwas von diesem Mädchen gehört hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch zurückgeschleudert worden war, war groß.
Eigentlich hätte es wie eigentlich der Astrale auch, an der gleichen Stelle wie Rommath herauskommen müssen. Da das nicht geschehen war, vermutete Rommath, dass sie irgendwo anders im Immersangwald umher irrte. Die Möglichkeit, dass sie ganz woanders war zog er nicht in Betracht. Fenaria. Das Mädchen, dass ihm in einer Vision begegnet war. Diese Vision hatte ihm die Aufgabe gezeigt, die das Mädchen erfüllen musste. Eine große Aufgabe. So groß, dass er selbst zuerst nicht an die Wahrheit der Vision geglaubt hatte. Erst als er das Mädchen mit eigenen Augen dort auf dem Platz mit Kael Thas gesehen hatte, hatte er begriffen, dass es nicht einfach nur ein eigenartiger Traum gewesen war. Er hatte geglaubt, dass es wiederum seine Bestimmung sein würde, das Mädchen zu beschützen. Aber er hatte es nicht geschafft. Er hatte sie verloren. Doch ans Aufgeben dachte er noch lange nicht. Er würde sie suchen, bis er sie gefunden hatte, um sie ihrer Bestimmung zu zu führen.
„Ich glaube ich kenne das Mädchen, das ihr sucht.“. Er hörte die Stimme auf einmal ohne ihre Herkunft erkennen zu können.
„Ihr Name ist Fenaria, nicht wahr?“. Er schaute sich hektisch um.
„Ihr braucht mich nicht zu suchen, denn ihr werdet mich nicht finden.“. Er begriff.
„Ganz genau. Ich bin nur in eurem Kopf. Ich kann euch sehen, aber ihr mich nicht. Findet euch damit ab. Aber wir können uns auch so unterhalten. Wie ihr wohl gemerkt habt, kann ich eure Gedanken lesen. Denkt also einfach, dann 'höre' ich euch.“. Wer seid ihr?
„Sagen wir, ein Freund.“. Warum beobachtet ihr mich?
„Oh, das war reiner Zufall. Ich habe eure Gedanken so 'auf geschnappt'.“. Was macht ihr hier?
„Das kann ich euch nicht sagen.“. Warum?
„Belassen wir es einfach dabei.“. Woher wisst ihr von Fenaria?
„Ich habe sie getroffen.“. Was? Wann? Warum?
„So viele Fragen auf einmal. Es war vor ein paar Tagen. Und das warum werde ich euch wiederum nicht beantworten.“. Was hattet ihr mit ihr zu tun?
„Ich habe mich nur mit ihr unterhalten.“. Unter welchen Umständen? Und was wollt ihr überhaupt von mir?
„Die Umstände sind bedeutungslos. Ich denke ich kann euch ein Angebot machen.“. Was für ein Angebot?
„Wenn ihr mir einen Gefallen erweist, werde ich euch alles von Fenaria erzählen, dass ich weiß. Und ich weiß einiges, was euch auf eurer Suche weiterhFraun kann.“. Was soll ich dafür machen?
„Erst einmal müsst ihr zu einem bestimmten Platz kommen, wo man sich besser unterhalten kann. Alles Weitere regeln wir dort.“. Woher weiß ich, dass ihr mir keine Falle stellt und womöglich auf meinen Tod aus seid?
„Ihr werdet mir wohl einfach vertrauen müssen.“. Nun gut. Aber ich mache das nur, weil ich glaube, dass dieses Mädchen extrem wichtig ist. Für unser Fortbestehen und das aller anderen Lebewesen auf Azeroth.
„Sicher. Nun, folgt meinen Anweisungen, damit ihr den Ort findet, ab dem wir uns unterhalten können.“. Wartet, noch eine Frage: Welcher Rasse gehört ihr an?
„Natürlich der elfischen. Und jetzt fragt nicht weiter, sondern schaut zu eurer rechten. Seht ihr den rotblättrigen Baum, der etwas größer ist als die anderen? Lasst diesen links liegen und lauft dann der untergehenden Sonne nach bis ihr an einen kleinen Hügel kommt. Den lasst ihr hinter euch, und bleibt gleich darauf an seinem Fuß stehen.“.
Rommath tat wie befohlen, auch wenn er sich dabei ziemlich dumm vorkam. Eigentlich war es leichtsinnig, was er hier betrieb. Er folgte einer unbekannten Stimme eines unbekannten Sprechers. Zu einem unbekannten Ziel. Eigentlich sollte er nun ganz wo anders sein. Aber diese Vision ließ ihn nun nicht mehr los. So stellte er seine Bedenken wieder in den Hintergrund und vernachlässigte auch seinen Instinkt, der ihm sagte, dass hier etwas nicht stimmte. Er folgte also der sinkenden Sonne, welche ihre letzten Strahlen über das blühende Land schickte, und sah nach kurzer Zeit den kleinen mit gelben Blumen bewachsenen Hügel. Auf dessen Spitzel blieb er kurz stehen und blickte sich um. Rechts von sich sah er die Kuppeln von Silbermond, wie sie im Sonnenlicht blitzten. Kleine Zweifel überkamen ihn. Sollte er nicht dort bei seinem Volk sein, und es gegen den Verräter unterstützen? Nein, Silbermond war auch ohne ihn noch stark genug.
Hinter sich konnte er ganz schwach Morgenluft im Abenddunst erkennen. Rauch stieg aus einigen Kaminen in kleinen Strähnen in den mit Wolken verhangenen Himmel. Er seufzte kurz auf und stieg den Hügel herunter. Dann blieb er wie befohlen an dessen Fuß stehen.
„Da seid ihr ja. Und jetzt, Hände hoch!“. Rommath hätte sich ohrfeigen können, als mehrere NachtFraun hinter den Bäumen und auf dem Hügel in seinem Rücken auftauchten. Alle mit Bögen bewaffnet. Und alle zielten auf ihn.
„Verflucht! Ihr habt mir euer Wort gegeben! Ihr versteht nicht den Ernst dieser Angelegenheit!“. Er drehte sich um sich selbst, in der Erwartung, dass sich das Mädchen zeigen würde, mit der er gesprochen hatte.
Aus den Reihen der Schützen kam tatsächlich eine einzelne NachtFrau geschritten. Mit hoch erhobenem Haupt. Ihre blauen Haare fielen in einem verfilzten Zopf nach unten. Und auch ihre restliche Erscheinung war reichlich ungepflegt. Dreck bedeckte ihr Gesicht und ihre Kleider, welche früher wohl einmal weiß gewesen waren. Jetzt waren sie befleckt von Blut und Schmutz.
Sie fixierte ihn mit ihren harten blauen Augen und begann zu sprechen:
„Vielleicht verstehe ich ihn nicht. Aber mein Wort gebrochen habe ich auch nicht. Auf jeden Fall nicht direkt. Das hier ist keine Falle. Ihr seid nur freiwillig zu uns gekommen. Und ans Leben will ich euch auch nicht. Auf jeden Fall nicht direkt.“.
„Was soll das heißen, NachtFrau? Ich dachte Dame Auriferous hätte euch endlich einmal aus unseren Wäldern vertrieben. Lasst mich frei. Ich habe eine immens wichtige Sache zu erledigen. Ihr versteht das nicht!“. Die letzten Worte sagte er mit Nachdruck.
Die Augen der NachtFrau blitzten gefährlich auf. „Oh, eure Dame hat ihre Arbeit gut gemacht. Sie ist sozusagen Schuld an eurer Misere. Wir halten uns für gewöhnlich viel weiter westlich auf. Wäre sie nicht gewesen, hätte sie uns nicht ihre Truppen auf den Hals gehetzt, hätten wir nicht fliehen müssen, ihr könntet jetzt schon in Morgenluft sein. Und euch auf die Suche nach dieser Fenaria machen. Und langsam glaube ich doch, dass ich eure Sache verstehe. Dieses Mädchen scheint wichtiger zu sein, als ich zuerst dachte. Reiwen scheint wohl doch einmal Recht gehabt zu haben. Denn, wenn es nicht wichtig war, warum schickte man dann eine Truppe aus Waldläufern, um sie zu befreien?“.
„Zu befreien?“ er schrie fast „Ihr sagtet, ihr hättet sie getroffen!“.
„Nun, ich musste sie doch auch erst treffen, bevor ich sie festsetzen konnte, oder?“.
Mit gefletschten Zähnen antwortete Rommath: „Aber ihr habt sie nicht halten können! Eine so große Streitmacht, und ihr habt nicht einmal ein Kind festhalten können!“.
Anrawen warf die Haare nach hinten.
„Pah! Kind! Wenn dieses unnatürliche Wesen noch ein Kind ist, werde ich Druidin! Sie hat eine meiner Schülerinnen ihre ganze Energie beraubt. Wir mussten sie bei der Flucht zurücklassen. Wahrscheinlich ist sie jetzt tot! Euer Vorhersehungskind hat einen Mord auf dem Gewissen! Passt das zu eurer Vision? Ich glaube nicht!“.
„Woher wisst ihr -“. Die NachtFrau tippte sich nur kurz an ihren Kopf. Darauf hörte Rommath wieder die Stimme in seinem Kopf.
„Habt ihr vergessen? Ich bin Meisterin auf diesem Gebiet. Eure Gedanken sind vor mir nicht sicher!“.
Rommath hätte sich für seine Naivität schlagen können.
Anstatt mehr Informationen über Fenaria herausfinden zu können, hatte er sich selbst der Möglichkeit beraubt weiter nach Fenaria suchen zu können.
„Und jetzt kommt mit. Wir haben noch etwas mit euch vor!“.
Sehr widerwillig ließ sich Rommath fesseln und abführen. Er hätte sicherlich einige Fraun hier töten können, vielleicht sogar die Priesterin. Aber überlebt hätte er das wohl nicht. Und tot nützte er Fenaria rein gar nichts.
Die Priesterin belegte ihn mit einem Stillezauber und schaltete sich wieder in seine Gedanken ein.
„Damit euch keine unüberlegte Handlung raus rutscht.“. Verfluchte Kal'Dorei. Verdammt sei Elune. Als Rommath zu Boden fiel dachte er sein Hirn würde bersten. Er sah nur noch graue Punkte vor seinen Augen. Während ihn zwei der NachtFraun wieder auf die Beine hievten wieder die Stimme in seinem Hirn. Mit jedem Wort durchzuckte ihn eine Welle des Schmerzes. „Sage noch einmal etwas über unsere gütige Göttin, und ich werde euch so zurichten, dass ihr nicht mehr wisst, wer ihr seid! Ich habe euch gewarnt. Ihr seid in meiner Gewalt. Verflucht, findet euch damit ab!“.
Keuchend weiter stolpernd dachte Rommath eine Frage: Wo wollt ihr hin. Und was wollt ihr von mir?
„Unser Ziel ist Darnassus. Wir haben euch nur auf dem Weg auf geschnappt. Auch da habe ich nicht gelogen. Es wartet ein Schiff auf uns. Und wir wollen nichts von euch. Ihr seid nur Mittel zum Zweck. Wir wollen Fenaria!“.
6
Aus dem Wald kamen langsam und mit erhobenen Schwertern drei Männer hervor. In ihren linken Händen hielten sie Fackeln. In dessen flackernden Licht konnte Fenaria erkennen, dass alle Männer gleich gekleidet waren. Sie hatten Kettenhosen sowie Kettenhemden an. Unter den Kettenhosen hatten sie rote Stoffhosen an. Über den Kettenhemden hing ein Wappenrock, welcher eine rote Flamme auf weißem Hintergrund zeigte.
„Linda, wer sind diese Leute?“.
Linda antwortete mit belegter Stimme: „Das sind Recken des scharlachroten Kreuzzuges. Sie haben alle einen Schwur abgelegt, der ihnen befielt alles untote Leben auszulöschen. Und darunter fallen nicht nur alle hirnlosen Geschöpfe der Geißel, sondern auch meinesgleichen. Sie verstehen den Unterschied nicht.“. Fenaria schluckte, während sie und Linda immer mehr vor den drei Kriegern zurückwichen.
„Und was können wir jetzt machen? Sie wollen uns wohl ganz klar töten.“.
„Viel bleibt uns nicht übrig. Wir können entweder fliehen oder – kämpfen.“.
„Na, was überlegen wir dann lange?“. Linda wollte sich gerade umdrehen und weg rennen, als sie Fenaria vorstürmen sah.
Diese schmiss sich mit einem lauten Schrei auf einen der drei Männer. Dieser war so überrascht, dass er nicht schnell genug reagierte. Fenaria drückte ihm die Fackel, welche er nur locker in der linken Hand hielt, mitten in das Gesicht. Der Mann schrie auf und ließ sein Schwert fallen. Fenaria fing das Schwert noch im Fallen auf. Es war grob gearbeitet und schwer, so dass Fenaria es mit beiden Händen halten musste. Die anderen zwei Soldaten hatten sich inzwischen einigermaßen von ihrer Überraschung erholt, und drangen nun auf sie ein. Sie konnten im Gegensatz zu ihr die Schwerter mit nur einer Hand führen. Doch deren Stärke glich Fenaria mit Gewandtheit aus, die sie trotz ihrer Erschöpfung noch zustande brachte. Sie machte eine halbe Drehung nach rechts und parierte einen von unten geführten Schlag des rechten Soldaten. Sie ließ den Schlag auslaufen, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und hieb dem Soldaten mit voller Wucht das Schwert in dessen Rücken. Zwar konnte die Schneide sein Kettenhemd nicht durchdringen, aber er verlor das Gleichgewicht und stolperte nach vorne. Dort erwartete ihn Linda, welche inzwischen ihren Plan zu flüchten aufgegeben hatte. Diese stellte dem Soldaten ein Bein, so dass er auf die Erde fiel. Der Soldat drehte sich geistesgegenwärtig auf den Rücken, und wollte die Fackel nach Linda werfen. Diese warf sich einfach auf den Soldaten und wand sich mit diesem im Kampf um die Fackel auf dem Boden.
Der übrig gebliebene Soldat hatte seine Fackel weg geworfen und stürmte nun mit einem Schrei und über dem Kopf gehaltenem Schwert auf Fenaria zu. Fenaria wusste, dass sie den kommenden, mit aller Kraft geführten Streich nicht parieren konnte. Sie wich zur Seite. Der Schlag des Mannes verfehlte sie knapp, traf nur ihr Kleid, welches zu den ohnehin vorhandenen Rissen nun noch einen weiteren bekommen hatte.
Fenaria bemerkte das gar nicht, denn der Mann, dem sie die Fackel auf das Gesicht gedrückt hatte, hatte sich erholt und einen Dolch aus dem Gürtel gezogen. Mit diesem stach er nun nach Fenaria, während er mit der Fackel vor ihrem Gesicht herumfuchtelte, was ihre lichtempfindlichen Augen sehr anstrengte. Sie hatte keine Möglichkeit mit dem schweren Schwert die schnell geführten Hieben des Dolchs zu parieren und musste sich auf ihre Reflexe verlassen. Diese waren allerdings dadurch, dass der Soldat immer wieder mit der Fackel zu ihrem Gesicht vor stieß stark eingeschränkt. Das Schwert hatte sie inzwischen fallen gelassen, um mehr Freiheit zu haben. Sie wich immer weiter zurück, bis sie in ihrem Rücken einen Baum spürte. Sie musste stehen bleiben. Der Soldat, sich seiner Sache nun sicher geworden, beging einen Fehler. Er hielt die Fackel einen Moment lang still. Fenaria griff blitzschnell nach seinem Arm, drehte sein Handgelenk um die Hälfte nach außen, so dass er die Fackel fallen lassen musste. Fenaria bückte sich, hob die Fackel auf und drückte sie mit aller Kraft in den Schritt des Soldaten. Dieser kreischte auf, als seine Stoffhose, die er unter der Kettenhose an hatte, Feuer fing. Fenaria konnte an ihm vorbei schlüpfen und rannte zu dem fallen gelassenen Schwert. Der Dolch wäre ihr lieber gewesen, doch den hielt der Soldat trotz seiner offensichtlichen Schmerzen fest. Sie hob das Schwert auf, und wandte sich dem Soldaten zu. Dieser hatte es in der Zwischenzeit geschafft, das Feuer zu löschen. Nun kam er mit erhobenem Dolch und vor Schmerz verzehrtem und von Feuer verkohltem Gesicht auf Fenaria zu. Als sie sich gerade darauf vorbereiten wollte eine Finte zu schlagen, hörte sie von der Seite einen Angriffsschrei. Der Mann, der vorher auf sie zu gestürmt gekommen war hatte seinen Schwung abgefangen und kam nun erneut auf Fenaria zu gerannt. Da sie aber jetzt zur gleichen Zeit der Soldat mit dem Dolch von vorne bedrohte, hatte sie keine Möglichkeit auszuweichen. Sie wollte gerade eine Verzweiflungstat begehen, als sie von hinter dem anstürmenden Soldaten noch einen Schrei hörte. Auf einmal sprang auf diesen eine Gestalt auf und klammerte sich an ihm fest.
Fenaria erkannte Linda, wie sie an dem Soldaten hing.
Der Soldat, vollkommen unvorbereitet auf den Schwung, verlor das Gleichgewicht und rannte mit voller Wucht gegen einen Baum. Linda wurde abgeworfen, und der Soldat rutschte langsam an dem Stamm herunter und blieb leblos an dessen Ende liegen.
Fenaria konzentrierte sich wieder auf den Soldaten mit dem Dolch, welcher sich von der Handlung fast nicht hatte ablenken lassen, und auf wenige Schritte an Fenaria heran war. Den Dolch hatte er immer noch stoß bereit erhoben. Als er nahe genug heran war, um mit dem Dolch auf sie herabstechen zu können, duckte sie sich blitzschnell und rammte dem Soldaten ihr Schwert mit aller Wucht in die ungeschützte Achselhöhle. Dieser schrie auf, strauchelte und fiel zusammengekrampft auf den Boden.
Fenaria warf das mit Blut verschmierte Schwert weg, ging zu dem am Boden liegenden Soldaten hin und entwand ihm den Dolch. Danach schlitzte sie ihm die Kehle auf. Der Körper des Soldaten entspannte sich nach kurzem Zucken und eine rote Lache bildete sich um ihn.
Fenaria stand auf und schaute sich um. Neben ihr lag einer der toten Soldaten. Gegenüber lag der zweite, an einen Stamm gelehnt und seltsam zusammen gekauert. Sein Brustkorb hob sich in unregelmäßigen Abständen. Also lebte er noch. Aber er war außer Gefecht gesetzt. Das reichte Fenaria. Sie suchte nach dem dritten Soldaten. Etwas entfernt von sich sah sie einen Schatten am Boden und bewegte sich mit erhobener Waffe auf diesen zu. Als sie näher kam erkannte sie den dritten Soldaten. An seinem Hals klaffte eine ekel erregend tiefe Bisswunde. Eindeutig von menschlichen Zähnen. Fenaria schüttelte sich und suchte nach dem einzig möglichen Erzeuger dieser Wunde. Sie sah ihn etwas abseits des Mannes am Baum auf der Erde liegen. Sie ging zu Linda hin und schüttelte sie.
„Linda? Geht’s dir gut? Linda!“. Plötzlich bewegte sich Linda und schlug die Augen auf. Als sie Fenaria erkannte, begann sie zu lächeln.
„Klar!“. Sie stand auf. „Du hast mir das Leben gerettet. Ich würde sogar sagen, mehrmals!“. Fenaria winkte ab.
„Ohne dich wäre ich jetzt wohl auch nicht mehr am Leben. Ich würde sagen, wir sind quitt!“.
„Nein, nein. Nichts da. Ich schulde dir mehr, als du mir. Ich weiß! Ich werde dich von jetzt an immer begleiten und dir dabei hFraun, dass zu erreichen was du willst.“.
Fenaria murmelte: „Na Klasse!“.
„Wie bitte?“.
„Ach nichts, ich habe mich nur darüber gefreut, dass du mich begleiten willst.“.
Lindas Lächeln wurde noch breiter. Sie wollte gerade dazu ansetzen noch etwas zu sagen, als sich plötzlich mit einem zischenden Geräusch ein Pfeil in ihren Arm bohrte. Linda schaute darauf herunter und verlor das Lächeln.
„Da kommen wohl noch mehr! Wir müssen weg! Los, folge mir. In meinem Zuhause habe ich einen Geheimgang, der uns weg von diesen Leuten führt!“. Sie rannte los.
Fenaria rannte hinterher. Sie war nicht erpicht darauf, noch einmal zu kämpfen, da sie nicht glaubte noch die Kraft dazu zu besitzen.
Sie rannten zwischen den dunklen Bäumen umher. Im Zickzackkurs, um die Verfolger zu verwirren, und den Bogenschützen schlechtere Ziele abzugeben.
Fenaria bemerkte, dass sie während ihrer Flucht einen Kreis beschrieben, welcher letztendlich bei der Windmühle enden musste. Linda schien Erfahrung darin zu haben, vor diesen Leuten zu fliehen.
Fenaria sprach ein stummes Dankeswort an unbekannte Götter, dass der Wald hier so dicht gewachsen war, und die Leute des scharlachroten Kreuzzuges sie deswegen nicht zu Pferde verfolgen konnten. Sie wären dann schneller eingefangen gewesen, als sie hätten gucken können.
Als Fenaria sich schon fast nicht mehr auf den Beinen halten konnte, geriet die Mühle endlich in Sichtweite. Da der Mond nun genau hinter ihnen stand, konnte sie die Mühle etwas genauer erkennen. Die Flügel waren alle bis auf einen abgebrochen. Der verbliebene pendelte im aufkommenden Wind langsam hin und her. Er gab dabei knirschende Geräusche von sich. Die zwei oberen Öffnungen in der Mühle, welche wohl früher einmal Fenster gewesen waren, sahen aus wie leere Augenhöhlen. Einmal meinte Fenaria etwas kleines dunkles in einem der Löcher hin und her huschen gesehen zu haben. Die zwei unteren Fenster waren mit Brettern vernagelt. In den Türangeln hing eine morsche Holztür. Insgesamt sah die Mühle so aus, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen. Niemals wäre Fenaria von sich aus in so ein Gebäude gegangen, oder hätte sich ihm näher als ein paar Schritte genähert.
Doch als Linda nun die Holztür auf stieß und Fenaria bedeutete einzutreten, kam sie der Aufforderung nach, ohne sich zu beschweren. Sie fand sich in einer komplett dunklen Kammer wieder. Sie konnte nichts außer den Boden vor der Tür erkennen. Linda trat ebenfalls ein, und schloss die Tür. Das spärliche Mondlicht, welches vorher noch durch die Tür gefallen war, fehlte nun auch.
„Warte, ich zünde eine Fackel an.“ hörte Fenaria sie sagen.
Gleich darauf hörte sie ein Geräusch und ein Funken stob auf. Darauf noch einer. Beim dritten Mal schließlich sprang der Funke auf eine Fackel über. Diese flammte auf und beschien ein bösartig grinsendes Gesicht eines Mannes. Auf der Brust des Mannes prangte ein rotes Feuer auf weißem Hintergrund.
7
Er wusste nicht wer er war. Er wusste nicht wo er war. Und er wusste nicht was er war. Aber er wusste, dass er war. Und er wusste wozu er war.
Er ging langsam durch den Wald, ohne die Bäume zu bemerken. Er ging wie ein Schlafwandler, scheinbar orientierungslos, doch mit einem bestimmten Ziel. Er wusste nicht warum er dieses Ziel hatte. Aber es stand ihm nicht frei zu fragen. Er befand sich in einem Zustand, wo er nicht berechtigt war zu fragen. Manchmal konnte er sich aus diesem Zustand befreien, und fragte sich dann jedes Mal, was los war. Doch bevor er seinen Zustand näher erklären konnte, befiel ihn ein rasender Schmerz in seinem Kopf, oder das wo Menschen ihren Kopf hatten, und er fiel zurück in seine Apathie. Ab und zu bemerkte er in seinen kurzen lichten Momenten, dass er früher einmal anders gewesen war, doch eine Stimme, die jedes mal mit dem Schmerz kam redete auf ihn ein.
Was früher war ist nicht relevant. Das hier und jetzt zählt. Und im hier und jetzt bist du dafür da, deine Aufgabe zu erfüllen. Du weißt was deine Aufgabe ist. Du wirst deine Aufgabe nicht vergessen können, bis du sie erfüllt hast. Lehne dich nicht gegen uns auf, es hat keinen Sinn. Du gehörst uns! Dein Leben gehört uns! Dein Leben ist jetzt dafür da, die Aufgabe zu erfüllen. Wir haben dir dafür Kräfte verliehen, wie sie keiner deiner Rasse je zuvor besessen hatte. Du bist jetzt mächtiger als du es ohne uns je hättest werden können! Ruf dir das in das Gedächtnis! Verschwende keine Gedanken an dein jämmerliches früheres Leben. Dort hast du nichts erreicht! Was? Du hattest schon früher eine Aufgabe? Nun, du hast versagt. Und wir geben dir eine neue Chance. Deine Aufgabe lautet nun aber anders! Du weißt, dass du sie erfüllen musst. Du hast keine andere Wahl. Versagen fällt nicht unter die Möglichkeiten! Und jetzt, konzentriere dich auf deine Aufgabe und erreiche das erste Zwischenziel.
Er hatte keine andere Wahl. Er musste der Stimme gehorchen. Seine Aufgabe hatte absolute Priorität. War wichtiger als sein eigenes Leben. War wichtiger als das Leben aller anderer Wesen. Warum? Er wusste es nicht. Aber er wusste, dass er alle, die sich ihm in den Weg stellten, töten musste.
Das Zwischenziel! Seine Aufgabe konnte er nicht auf einen Schlag erreichen, er musste in kleinen Stücken vorgehen. Auch diese waren fest in seinem Geist verankert.
Er machte sich auf den Weg. Weitere Bäume glitten an ihm vorbei, ohne dass er es wahrnahm.
Plötzlich war wieder die Stimme in seinem Geist. Doch diesmal ohne den sonst üblichen stechenden Schmerz.
Wir haben eine Planänderung vorgenommen!
Änderung? Das konnte er nicht akzeptieren. Er hatte einen genauen Plan, und nach diesem musste er vorgehen.
Du wirst die Planänderung akzeptieren, und so verfolgen wie wir sie diktieren! Dein Sekundärziel wurde aufgegriffen, bevor wir es finden konnten. Du musst deine Richtung ändern. Diese Leute greifen uns unter die Arme, ohne dass sie es wissen. Du musst nach Westen! Dort wird das Sekundärziel gerade auf ein Schiff verladen. Du musst es abfangen, bevor es die Küste verlässt!
Nein! Er würde nach dem alten Plan vorgehen und die Stelle im Wald aufsuchen, die errechnet worden war. Dort würde er das Sekundärziel finden. Nicht im Westen!
Du gehst nach Westen! Wir befehlen es dir und widerrufen die alten Befehle!
Nein! Die alten Befehle konnten nur von denen widerrufen werden, die sie ihm gegeben hatten. Aber wer war das? Diese Frage riss ihn aus seiner Apathie.
„Wo bin ich? Was mache ich hier? Moment, Schiff? Nein. Das ist falsch, ich – argh“.
Wieder der Schmerz. Heftiger als je zuvor. Dazu die Stimme, mit einem drohenden Unterton.
Du wirst unsere Befehle befolgen! Das Erreichen des Primärziels hängt davon ab, ob du unsere neuen Befehle befolgst oder nicht!
Das Primärziel! Das wozu er existierte. Er existierte, um das Primärziel zu erreichen. Zu nichts anderem. Alles andere war Illusion. Das Primärziel ging über alles. Er musste den neuen Befehlen gehorchen und seine Richtung ändern, um das Primärziel erreichen zu können. Er änderte seine Richtung. Er ging nun auf die Küste zu. Nach Westen.
Weiter entfernt:
Kael Thas ging im Kreis um den Teufelsblütigen herum. Dieser schien zu meditieren. Doch Kael Thas wusste, dass es anders war. Sein Diener kontrollierte diesen Astralen.
Kael Thas erinnerte sich an die letzten Stunden. Er hätte nicht gedacht, dass der Astrale der Manipulation so lange standhalten würde. Er musste seine Meinung über die Stärke dieses Wesens immer wieder ändern. Schlussendlich hatten sie es natürlich geschafft, ihm ihren Willen auf zu zwingen. Doch auch das war nicht vollständig gelungen. Ab und zu konnte er sich aus dem aufgezwungenen Zustand reißen. Wenigstens hielten diese Momente nicht lange genug an, als das er genug Widerstand aufbauen könnte, um sich dauerhaft zu widersetzen.
Dennoch war Kael Thas nicht zufrieden. Er hatte gehofft aus diesem Astralen mehr über die Verräterin herausfinden zu können, die ihm einmal mehr entwischt war. Aber so sehr sie sich auch bemühten, sie konnten rein gar nichts aus dem Astralen herausbringen. Fast schien es so, als hätte er die Informationen, welche er sicherlich besaß, in einem Teil seines Geistes eingeschlossen. Doch auch ohne diese Informationen war der Astrale ein wertvolles Werkzeug. Zwar würde er Kael Thas nie Angesicht zu Angesicht sagen, was er wusste. Aber auf der Suche, auf die er nun geschickt worden war, würde er sie zurückgreifen, um das Ziel zu erreichen. Und allein das war der Grund, warum dieser Astrale noch am Leben war, und nach dieser Frau suchte, und nicht er selbst. Diese Frau war immens wichtig. Würde sie weiterhin frei herumlaufen, konnte sie alle seine Pläne durcheinander bringen. Doch machte er sich keine Sorgen Der Astrale würde sie schneller finden als ein ganzer Suchtrupp seiner Teufelsblütigen. Da war er sich sicher.
Doch zuerst musste er diesen Magier finden. Er schien wichtige Informationen über die Verräterin zu haben. Und er war sicherlich nicht so widerstandsfähig wie der Astrale.
Kael Thas hatte durch einen Zufall mitbekommen, dass NachtFraun diesen Magier, Rommath nannte er sich, entführt haben. Sie waren gerade dabei, ihn auf ein Schiff zu bringen. Deswegen wurde das Sekundärziel des Astralen geändert.
Nun war es während dieser Änderung zu einem Zwischenfall gekommen. Kael Thas befürchtete, dass ihn dieser Zwischenfall zu viel Zeit gekostet hatte. Aber er musste sich gedulden. Er war sich seiner Sache sicher. Und Zeit hatte er genug.
An der Küste des Immersangwaldes:
Am Strand lagen drei kleine Ruderboote. Etwas weiter entfernt vom Ufer ankerte ein großes Schiff. Es hatte blaue Segel und war aus einem fremdartigen Holz gefertigt. Tiefgang hatte es fast keinen. Alles lag verlassen da. Die Ruderboote schaukelten sanft in den niedrigen Wellen, und rieben dabei auf dem Sand. Nur auf dem großen Schiff konnte man zwei Gestalten ausmachen, welche scheinbar wartend an der Reling standen.
Es kam Bewegung in sie, als sie einen Trupp aus dem Wald kommen sahen. Winkend riefen sie den auf den Strand zu eilenden NachtFraun etwas zu.
Sie stockten, als sie sahen, dass die NachtFraun einen gefesselten Fraun in ihrer Mitte mitführten und riefen Fragen zu ihren Kameraden. Doch antworteten diese ihnen nur knapp, sie sollen den Käfig bereit machen. Einer der Gestalten an der Reling löste sich und verschwand im Schiffsbauch.
Die NachtFraun am Strand hatten gerade die Boote erreicht und machten sich mit einer Eile daran, die Boote ins Wasser zu schieben, die die an der Reling zurück gebliebene NachtFrau nicht verstand.
Sie wollte gerade eine Frage nach dem Grund rufen. Doch stocke ihr der Atem als sie sah, wie die erste Baumreihe, welche direkt in den Strand mündete, plötzlich in Flammen aufging.
Ein paar brennende NachtFraun rannten schreiend daraus hervor.
Panik zeichnete sich in den Zügen der an der Reling stehenden Frau ab, als sie ein Wesen aus dem Wald schreiten sah. Es ähnelte einem Astralen. Doch stachen zwischen den Binden, die das Wesen zusammenhielten Flammen hervor.
Das Wesen trieb ein paar NachtFraun vor sich her, die versuchten ihm Einhalt zu gebieten.
Eine nach der anderen dieser NachtFraun verging in einer Stichflamme.
Sie konnten das Wesen nicht verletzen. Alle Pfeile, die sie verschossen prallten an einem magischen Schild ab.
Die NachtFraun am Strand hatten es inzwischen geschafft, die Boote zu lösen. Selbst der Mensch beeilte sich in ein Boot hereinzukommen.
Die zurückgebliebenen NachtFraun, welche versucht hatten, den Astralen aufzuhalten waren alle tot. Die letzte Frau, welche versucht hatte, auf den Astralen zu zu stürmen wurde in der Luft zerfetzt, als sie das Schild berührte.
Die Entfernung vom Schiff zum Strand war nicht groß. Dennoch würden die Boote einige Minuten brauchen, bis sie das Schiff erreicht hätten.
Der Astrale war schneller.
8
Als Fenaria aufwachte hatte sie schreckliche Kopfschmerzen. Sie setzte sich auf und schaute sich um. Sie befand sich in einem kalten dreckigen Raum. An den verschimmelten Wänden lagen teilweise verblichene Knochen. An der Wand gegenüber lag ein regungsloser Körper. Der einzige Ausgang aus diesem Raum bildete eine massive Holztür, mit einer kleinen Öffnung im oberen Teil. Diese war allerdings mit Eisenstäben verschlossen. Durch diese Öffnung fiel ein kleiner Lichtstrahl. Den Kopf mit einer Hand haltend stand Fenaria auf und taumelte zur Tür. Mitten auf dem Weg hielt etwas ihren Fuß fest, und brachte sie fast zum Sturz. Sie erkannte, dass sie zu allem Überfluss auch noch mit einer Kette an der Wand fest gemacht worden war.
So konnte sie die Tür nicht erreichen, und auch nicht die Gestalt gegenüber. Sie ging zurück zu der Stelle wo sie aufgewacht war und setzte sich resignierend an die Wand.
Als sie den Kopf an die Wand lehnen wollte bemerkte sie schmerzhaft den Grund für ihre Kopfschmerzen. An ihrem Hinterkopf konnte sie eine große Beule fühlen. Sie überlegte, wie sie die bekommen hatte. Die Windmühle! Es war eine Falle gewesen. Jetzt konnte sie sich wieder erinnern. Durch die Umwege, die sie gemacht hatten um die Verfolger abzuschütteln hatten diese, welche die Behausung Lindas offensichtlich gekannt hatten, Zeit gehabt sich dorthin zu begeben während ein paar andere Linda und Fenaria verfolgten. In der Mühle angekommen hatte man sie dann hinterrücks niedergeschlagen. Sie und Linda. Linda! Fenaria konnte sie in diesem Raum nicht erblicken, und die Gestalt, die noch mit ihr im Raum war sah nicht aus wie Linda. Sie war, wenn das überhaupt ginge, noch magerer.
„Wahrscheinlich haben sie sie umgebracht. Das haben sie ja die ganze Zeit vorgehabt.“
dachte sie sich.
„Aber warum bin ich dann noch am Leben?“. Sie stellte sich gerade diese Frage als sie hörte wie die Holztür aufgeschlossen wurde. Sie stand auf und schaute gespannt zu der Tür. Als diese mit einem Knarzen aufgeschoben wurde, wurde als erstes Linda hinein gestoßen. Sie landete unsanft auf dem Boden. Sie stützte sich auf ihre Ellenbogen und beschimpfte den Wächter, welcher nach Linda den Raum betreten hatte. Dieser war ein kräftiger Mann mit einem Vollbart. Er trug das Banner des scharlachroten Kreuzzuges. Auf die wüsten Beschimpfungen entgegnete er nichts, sondern nahm sich ohne besondere Umstände ein Bein von Linda und schleifte die immer noch zeternde Verlassene hinter sich her. Als er in Reichweite einer weiteren Eisenkette war kettete er Linda an dieser fest. Bevor er den Raum verließ warf er Fenaria einen eigenartigen Blick zu, sagte aber nichts.
Schließlich riegelte er die Tür wieder ab. Fenaria konnte sein bärtiges Gesicht noch ein letztes Mal durch die Stäbe der kleinen Öffnung sehen, dann wandte er sich abrupt ab.
Fenaria ging zu Linda und versuchte sie zu beruhigen, da sie dem Wächter immer noch Flüche hinterher schickte.
„Linda! Das hilft doch auch nichts. Wir sollten uns jetzt lieber überlegen, wie wir hier – was hast du?“. Fenaria stockte als Linda sich zu ihr umdrehte und auf einmal mit dem Schimpfen aufhörte. Zusätzlich vergaß sie den Mund zu schließen, so dass sie ziemlich lächerlich aussah. Doch dann schloss sie den Mund, um ihn in einem erstaunten Ausruf wieder zu öffnen:
„Du bist ja grün!“.
Fenaria verstand. Die ganze Zeit im Wald war es zu dunkel gewesen, als dass Linda Fenaria genauer hätte erkennen können. Jetzt in diesem Kerker war es heller als in der Nacht, und Linda konnte besser zwischen Farben unterscheiden.
Fenaria sah sich gezwungen etwas zu antworten: „Jaaa, ich bin nicht zufällig in dieser Niemandsgegend gelandet! Ich weiß es zwar nicht sicher, aber ich habe die Vermutung, dass das alles hier mit dem Gift zu tun hat, dass in meinen Adern fließt. Das Gift, dass mir meine Mutter eingeflößt hat. Angeblich. Ich bin mir bei der ganzen Sache überhaupt nicht mehr sicher“.
Linda fing an zu lächeln. Fenaria, die den Grund hierfür überhaupt nicht verstehen konnte, da diese Angelegenheit für sie alles andere als spaßig war, wollte Linda das Lächeln vom Gesicht wischen und fragte deshalb: „Und was haben die da mit dir gemacht, während ich hier lag?“.
Die Frage verfehlte ihre Wirkung nicht. Lindas Gesichtszüge verfinsterten sich und das Lächeln verschwand.
„Na was wohl? Sie haben versucht mich zu foltern! Zuerst haben sie geradezu lächerliche Methoden angewandt, um mir Schmerzen zuzufügen. Ha, hier haben sie sogar noch etwas vergessen.“. Als sie das sagte, zog sie aus ihrer linken Seite, welche Fenaria bisher nicht hatte sehen können, ein mit Widerhaken versehenes Messer. Es schmatze ekelhaft, als das Messer aus Lindas Bauch ruckte.
„Das würde bei euch Lebenden wohl besser funktionieren, hm?“.
Fenaria wurde schlecht, als ihr Linda das Messer vor das Gesicht hielt. Es klebten noch ein paar Tropfen geronnenen Blutes daran.
Sie nickte nur knapp.
„Siehst du, mir macht sowas nicht das geringste aus. Aber dann haben sie damit angefangen, etwas zu verwenden, dass sie andauernd mit heiligem Licht bezeichnet haben. Das hinterlässt zwar keine Wunden, aber es brennt wie wirkliches Feuer. Und ich dachte ich könnte keine Schmerzen mehr fühlen. Sie wollten nicht einmal etwas bestimmtes erfahren. Sie taten das aus reiner Lust.“ sie schniefte. „Dabei haben sie mir alle möglichen Verbrechen unterstellt, damit die Tortur in ihren Augen gerechtfertigt ist.“.
Sie schaute Fenaria besorgt an. „Aber ich mache mir mehr Sorgen um dich. Bei dir werden sie wohl bei diesen Methoden verbleiben.“ sie hob das Messer hoch. „Das sieht weitaus schmerzhafter aus“.
Fenaria bekam plötzlich eine Idee. Sie nahm Linda das Messer ab. Gleich darauf biss sie die Zähne zusammen und schnitt sich mit einer schnellen Bewegung in den Arm. Linda schrie auf und versuchte Fenaria das Messer wieder zu entwenden.
„Spinnst du? Lass das!“.
Es entstand ein Handgemenge, bei dem Fenaria versuchte das Messer zu behalten, und Linda darum kämpfte, Fenaria das Messer abzunehmen. Auf einmal tropfte ein wenig von Fenarias Blut auf Lindas Hand.
Sofort hörte sie auf sich zu wehren und schaute erschreckt auf ihre Hand. Dort wo das Blut ihre Haut berührt hatte, sah es aus als ob die Haut kochen würde, und dünner Dampf stieg auf.
„Was zum?“, sagte Linda und schaute Fenaria erschreckt an.
„Das ist unsere einzige Chance. Wenn du also auch hier raus willst, lass mich das machen.“ antwortete ihr Fenaria wütend. Linda saß nun starr neben ihr und betrachtete sie erschreckt, beinahe ängstlich.
Fenaria machte sich nichts daraus, und vertiefte mit Tränen in den Augen die Wunde in ihrem Arm, bis ein kleiner Strom von Blut darauf hervor sickerte. Sie legte das Messer weg, und ließ das Blut auf das Eisen tröpfeln, das sie an die Wand kettete. Nach einiger Zeit, in der nichts geschah konnte man eine erste Reaktion erkennen. Das Blut auf der Kette fing an Blasen zu schlagen.
Linda flüsterte: „Das ist doch nicht normal.“. Sie schaute zu Fenaria auf. „Was - was bist du wirklich?“.
Fenaria schüttelte nur den Kopf und erwiderte: „Nichts anderes als du – eine Ausgestoßene.“.
Linda schluckte. „Woher weißt du - ?“.
Fenaria antwortete heftiger als sie eigentlich gewollt hatte: „Das war nun wirklich nicht schwer zu erraten gewesen!“. Linda ließ betrübt den Kopf hängen.
Inzwischen hatte sich das Blut weiter in die Kette gefressen. Fenaria stand auf, und lehnte sich mit aller Kraft gegen die Kette. Langsam, ganz langsam bog sich das angeätzte Glied der Kette auseinander. Schließlich sprang es mit einem lauten Klirren aus der Kette heraus und prallte an der Wand ab.
Fenaria fiel nach hinten, konnte sich aber abfangen.
Sie ging zu Linda und wiederholte die Prozedur. Bei Lindas Kette ging es einfacher, denn diese war schon älter und teilweise verrostet. Darüber war Fenaria mehr als froh, denn sie hätte es wohl nicht über das Herz gebracht, die sich nun langsam schließende Wunde noch einmal zu öffnen. Sie musste vor Schmerzen jetzt schon die Zähne zusammenbeißen. Ein Messer ohne Widerhaken wäre ihr bedeutend lieber gewesen, aber sie hatte schließlich keine Wahl gehabt.
Endlich sprang auch Lindas Kette ab. Sie veranstaltete einen deutlich größeren Lärm, denn das Glied war anstatt sauber entzwei zu brechen in mehrere Teile zersprungen und an allen Wänden abgeprallt.
Den Lärm musste ein Wächter vernommen haben, denn man konnte Schritte auf dem Gang vor der Tür hören, die sich eilig näherten. Linda begann zu zittern.
„Was jetzt? Was sollen wir tun?“.
Fenaria legte ihren Finger auf ihre Lippen und bedeutete Linda so zu schweigen.
Dann schlich sie sich hinter die Tür und wartete bis diese aufgeschlossen wurde. Der Wächter, der die Tür schließlich auf stieß und den Raum betrat war der gleiche wie zuvor. In der Hand hielt er jetzt statt Linda allerdings ein Schwert. Als er sich im Raum umschaute begriff er die Lage sehr schnell. Er vermutete jemanden Fenaria in seinem Rücken und drehte sich so schnell er konnte um. Doch Fenaria war schneller. Wissend, dass sie nur eine einzige Möglichkeit hatte, zielte sie sehr genau, bevor sie dem Mann das zackige Messer mit beiden Händen mitten in die Brust rammte. Es knackte, als das Messer den Brustkorb durchschlug. Der Mann öffnete den Mund als wollte er aufschreien, doch kamen nur ein paar Bluttropfen aus seinem Mund. Er sank auf die Knie und fiel endlich ganz auf den Boden.
Mit großem Aufwand zog Fenaria das Messer aus der Brust des Mannes.
Anschließend durchsuchte sie die Leiche. Doch außer einem Schlüsselbund fand sie nichts. Danach riss sie sein Banner in Stücke und umwickelte damit ihren Arm. Schließlich nahm sie das Schwert noch an sich.
Sie winkte Linda zu sich.
„Wir müssen jetzt verdammt vorsichtig sein, bald werden sie diesen Mann vermissen. Zu diesem Zeitpunkt müssen wir hier raus sein! Und jetzt los!“. Fenaria zeigte auf die Tür und wollte vorgehen, als sie eine Stimme hinter sich vernahm.
„Fenaria? Bist du es wirklich? FENARIA!“. Sie wandte sich um und sah, dass die Gestalt, die sie bisher für eine Leiche gehalten hatte zu ihr gesprochen hatte. Es war ein in vermoderte Tücher gewickelter Mensch.
Mit einem schiefen gequälten Lächeln sagte er: „Groß bist du geworden!“.
9
Töten! Vernichten! Alles! Alles bis auf eine Person. Der Magier musste überleben. Die restlichen Leben waren vollkommen egal. Aber der Magier musste überleben und zurück gebracht werden. Diese Fraun erlaubten es sich den Magier, sein Ziel, zu entführen. Sie wussten nicht mit wem sie es zu tun hatten. Bald würden sie es merken. Flammen begannen aus ihm heraus zu stechen. Um seine Hände begann die Luft zu flimmern, bis sie sich zu Flammen verdichtete, die immer größer wurden. Plötzlich schleuderte er sie auf die NachtFraun, welche in einer Reihe vor ihm standen, und ihn aufzuhalten gedachten. Jede einzelne von ihnen ging in Flammen auf. Selbst die Bäume konnten der Hitze nicht widerstehen und vergingen in den Flammen. Er verließ den Wald und sah das Schiff und die Beiboote, welche am Strand lagen.
Er wurde wütend. Er wusste nicht, dass diese Wut nur ein wieder gespiegeltes Gefühl der Person war, die ihn lenkte.
Ein paar NachtFraun stellten sich ihm in den Weg und hoben ihre Bögen.
Er baute auf der Stelle ein magisches Schild auf, an denen die Pfeile abprallten. Dann fokussierte er seine Gedanken auf die erste Frau, welche ganz links stand.
Vom Boden, auf der das Mädchen stand, begann flimmernde Luft aufzusteigen. Kleine Risse bildeten sich im Boden, in die langsam der Sand hinein rieselte. Er ließ diesen Zustand noch ein bisschen bestehen, bis er den Zauber vollkommen freigab. Mit einem ungeheuren Knall schoss eine Flammensäule aus dem Boden hervor und hüllte das Mädchen vollkommen ein. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit zu schreien. Wäre er dieses Gefühls mächtig gewesen, er hätte vielleicht Bewunderung für die anderen Fraun empfunden. Sie standen, obwohl sie einsehen mussten, dass sie keinerlei Chancen hatten immer noch geschlossen vor ihm und beschossen ihn mit ihren lächerlichen Pfeilen.
Allerdings war die Geduld dessen, der ihn lenkte erschöpft. Mit einer ungeheuren geistigen Anstrengung kanalisierte er seine Gedanken und zwang die Elemente ihm zu gehorchen. Eine nach der anderen der Fraun verging in den Flammen. Als er die letzte der Fraun in den Tod schicken wollte, warf diese auf einmal ihren Bogen weg. Sie zog stattdessen einen Dolch und stürmte auf den Astralen los.
Er bemerkte, dass die anderen Fraun schon die Boote bestiegen hatten. Das hieß er musste sich beeilen. Er hatte also keine Zeit mehr mit dieser Frau zu spielen. Diese erreichte gerade seinen Schild und wollte mit dem Dolch zu stechen. Er machte sich keine größere Mühe und lenkte die Energie, welche er vorher in den Schild gesteckt hatte einfach in die NachtFrau hinein. Der schwächliche fleischliche Körper konnte dieser Belastung natürlich nicht widerstehen und platzte. Ein roter Schwall ergoss sich über den Astralen. Das Blut hielt sich allerdings nicht auf den Binden, sondern verdampfte augenblicklich.
Inzwischen hatten es das Mädchenn tatsächlich geschafft, die Boote ins Wasser zu schieben und los zu rudern. Wahrscheinlich dachten sie sich, dass er ihnen auf dem Wasser nicht so schnell folgen könnte. Doch sie sie sollten bald merken, dass sie sich täuschen.
Ohne auf die Naturregeln zu achten lief der Astrale einfach vom Strand auf das Wasser. Er konnte in den Augen der Fraun Panik erkennen. Sie ruderten so schnell sie konnten. Doch war das immer noch zu langsam. Bald war er so nah am ersten der drei Boote angelangt, dass er sehen konnte, dass sich das Ziel nicht in diesem befand. Er ließ allein mit der Kraft seiner Gedanken die Luft in dem Gebiet verschwinden, wo das Boot auf dem Wasser schwamm. Dies machte er nur für einen kurzen Augenblick. Doch dieser genügte um die Lungen der in dem Boot sitzenden Fraun platzen zu lassen.
Er kümmerte sich nicht weiter um die sterbenden Fraun, sondern bewegte sich zum nächsten Boot.
Er musste nicht weit gehen, da sah er schon, dass auch dieses Boot nicht sein Ziel war. Doch er merkte etwas anderes. Die Insassen dieses Bootes wehrten sich. Irgendetwas griff seine Gedanken an. Doch da diese Gedanken ohnehin nicht seine eigenen waren, tat dies nichts zur Sache. Diesmal war es nicht Sorandis selber, der zurück schlug, sondern der weit entfernte Teufelsblütige, der ihn steuerte. Er verfolgte den Gedankenstrom zurück, der auf den Astralen eindrang und schlug gedanklich auf die Gehirne der NachtFraun ein. Diese waren auf diesen Schlag nicht gefasst und wurden wahnsinnig.
Als der Astrale an dem Boot vorbei schritt, befanden sich darin nur noch apathisch blickende Fraun, die keine Gefahr mehr darstellten.
Das letzte Beiboot hatte das Schiff schon erreicht. Jemand auf dem großen Schiff war gerade dabei, eine Strickleiter herunter zu lassen.
Der Astrale blieb stehen und vollführte einige fremdartige Gesten. Dazu flüsterte er Worte einer unbekannten Sprache. Die Luft vor ihm begann zu glitzern und verdichtete sich immer mehr, bis sich ein Eissplitter bildete, der so lang war wie ein Unterarm.
Er ließ den Kegelförmigen Splitter vor sich in der Luft schweben, bevor er ihn ausrichtete und auf die NachtFrau ab schoss, die auf dem Schiff stand.
Der Splitter bohrte sich direkt durch ihr Herz und sie sackte zusammen. Die Strickleiter fiel mit einem Klatschen in das Wasser.
Die NachtFrau, welche auf dem kleinen Boot stand, und bisher die Hände ausgestreckt hatte, um die Leiter aufzufangen, drehte sich um. Ihr Blick war weder ängstlich noch panisch. Sie blickte ihn so siegessicher an, dass der weit entfernte Teufelsblütige für einen Moment unsicher wurde und keine weiteren Befehle gab. Der Astrale blieb stehen. In dem kleinen Augenblick, in dem er unaufmerksam war, trat die andere auf dem Schiff verbliebene NachtFrau an die Reling und hob einen Bogen. Der abgeschossene Pfeil traf den Astralen mit so einer Wucht, dass er glatt durch seinen magischen Körper hindurch stieß. Er verlor die Kontrolle über sich selbst und konnte den Schwebezauber nicht mehr aufrecht erhalten. Unter einem ohrenbetäubenden Zischen verdampften ungeheure Mengen von Wasser, als er in diesem versank. Der dadurch entstehende Rauch verhinderte jegliche Sicht auf das Schiff, das Boot oder deren Insassen.
Der Dampf verzog sich relativ schnell. Langsam kam die NachtFrau auf Sorandis zu geschritten. Auch sie bewegte sich über dem Wasser.
Der Astrale schwamm bewegungslos auf der Wasseroberfläche. Das Mädchen kniete sich vor Sorandis und hob seinen Kopf nah an ihr Gesicht. Sie schloss die Augen. Der Astrale lebte noch, das merkte sie.
Sie drang in seine Gedanken ein.
„Wer bist du?“ - „Ich weißt es nicht ... ich -“.
„Wo kommst du her?“ - „Ich komme von – von – ich bin – .“.
„Was machst du hier?“ - „Ich hatte einen Auftrag, ich muss Fenaria beschü – muss Fenaria bewah – muss Fenaria finden und töten!“.
Mit diesen Worten kam plötzlich wieder Leben in den Astralen und er schleuderte die NachtFrau von sich weg. Er breitete die Arme aus und begann langsam aus dem Wasser heraus zu schweben. Als seine Füße über der Wasseroberfläche waren blieb er auf dieser Höhe in der Luft schweben.
Dort wo ihn der Pfeil durchbohrt hatte klaffe ein Loch in ihm. Dessen Ränder pulsierten vor Magie, welche an dieser Stelle aus dem Körper austrat. Dennoch hatte ihn die Macht, die ihn kontrollierte wieder in ihre Gewalt bringen können, nachdem die plötzliche Wunde ihn kurz ihrer Kontrolle entrissen hatte. Der Pfeil hatte dem Astralen viel seiner Macht beraubt. Dennoch besaß er noch genügend um einen weiteren Pfeil, der von der NachtFrau auf dem Bug verschossen wurde, abzufangen und um zukehren. Der Pfeil bohrte sich in den Bauch der Frau, welche daraufhin mit einem Stöhnen zu Boden sank und hinter der Reling verschwand.
Anrawen, welche zurück in das Boot geschleudert worden war, hatte sich inzwischen aufgerappelt. Sie führte einen weiteren gedanklichen Angriff durch. Da sie aus dem kurzen vorausgegangenen Gedankenaustausch erfahren hatte, dass der Astrale nicht seinem eigenen Willen nachging, sondern sozusagen fremdgesteuert wurde, konnte sie den Angriff genauer ausrichten. Sie griff nun nicht den Geist des Astralen an, welcher fast nicht mehr vorhanden war, sondern ging über die unsichtbare und fast nicht fassbare Verbindung zu dem Teufelsblütigen über. Dieses Mal war dieser nicht darauf gefasst, angegriffen zu werden, und hatte keine Zeit sich zu verteidigen. Sein Gehirn schmolz förmlich unter der Belastung zusammen. Das letzte was er hörte war ein Fluch von Kael Thas.
Der Astrale sank wieder zusammen. Das Mädchen kümmerte sich nicht weiter um diesen, sondern befreite Rommath von seinen Fesseln und bedeutete ihm die Ruder des Bootes zu übernehmen und zum Strand zu rudern.
Da er immer noch zum Schweigen gebracht war, musste er sich wieder gedanklich mit ihr verständigen.
„Was habt ihr jetzt vor?“.
„Na, was wohl? Wir müssen hier weg! Das Schiff können wir zu zweit nicht steuern, und mit so einem Ruderboot kommen wir auch nicht weit. Also zum Strand und zu Fuß weiter. Wohin weiß ich noch nicht.“.
„Hättet ihr gleich auf mich gehört, wäre das alles nicht passiert! Verdammt, warum habt ihr mich nicht gehen lassen?“.
„Ihr habt mir nicht alles gesagt. Ich hatte einen kurzen Einblick in die Gedanken des Wesens, das diesen Astralen kontrolliert hat. Ihr habt mir nichts davon gesagt, dass Kael Thas in diese Sache verwickelt ist. Und ihr habt mir nichts davon gesagt, was er vorhat. Soll etwa eure kleine Frau ganz alleine diesen Dämon aufhalten?“.
Rommaths gedankliches Schweigen sagte ihr genug.
10
Fenaria schaute hektisch zwischen dem in Lumpen gewickelten Mensch und der Tür des Kerkers hin und her. Viel Zeit hatten sie sicherlich nicht mehr. Was sollten sie machen? Linda war sich ihrerseits sicher. Sie versuchte Fenaria am Ärmel zum Ausgang zu ziehen.
„Lass diesen Spinner doch hier. Er verwechselt dich doch sicherlich nur. Wir müssen hier weg! Oder willst du wieder eingesperrt werden?“.
Fenaria riss sich von Lindas Griff los.
„Er kennt meinen Namen. Wie soll er mich da verwechseln? Er könnte uns doch auch behilflich sein!“. Sie wandte sich dem immer noch schwach lächelnden Fraun zu.
„Wer bist du und woher kennst du mich?“. Das Lächeln des Fraun wurde noch ein bisschen schwächer.
„Erkennst du mich nicht wieder? Nun, du warst damals wohl noch viel zu jung, um dir ein Gesicht merken zu können. Gerade geboren warst du. Und nur so groß.“.
Er zeigte mit den Händen eine kleine Entfernung.
„Ein süßes und gesundes Kind. Wohl gewachsen und ohne Makel. Ganz nach der Mutter!“.
Fenaria hörte auf hektisch zur Tür zu blicken und fixierte den Fraun.
„Du kanntest meine Mutter?“.
„Natürlich kannte ich deine Mutter, wer kannte sie denn nicht?“.
„Soll – soll das heißen meine Mutter war bekannt?“.
Der Elf schaute sie ungläubig an.
„Weißt du denn gar nichts mehr? Wer hat dich eigentlich aufgezogen? Deine Mutter war eine der bekanntesten beim Sonnenzorn. Schon fast eine Heldin! Bis sie ... diesen Fehltritt begangen hat.“.
Fenaria hatte die Umgebung um sich herum vergessen. Als Linda sie nun erneut an ihrer Kleidung zog wachte sie auf. Sie wollte Linda heftig zurecht weisen, dass sie sie doch mal in Ruhe lassen sollte. Doch als sie die blanke Angst in deren Augen sah, kam sie zur Vernunft und erinnerte sich daran, wo sie sich befand.
„Fenaria. Wir müssen jetzt wirklich los. Bitte!“.
„Ja, du hast Recht. Aber den hier werden wir mit nehmen.“.
Dabei deutete sie auf den Fraun.
„Aber Fenaria, der belastet uns doch nur. Wir wissen doch gar nicht wie lang der hier schon liegt. Vielleicht kann er gar nicht mehr laufen.“.
Der Elf begann sich zu bewegen und stand langsam auf. Dabei erkannte Fenaria, dass das was sie bisher für alte Decken gehalten hatte in Wirklichkeit das Gewand des Fraun war. Als sie genauer hinschaute erkannte sie, dass es eine Robe war, wie sie nur mächtige Magier trugen. Zwar alt, verdreckt und zerschlissen, aber dennoch als solche zu erkennen.
„Doch, doch ich kann laufen. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich mit nehmen würdest. Das tust du doch jetzt, oder?“.
Linda knirschte mit den Zähnen, aber Fenaria hatte dem Fraun schon vollends aufgeholfen, und stützte ihn jetzt beim gehen.
Doch der Elf wand sich aus dem Griff Fenarias.
„Danke, aber das schaffe ich noch selbst. Das hat man mir noch nicht genommen.“. Fenaria bediente sich jetzt, wo sie glaubte in dem Elf einen Magier, also eine hochgestellte Persönlichkeit erkannt zu haben, der höflicheren Umgangsform.
„Was hat man euch denn genommen? Ihr seid doch, wenn man nach eurer Kleidung geht ein mächtiger Magier! Wieso habt ihr euch nicht einfach ein Portal gezaubert und seid verschwunden?“.
Der Elf schaute Fenaria traurig an.
„Du gehst nach meiner Kleidung? Die ist nun schon sehr alt. Ungefähr so alt wie du bist!“.
„Ihr seid schon so lange hier gefangen?“. Sie überlegte einen kurzen Augenblick.
„Wo ist hier überhaupt?“.
„Das könntest du dir doch erschließen, oder nicht? Natürlich ist das hier das Scharlachrote Kloster. Genauer gesagt der Kerker Trakt von diesem. Hier residiert diese Einrichtung, die sich „Der Scharlachrote Kreuzzug“ nennt. Die kennst du aber, oder? Nicht zuletzt von deiner Freundin.“ nach einem kurzen Nicken Fenarias fuhr er fort: „Aber was mich angeht. Du hast Recht! Ich bin oder besser gesagt, ich war einmal ein großer Magier mit nicht zu unterschätzenden Kräften. Ich bin mit Kael Thas zusammen in die Scherbenwelt gereist, und habe das Paradies selbst kennen gelernt. Dort wurden mir Kräfte verliehen, die ich mir vorher nie hätte vorstellen können.
Aber als dann deiner Mutter dieser ... Ausrutscher passiert ist, wollte ich sie wieder zur Vernunft bringen und bin ihr gefolgt. Als ich sie schließlich gefunden hatte, bemerkte ich, dass es schlimmer mit ihr stand als ich gedacht hatte. Sie war wie besessen. Sie wollte sich nicht belehren lassen. Schlimmer noch. Sie wandte sich gegen mich. Ihren früheren Freund. Und, nunja. Aus dem daraus resultierenden Kampf folgte meine zukünftige Unfähigkeit, Magie zu wirken und ich wurde als ich wieder zurück reisen wollte, von den Leuten hier gefangen.“.
Fenaria wollte sich zuerst darüber aufregen, dass dieser Elf so von Kael Thas schwärmte. Aber sie sagte sich, dass er ja von dem erfolgten Verrat an ihrem Volk nichts wissen konnte. Deshalb fragte sie nur:
„Unfähigkeit Magie zu wirken?“.
Als Antwort zeigte der Magier seine Arme. Oder was davon übrig war. Die Oberarme waren vollständig vorhanden. Aber ab ungefähr der Mitte liefen die Unterarme in unschönen Stümpfen aus.
Fenaria schnappte nach Luft und konnte die nächste Frage nur hauchen.
„Das hat meine Mutter getan?“. Sie war empört. Nicht nur, dass sie ihr Leben zerstört hatte mit diesem Gift. Sie hatte auch andere verletzt. Wahrscheinlich sogar getötet. Wenn sie daran dachte, dass sie auch dem Sonnenzorn angehört hatte. Den Leuten, die Lilieth getötet hatten. Dann spürte sie schon fast sowas wie Hass. Aber die wichtigste Frage war ja noch gar nicht ausgesprochen.
„Aber warum hat mich meine Mutter ver -“.
„Wir müssen jetzt weg hier! Verdammt. Zum Tratschen habt ihr auch nachher noch Zeit. Hoffentlich.“. Lindas Stimme überschlug sich beinahe. Fenaria wandte sich schweren Herzens von dem Magier ab und richtete ihren Blick nach vorne.
Sie waren also nicht in der Mühle verblieben, sondern verschleppt worden zu einem Kloster. Das erschwerte die Sache ganz besonders.
Zu dem Magier gewandt sagte sie:
„Kennt ihr euch hier vielleicht aus? Oder wenigstens besser als ich?“.
Der Magier nickte zur Antwort nur und schob sich an Fenaria und Linda vorbei durch die Tür. Seine Armstümpfe verbarg er wieder in seiner Robe.
Flüsternd sagte Fenaria überheblich zu Linda:
„Und er ist doch zu etwas gut!“.
Linda seufzte nur.
Der Magier legte einen schnellen Schritt vor. Fenaria und Linda folgten ihm so schnell sie konnten. Sie eilten durch enge Gänge, in deren Wänden viele Türen eingelassen waren. Meist hörte man hinter diesen Türen leises Wimmern. Manchmal war es hinter diesen Türen aber auch einfach nur still. Und als sie an einer Tür vorbei kamen, welche in der Sprache der Menschen beschriftet war, hörten sie hinter dieser unmenschliches, gequältes Geschrei. Als sie an dieser Tür vorbei kamen schüttelte sich Linda. Fenaria hatte keine Zweifel darüber, was hinter dieser Tür geschah.
Sie beeilten sich weiter zu kommen. Sie gingen eine lange Wendeltreppe nach oben. Fenaria fühlte sich seltsamerweise ausgeruhter als vor der Gefangennahme. Allerdings verspürte sie inzwischen unfassbaren Durst. Sie konnte ihr Glück nicht fassen, als sie, nachdem sie um eine Ecke gebogen war, einen Brunnen erblickte. Der Brunnen war auf einer bepflanzten Fläche eingelassen. Diese Fläche war nicht überdacht und bildete so einen krassen Gegensatz zum sonstigen Kerker. Die Sonne strahlte hell auf das saftige grüne Gras und schien so den zwar eben aus dem Kerker aber noch lange nicht der Gefangenschaft Entkommenen zu spotten. Fenaria und auch der Elf bedienten sich reichlich am Brunnen. Nur Linda schien nichts zu brauchen. Auf eine diesbezügliche Frage von Fenaria antwortete sie:
„Nein, ich brauche keinerlei Nahrung. Ich esse nur zum Spaß. Es ist toll, das alte Gefühl zu bekommen, auch wenn ich fast nichts schmecken kann. Und trinken hat für mich keinerlei Zweck. Ich bin doch schon vertrocknet.“. Sie lächelte ein unsicheres Lächeln.
Fenaria, der durchaus bewusst war, dass sie noch lange nicht aus ihrer misslichen Lage befreit waren, lächelte nur zurück, um Linda zu ermuntern.
Nachdem sie ihren Durst gestillt hatten, ging es weiter. Sie liefen nun durch Gänge, an denen immer wieder andere abzweigten.
Fenaria fragte sich, wie der Elf den Weg so genau kennen konnte. Aber im Endeffekt war es ihr auch egal. Sie hoffte nur, dass ihnen keine Wachen über den Weg laufen würden. Bisher waren sie diesen entweder ausgewichen, wenn sie deren Stimmen gehört hatten, oder hatten sich in dunkle Nischen gedrückt und gehofft, dass sie sie nicht bemerken würden. Bisher hatten sie Glück gehabt. Die Wachen waren immer an ihnen vorbei gegangen. Sie waren nicht sehr aufmerksam. Wahrscheinlich kam es nicht sehr oft vor, dass hier jemand ausbrach.
Auf einmal meinte Fenaria ihren Namen gehört zu haben. Sie blickte sich um. Da! Schon wieder. Aus einer Tür rechts hinter ihr. Sie huschte zu der verzierten Holztür und legte den Kopf daran. Ganz klar. Die Leute da drin sprachen über sie. Und nannten sie bei ihrem Namen. Nun gut, es konnte sein, dass Linda etwas ausgeplaudert hatte, und diese Leute so wussten, wie sie hieß. Dennoch interessierte es sie brennend, was diese Leute über sie zu reden hatte. Sie wollte gerade weiter horchen, als sie auf dem Gang vor ihnen Schritte hörte. Gerade kamen zwei Wachen um die Ecke. Sie konnte schon ihre Stiefelspitzen sehen. Um zu ihren Gefährten zurück zu laufen war die Zeit zu kurz. Diese hatten sich schon in die Schatten eines abzweigenden Ganges zurück gezogen und winkten ihr zu, dass sie doch zu ihnen kommen sollte. Aber Fenaria wusste, dass sie es nicht schaffen konnte. So ergriff sie die einzige ihr mögliche Alternative. Sie macht ganz vorsichtig die Tür vor sich auf und schlich hinein. Sie hatte Glück. Sie war nur in einem Vorzimmer gelandet. Vor sich sah sie eine weitere Tür, in der ein Fenster eingelassen war. Durch das Fenster leuchtete flackernder Kerzenschein.
Sie machte die Tür hinter sich vorsichtig wieder zu. Sie konnte die Stimmen jetzt deutlicher hören. Der Inhalt ihres Gespräches ließ sie ihren ursprünglichen Beschluss, sofort zu dem Fraun und Linda zurück zu kehren, vergessen.
Sie hörte die Stimmen von zwei Männern.
„Bist du dir sicher?“.
„Ja! Zuerst hatte auch ich meine Zweifel. Die Hautfarbe und ihr Verhalten! Aber das Gesicht und die Haarfarbe ist das gleiche. Absolut sicher.“.
„Dann hätten wir sie tatsächlich gefunden. Das hätte ich mir nie träumen lassen. Und dass, wo wir nur auf der Suche nach unwerten Leben waren. Naja. Dafür winkt uns eine schöne Belohnung. Aber wir müssen Sie noch verständigen. Wie kommen wir an Sie ran?“.
„Hm, ich denke Sie wird zu uns kommen. Ihr letzter Besuch ist ja nicht so lange her. Sie hatte damals ja nach diesem Elf geschaut, den sie uns vor noch längerer Zeit gebracht hatte. 'Am Leben halten' sagt sie immer. Warum? Was hat das für einen Zweck? Sie hat ihm seine verdammten Hände abgehackt, worum hat sie ihn nicht gleich massakriert? Das kann Sie doch so gut.“
„Angeblich weiß er noch etwas. Bisher hat er zwar noch nichts raus gebracht, dieser verdammte Elf. Aber, naja, solange die Bezahlung stimmt versuchen wir es halt weiter.“.
„Hmm. Aber das ist jetzt nicht relevant. Wir sollten ihre Tochter in eine andere Zelle verlegen. Ich fand es von Anfang an nicht gut sie mit diesem Elf in einer zu lassen. Auch wenn wir erst einmal eine andere frei räumen mussten.“. Fenaria hörte, wie Stühle auf der Erde kratzten.
„Ja, du hast recht. Hoffentlich blieb der Elf gegenüber Fenaria genau so stumm, wie uns gegenüber.“. Fenaria hatte die Hand schon an der Türklinke, als die Antwort des anderen Mannes sie mitten in der Bewegung stocken ließ.
Er lachte: „Haha, du hoffst er hat sich nicht verplappert? Wenn Fenaria nur halb so spontan wie ihre Mutter wäre, würde der Elf schon jetzt mit aufgeschlitzter Kehle in seinem eigenen Blut ertrinken, wenn sie wüsste, dass er ihre Mutter hat umbringen sollen.“.
11
„Da wären wir, und jetzt?“. Die gedachten Worte enthielten eine gute Portion Spott.
„Spottet nicht. Ihr seid in der gleichen Lage wie ich. Also wäre es besser für euch, ihr würdet euch damit abfinden. Vielleicht könnt ihr mir sogar hFraun zu überlegen, wohin wir uns nun wenden sollen. Nein, diesen Gedanken könnt ihr euch gleich aus dem Kopf schlagen. Ich werde mich nie und nimmer eurem Volk ausliefern. Ja, ihr garantiert für mein Leben. Und was wäre das für ein Leben? Ein Leben in einem eurer magieverseuchten Kerker! Na Klasse. Lieber würde ich sterben. Wir müssen die Sache ganz anders angehen. Was ist unser Ziel? Ihr dachtet etwas von einer Vision. Ich bin zwar nicht davon überzeugt, dass diese Frau tatsächlich etwas ausrichten kann, aber sagt mir doch einmal den genauen Wortlaut dieser Prophezeiung, wie ihr es nennt.“
Rommath dachte an die Prophezeiung, die in seiner Vision vorkam:
Mit Glut getränkte Erde
alles verzehrendes Feuer
keine Wiederkehr, nur eine Rettung,
Geschöpf von edlem Geblüt,
Leben in Einsamkeit
gezeichnet von der Sonne Zorn
findet Hilfe bei längst Verlorenem
muss durchschauen die Lüge vom eig'nen Blut
auf dass es findet die Wahrheit
in des Ursprungs Adern
um Feuer mit Feuer entgegenzutreten
zu dessen Vernichtung es führt
und somit zu der Rettung
des Völkers Wohl
Die NachtFrau räusperte sich.
„Und woher wollt ihr wissen, dass gerade diese kleine rothaarige Frau das 'Geschöpf von edlem Geblüt' ist? Das nehmt ihr doch an, oder nicht? Ihr stützt euch auf ihre Besonderheit? Ihr grünes Blut? Davon wird aber nichts erwähnt in eurer Prophezeiung. Wie meint ihr 'nicht vollständig'? Ihr könnt mir nichts vorenthalten, also nehme ich an, ihr wisst den Rest der Prophezeiung selbst nicht? Soso. Aber woher wisst ihr, dass diese Zeilen nicht alles sind, was euch mitgeteilt wurde? Ah, ihr wisst es also einfach. Nun gut. Diese Zeilen sind so fest in eurem Kopf verankert, ich beginne zu glauben, dass man diese Frau doch ernst nehmen sollte. Aber selbst wenn ich eurem Drängen nachgebe, was sollen wir zwei ausrichten? Oh, ihr nur diese Prophezeiung überbringen? Und ihr meint, das hilft gegen die Pläne Kael Thas'? Lasst mich einen Moment nachdenken.“.
Die NachtFrau setzte sich auf den Sand und schloss die Augen. Rommath wanderte unruhig hin und her. Sie waren mit dem kleinen Boot von dem großen Schiff so schnell sie konnten weg gerudert. Danach waren sie den Strand entlang gelaufen, Richtung Norden. Sie waren nun ein gutes Stück weit weg von dem Ort des Gemetzels. Dennoch konnte Rommath sich nicht beruhigen. In Bezug auf diese Frau hatte er keine Bedenken. Sie schien ihn zwar nicht sonderlich leiden zu können, aber sie war keine, die ein Lebewesen kaltblütig ermorden würde. Er machte sich Sorgen um diejenigen, die diesen Astralen kontrolliert hatten. Rommath wusste nicht viel über Astrale. Aber sein kleiner Wissensschatz schloss mit ein, dass diese Wesen im Allgemeinen sehr schwer mental zu beeinflussen waren. Wenn sie dieses Astralen also hatten brechen können, würden sie mit ihnen ein leichtes Spiel haben, wenn sie sie erst einmal gefangen hatten. Sicherlich waren sie schon auf der Suche. Und da sie den ungefähren Ort wussten, würden sie nicht lange brauchen um sie auch zu finden. Doch hatte Rommath keine Möglichkeit Anrawen dazu zu bewegen, sich schneller zu entscheiden. Er war immer noch gefesselt, und sagen konnte er aufgrund des Stillezaubers, der immer noch auf ihm lag auch nichts. So musste er sich wohl oder übel damit abfinden, zu warten. Als er schon nah dran war, sich zu fragen, ob das Mädchen inzwischen eingeschlafen war, bewegte sich diese. Sie schlug die Augen auf und fixierte Rommath.
Nur zögernd kamen die Worte über ihre Lippen:
„Ich habe Elune gebeten mir einen Rat zu geben. Die Antwort hätte deutlicher nicht sein können.“. Sie seufzte.
„Ich gehe mit euch. Unter einer Bedingung. Ich treffe die Entscheidungen. Ihr kümmert euch nur darum, was sich auf eure Prophezeiung bezieht. Ich werde euch nun losbinden. Sobald ich von euch weiß, dass ihr damit einverstanden seid und auch nicht versuchen werdet, zu fliehen. Denkt daran, ich weiß wann ihr lügt.“.
Rommath dachte ein deutliches „Ja“. Das Mädchen nickte und machte sich tatsächlich daran, Rommath los zu binden. Er rieb sich seine schmerzende Handgelenke, nachdem diese frei waren.
Das Mädchen betrachtete ihn trotz seines Einverständnisses misstrauisch und fragte:
„Was denkt ihr, sollten wir jetzt machen?“.
„Nun, als erstes sollten wir weg von hier. Die Teufelsblütigen werden uns bald gefunden haben, wenn wir noch länger warten. Ich habe kurz nachgedacht, und bin zu dem Schluss gekommen, dass das Portal tatsächlich von Kael manipuliert wurde.“. Das Mädchen, welche die gesamte Geschichte, wie Rommath hierhin gekommen war, schon in seinen Gedanken hat lesen können, nickte nur kurz.
„Gut, wie man wohl sehen kann, hat das nicht so geklappt, wie es sollte. Wir sind nicht zurück geschleudert worden sondern wurden getrennt. Ich habe die Vermutung, dass Fenaria in diesem Wald raus gekommen ist, inzwischen revidiert. Warum sollte Kael diesen Astralen auf uns hetzen, wenn sein anzunehmendes Hauptziel auch in diesem Wald umher läuft. Nein, Fenaria wurde weiter weg transportiert. Und unsere einzige Möglichkeit ihr zu folgen ist, dieses Portal zu reaktivieren, und zu hoffen, dass es noch auf das letzte Ziel eingestellt ist.“.
„Na, worauf warten wir dann noch? Los, ihr geht voraus!“. Sagte Anrawen und folgte Rommath, der sich schon in Bewegung gesetzt hatte.
„Hoffen wir, dass Kael nicht bei dem Portal zurück geblieben ist, sondern sein Lager wo anders aufgeschlagen hat.“.
Anrawen erwiderte nichts. Sie hatte etwas gespürt. Sie horchte in sich rein. Da war es wieder. Etwas fremdes. Derart fremd, dass sie es nicht zuordnen konnte. Sie hatte schon die Gedanken eines jeden Lebewesens gespürt. Das hier war anders. Es lebte zwar auch, aber es konnte nicht als 'ein' Lebewesen beschrieben werden. Da war noch etwas anderes. Gerade als sie sich mehr darauf konzentrieren wollte, war es weg. So plötzlich, wie es gekommen war. Sie suchte noch einige Zeit, konnte es aber nicht nochmal erfassen.
Den restlichen Weg spürte es nicht wieder. Rommath ging zwischen vielen bunten Bäumen vorbei, und betrat schließlich die bekannte Lichtung.
Sie war leer.
„Wir haben Glück. Kael Thas fand es hier wohl zu ungemütlich. Ich werde gleich beginnen, zu versuchen das Portal wiederherzustellen.“.
Er stellte sich in die Mitte der Lichtung und begann Gesten mit seinen Händen auszuführen und fremdartige Beschwörungswörter vor sich hin zu murmeln. Schweißtropfen traten auf seine Stirn. Nach einiger Zeit fing er an zu zittern. Anrawen konnte hin und wieder einen kleinen Blitz in der Luft erkennen. Ab und an sah dieser Blitz aus wie ein Riss zwischen den Dimensionen, aber er verschwand so schnell wieder, dass sie es nicht genau erkennen konnte.
Doch auf einmal wurde sie abgelenkt. Das Fremde war wieder da. Stärker als zuvor. Nebel trat vor ihre Augen. Auf ihre Stirn traten Schweißperlen. Sie versuchte das Fremde zu fokussieren. Da war es! Nein, jetzt war es wieder weg. Sie suchte in Gedanken die Gegend ab. Sie bekam nicht mit, was um sie herum geschah. Sie bekam nicht mit, wie Rommath sie schüttelte und versuchte, sie aufzuwecken. Sie konzentrierte ihre ganze Kraft auf ihre innere Abwehr, denn das Fremde griff nach ihr. Sie konnte einen schwarzen Schemen entdecken, der gierig seine Hände nach ihr ausstreckte. Geflüsterte dämonische Worte raubten ihr fast den Verstand. Sie versuchte einen Gegenangriff. Sinnlos. Er prallte an dem Schemen ab wie Luft. Sie konnte nichts machen. Sie wurde nach und nach in einen Abgrund gerissen. Ihre Abwehr bröckelte unter den konzentrierten Angriffen zusammen. Sie spürte den Boden des Abgrunds immer näher kommen, obwohl sie undurchdringliche Schwärze umfing. Der Schemen öffnete ein Maul und verzerrte es zu einem höhnischen Grinsen. Schreckliches Gelächter ertönte. Bald würde sie auf dem Boden des Abgrundes auftreffen. Das würde ihr Ende sein. Im nächsten Moment würde ihr Körper zerschellen wie Glas. Alle Hoffnung wäre dahin. Jetzt!. Ihre Abwehr brach zusammen. Ihr letzter Gedanke war:
„Ist das das Ende?“.
12
Sie hatte ihre Möglichkeit, rechtzeitig aus dem Raum zu kommen versäumt. Die Klinke der Zwischentür wurde schon langsam herunter gedrückt. Würde sie jetzt die Tür, welche auf den Gang führte, öffnen, würden die zwei Männer das sicherlich bemerken. Sie blickte sich innerhalb von Augenblicken hektisch in dem Raum um. Doch sie sah keine Möglichkeit, sich irgendwo zu verbergen. Außer ...
Sie huschte hinter die Zwischentür und hoffte, dass diese nach außen aufging. Sie ging nach außen auf. Die zwei Menschen, die heraus kamen kümmerten sich nicht um die Umgebung. Sie waren immer noch in ihr Gespräch vertieft. Fenaria sah, dass diese Leute eine hohe Position einnehmen mussten. Sie waren in prächtige Gewänder gekleidet und auf ihren Finger steckten unzählige teure Ringe. Außerdem waren sie ordentlich rasiert, was Fenaria bisher noch bei keinem Menschen bemerkt hatte.
Fenaria hörte ihrer Unterhaltung weiter zu.
„Was meinst du hat Sie mit ihrer Tochter vor?“.
„Ich will es mir lieber nicht vorstellen. Sicherlich nichts gutes. So hat Sie sich nicht angehört, als sie das letzte Mal vorbei kam und uns sagte, was sie da suchte. Aber wie gesagt, was sie mit dieser Frau vorhat ist mir egal. Solange die Bezahlung stimmt. Und das tat sie bisher immer.“.
„Du hast wahrscheinlich Recht. Nun lass uns mal nach dieser Frau schauen. Nicht, dass sie uns noch vor der Nase wegflitzt“.
Mit einem lauten Lachen verschwanden sie auf den Gang. Fenaria saß starr in der Ecke hinter der Tür und rührte sich nicht. Ihre Gedanken jagten sich. Was hatte ihre Mutter vor? Warum hatte sie mit diesen Männern zu tun? Warum wollte sie sie unbedingt finden?
Mitten in ihren Gedanken störte sie ein Quietschen. Sie schaute auf und hatte das Gefühl ihr Herz würde stehen bleiben. Sie sah, wie die Tür langsam aufging. Jeder, der dort jetzt hereinkam würde sie sofort sehen. Doch die Tür ging nicht weiter als einen Spalt auf. Das Gesicht, welches sich durch diesen Spalt schob, gehörte Linda. Die Spannung fiel von Fenaria ab. Aber Linda erinnerte sie an ihre Situation.
„Was hängst du da drinnen noch rum? Wir müssen hier raus. Schnell jetzt!“.
Fenaria erhob sich, obwohl die Gedanken immer noch in ihrem Kopf umher schwirrten und sich gegenseitig jagten wie aufgescheuchte Hühner.
Sie folgte Linda zurück auf den Gang, wo der Elf wartete. Fenaria wusste noch nicht, wie sie mit der Information, dass er ihre Mutter hatte töten sollen, umgehen sollte. 'Zur Vernunft bringen' hatte er es genannt. Sie hatte in den kurzen Gesprächen, die sie mit gehört hatte erfahren, dass ihre Mutter ein Monster war. Aber rechtfertigte das einen Mord? Warum hatte der Elf ihr nicht gleich die Wahrheit gesagt? Dachte er, dass sie damit nicht umgehen könnte? Hatte er vielleicht bei anderen Sachen auch gelogen? Dass ihre Mutter sich gegen ihn gewandt hatte, als er mit einem Mordauftrag zu ihr gekommen war, war ja nun nicht unbedingt überraschend. Oder hatte er es vielleicht doch erst im Guten versucht und sie war ihm überhaupt nicht entgegen gekommen? Schließlich war er nach seinen Angaben einmal ein Freund von ihr gewesen.
Aber all diese Fragen mussten warten. Zu erst mussten sie hier raus. So folgte Fenaria ohne ein Wort zu sagen dem Fraun und Linda, welche schon voraus gegangen waren. Ihr Weg führte sie weiter durch steinerne Gänge, welche ohne Kunst angelegt worden waren. Reine Zweckmäßigkeit zeichnete sie aus. In speziellen Halterungen an den Wänden steckten rußende Fackeln. Die Luft in den Gängen war dementsprechend stickig. Ein düster flackerndes Licht herrschte. Die Stimmung der drei Flüchtenden war dementsprechend gedrückt. Der Elf ging immer noch mit schlafwandlerischen Sicherheit voraus. Sie erreichten eine Gabelung, und der Elf bedeutete ihnen stehen zu bleiben und zu schweigen. Er lugte vorsichtig um die Ecke. Dann zog er schnell seinen Kopf wieder zurück und flüsterte zu Fenaria und Linda: „Wir sind am Ende des Kerkertraktes angelangt. Aber der Ausgang wird von zwei Wächtern und einer massiven Holztür versperrt. Ich möchte, dass ihr hier bleibt, während ich uns Durchgang verschaffe.“.
Fenaria begehrte auf.
„Aber wie wollt ihr das denn machen? Ihr sagtet doch, ihr könnt keine Magie mehr wirken, durch ... durch diesen Unfall.“.
„Habe ich mich so ausgedrückt? So meinte ich das aber nicht. Ich bin nur nicht mehr in der Lage 'richtige' Magie, mächtige Magie zu wirken. Wegen diesem Weibsbild. Kleine Spielereien kann ich durchaus noch durchführen. Aber wir haben keine Zeit zu reden.“.
Ohne auf Antwort zu warten ging er um die Ecke.
Fenaria zuckte zusammen als kurz hintereinander zwei schrille Schreie ertönten und von Geräuschen begleitet wurden, deren Ursprung sich Fenaria lieber nicht ausmalen wollte.
Danach ein einzelner lauter Knall. Das alles geschah innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne.
„Ihr könnt kommen.“. Die Stimme hatte einen eigenartigen Unterton.
Als sie um die Ecke bog drehte sich Fenaria der Magen um.
Falls hier vorher einmal zwei Menschen gestanden hatten, war davon nicht mehr viel übrig. Die Wände waren rot vor Blut und Innereien. Auf dem Boden lagen zwei kleine rote Haufen undefinierbarer Konsistenz. Die Tür war von unglaublicher Gewalt aufgebrochen worden. Sie hing nur noch lose in den unteren Angeln und schwang langsam hin und her.
In dem ganzen Gemetzel kniete der Elf und hatte einen fiebrigen Ausdruck in den Augen. Er schien mit seinen Armstümpfen in den verbliebenen Leichenteilen zu wühlen.
Fenaria beeilte sich durch die Tür zu kommen, während sie sich versuchte auszumalen, wie viel Macht dieser Elf gehabt haben musste, bevor ihm ihre Mutter den Großteil davon beraubt hatte. Linda trat hinter ihr durch die Tür. Wenn es überhaupt möglich war, war sie noch blasser als sonst. Sie stotterte zu Fenaria: „Bist du dir auch ganz sicher, dass er uns noch weiter hFraun wird, wenn wir hier raus sind? Ich habe langsam Angst vor diesem Fraun, Fenaria!“.
Fenaria konnte nichts erwidern, denn auch sie war sich ihrer Gefühle für diesen Fraun überhaupt nicht mehr sicher. Einerseits half er ihnen hier heraus zu kommen. Aber die Grausamkeit, mit der er dabei vorging, gefiel ihr gar nicht. Als ob es nötig gewesen wäre, die Wachen derartig zu zerreißen. Nicht, dass Fenaria Mitleid mit diesen Leuten gehabt hätte, die sie ihrer Mutter für Geld ausliefern wollten. Aber sprach so ein Vorgehen nicht für eine dunkle Seele, die kein Mitleid kannte? Wie passte das alles zusammen?
Der Elf kam schließlich auch durch den Rest der Tür. Vor sich hielt er mit Magie einen blutverschmierten Schlüsselbund in der Luft.
„Nimm du den bitte, und verwahre ihn, Fenaria. Wir werden ihn bald brauchen.“. Der Schlüsselbund glitt in Fenaria Hand, welche ihn widerstrebend an ihrem zerrissenem Kleid abwischte und einsteckte.
Der Elf ging an ihnen vorbei, ohne ihnen einen Blick zu schenken. Dennoch konnte Fenaria einen Blick in seine Augen werfen. Sie brannten regelrecht vor entfachtem Zorn und Mordlust. Fenaria schüttelte sich. Trotz ihrer inzwischen aufgeflammten Angst vor diesem Elf, musste sie eine Frage an ihn loswerden.
„Warum habt ihr die Wachen, die euch täglich etwas zu essen gebracht haben, oder die Kerkertür nicht auch einfach so beseitigt? Oder auf unserem Weg hierher. Wir hätten den Wachen doch nicht ausweichen brauchen, oder? Wir -“. Ein Blick des Fraun brachte sie zum sofortigen Verstummen. Die Augen hatten jeden milden Ausdruck, welchen sie noch in der Zelle beim ersten Erkennen gehabt hatten, verloren. In seinen Augen loderte etwas dunkles, schwarzes.
„Der Kerkertrakt ist mit einem anti Magie Feld überzogen, Kind! Hast du das denn nicht gemerkt? Erst hier, kurz vor dem Ausgang hört es auf. Zu unserem Glück. Soweit haben diese dreckigen Menschen wohl nicht gedacht! Bis zum Ausgang, der nicht mehr weit ist, haben wir freie Bahn, keinerlei Anti Magie Feld behindert meine Macht mehr. Jetzt werden diese Maden sehen, was sie davon haben, deiner Mutter einen 'Gefallen' zu tun!“.
Er bemerkte nicht, dass er mit diesem Satz seine vorherige Erklärung, er sei auf dem Rückweg von diesen Leuten gefangen genommen worden, zur Lüge erklärte.
Fenaria nahm dies stumm zur Kenntnis.
Auf ihrem weiteren Weg begegneten sie wiederum keinem einzigen Posten. Den Elf schien das fast schon zu enttäuschen. Er blickte in diverse Gänge, als hätte er die Hoffnung, noch ein paar Körper zerfetzen zu können. Doch nirgends erschienen mehr Menschen. Fenaria empfand das als sehr eigenartig. Dafür, dass dies das Hauptquartier des scharlachroten Kreuzzuges sein sollte, war hier viel zu wenig los.
Die Gänge, durch die sie nun wanderten waren weitaus schöner gestaltet, als die im Kerkertrakt. An den Wänden hingen kunstvoll bestickte Teppiche. Das Licht wurde nicht mehr von flackernden Fackeln gespendet, sondern kam entweder durch Fenster oder von wunderschönen Kronleuchtern. Ein Gang, durch den sie kamen war geschmückt mit Statuen von wahrscheinlich berühmten Persönlichkeiten des scharlachroten Kreuzzuges, von denen Fenaria allerdings keine einzige kannte.
Sie erreichten eine kleine Tür. Fenaria dachte zuerst, sie führe auf einen weiteren Gang. Aber als der Elf ihr regelrecht befahl, nun den Schlüsselbund zu gebrauchen, und sie durch die aufgeschlossene Tür hindurch schritten fanden sie sich in dem finsteren Wald wieder. Es war also ein Hinterausgang gewesen.
Der Elf schritt wieder voraus ohne ein Wort zu verlieren. Linda und Fenaria folgten ihm gezwungenermaßen. Fenaria traute sich nach einiger Zeit zu fragen: „Ähhm, wo genau wollt ihr jetzt hin? Wir wollten eigentlich nach Unterstadt. Ich finde es ja sehr ähh nett von euch, dass ihr uns geholfen habt. Aber müsst ihr weiterhin – ich meine, wir wollen euch nicht länger belästigen, und vielleicht sollten wir uns lieber trennen. Was meint ihr?“. Im Verlauf dieser Sätze war der Elf immer langsamer geworden und Fenaria immer kleinlauter. Auch Linda, welche am Anfang heftig genickt hatte, um ihre Zustimmung zu zeigen, stellte das ziemlich schnell wieder ein.
„Ihr...wollt... alleine weiter? Warum? Was habe ich euch getan? Und überhaupt. Unterstadt? Was findet ihr da schon? Nichts als den Tod. Wortwörtlich. Ihresgleichen!“. Er zeigte auf Linda. Seine Augen funkelten, dem Wahnsinn nahe. Fenaria ärgerte sich, dass sie nicht aufmerksamer gewesen war. Die lange Zeit in Gefangenschaft musste diesen Fraun geistig vollkommen zermürbt haben. Doch kam wohl erst jetzt, wo er wieder in Freiheit war, sein Wahnsinn völlig an die Oberfläche.
„Ich fände es besser, wir ließen dieses Geschöpf hier eine andere Richtung einschlagen als die unsrige. Oder – noch besser. Wir lassen sie hier zurück. Und zwar endgültig!“.
Linda begann zu zittern und stellte sich hinter Fenaria. Diese wollte zuerst ihren Ohren nicht trauen.
„Ihr – ihr wollt sie doch nicht etwa töten, oder? Sie – sie ist meine Freundin!“.
„Oh, was meinst du denn was ich mit endgültig meine? Sie ist doch schon tot, da stellt das doch keine große Veränderung dar.“ Seine Augen funkelten bösartig. „Und außerdem glaube ich nicht, dass so eine Freundin gut für meine Tochter ist!“.
Er schien selbst nicht zu bemerken was er gerade gesagt hatte. Doch Fenaria blieb der Mund offen stehen und sie musste mit ansehen, wie der Magier sich auf die sich an sie klammernde Linda konzentrierte.
„Sag ein zweites Mal 'Tschüss' zur Welt, bald nicht mehr lebende Leiche!“.
13
Plötzlich wurde sie aus dem Dunkel geworfen. Sie traf hart auf der Erde auf. Dennoch blieb ihr Bewusstsein noch in der hintersten Ecke ihres Kopfes zurück. Das Einzige, was sie realisierte war, dass sie noch lebte. Entgegen jeder Wahrscheinlichkeit lebte sie noch. Das Fremde, was sich in ihrem Kopf eingenistet hatte, war weg. Nachdem sie das festgestellt hatte, driftete sie wieder in die Dunkelheit zurück.
Nach einer nicht definierbaren Zeit wachte sie wieder auf. Sie wollte aufspringen. Aber sie musste vorher eine lange Zeit gelegen haben,denn ihr wurde sofort schwindelig und sie musste sich wieder setzen.
„Erst stundenlang ausruhen, und dann hetzen. Typisch.“.
Sie schaute zu der Stimme. Da saß Rommath an einem Feuer. Über dem Feuer drehte sich wie von Geisterhand gehalten ein toter und gehäuteter Hase, welcher einen angenehmen Duft verbreitete.
Anrawens Gesicht musste einen ungläubigen Ausdruck angenommen haben, denn Rommath sagte: „Was dachtet ihr denn? Dass ich euch im Todeskampf mit 'was weiß ich was' zurücklasse? Das Portal baute sich im letzten Augenblick auf, und ich zog euch durch. Blöderweise war es etwas falsch ausgerichtet, und wir kamen etwa einen Meter über dem Boden raus. Aber ihr wart schon so abwesend, dass euch der Sturz nicht gekümmert hat. Das Portal schloss sich hinter mir sofort wieder. Naja, dann habe ich euch hier her geschliffen.“.
Anrawen empörte sich.
„Geschliffen? Was fällt euch ein? Ich bin eine Priesterin der Elune! Mich 'schleift' man nicht! Ich -.“.
„Ihr seid jetzt erst einmal leise. Wäre ich nicht gewesen, wärt ihr jetzt wahrscheinlich tot oder ein Werkzeug von irgendwas.“.
Anrawen setzte eine schnippische Miene auf.
„Pah! Ich wäre mit diesem Ding gut fertig geworden. Ihr habt nur verhindert, dass ich herausfinden konnte, mit was wir es zu tun hatten.“.
„Ja, sicher. Deswegen habt ihr auch geschrien wie am Spieß und euch am Boden gewunden. Zum Schluss seid ihr ganz leise geworden, und wirktet wie tot. Ehrlich gesagt, ich weiß im Moment selbst nicht, warum ich euch mitgenommen habe, wenn ihr euch so anstellt!“.
Anrawen drehte sich weg. Sie erwiderte nichts mehr. Sie wusste, dass dieser Elf Recht hatte. Auch wenn es ihr nicht gefiel. Er hatte ihr das Leben gerettet. Nur den Grund konnte sie nicht verstehen. Hatte er eingesehen, dass sie nun das gleiche Ziel verfolgten? War es eine reine Reaktionshandlung gewesen? Sie wollte sich Klarheit verschaffen. Sie versuchte Rommaths Gedanken zu lesen. Aber sie stieß auf eine Barriere, die sie nicht überbrücken konnte.
„Nein, Priesterin. Nicht mehr. Ihr habt mir genug Zeit gelassen, einen Schutzzauber zu wirken. Ohne große Anstrengung werdet ihr meine Gedanken erst einmal nicht mehr lesen können!“.
Anrawen wollte gerade etwas erwidern, als sie unterbrochen wurde. Von einer Stimme, die aus dem Wald kam.
„Ihr befindet euch auf unserem Gebiet. Dem Gebiet des Scharlachroten Kreuzzuges! Sprecht. Kommt ihr mit feindlichen oder mit freundlichen Absichten?“.
Rommath musste lächeln. Er stand auf.
„Wir, zwei verlorene Wanderer, kommen weder mit feindlichen Absichten noch mit freundlichen Absichten den ehrenwerten Herren des scharlachroten Kreuzzuges gegenüber. Wir hatten uns nicht erhofft, in diesem trostlosen Gebiet auf zivilisierte Lebewesen zu stoßen. Wir stehen neutral zu jeglicher Handlung dieser ehrenwerten Herren gegenüber.“ etwas spöttisch fügte er hinzu: „Wenn diese Handlung nicht gerade mit einer kleinen rothaarigen blassgrünhäutigen Frau zu tun hat.“.
Stille. Nur leises Rascheln. Rommath fürchtete schon zu viel gesagt zu haben. Aber dann kam aus dem Wald verhaltenes Gelächter und zusammen damit erschienen drei Menschen. Alles Männer. Sie hatten die Schwerter gesenkt.
Einer mit langen schwarzen Haaren begann zu sprechen.
„Nein, so eine Frau kennen wir nicht. Zwar eine mit roten Haaren, aber – au!“.Ein älterer Mann mit einer Glatze hatte dem Schwarzhaarigen den Ellenbogen in die Seite gerammt und raunte ihm jetzt zu: „Darüber müssen die wirklich nichts wissen!“.
Der andere Mann rieb sich seine Seite und fuhr fort. Das Thema mit der Frau auslassend.
„Wir sehen selten lebende Wesen in diesem Wald. Wir wären froh, wenn wir euch für eine Nacht Unterkunft und Verpflegung anbieten können. Oder auch für zwei“. Er lächelte.
Rommath schaute Anrawen fragend an. Sie schaute fragend zurück, nickte aber schließlich. Sie antwortete.
„Wir bedanken uns sehr für ihre Gastfreundschaft. Ich denke eine Nacht in einem normalen Bett wird uns gut tun. Geht voraus, wir folgen euch.“.
Der Mann, welcher bisher noch nichts gesprochen hatte, meldete sich zu Wort. Er hatte ein grobes Aussehen, so dass man ihn mehr für einen Wirtshausschläger als für ein Mitglied des Scharlachroten Kreuzzuges halten konnte.
Seine Stimme bekräftigte diese Vermutung eher noch. Sie war rau und sehr unfreundlich.
„Ihr müsst mir eure Waffen aushändigen, wenn ihr unser Gebiet betreten wollt.“. Ohne jegliche Floskeln trug er diese Forderung vor.
„Wir tragen keinerlei Waffen bei uns“.
Als Antwort grunzte der Mann nur und raunte: „Magie wirken ist auf unserem Gelände auch verboten!“.
Dann ging er einfach zwischen den anderen zwei Männern hindurch.
Der Glatzköpfige folgte ihm. Der Schwarzhaarige lächelte den zwei Fraun entschuldigend zu und winkte ihnen, ihm zu folgen.
Anrawen flüsterte Rommath zu: „Also die zwei, der ohne Haarpracht und der der aussieht wie ein Schrank. Die sind nicht sonderlich erfreut darüber, uns mitzunehmen. Es kommt ihnen komisch vor, einen Mensch mit einer NachtFrau zusammen zu sehen. Der mit den Rabenschwarzen Haaren allerdings freut sich tatsächlich über unsere Gesellschaft.“ sie schaute kurz so, als ob sie überlegen musste, ob sie eine bestimmte Sache erzählen sollte oder nicht. Sie entschloss sich dafür. „Und als ihr das mit der Frau gerufen hatte. Da kamen ein paar eigenartige Gefühle bei mir an. Eins davon war Verwirrung gemischt mit einer Portion Angst. Ein anderes Misstrauen. Aber, und das ist schwer zu erklären, als sie bemerkten dass ihr das mit der Hautfarbe ernst gemeint hattet, und als sie mich gesehen hatten, eine NachtFrau, ließen sie von ihrer Vermutung ab. Die Vermutung war so von anderen Gefühlen überlagert, ich konnte sie nicht klar erfassen. Ich habe nur so viel erkannt, dass sie mit eurer Beschreibung etwas verknüpften was sie kannten. Und es war nicht Fenaria.“.
Rommath nickte. Er hatte eine Vermutung bekommen. Zu Anrawen gewandt sprach er einen Teil davon aus.
„Was wäre, wenn Kael Fenaria nicht verfolgen würde, weil er etwas von der Prophezeiung weiß, sondern weil er sie verwechselt?“.
„Wie meint ihr das?“.
Rommath konnte nicht aussprechen was er sich ausgedacht hatte, denn sie waren inzwischen an ihrem Ziel angelangt. Die Drei Männer wandten sich zu ihnen um. Der Schwarzhaarige lächelte. Die anderen zwei hatten mürrische Mienen aufgesetzt.
Der Schwarzhaarige begann wieder zu sprechen: „So, da wären wir. Mein Name ist übrigens Robert, und das hier sind Eberhard und Friedrich. Vor uns seht ihr die Mauern des Klosters.“. Sie gingen auf ein Tor zu, welches in eine lange Steinmauer eingelassen war. Die Mauer umrundete das riesige Kloster. Vor dem Tor standen zwei Wachen, welche nervös immer wieder durch das offene Tor spähten. Als die kleine Truppe bei diesen angekommen war, flüsterte ihnen der eine Wachmann etwas zu. Rommath und Anrawen konnte nicht verstehen, was er sagte, aber die anderen wohl umso besser. Die Nervosität ging sofort auf sie über. Eberhard und Friedrich entfernten sich schnellen Schrittes. Nur Robert blieb noch bei den zwei Fraun. Doch auch er war nervös, und hatte Mühe, sein Lächeln zu behalten. Auch schien er sich nicht ganz sicher zu sein, was er nun machen sollte. Schließlich entschied er sich.
„Nun, äh, ja. Wir haben – ähm – Besuch. Bitte verhaltet euch still, und, nun, besonders ihr.“. Er sah Anrawen an. „Tut mir Leid um die Umstände, aber versucht so zu tun, als wärt ihr nicht anwesend.“. Er machte das Tor auf und schritt hindurch. Das Mädchenn folgten ihm. Was sie sahen verschlug ihnen den Atem.
Sie waren auf den Vorhof des Klosters getreten. Er glich einem Exerzierplatz. Es standen Hunderte Soldaten in Formation. Das innere des Klosters musste leer sein, bei so vielen Menschen, die hier draußen standen. Einige machten den Eindruck, als hätten sie ihre Sachen in letzter Sekunde zusammen kramen müssen. Einige hatten keinen Helm auf, bei anderen waren die Rüstungen nicht ordentlich zusammen gebunden.
Als Rommath seinen Blick über diesen Empfang, denn es war sicher einer, schweifen ließ entdeckte er auf einmal roten Haarschopf. Unverwechselbar von einer Frau. Er handelte spontan und ohne zu überlegen.
„Fenaria! Was machst du - .“. Er verstummte. Er hatte nicht gesehen, dass diese Frau wohl der Grund für diese Versammlung war. Sie wurde von zwei wohl hohen Persönlichkeiten begleitet, welche gebückt neben ihr gingen. In geheuchelter Unterwürfigkeit. Er sah seinen Fehler ein, als das Mädchen sich umdrehte. Sie sah tatsächlich aus wie Fenaria. Nur die Hautfarbe war anders. Außerdem spiegelte ihr Gesicht eine Grundeinstellung wieder, welche Rommath ein ungutes Gefühl in den Magen trieb. Das Mädchen schüttelte die zwei Menschen an ihrer Seite ab und kam auf Rommath zu. Ihre Person sprühte geradezu vor Autorität. Sie hatte einen aufrechten und stolzen Gang, welcher zeigte, dass sie sich jedem anderen Wesen gegenüber überlegen fühlte. Ihr feuerrotes Haar fiel ihr lose in den Nacken. Rommath konnte sich nicht rühren. Er war von den zusammengekniffenen dunkelgrünen Augen gebannt, welche sich auf ihn richteten. Der Mund der Frau bildete einen schmalen Strich. Rommath bemerkte, dass Robert neben ihm zu zittern begonnen hatte. Das Mädchen war fast heran. Sie hatte eine pechschwarze Lederrüstung an, welche die Formen ihres Körpers allerdings sehr gut zur Geltung brachte. An ihrer Seite steckten zwei Schwerter. Sie kam so nahe an Rommath heran, dass er ihren Geruch riechen konnte. Sie roch nach allerlei Kräutern. Der Geruch brannte in der Nase. Ihre Lippen verzogen sich zu einem überlegenen Lächeln, bevor sie sich bewegten.
Heraus kamen sechs süffisant ausgesprochene Worte mit einem deutlichen drohendem Beiklang.
„Was wisst ihr über meine Tochter?“.
Rommath schluckte.
14
Ihr Vater. Sie war immer noch wie gelähmt. Da stand er vor ihr und wollte jemanden umbringen, der sich zitternd an sie klammerte. Zusätzlich war dieser jemand auch noch ihre Freundin. Die erste Freundin, die sie je in ihrem Leben gehabt hatte. Wut stieg in Fenaria auf. Wut darüber, dass man ihr schon wieder etwas nehmen wollte, was für sie einzigartig war. Wut darüber, dass das Leben ihr so übel mitspielte. Und Wut auf diesen Mann der da vor ihr stand und vorgab ihr Vater zu sein. Ein Vater, der seiner Tochter das eigentlich hat verheimlichen wollen. Ein Vater, der die Mordlust in den Augen hatte. Fenaria spürte, dass sich die Gedanken des Fraun immer mehr verdichteten. Bald würde er einen vernichtenden Zauber aussprechen, und das einzige was von Linda dann noch übrig sein würde, würde an ihrem Rücken kleben. Wenn überhaupt.
Sie musste irgendetwas unternehmen. Aber was? Was sollte sie gegen ihren Vater, der offensichtlich ein sehr begabter Magister war, ausrichten können? Da sie keine Magie beherrschte, fiel das schon einmal weg. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie griff in ihre Robe und bekam sofort das zu fassen, wonach sie gesucht hatte. Die nächste Bewegung war in jahrelangem Training einstudiert worden. Plötzlich verwandelten sich die Augen des Fraun von in Mordgier blitzenden schmalen Schlitzen zu vor Panik weit aufgerissenen Spiegeln reiner Todesangst. Mit seinen nicht vorhandenen Händen versuchte der Elf das Messer aus seinem Hals zu ziehen. Vergeblich. Er sackte langsam zusammen. Schließlich lag er auf der Erde und zuckte unkontrolliert. Eine Lache roten Blutes bildete sich langsam.
Linda, welche immer noch hinter Fenaria stand zitterte noch stärker als vorher.
Sie brachte ein paar gestotterte Worte hervor: „Du – du – du hast ge – ge – gerade deinen Va – Vater umgebracht. Fü – Für mich?“.
Fenaria schüttelte den Kopf. Auch sie zitterte.
„Nein, er ist nicht tot. Er lebt noch. Schau.“. Und tatsächlich. Der Elf am Boden zuckte immer noch. Dabei hatte er seine Augen auf Fenaria gerichtet. In ihnen brannte der blanke Hass.
Falls Fenaria vorher kurze Zweifel über ihre Tat gespürt hatte, jetzt waren sie weg. Sie fasste Linda am Arm.
„Wir müssen hier weg.“.
„Aber, aber du kannst ihn doch nicht einfach so da liegen lassen!“.
„Was bleibt uns anderes übrig.“. Etwas leiser fuhr sie fort: „Ehrlich gesagt, irgendetwas stimmt hier nicht. Er müsste längst tot sein!“.
Linda schaute Fenaria erschreckt an.
„Du meinst ..“.
„Ich weiß nicht, was ich meine. Ich weiß nur, dass wir hier weg müssen.“.
Sie zog Linda weg von dem am Boden liegenden Fraun. Er zuckte nicht mehr. Aber er atmete noch. Außerdem hatte das Blut aufgehört zu fließen.
„Wo geht’s nach Unterstadt?“.
„Was, wie .. nach .. nach Unterstadt?“.
„Ja, du hast doch gesagt, da könnte man mir hFraun.“.
„Ich ... ich weiß nicht so recht, ob das eine gute Idee ist.“.
„Was meinst du damit?“.
Linda wirkte schüchtern.
„Ich bin da nicht unbedingt sehr erwünscht.“.
Fenaria schaute immer noch fragend. Sie wunderte sich, dass die Verlassene, welche sonst gar keine Probleme damit hatte viel zu erzählen, jetzt stockte. Linda seufzte, bevor sie die nächsten Worte schweren Herzens über die Lippen brachte.
„Es war nicht nur aus Nächstenliebe, dass ich mit dir zuerst zu meinem Zuhause wollte. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, dass du mit mir hier bleibst. Ich wusste damals ja nicht, was wirklich dein Problem war. Hm, ich weiß es immer noch nicht wirklich. Aber es muss etwas großes sein.“. Sie wollte noch weiter reden, aber Fenaria schnitt ihr das Wort ab.
„Du meinst, du wolltest mich 'zwingen' hier zu bleiben?“.
„Nein! Nein. Ich hatte gehofft du würdest freiwillig bleiben.“.
Fenaria erwiderte ungläubig: „Warum sollte ich das denn bitte wollen?“. Sie sprach es heftiger aus als sie eigentlich gewollt hatte.
Linda schaute sie traurig an. Ihre schwarzen Augen glitzerten.
Fenaria bereute ihren letzten Satz sofort.
„Nein – so hab ich das nicht gemeint. Ehrlich nicht. Ich bin froh, dich zu haben. Ohne dich wäre ich doch jetzt nicht hier. Bitte -“. Linda winkte ab.
Sie schniefte. „Ist schon gut. Gehen wir also nach Unterstadt.“.
Fenaria zog die Schultern hoch und ließ sie mit einem Seufzen wieder fallen.
Es würde nichts bringen, wenn sie noch mehr sagte. Linda ging nun schnellen Schrittes voraus. Von Zeit zu Zeit hörte Fenaria ein Schniefen von ihr. Sie machte sich Sorgen, dass sie Linda verletzt hatte. Ihr war es bisher nicht bewusst geworden, aber sie hatte sich an Linda gewöhnt, und brauchte sie. Das merkte sie jetzt. Jemanden getroffen zu haben, der ein ähnliches Schicksal hatte, wie sie, das gab ihr ein gutes Gefühl.
Sie hoffte, dass ihr Linda den Ausrutscher verzeihen würde. So folgte sie ihr einfach ohne ein Wort zu sagen. Sie wusste, dass es manchmal besser war, mit seinen Gedanken alleine gelassen zu werden.
Auch Fenaria war jetzt mit ihren Gedanken alleine. Sie war so in sich versunken, dass sie nicht bemerkte als Linda stehen blieb. Sie stieß hart mit ihr zusammen. Sofort entschuldigte sie sich, aber Linda hatte ihr altes Lächeln wieder gefunden. Auch wenn es etwas bitter wirkte. Linda lächelte sie mit diesem bitteren Lächeln an und wandte sich zur Seite, so dass sich Fenaria der Blick auf ihr offensichtliches Ziel freigab.
Etwas lief eiskalt ihren Rücken runter. Sie sah große dunkle Mauern vor sich. Sie waren ausnahmslos zerfallen und schienen eine unbestimmte Drohung auszustrahlen. Die paar Türme, die noch standen hatten meist kein Dach mehr und waren kaum mehr als Ruinen, die kurz davor waren zusammen zu fallen. Die Stadt sah aus wie ein Leichnam, der in einem vergeblichen Versuch, noch einmal nach dem Licht zu greifen, die verstümmelten Gliedmaßen gen Himmel gestreckt hatte.
„Wo wohnen denn da die Leute? In diesen zerfallenen Ruinen?“. Sie warf einen Blick auf Linda. 'Nun, würde passen' dachte sie sich. Aber Linda berichtigte sie.
„Was meinst du, warum es 'Unter'stadt heißt?“.
„Hm, du meinst, ihr wohnt unter der Erde?“.
„Der Großteil meines ... Volkes, wenn du es so nennen willst, ja!“.
„Trostlos.“.
„Das findet ihr. Ich würde alles dafür geben, wenn ich dort wohnen dürfte.“.
Wieder wurden ihre Augen wässrig.
Fenaria spürte ihre Traurigkeit und fasste sie an der knochigen Schulter, um sie zu beruhigen.
Linda blickte zu ihr auf. Direkt in ihre Augen. Dieser Blick traf sie tief in ihr Herz.
Sie gab sich einen Ruck.
„Also los! Gehen wir.“.
Linda zögerte zuerst noch, dann folgte sie Fenaria, welche zielstrebig auf das aufgebrochene Tor der Stadtmauer zu lief.
Zwischenspiel
Der Astrale lag im Wasser. Er lebte noch. Ein eigenartiges Leben. Ertrinken konnte er nicht, denn er brauchte nicht zu atmen. Er lag dort lange Zeit ohne jegliche sichtbare Aktivität. Sein Geist war beschädigt. Er war nur noch zum Teil er selber. Es schien so, als sei bei dem Tod des Teufelsblütigen ein Teil seines Gedankenguts an Sorandis übergegangen. Die ganze Zeit, in der er still im Wasser trieb, zwischen den Wrackteilen der von ihm zerstörten Boote, kämpfte er mit diesem übrig gebliebenen Rest. Es war ein Kampf auf geistiger Ebene. Schließlich gewann Sorandis die Oberhand. Er trieb den bösartigen Rest des Teufelsblütigen in die hinterste Ecke seines Kopfes. Er hatte nicht die Kraft, ihn ganz aus seinen Gedanken zu verbannen. Doch damit musste er jetzt leben.
Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er konnte sich nur bruchstückhaft an die Vergangenheit erinnern. Er schwamm zum Ufer. Als er die ganzen toten NachtFraun sah packte ihn das Grauen. Er hatte das getan. Das wusste er. Aber warum? Wonach hatte er gesucht? Was war sein Ziel gewesen? Oder das Ziel dieser – Leute? Er sollte etwas finden. Eine Person. Plötzlich fiel es ihm wieder ein. Dieser Magier. Rommath. Und dieser wiederum wollte etwas von Fenaria. Aber was? Hatte er etwa das gleiche Ziel wie Sorandis? Oder den gleichen Grund? Nein, das glaubte Sorandis nicht. Außerdem war der Magier wahrscheinlich tot. Irgendwo unter den Leichen dieser ganzen Fraun.
Er musste seinem eigenen Ziel wieder nachgehen. Fenaria finden! Er würde wieder ganz von vorne anfangen müssen. Aber das war egal. Die Hauptsache war, er fand sie vor ihrer Mutter. Er musste so ein Zusammentreffen auf jeden Fall verhindern.
Es würde eine Katastrophe auslösen, die bisher nur den Astralen bekannt war.
Es würde – .
Er konnte seinen Gedankengang nicht fortsetzen. Etwas bohrte sich in seinen Körper. Er schaute nach unten und entdeckte einen Pfeil, der in seiner Brust zitterte. Bevor er den Schützen ausmachen konnte, durchschlug ein weiterer Pfeil seinen magischen Körper.
Sorandis sackte zusammen. Die magischen Energien, welche ihn bisher am Leben gehalten hatten verließen langsam seinen Körper.
Er sah einen Nachtelf auf ihn zu kommen. Dieser Nachtelf hatte ein Geweih.
Sorandis dachte daran, dass nun niemand seine Mission zu Ende führen konnte. Er hoffte, dass Fenaria selbst die Lüge durchschauen würde. Ohne seine Hilfe. Er hoffte.
Ein unsterbliches Leben verging in einem blendenden Lichtblitz, als der Druide einen letzten Zauber wirkte.
15
Er konnte ihren Atem auf seiner Haut spüren. Ihre harten aber fein geschnittenen Züge direkt vor seinem Gesicht. Er sah die Skrupellosigkeit in ihren smaragdgrünen Augen. Und die Wissbegierde. Sie würde bekommen was sie wollte. Das hatte sie bisher immer.
„Redet schon, Magier. Oder ich werde euch dazu bringen. Und seid euch sicher, das kann ich!“. Ein diabolisches Lächeln umspielte ihre Lippen.
Rommath schluckte ein weiteres Mal. Aber er sagte nichts. Er hatte auch nicht vor, etwas zu sagen. Was war in diese Frau gefahren? Was hatte sie mit ihrer Tochter vor? Warum hatte sie sie überhaupt verloren? Warum wollte sie sie wieder finden? Wusste sie von der Prophezeiung?
„Freiwillig wollt ihr also nicht reden?“. Sie zuckte kurz die Schultern. „Eure Entscheidung.“.
Sie wendete sich ab und kehrte ihm den Rücken zu. Rommath wollte aufatmen, als sich das Mädchen plötzlich mit einer schnellen, eleganten Wendung umdrehte. Mit einem Zischen fuhr eins ihrer Schwerter aus der Scheide. Scharf schnitt es in seinen Hals. Nicht tief. Aber tief genug, dass er wusste, dass sie es ernst meinte.
„Ich gebe euch genau drei Sekunden. Wenn ihr mir bis dahin noch nichts gesagt habt, werdet ihr sterben. Aber langsam. So langsam, dass ihr noch genug Zeit habt, mir alles zu erzählen, was ihr wisst.“. Ohne ihren Blick von Rommath abzuwenden fuhr sie zu der NachtFrau gewandt fort: „Und ihr Priesterin haltet eure Gedanken bei euch! Ich bin immun gegen solcherlei Spielchen!“.
Rommath blickte direkt in ihre Augen. Er konnte nur Härte in ihnen erkennen. Unglaubliche Härte. Kein Funken von Mitleid oder Gnade. Sie würde erreichen, was sie wollte. Und das mit jedem Mittel. Sie kannte keine Skrupel. Sie würde ihn töten, wenn ihr sich nicht entschloss freiwillig zu reden.
„Eins.“. Ein Funkeln in ihren Augen. Sie würde Spaß dabei empfinden.
„Zwei.“. Sie hatte Erfahrung in solchen Sachen. Es war für sie reine Routine.
„Drei!“. Ihr Lächeln verbreiterte sich. Er spürte ein zweites Schwert an einem seiner empfindlichsten Körperteile. Er biss die Zähne zusammen. Er würde nicht reden.
Plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter. Es war Roberts Stimme, die Rommath hörte. Sie war nicht sehr fest. Er hatte Angst.
„Das könnt ihr nicht machen. Diese Leute stehen unter dem Schutz des Scharlachroten Kreuzzuges!“.
Ihr Gesicht erstarrte. Er sah den Zorn in ihren Augen aufflackern. Zorn darüber, dass man sie in ihren Absichten störte.
Sie wirbelte so schnell herum, dass Rommath nur noch ihre Haare im Gesicht spürte. Als er die Augen einen Moment später wieder öffnete, sah er das Mädchen neben sich stehen. Sie presste den Menschen gegen die Steinmauer. Eins ihrer Schwerter steckte bereits in seinem Unterleib. Furcht spiegelte sich in seinen Augen wieder. Furcht vor dem Tod. Einem Tod der nicht mehr weit entfernt war. Langsam aber sicher kam er näher. In Form einer in eine pechschwarze Lederrüstung gehüllten Frau mit feuerroten Haaren. Auch ihre Stimme zitterte. Aber nicht aus Angst. Ungezügelte Wut ließ sie unkontrolliert klingen.
„Und wer sagt das? Hm, wer?“. Das letzte Wort unterstrich sie mit einem Rucken ihres Schwertes im Körper des hilflos an der Mauer lehnenden Menschen. Er gab einen erstickten Schmerzenslaut von sich. Seine ganze Mimik bettelte nach Erlösung. Aber das Mädchen schien nicht bereit sie ihm zu gewähren. Weder auf die eine noch auf die andere Weise. Stattdessen redete sie weiter. Sie stieß die Worte zwischen ihren Zähnen hervor.
„Was denkst du wer du bist, dass du dich mir in den Weg stellen kannst? Euer erbärmlichen Kreuzzug wird mich an nichts hindern! Euer Kreuzzug nicht und auch nichts anderes. Merk dir das ein für alle Mal!“.
Mit einem schmatzenden Geräusch zog sie ihr Schwert aus dem Körper des stöhnenden Menschen. Dieser rutschte langsam an der Mauer herunter. Eine blutrote Spur kennzeichnete seinen Weg. Das Mädchen betrachtete von oben herab ihr Werk. Sie schien zufrieden zu sein. Den Menschen ließ sie röchelnd am Boden liegen, als sie sich mit einem Lächeln wieder Rommath zu wandte.
Sie wollte gerade mit der unterbrochenen Arbeit fortfahren und setzte das nun von Blut triefende Schwert wieder an. Doch diesmal waren es vier Hände, die sie festhielten. Rommath sah, dass sich ihre Augen kurz überrascht weiteten, bevor sie sich zu schmalen Schlitzen verengten. Diesmal behielt er die Augen offen. Doch dennoch ging alles schneller, als dass er es auffassen konnte. Plötzlich sah er die zwei kräftigen Männer am Boden liegen, die sicher einen Kopf größer waren als das Mädchen. Diese stand über einem von beiden. Mit erhobenen Schwertern. Bereit dem Opfer den Todesstoß zu versetzen. Doch etwas hinderte sie. Als Rommath in die Blickrichtung der Frau sah, entdeckte er auch den Grund. Dort standen ungefähr ein Dutzend Armbrustschützen mit aufs Ziel gerichteten Bolzen. Das Ziel war das Mädchen.
Einer der zwei Menschen, welche das Mädchen am Anfang beglitten hatten, trat vor. Seine Stimme war deutlich fester und spiegelte seine hohe Stellung wieder.
„Ihr seid immer noch ein Gast auf diesem Gebiet, Frau! Oder besser gesagt, ihr wart es. Ab jetzt können wir euch hier nicht mehr dulden. Ihr habt einen der unsrigen schwer verwundet, wenn nicht sogar umgebracht. Außerdem belästigt ihr unsere Gäste, welche unter unserem Schutz stehen. Aber wir beziehen uns auf unsere langzeitige gute Geschäftsbeziehung, wenn wir euch nun nicht töten, sondern nur von dem Gelände verweisen. Aber macht schnell. Ich weiß nicht wie lange ich die Finger meiner Schützen ruhig halten kann!“.
Das Mädchen knurrte etwas unverständliches, als sie die Waffen zögernd senkte. Ihr eigentlich sehr schönes Gesicht war verzerrt vor Wut. Mit einer fließenden Bewegung steckte sie die beiden Schwerter ein, und ging mit wehendem Haar Richtung Tor. Die Spitzen der Armbrustbolzen folgten ihr. Als sie bei Rommath vorbei kam, zischte sie ihm lediglich vier Worte zu: „Wir werden uns wiedersehen!“.
Sie verschwand durch das Haupttor. Kurze Zeit später konnte man das Getrappel eines Falkenschreiters hören, das schnell leiser wurde.
Rommath atmete einmal heftig aus. Er hatte mit seinem Leben bereits abgeschlossen. Er fragte sich, was das für 'Geschäfte' gewesen waren, von denen der Mensch gesprochen hatte, dass diese sonst so fanatische Bruderschaft eine so verbrecherische Handlung auf ihrem Gebiet nicht mit gleichem vergalt.
In diesem Moment kam der Mann auf ihn zu. Robert wurde inzwischen vorsichtig weg getragen. Er stöhnte immer noch. Seine Augen flackerten. Das Schwert war vergiftet gewesen.
„Es tut mir Leid für die, äh, Unannehmlichkeiten. Wir hätten so etwas nie erwartet. Normalerweise hält sie sich zurück, wenn sie auf unserem Gebiet ist. Irgendetwas muss sie sehr, sehr aufgeregt haben. Worüber habt ihr geredet?“.
Rommath antwortete, immer noch verstört: „Ich kenne ihre Tochter.“.
Der Offizier bekam eine ernste Miene und begann zu flüstern.
„Das müsst ihr mir genauer erklären. Wisst ihr, wir hatten ihre Tochter vor kurzem hier 'gefunden', aber sie ist uns entkommen. Wenn ich mir überlege, welche Reaktion schon auf euren einfachen Versprecher folgte, bin ich froh, das ihr gegenüber noch nicht erwähnt zu haben. Aber nun kommt bitte mit“.
Er winkte den Beiden. Rommath spürte ein kleines Gefühl des Erfolgs, als er hörte, dass sich Fenaria tatsächlich in diesem Gebiet aufhielt.
Sie folgten ihm. Auf dem Weg sagte Anrawen das erst Mal seit dem Vorfall mit der rothaarigen Frau wieder etwas: „Ich konnte sie nicht erfassen. Bei anderen abgehärteten Personen ist es so, dass ich so etwas wie eine Barriere überwinden muss. Aber bei ihr war nicht einmal eine Barriere. Da war nichts. Nichts!“. Sie klang fassungslos, und schüttelte während sie sprach ihren Kopf.
Rommath stimmte ihr in ihren Bedenken zu.
„Auch ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Frau. Ich hoffe ihre letzten Worte werden sich nicht bewahrheiten.“. Innerlich hatte er allerdings ein anderes Gefühl. Aber das sprach er nicht laut aus.
Sie folgten dem Offizier durch geheizte Steingänge. Alles war prachtvoll geschmückt. An den Wänden hingen kunstvoll bestickte Teppiche, welche allerlei ruhmreiche Motive zeigten. Der Boden war aus Marmor und mit komplizierten Mosaiks verziert. Doch die drei Personen konnten dafür im Moment keine Aufmerksamkeit aufbringen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Schließlich öffnete der Offizier eine Holztür und bat die zwei Fraun einzutreten. Diese folgten der Aufforderung. Sie betraten einen Raum, der noch kunstvoller und protziger eingerichtet war, als die Gänge. Überall standen Kelche aus Gold und Silber, welche in dem Licht glitzerten. Dieses wurde von einem mächtigen Kronleuchter ausgestrahlt. Ebenfalls aus einem teuren Edelmetall und mit allerlei kostbaren Edelsteinen besetzt. Genau unter dem Leuchter standen ein riesiger Tisch und mehrere aus einer exotischen Holzart gefertigte Stühle. Die NachtFrau fühlte sich hier nicht wohl. Rommath allerdings wurde ein bisschen an Silbermonds erinnert, doch selbst dort war es nicht so protzig wie in diesem Raum. Dennoch fühlte er sich wohl.
Als ihr Gastgeber sie bat, doch bitte Platz zu nehmen ließ Rommath sich das nicht zweimal sagen. Er setzte sich an den pompösen Tisch. Der Mensch verschwand kurz in einem Nebenzimmer und kam mit einer Flasche Wein zurück. Es war ein Import aus Kalimdor, dem anderen Kontinent. Er machte die Flasche auf, und schenkte jedem etwas in ein Glas aus reinem Kristall ein. Dann erst setzte er sich ebenfalls und begann zu reden.
„Verzeiht meine Unhöflichkeit. Mein Name ist Mograine. Ich bin der Kommandant hier. Ich muss mich nochmals entschuldigen. Als Entschädigung für diesen Angriff auf unserem Gebiet biete ich euch Schutz und Unterkunft an. Wenn ihr wollt könnt ihr solange hier bleiben, bis ihr euch sicher fühlt.“.
Rommath musste ablehnen.
„Danke, aber wir müssen weiter. Wir müssen Fenaria finden, bevor es ihre Mutter tut.“.
„Vielleicht solltet ihr wissen, dass Fenaria nicht alleine ist. So eine abscheuliche Untote ist bei ihr. Wenn ihr sie findet, wir bieten euch ein Preisgeld für dieses Wesen. Bei der Suche selbst können wir euch leider nicht unterstützen, wir haben mit unseren eigenen Angelegenheiten im Moment genug zu tun“. Er sprach es nicht laut aus, aber da ihre Mutter nun sicherlich nicht mehr hierher kommen würde, gäbe es auch kein Geld mehr für Fenaria, also war das Interesse an dieser Frau nicht mehr vorhanden.
Doch Rommath dachte an etwas ganz anderes. Eine Untote.
Leise zitierte er die entsprechende Zeile aus der Prophezeiung: „Findet Hilfe bei längst Verlorenem“.
Der Kommandant schaute fragend auf: „Wie bitte?“.
Rommath stand plötzlich auf. „Verlorenem! Damit ist diese Untote gemeint. Wir müssen die zwei finden, und ihnen hFraun ihr Ziel zu erreichen, was es auch immer sein mag.“.
Erst als er einen kurzen Blick auf das Gesicht von Mograine warf, merkte er, was für einen schwerwiegenden Fehler er gerade begangen hatte.
Mograine brauste auf: „Ihr wollt diesem abartigen Geschöpf hFraun? Seid ihr ein Sympathisant dieser Wesen? Und ich dachte euer Volk hätte edle Absichten! WACH..“.
Weiter kam er nicht. Plötzlich schwankte sein Blick ins nichts. Mit offenem Mund blickte er ins Leere. Anrawen sagte ärgerlich zu Rommath:
„Könnt ihr eure vermaledeite Zunge nicht einmal im Zaun halten? Ich weiß nicht, wie lange ich ihn still halten kann. Er hat einen widerstandsfähigen Geist!“.
In dem Moment öffnete sich die Tür. Zwei Wachen kamen herein.
„Ist etwas, Herr?“.
Plötzlich kamen Worte aus dem Mund von Mograine, langsam aber moduliert. Rommath bewunderte die beinahe Vollkommenheit, mit der die Priesterin ihr Fach beherrschte.
„Nein. Nein. Alles in Ordnung. Ich habe gerade nur etwas falsch verstanden. Ihr könnt gehen!“.
Die Wachen warfen noch einen letzten skeptischen Blick in Richtung der NachtFrau, welche mit geschlossenen Augen und äußerst konzentriert auf ihrem Stuhl saß, wagten aber nicht, ihrem Kommandanten zu widersprechen. Sie gingen zögernd aus dem Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.
Anrawen stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Wir müssen jetzt hier weg. Ich werde versuchen, ihn geistig eine Zeit lang still zu legen. Lange wird das aber nicht wirken.“. Gleich nachdem sie das gesagt hatte, fiel der Oberkörper des Menschen haltlos nach vorne. Im letzten Moment beugte Rommath sich über den Tisch und fing den Kopf von Mograine auf. Sachte legte er ihn auf die Tischplatte.
Er warf der Frau einen vorwurfsvollen Blick zu. Diese zuckte nur mit den Schultern.
Sie standen auf und lugten durch die Tür, ob irgendwo in der Nähe noch die Wachen zu sehen waren. Als sie sahen, dass alles frei war, eilten sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Einige entgegenkommende Menschen betrachteten sie zwar skeptisch, sagten aber nichts.
Sie kamen auf den Platz vor dem Kloster. Keine Menschenseele war mehr zu sehen. Scheinbar waren alle Soldaten nach dem misslungenen Empfang wieder in das Kloster gegangen.
Sie beschleunigten ihre Schritte. Gerade waren sie durch das Haupttor, als vom Eingang des Klosters eine Stimme schrie: „Haltet sie! Sie haben etwas mit Mograine angestellt!“.
Rommath schleuderte mit einem kleinen Spruch die zwei Wachen, die von dem Tor auf sie zu eilten nach hinten, und rannte weiter. Anrawen dicht neben sich.
Sie erreichten die ersten Bäume, als sie hinter sich das Stampfen von vielen Füßen hörten. Sie drehten sich im Lauf um, und sahen, dass sie von ungefähr einem Dutzend Soldaten verfolgt wurden. Die ersten Pfeile und Armbrustbolzen zischten an ihnen vorbei, verfehlten sie aber weit. Sie rannten weiter. Plötzlich eine Stimme aus einem Gebüsch. „Hier rüber, schnell!“. Da sie keine Alternative sahen, und die Soldaten schon aufgeholt hatten, folgten sie der Aufforderung und schlugen sich in das Gebüsch.
„So, und jetzt leise. Die Soldaten werden eine Projektion verfolgen.“.
Und tatsächlich, die Soldaten rannten an ihrem jämmerlichen Versteck einfach vorbei.
Rommath und Anrawen drehten sich um, um zu sehen, wer ihnen das Leben gerettet hatte. Aus den Schatten schälte sich eine Gestalt. Es war ein Elf. Er hatte keine Hände, und an seinem Hals klaffte eine schlimme Wunde, die ihn aber nicht weiter zu stören schien. Der Elf lächelte. Ein warmes, herzliches Lächeln. Rommath bedankte sich.
„Vielen Dank für eure Hilfe. Wir wurden von diesen Leute verfolgt weil wir auf der Suche nach einer Frau und ihrer untoten Begleiterin waren. Habt ihr sie zufällig gesehen?“. Das Lächeln des anderen Fraun verbreiterte sich noch, als er antwortete: „Oh ja. Ich kenne sie. Auch ich suche nach diesen zwei. Aber ich wurde von einem Wolf angefallen, und habe sie verloren. Sollen wir uns zusammen tun?“.
Rommath war froh über diesen Zufall. So eine sympathische Unterstützung konnten sie nun gut gebrauchen.
16
Langsam schritten sie auf die verfallenen Mauern zu. Einzig das Mondlicht erhellte ihren Weg. Die Straße war mit unzähligen Löchern übersät, und nicht selten stolperte Fenaria. Linda ging neben ihr und etwas in ihrer Haltung sagte Fenaria, dass sie sich gar nicht wohl in ihrer Haut fühlte. Fenaria fragte sich, wovor sie sich wohl fürchtete.
Niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Weg frei von Trümmern zu räumen. Überall lagen große Steinbrocken auf dem Weg, welche aus den brüchigen Mauern gefallen waren. Als sie das erste große Tor durchschritten beeilte sich Fenaria darunter durch zu kommen, aus Angst es würde jeden Moment zusammen brechen. Sie betraten nun einen Innenhof.
Vor langer Zeit musste hier einmal ein schöner Garten gewesen sein. In der Mitte stand eine komplett zerfallene Statue. Auch mit viel Fantasie konnte man nicht mehr erkennen, was sie einst dargestellt haben könnte. Rechts und links zweigten zwei Treppen zu anderen Räumlichkeiten ab. Alles war überwuchert von Schlingpflanzen. Auch durch diesen Vorhof führte der steinerne Weg. An einem Graben endete er. Eine riesige Holzplanke diente als einfache Brücke. Als die zwei ungleichen Wesen diese überquerten ertönte ein gefährliches Knarzen. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hielt die Brücke aber.
Sie standen nun vor einem geschlossenen Holztor. Doch auf beiden Seiten des Tors führten noch deutlich kleinere Eingänge ins Innere der Burg. Sie nahmen den linken. Dieser führte wiederum in eine kleine Kammer, wo nichts weiter zu sehen war, außer einer Statue ohne Kopf und einem zusammen gebrochenen Tisch. Außer dem spärlichen Mondlicht, das von draußen in den Raum fiel, erhellten noch vier flackernde Fackeln den Raum. Ab und zu kamen ihnen Gestalten entgegen, die sich aber nicht weiter um sie kümmerten.
Ein bogenförmiger Durchgang führte in den nächsten Raum. Auf dessen Boden lag eine alte angelaufene Glocke. Als Fenaria den Blick nach oben richtete, erblickte sie dort eine weitere. Diese hing zwar noch in einigen angefaulten Holzgestellen fest, dennoch beeilte Fenaria sich, aus diesem Raum hinaus zu kommen. Linda schien das alles nicht zu beeindrucken. Sie schritt nur trübsinnig neben Fenaria her. Sie gingen weiter durch einen steinernen Gang, als ihnen plötzlich ein Reiter entgegenkam. Er ritt so schnell, dass Fenaria und Linda erst im letzten Moment ausweichen konnten.
Fenaria traute ihren Augen nicht, aber das Pferd auf welchem der vermummte Reiter saß, bestand ausschließlich aus Knochen. Als sie eine diesbezügliche Frage an Linda stellte, lachte diese nur und sagte, das sei hier normal. Fenaria war nicht zu lachen zumute, und auch Linda setzte schnell wieder ein ernstes Gesicht auf. Sie erreichten den früheren Thronsaal. Ein fast schon armselig zu nennender Thron zeigte an, wo früher einmal König Terenas Menethil über Lordaeron regiert hatte.
Über einen Durchgang, der schräg hinter dem Thron in der Wand klaffte gelangten sie in den nächsten Raum. In der Mitte von diesem stand ein steinerner Sarg. Vier riesige Kerzen hielten Wache über die Ruhestätte des letzten Königs von Lordaeron.
Als sie um die nächste Ecke bogen bekam Fenaria einen riesigen Schreck und wollte schon zurück laufen, doch Linda hielt sie am Arm fest. Denn dort neben der einzigen Tür standen zwei von diesen Bestien, welche genau so aussahen, wie jene, die damals die NachtFraun angegriffen hatte. Sie verbreiteten auch den gleichen Gestank.
Aber Linda flüsterte Fenaria zu: „Du brauchst keine Angst zu haben. Die tun nur Leuten was, die was gegen unser Volk haben. Meistens jedenfalls.“. Fenaria glaubte nicht richtig gehört zu haben.
„Meistens?“.
„Naja, manchmal tun sie sich schwer, zu unterscheiden.“.
Fenaria hatte einen Kloß im Hals, als sie an den zwei sabbernden Bestien vorbeigingen. Sie ließ sie nicht aus dem Blick. Als sie endlich vorbei waren und sie schon aufatmen wollte, hatte sie plötzlich das Gefühl zu fallen. Sie erschrak fürchterlich. Als sie sah, dass sich die Wände tatsächlich mit einer atemberaubender Geschwindigkeit nach oben bewegten, schrie sie kurz erstickt auf. Doch so schnell wie das Gefühl gekommen war, war es wieder vorbei. Vor ihr öffnete sich in der Wand mit verhaltenem Zischen eine Tür. Mit wackligen Knien ging sie nach draußen. Wiederum an zwei von den Fleischbestien vorbei. Sie fühlte sich nicht wohl. Linda sagte zu dem Vorgang nichts.
Sie führte sie noch um ein paar Ecken, bis sie endlich im Inneren von Unterstadt standen.
Fenaria verschlug es die Sprache. Das was sie sah war nicht groß, kein Vergleich zu Silbermond. Aber die Tatsache, dass es alles unter der Erde angelegt war, konnte sich gut mit dem Prunk der Fraunstadt messen.
Alles verströmte eine düstere Stimmung. Die Decke war sehr hoch und mit Totenköpfen geschmückt, außerdem befanden sie sich auf einer Art Galerie, welche im Kreis um ein Gebäude führte, das wohl die Mitte dieser eigenartigen Stadt bildete. Vier Stege führten von der Galerie auf die zweite Ebene, auf der auch der Eingang zu diesem Gebäude war. Von dieser Ebene führten wiederum Treppen auf die unterste Ebene. Diese wurde von einem Graben umspannt, in welchem eine zähe grüne Flüssigkeit floss. Vier Brücken führten über diesen Graben in alle Himmelsrichtungen.
Die Stadt war weitaus belebter, als Fenaria erwartet hatte. Nicht nur Untote trieben sich in wahren Scharen hier herum, auch andere Wesen hatten hier wohl Geschäfte zu verrichten. Nur Fraun konnte Fenaria keine erblicken.
Farben gab es überhaupt keine in dieser unterirdischen Stadt. Alles war in einem tristen grau gehalten. Selbst die Bevölkerung war ohne Ausnahmen dunkel gekleidet. Über allem lag ein Geruch von Verwesung. Auf dem Boden liefen Ratten umher und versuchten dem ein oder anderem Untoten auszuweichen, welcher sie mit Genuss zertreten wollte. Die Untoten waren aber meist sehr treffsicher.
Linda und Fenaria wurden überhaupt nicht beachtet. Alle Wesen außer den Untoten schienen es sehr eilig zu haben, ihre Geschäfte zu erledigen und wieder aus dieser Stadt heraus zu kommen. Sie hasteten von einem Geschäft zum anderen, luden manche Gegenstände in dem großen Gebäude in der Mitte der Stadt ab, und eilten durch einen der vier Ausgänge wieder nach draußen. Auch Fenaria fühlte sich unwohl in dieser Stadt der Toten. Selbst Linda schien darauf zu pochen, die Stadt so schnell wie möglich wieder zu verlassen, wenn vielleicht auch aus anderen Gründen.
Sie drängte Fenaria: „Da wären wir. Was willst du jetzt? Wo willst du Hilfe finden?“.
Jetzt, wo Linda es ansprach, fragte sich Fenaria selber. Die ganze Zeit hatte sie als Ziel diese Stadt vor Augen gehabt. Jetzt, wo sie hier waren, wusste Fenaria nicht weiter. Unentschlossen antwortete sie Linda: „Jaaa, ähhh, gibt es hier auch Fraun?“.
„Nun, tote ganz bestimmt!“.
„Nein, ich meinte eher lebende, aus Fleisch und Blut, so wie mich.“.
Linda musste einen Augenblick überlegen, aber dann nickte sie.
„Ja, ich glaube eine von denen hält sich hier öfters auf. Soweit ich weiß, ist sie meistens im Königsviertel anzutreffen.“.
„Dann gehen wir doch da hin.“. Linda schaute Fenaria etwas skeptisch an.
„Wir können nicht einfach ins Königsviertel reinspazieren. Dafür braucht man eine Vorladung!“.
„Und wo bekommt man so etwas?“.
Eine düstere Stimme unterbrach die Beiden.
„Mit der da werdet ihr die hier nie bekommen!“.
Linda zuckte zusammen und versteckte sich hinter Fenaria. Diese drehte sich um, und sah einen der vielen Untoten vor sich stehen. Scheinbar eine Wache dieser Stadt. Der Mann hatte eine verblichene Metallrüstung an, und ein Schwert steckte in einer Scheide an seiner Seite. Er sah weitaus schlimmer aus als Linda. Seine Hände, die er lässig in seinen Gürtel gesteckt hatte, waren nicht viel mehr als bleiche Knochen. Sein Gesicht war teilweise so ausgemergelt, dass man durch die bleiche Haut die Knochen schimmern sah. Da er außerdem fies grinste konnte man erkennen, dass bereits mehr als die Hälfte seiner Zähne ausgefallen waren.
„Ich dachte, du wüsstest, dass man dich hier nicht mehr sehen will? Ich meine, dass hätten wir dir mehr als deutlich erklärt!“.
Fenaria spürte förmlich wie Linda hinter ihrem Rücken immer kleiner wurde.
„Du hattest deine Chance. Ein zweites Mal werden wir nicht so mild sein. Ein zweites Mal wirst du nicht einfach nur verwiesen. Wir werden dir ein für alle Mal einbläuen, dass wir dich hier nicht mehr sehen wollen! Da bringt es dir auch nichts, dich hinter dieser Frau zu verstecken!“. Linda zitterte hinter Fenaria so stark, dass es sich fast auch auf Fenaria, an welcher sie sich festhielt übertrug.
„Bitte! Ich wollte doch nur meiner Freundin hFraun. Bitte nicht!“. Die Stimme war ein reines Flehen.
Der Untote lachte. Ein hässliches, herzloses Lachen.
„Ha! Deiner Freundin! Ich schmeiße mich weg! Wer sollte sich denn bitte mit dir befreunden? Und dann eine Frau! Köstlich! Du hast nichts gelernt, seitdem, oder? Niemand Linda, will auch nur irgendetwas mit dir zu tun haben! Niemand! Und jetzt werde ich dir zeigen, was mit denjenigen passiert, welche sich unseren Anweisungen widersetzen!“.
Er ging auf Linda zu, welche immer noch hinter Fenaria stand und griff nach ihr. Aber Fenaria stellte sich ihm in den Weg.
„Sie hat nicht gelogen! Ich bin tatsächlich ihre Freundin!“. Der Untote hielt verblüfft inne.
„Ist das euer Ernst? Das da, ist ... eure Freundin?“. Fenaria nickte grimmig.
„Nun, was hat sie euch dafür geboten?“.
Fenaria antwortete verärgert: „Nichts, es ist einfach so gekommen. Aber was geht euch das an?“.
„Dann seid ihr dümmer als ich gedacht habe. Was mich das angeht? Eigentlich nichts. Ich will nur eure ... Freundin.“. Das letzte Wort sprach er spöttisch aus.
„Aber ich will nicht, dass ihr etwas mit ihr anstellt!“.
Der Untote lachte wieder.
„Ich glaube nicht, dass gerade Ihr etwas dagegen machen könnt. Dieses Wesen hat unser Gesetzt verletzt! Es war noch gnädig von uns, sie nur aus Unterstadt zu verbannen! Aber sie hat ihre Chance verspielt. Und jetzt, geht mir aus dem Weg!“.
Er stieß Fenaria von Linda weg. Fenaria wunderte sich, was für eine Kraft so ein Klappergestell haben konnte. Beinahe wäre sie in die grüne Brühe unter sich gefallen.
Zwei Untote welche ihren Balance Akt beobachtet hatten, wendeten sich enttäuscht ab, als sie wieder sicher auf dem Boden stand. Fenaria schüttelte den Kopf über diese Unverschämtheit. Ein dicker Orc, welcher gerade im Vorbeigehen war, sprach sie an: „Ich würde besser aufpassen. Einmal habe ich gesehen, wie ein Taure in diese Brühe gefallen ist. Nicht nur, dass es eine riesen Sauerei war, es gab nachher auch noch ein großes Gelächter, als der Taure da wieder raus gezogen wurde.“. Der Orc grunzte kurz erfreut, als er sich an die Szene erinnerte. „Er war komplett nackt! Alles ab geätzt! Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein Spaß das war. Aber sicherlich nicht für den Tauren.“.
Ohne eine Antwort abzuwarten eilte er leise grunzend weiter. Fenaria schaute ihm verwirrt hinterher, bevor sie sich wieder Linda zuwenden wollte. Doch Linda war weg. Fenaria schaute sich panisch um. Allein wollte sie in dieser Stadt sicherlich nicht sein. Plötzlich entdeckte sie Linda wieder.
Der Wächter hatte sie im Schlepptau und war gerade auf der zweiten Ebene angekommen. Linda wehrte sich nicht, sie stolperte nur neben dem Untoten her. Selbst aus dieser Entfernung konnte Fenaria die Hoffnungslosigkeit in ihren Augen erkennen. Sie rannte los. Bahnte sich ihren Weg durch die Wesen, welche den oberen Ring bevölkerten. Schließlich erreichte sie die beiden und warf sich aus vollem Lauf gegen den Untoten. Dieser ließ Linda überrascht los und prallte mit dem Gesicht voran gegen eine Wand. Linda schaute Fenaria erschreckt an. Fenaria wollte sie schon dazu bewegen mit ihr weg zu laufen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung sah. Der Untote hatte sich sofort wieder aufgerappelt. Jetzt kam er mit gezogenem Schwert auf sie zu. Dunkel grollend kamen ein paar Worte aus seiner Kehle.
„Ich werde dir zeigen, was es heißt eine Todeswache an der Ausführung des Gesetzes zu hindern!“.
Er hob sein Schwert und wollte es auf Fenaria herab sausen lassen. Sie stand da wie fest gefroren. Nicht in der Lage sich zu bewegen. Als die Klinge noch ungefähr eine Handspanne von ihrem Kopf entfernt war, erklang eine harte, komplett unmenschlich klingende Stimme.
„Halt!“. Zitternd blieb das Schwert einige fingerbreit von ihrem Gesicht entfernt in der Luft stehen. Der Untote knurrte: „Seid ihr euch sicher, Herrin? Diese Frau wollte diese da schützen.“ Er zeigte auf Linda.
„Ich sagte Halt, also meine ich das auch so!“. Eine unterschwellige Drohung schwang in der Stimme mit.
Zögernd ließ der Untote das Schwert sinken.
„Ja, Herrin. Natürlich.“.
Fenaria drehte sich zu der Sprecherin um, und erschrak ein weiteres Mal. Dort stand eine Frau. Unverkennbar. Aber was für eine Frau. Von ihr ging eine dunkle Aura aus. Von ihrem Gesicht waren nur die in einem unheimlichen Gelb leuchtenden Augen zu erkennen, alles andere wurde von dem Schatten einer Kapuze verborgen. Außer den langen Ohren. Sie trug eine lange zerschlissene Robe. Langsam kam sie auf die Beiden zu. Es sah aus, als würde sie über dem Boden schweben. Dem Soldaten winkte sie kurz zu, woraufhin dieser murrend in einer dunklen Gasse verschwand. Linda kniete sich auf den Boden, und senkte ehrfürchtig den Kopf.
Fenaria schaute abwechselnd zu Linda und der imposanten Erscheinung.
Linda zupfte Fenaria am Saum ihrer Robe.
„Hinknien!“ zischte sie.
Fenaria, wenn auch verwirrt, tat, wie ihr geheißen wurde.
Das Mädchen war inzwischen bei ihnen angekommen und begann zu reden. Es hörte sich an, als käme die Stimme aus weiter Ferne. Dennoch war sie so klar zu vernehmen, als würde sie direkt im Kopf entstehen.
„Wie seid ihr hier her gekommen?“. Fenaria merkte, dass sie angesprochen war. Dennoch wusste sie nicht genau, was ihr gegenüber von ihr wissen wollte. Deswegen antwortete sie etwas ungeschickt: „Durch den Aufzug!“. Die nächste Frage. Ungeduldig.
„Nein! Wo kommt ihr her? Kommt ihr aus Quel Thalas?“. Fenaria wusste nicht, inwieweit sie dieser Person vertrauen konnte, deswegen antwortete sie nur ausweichend: „Das ist eine sehr lange Geschichte.“.
„Ich habe Zeit. Viel Zeit. Aber kommt erst einmal mit zu einem Ort, wo wir etwas ungestörter sind.“. Sprach es, und begann Richtung Süden zu laufen. Linda und Fenaria beeilten sich ihr zu folgen. Alle Untoten, an denen sie vorbei kamen hielten ehrfürchtig mit ihren Handlungen ein. Manche verbeugten sich sogar.
Fenaria flüsterte zu Linda: „Wer ist das?“. Linda schaute sie an wie einen Geist.
„Du weißt nicht wer das ist? Das ist Sylvanas Windrunner. Sie war eine Frau wie du! Bevor sie Arthas in eine Banshee verwandelte. Aber sie konnte sich befreien, und begründete unsere Rasse. Sie ist die Dunkle Fürstin. Alle Verlassenen verehren sie. Sie regiert hier.“.
Fenaria war beeindruckt. Was wollte sie von ihnen? Was für einen Grund hatte sie, das Leben von Fenaria zu verschonen?
Sie folgten der Fürstin durch dunkle Gassen, bis sie zu einem Bereich der Stadt kamen, der weitaus weniger bevölkert war als die anderen Teile.
„Das ist das Königsviertel.“ flüsterte Linda.
Fenaria nickte nur. Sie wusste nicht, was sie empfinden sollte. Rein äußerlich unterschied sich das Königsviertel nicht von den anderen. Auch hier bahnte sich die grüne Brühe ihren weg durch den Boden. Auch hier war alles sehr einfach gehalten. Keinerlei Schmuck hing an den Wänden.
Sie gingen eine Treppe hinauf und dann einen weiteren langen Gang entlang, welcher von mehreren Wachen gesäumt wurde. Linda duckte sich unter ihren Blicken.
Schließlich kamen sie im Thronsaal an, wie Fenaria dachte. Und ein weiteres Mal erschreckte sie sich. Auf einer Plattform stand tatsächlich ein Schreckenslord! Fenaria blieb im Eingang zum Thronsaal stehen. So ein Wesen kannte sie nur aus Erzählungen. Aber es sah genau so aus, wie es ihr immer beschrieben worden war. Zwei geschwungene Hörner wuchsen aus einem grimmig dreinschauenden Gesicht. Aus dem Rücken des Wesens wuchsen Flügel.
„Du brauchst keine Angst haben, Mädchen. Varimathras dient mir, und wird sich gegen niemanden richten, den ich einlade, hier her zu kommen.“.
Obwohl Fenaria der Fürstin vertraute, zögerte sie noch eine Weile, bis sie Linda und Lady Sylvanas folgte. Beide waren auf die Plattform gestiegen, welche sich in der Mitte des Raumes erhob. Sylvanas befahlt dem Schreckenslord gerade, sie allein zu lassen.
Mit einer Stimme, die nur einem Alptraum entstammen konnte antwortete Varimathras: „Wie ihr befiehlt, Herrin.“. Er stampfte davon, blieb jedoch in Sichtweite stehen.
Sylvanas setzte sich auf einen Thron aus Gebeinen und wandte sich Fenaria zu, welche neben Linda vor ihr kniete.
„Ihr könnt euch erheben. Eure Begleiterin auch. Ich möchte gleich zum Wesentlichen kommen. Ihr kommt aus Quel Thalas?“ auf ein Nicken von der verblüfften Fenaria fuhr sie fort: „Was ist geschehen? Vor ungefähr zwei Tagen brach mein Menschischer Berater, er war ein Blutritter, einfach zusammen. Als er sich kurze Zeit später etwas erholt hatte, bestand er darauf, per Portal nach Silbermond zu reisen. Ich konnte ihm seine Bitte nicht ausschlagen. Angeblich spürte er, dass etwas passiert war. Er kam nicht mehr zurück. Auch zwei Boten, die ich nachgeschickt habe, kamen nicht wieder. Außerdem habe ich seit besagten Tag keinen Fraun mehr hier gesehen. Wie ihr vielleicht wisst, interessiere und sorge ich mich um das Schicksal meines früheren Heimatlandes. Deswegen frage ich euch, was ist geschehen?“. Fenaria schluckte. Sie fühlte, dass sie sich diesem Wesen anvertrauen musste. Sie erzählte in groben Umrissen das was sich zugetragen hatte.
Als sie geendet hatte, dauerte es eine Zeit, bis Sylvanas wieder sprach. Ihr Tonfall hatte sich nicht geändert, dennoch spürte Fenaria, dass sich etwas in ihrem Gemüt geändert hatte.
„Kael Thas, ein Verräter. Das hätte ich nicht geglaubt.“. Sie machte eine Pause. Sie schien zu überlegen. Als sie weiter sprach hatte ihre Stimme den unterschwelligen Klang einer Forderung.
„Ich fühle mit meinem Volk! Wir müssen Hilfe schicken. Doch scheinbar ist dieses Portal von der anderen Seite gestört worden. Die einzige Person, die etwas daran ändern könnte, befindet sich zu Zeit nicht hier. Und ich habe keine freien Soldaten, um nach dieser Person schicken zu lassen. Die Grenzen werden mehr als sonst von der hirnlosen Geißel angegriffen.“. Sie fixierte Fenaria. „Ihr müsst ihn holen! Er befindet sich zur Zeit in Orgrimmar! Es dauert sowieso eine Zeit lang, bis ich die Truppen soweit um verteilt habe, dass erstens die Grenzsicherung auf festen Füßen steht und ich auch genug Leute für einen Vorstoß nach Silbermond habe. Wenn ihr schon in Orgrimmar seid, versucht Thrall dazu zu überreden, ein paar seiner Soldaten abzuziehen. Schließlich sind das Mädchenn auch in der Horde und stehen damit unter ihrem Schutz. Ich gebe euch einen Brief mit, der Thrall die Entscheidung erleichtern wird. Das nächste Zeppelin geht bald. Ich würde mich beeilen.“. Fenaria konnte zuerst nicht glauben, was sie gehört hatte. Sie sollte nach Orgrimmar reisen? Die Stadt der Orcs? Sie wollte ihre Bedenken äußern.
„Seid ihr euch sicher, Lady Sylvanas, dass ich die richtige Person dafür bin? Ich -“. Doch sie wurde unterbrochen.
„Ihr habt keine andere Wahl, wenn ihr eurem Volk hFraun wollt! Ihr könnt die da mitnehmen. Ich spreche sie noch ein einziges Mal frei. Ein einziges Mal! Hört ihr?“. Linda beeilte sich eifrig zu nicken.
Sylvanas fuhr fort: „Der Name des Untoten ist Krabropos! Ihr werdet ihn finden! Beeilt euch jetzt! Und vergesst diesen Brief nicht!“. Sie hielt Fenaria einen Brief hin, welchen diese schnell nahm. Sie wollte noch einmal widersprechen, doch Sylvanas schnitt ihr mit einer eindeutigen Geste das Wort ab. So murmelte sie nur ein leises „Danke.“ und verschwand mit Linda nach draußen. Linda war außer sich vor Freude.
„Fenaria! Ich darf wieder gehen! Ich hatte solche Angst. Sicher hätten sie mich umgebracht oder zumindest gefoltert! Aber jetzt bleibe ich auch weg von Unterstadt. Ein für alle Mal.“. Sie sprang mehr vor Fenaria her, als dass sie lief. Doch konnte sie Fenaria mit ihrer Freude nicht anstecken. Sie hatte sich Antworten erhofft. Stattdessen wurde sie wieder in eine fremde Gegend geschickt, obwohl sie das gar nicht wollte. Sie war ärgerlich, dass scheinbar immer nur andere Leute über ihr Leben entschieden. Andererseits musste sie ihrem Volk hFraun. Das sah sie wohl ein. Aber nachdem sie in Orgrimmar gewesen war, würde sie sich irgendwo verstecken. Irgendwo, wo sie Sorandis nie mehr finden würde, und ihr eigenes Leben leben. Sollten die anderen doch bleiben, wo sie wollen. Sie, Fenaria, würde nie mehr nach der Pfeife eines anderen tanzen.
Inzwischen waren Linda und Fenaria schon ausserhalb von Unterstadt. Sie gingen auf einen Turm zu, den Fenaria bei ihrer Ankunft gar nicht bemerkt hatte. Er war mehrere Mannslängen hoch und hatte zwei von abstehende Plattformen, an denen wohl die Zeppeline anlegten.
Sie gingen über eine Wendeltreppe zu der ersten Plattform, welche niedriger lag als die zweite. Ein kleines grünes Wesen erwartete sie dort, welches sie auch sogleich ansprach. „Heyhoo dort! Ihr wollt wohl nach Orgrimmar, he? Kann ich mir vorstellen. Nettes Städtchen, hat alles was man zum Leben braucht, he? Oh, nichts für ungut!“ sagte er an Linda gewandt. „Die Benutzung kostet zwei Silberstücke einfach! Sofort zu bezahlen, schließlich müssen wir auch von etwas leben, hm?“.
Fenaria holte aus ihrer Robe vier Silberstücke heraus. Es war Glück, dass sie es nach all den Strapazen noch nicht verloren hatte. Sie gab dem Goblin das Geld, welcher es sofort in seiner Tasche verschwinden ließ.
„Na, so sprachlos heute? Was ist denn passiert, dass ihr euch so grämt? Naja, wenn euch erstmal die erfrischende Luft während des Zeppelinfahrens um die Ohren streicht, werdet ihr sicher fröhlicher. Ein tolles Gefühl ist das! Ah, da kommt unsere Luxusmaschine ja schon.“.
Tatsächlich, von weitem kam ein Luftschiff angetuckert. Doch die Bezeichnung 'Luxusmaschine' übertrieben zu nennen war schon übertrieben. Es war ein klappriges Gestell aus Holz mit einem Propeller und einem Ballon, und Fenaria wunderte sich, dass so etwas überhaupt fliegen konnte. Mit einem etwas mulmigen Gefühl stieg sie ein.
Der Goblin wünschte ihnen überschwänglich eine gute Fahrt, und riet ihnen bei einem Absturz den Kopf zwischen die Beine zu klemmen, und sich an zu schnallen. In Hinsicht darauf, dass es nicht einmal Sitze auf diesem Luftschiff gab, fand Fenaria diesen Hinweis mehr als fragwürdig.
Linda stand am Bug und musterte alles in einer übertriebenen Freude. Ihre Augen strahlten förmlich. Für sie war das eine tolle Abwechslung. Außerdem war sie heilfroh endlich aus Unterstadt raus zu sein.
Fenaria konnte das nicht mit ansehen und legte sich hinter die Reling des Luftschiffes, um ein bisschen zu schlafen.
So bemerkte auch keiner der Beiden die dunkle Gestalt, welche sich hinter ihnen auf das Schiff schlich. Zwei grüne Augen fixierten kurze Zeit später Fenaria und Linda.
17
Sie warteten noch eine kurze Zeit, bis sie sicher sein konnten, dass die Fanatiker des Scharlachroten Kreuzzuges nicht zurückkommen würden. Anrawen kauerte noch hinter dem Gebüsch und beobachtete die Gegend weiter, so als ob sie dem Frieden nicht trauen würde. Rommath jedoch wandte sich dem unbekannten Mensch zu, der ihr Leben gerettet hatte. Jetzt, da er sich in Sicherheit fühlte hatte er auch mehr Ruhe, um den Fraun einmal genauer zu betrachten.
Dieser lehnte lässig an einem Baum und hatte das gleiche Grinsen aufgesetzt wie vorher. Schwarze, ungepflegte Haare fielen seinen Kopf hinab. Er hatte sehr markante Gesichtszüge. Man konnte sogar ein paar Falten erkennen, was bei einem Fraun eher selten vorkam.
Seine Arme hatte er hinter dem Rücken verborgen. Eine alte dreckige Robe bedeckte seinen restlichen normal gewachsenen Körper. Sein ganzes Aussehen deutete darauf hin, dass er sehr lange keine Zeit gehabt hatte, seinen Körper zu pflegen.
Rommath fragte sich, wie dieser Elf hier herkam. Er konnte sich kaum vorstellen, dass dies ein Zufall war. Er fragte nach.
„Sagt, werter Elf. Was macht ihr in dieser doch sehr trostlosen Gegend?“.
Der Elf blickte etwas verwundert.
„Das habe ich doch bereits gesagt. Ich suche nach einer Frau und ihrer Begleiterin, einer Untoten. Wobei mich das Mädchen weitaus mehr interessiert.“.
„Ihr seid also extra hier her gekommen, um nach dieser Frau zu suchen? Hierher, nach Tirisfal? Woher wusstet ihr, dass sich Fenaria hier aufhält?“.
Das Grinsen verließ das Gesicht des Fraun.
„Ich glaube nicht, dass ich euch irgendeine Rechenschaft schuldig bin! Ich könnte euch genau so fragen, wie ihr hier her kamt? Jeder hat seine Gründe. Aber damit ihr mir mehr vertrauen könnt, verrate ich euch etwas: Ich suche nicht ohne Grund nach Fenaria, übrigens frage ich euch auch nicht, woher ihr ihren Namen kennt. Ich bin ihr Vater!“.
Rommath war sprachlos. Zuerst traf er ihre total durchgeknallte Mutter und jetzt noch ihren Vater, der aussah, als hätte er die letzten 20 Jahre unter Wölfen gelebt. Und beide traf er im gleichen Gebiet und innerhalb weniger Minuten hintereinander. Wieder dachte er, dass das kein Zufall sein konnte. Was ging hier vor?
Scheinbar hatte Anrawen das Gespräch mitgehört und ähnliche Gedanken gefasst. Denn sie drehte sich gerade um, und wollte eine Frage an den Fraun richten.
Doch sobald dieser ihr Gesicht sehen konnte, flackerte etwas in seinen Augen auf, was Anrawen nur zu gut kannte. Sie war geistesgegenwärtig genug, um dem auf sie geschleuderten Zauber rechtzeitig auszuweichen. Hinter ihr zerschmetterte ein Feuerball einen morschen Baum. Brennende Splitter durchzogen die Luft.
Der Elf hatte die Zähne gefletscht und war gerade dabei, einen weiteren, nun besser gezielten Zauber zu wirken.
Aber Rommath hatte sich inzwischen wieder gefasst und schnellte zwischen die NachtFrau und den Hexer. Dieser fixierte ihn augenblicklich und zischte: „Du beschützt eine Kal'Dorei? Dann musst du auch sterben!“.
Rommath beeilte sich einen Gegenzauber zu wirken. Der Gegenzauber und der geschleuderte Feuerball trafen genau in der Mitte auf einander. Flammendes Feuer vermischte sich mit einem dünnen silbernen Faden. Im nächsten Moment verpuffte beides mit einem verhaltenem „Plopp“ in der Luft.
Rommath beeilte sich, zu antworten, bevor der labile Elf einen weiteren Zauber wirken konnte.
„Nein! Das ist ein Missverständnis. Diese NachtFrau ist meine Gefangene! Ich habe sie auf der Suche nach Fenaria auf geschnappt, als sie mir nach spionierte. Sie erschien mir zu wichtig, als dass ihr Tot mir irgendwie hätte nützlich sein können. Vielmehr schleppe ich sie mit mir herum, um sie irgendwann an Silbermond auszuliefern! Mal sehen, was dort aus ihr heraus gequetscht werden kann.“.
Der Hexer schaute ihn skeptisch an. Doch schließlich schien er sich mit der Erklärung einigermaßen zufrieden zu geben. Dennoch blitzten seine Augen gefährlich auf, als er sagte: „Das können wir auch schneller erledigen. Hier und jetzt!“.
Rommath schüttelte den Kopf.
„Nein, das wäre nur Zeit Verschwendung. Diese Priesterin ist stärker, als es auf den ersten Blick aussieht. Wir müssen uns eher darauf konzentrieren, eure Tochter zu finden.“.
Der Hexer schien direkt enttäuscht zu sein.
„Nun, ihr habt wahrscheinlich Recht.“
Rommath schaute kurz zu Anrawen, ob sie sein Spiel verstanden hatte. Sie schaute ihn zwar verärgert aber dennoch verständnisvoll an. Sie tippte sich gegen ihren Kopf. Zuerst dachte Rommath, sie wollte damit seinen Geisteszustand beschreiben. Aber dann kam er darauf, was sie wirklich wollte. Er gab seine Gedanken frei. Und sofort hörte er die Stimme der NachtFrau.
„Ihr seid verrückt! Ich eure Gefangene! Ha! Eher ist es umgekehrt. Aber ich verstehe den Sinn dahinter. Dieser Elf ist verrückt! Ihr könnt ihm nicht vertrauen!“. Rommath dachte spöttisch seine Antwort.
„Ach? Ich wollte ihm gerade einige Familiengeheimnisse anvertrauen. Schade. Natürlich vertraue ich ihm nicht! Zuerst dachte ich, wir hätten tatsächlich jemanden gefunden, der uns hFraun kann. Aber ich will nicht wissen, was dieser Mann mit Fenaria vor hat, wenn er sie einmal gefunden hat. Armes Mädchen, beide Eltern wollen ihr wohl nichts Gutes.“.
Er schreckte aus seinem stillen Dialog auf, als sich der Hexer wieder zu Wort meldete.
Mit einer angedeuteten Verbeugung begann er zu sprechen.
„Oh, wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Landrol. Landrol Schattensturm.“.
Rommath glaubte sein Herz würde aussetzen. Schattensturm! Er kannte diesen Namen. Diese Familie war eine der wenigen, die damals mit in die Scherbenwelt gekommen war. Damals allerdings noch kinderlos. Rommath wunderte sich, dass dieser Elf ihn noch nicht erkannt hatte. Aber er dachte sich, dass seine eigene Erscheinung wohl auch unter der langen Reise gelitten hatte.
„Unumstritten!“ war der spöttische Gedanke von Anrawen dazu. Doch Rommath hatte keine Zeit sich nun darum zu kümmern.
Stattdessen antwortete er an Landrol gewandt: „Erfreut. Mich nennt man Ramil. Aber jetzt lasst uns erst einmal überlegen, wie wir weiterhin vorgehen.“.
„Wie wir den Typ am schnellsten wieder loswerden, meint ihr wohl!“ erschienen Anrawens Gedanken in seinem Gehirn. Er antwortete lediglich mit einem genervten: „Ja.“.
Landrol schien schon ganz spezielle Pläne zu haben.
„Ich weiß zufällig, dass die Beiden nach Unterstadt gehen wollten. Ich denke es ist das beste, wenn wir dort mit unserer Suche anfangen. Aber vorher..“ er fixierte das Mädchen „wie wäre es, wenn ihr eurer Gefangenen sagt, dass sie sich doch mal diese Wunde ansehen soll? Schließlich ist sie doch Priesterin?“. Dabei zeigte er auf seinen offenen Hals.
Rommath antwortete: „Oh, ja. Klar, soll sie sich mal nützlich machen!“.
Gedanklich setzte er hinzu: „Wir dürfen ihn nicht noch misstrauischer machen. Mach irgendwas mit seinem Hals.“.
Anrawen setzte sich in Bewegung und ging widerwillig zu Landrol. Sie beschaute sich kurz die Wunde, während der Hexer sie misstrauisch betrachtete. Schließlich schloss sie die Augen, legte eine Hand auf die Wunde, und murmelte ein paar nachtelfische Worte.
Ihre Hand fing an, weiß zu glühen und Rommath konnte sehen, wie die Wundränder, die noch unter der Hand hervorschauten, sich langsam schlossen. Als sie fertig war, öffnete sie ihre Augen wieder und beeilte sich von Landrol weg zu kommen.
Rommath konnte ihre Gedanken hören.
„Etwas stimmt ganz und gar nicht mit diesem Mann! Diese Wunde, das war ganz sicher kein Wolf! Das war ein Messer. Geworfen von jemanden, der entweder verdammt viel Glück hatte, oder sehr viel Übung. Dieser Elf müsste tot sein. Und zwar schon länger! Ihn umgibt eine dämonische Aura. Wenn du mich fragst, tot wäre er besser als lebendig!“.
„Wir brauchen ihn aber lebendig. Auf jeden Fall vorerst. Außerdem war kaltblütig morden noch nie mein Geschäft!“.
Nur ein gedankliches Brummen kam zurück.
Er wandte sich wieder Landrol zu. Dieser verrenkte gerade seinen Hals in alle Richtungen, bevor er mit einem zufriedenem Stöhnen sagte: „Ahhh, viel besser. Richtet eurer Elune einen lieben Gruß von mir aus.“. Ein kaltes, höhnisches Gelächter folgte.
Rommath hatte Mühe, Anrawen mit seinen bloßen Gedanken daran zu hindern, dem Fraun an den frisch geheilten Hals zu gehen.
Nachdem sich Landrol von dem Lachen über seinen, seiner Meinung nach sehr gelungenen Scherz erholt hatte, marschierte er los.
„Kommt, Unterstadt ist nicht weit. Wir sollten uns beeilen, sonst läuft uns Fenaria noch vor der Nase weg.“.
Er legte ein strammes Tempo vor. Anrawen und Rommath hatten Probleme ihm zu folgen. Doch nach einer kurzen Zeit erreichten sie schon Unterstadt.
Außer Anrawen hatten alle diese Stadt schon einmal gesehen, deswegen hielt sich niemand lange mit der Betrachtung auf. Auch Anrawen warf nur einen einzigen angewiderten Blick auf die zerfallenen Mauern.
„Ihr müsst nun besser auf diese Frau aufpassen, Ramil. Die Bewohner von Unterstadt werden wahrscheinlich nicht zögern, sie euch in einem Moment der Unachtsamkeit zu entreißen, um ihre eigenen Experimente mit ihr durch zu führen.“. Er lachte böse. Scheinbar schien ihm die Vorstellung zu gefallen.
Als die drei die Aufzüge erreichten, drückten sie sich schnell an den Fleischbestien vorbei, und fuhren eine Etage tiefer.
Tatsächlich blickten mehrere Untote mit schwer zu missdeutenden Blicken auf die NachtFrau, welche sich nun sehr dicht bei Rommath hielt. Dieser hatte sie mit einem magischen Band sichtbar an sich gefesselt, so dass keinerlei Missverständnisse über die Zugehörigkeit der Frau aufkommen konnten.
Plötzlich sagte Landrol: „Ah, mir fällt gerade ein, ich habe hier noch etwas anderes zu erledigen. Geht ihr schon einmal vor, ich komme nach.“.
Mit diesen Worten verschwand er in der Menge und ließ Rommath und Anrawen verblüfft stehen.
„'Geht ihr schon einmal vor'! Ja, wohin denn? Lustiger Kerl.“.
In dem Moment sprach ihn ein besonders hässlicher Untoter von der Seite an.
Er hatte keinerlei Haare mehr auf dem Kopf, und sein einziges noch vorhandenes Auge wurde von einem dunkelroten Fleischlappen, der von seiner Stirn hing, größtenteils verdeckt.
Auch fehlte sein Unterkiefer, weswegen ihn Rommath nur schlecht verstehen konnte.
„Sagt, was wollt ihr für diese hübsche Frau haben? Ich bin sicher, mir bringt sie mehr als ihnen!“. Dabei leckte er sich genüsslich die blassen, aufgeplatzten Oberlippen mit einer schwarzen, verfaulten Zunge. Anrawen wurde blass. Diese Blässe nahm noch zu, als Rommath antwortete.
„Ach, wisst ihr, viel ist sie nicht wert. Ich würde sie schon für die Information weggeben, wenn jemand mir sagen könnte, ob er eine gewisse junge rothaarige Frau gesehen hat, welche in Begleitung einer Untoten vor kurzer Zeit hier gewesen sein muss. Die Haut der Frau hat außerdem einen leichten Grünstich.“.
Der Untote bekam leuchtende Augen und beeilte sich zu antworten, während er immer wieder lüsterne Blicke auf Anrawen warf.
„Heute ist unser beider Glückstag! Zufällig habe ich die Beiden gesehen, und ich kann euch sogar sagen, wer euch weitere Informationen dazu geben kann. Seht ihr die Wache dort drüben? Die mit dem mürrischen Gesicht? Der kann euch mehr sagen!“.
Rommath musste ob dieser Aussage schmunzeln, hatte hier doch jeder ein mürrisches Gesicht.
„Danke, Herr Untoter. Wir sehen uns.“. Mit diesen Worten zog er Anrawen weiter, auf die besagte Wache zu.
Die Empörung des Untoten ließ nicht lange auf sich warten.
„Hey! Ihr hattet gesagt, ihr würdet jedem dieses süße Geschöpf geben, welcher euch diese Information liefert!“.
Rommath drehte sich um und sagte mit einem entwaffnenden Lächeln zu dem Untoten:„Ja, ich 'würde'. Nicht ich 'werde'.“.
Er zuckte mit den Schultern. „So ist das Leben nun mal. Oh, entschuldigt, aber ihr wisst schon, wie ich das meine!“.
Der Untote begann zu zittern, wobei der Fleischlappen dem Abreißen gefährlich nahe schien. Bevor er seiner Wut jedoch freien Lauf lassen konnte, verschwand Rommath mit Anrawen schnell in der Menge.
Sie bewegten sich auf die Wache zu, die der Untote ihnen beschrieben hatte. Anrawen hätte es nicht für möglich gehalten, aber dieser Untote schaute tatsächlich noch grimmiger und unsympathischer als alle anderen, die hier umher wandelten.
Er stand allein in einer Ecke und beobachtete die Menge, als ob er danach Ausschau halten würde, an wem er seinen Unmut auslassen könnte.
Rommath ging geradewegs auf ihn zu. Anrawen hielt sich im Hintergrund, wie es sich für eine Gefangene geziemte. Als der Untote sah, dass sie auf ihn zu hielten, blaffte er sie an: „Nein, ich werde euch keine Auskunft geben, wo ihr das Auktionshaus finden könnt. Und ich werde euch auch ansonsten nicht weiterhFraun! Lasst mich alleine, ihr habt sicherlich besseres zu tun, als arme Untote zu belästigen!“.
„Herr Elf!“ setzte er abfällig hinzu.
Rommath ließ sich dadurch nicht beirren.
„Ich glaube dennoch, dass ihr mir hFraun werdet!“. „Herr Untoter!“.
Dieser war es nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach, und erwiderte ärgerlich: „Wer seid ihr, dass ihr so mit einer Todeswache der Fürstin sprecht? Wer? Für mich seht ihr aus wie jeder andere dreckige Elf auch. Und diese da verschönert das Bild, das ich von euch habe auch nicht gerade.“.
„Wer ich bin tut hier nichts zur Sache. Aber lasst euch gesagt sein, dass ich gute Kontakte mit Lady Sylvanas unterhalte.“.
Der Untote grunzte verächtlich.
„Ha! Warum geht ihr dann nicht gleich zu ihr, und hört auf mich zu belästigen? Hm, wie klingt das?“.
Rommath setzte ein zuckersüßes Grinsen auf.
„Nun, das würde ich. Aber ich stehe unter Zeitdruck. Wenn ich nun erst einen Termin bei eurer reizenden Fürstin beantragen müsste, würde mir zu viel Zeit verloren gehen. Und meint ihr, die Lady wäre erfreut, zu erfahren, dass einer ihrer Untergebenen diese Verzögerung verursacht hat? Und da könnt ihr euch sicher sein, erwähnen werde ich euch!“.
Mit diesen Worten ging er weg. Doch schon nach einigen Augenblicken fühlte er eine knochige Hand auf der Schulter. Er atmete auf. Es war ein Spiel gewesen, und er hatte gewonnen.
„Wartet. Vielleicht will ich euch doch hFraun. Was ist euer Anliegen?“.
„Na, geht doch. Ich möchte nur eins wissen. Wo ist das Mädchen mit ihrer Untoten Begleiterin hin gegangen?“.
Sofort wurde der Untote wieder misstrauisch. Er zog die Hand von der Schulter Rommaths und legte sie auf seinen Schwertgriff.
„Diese verdammte Linda mit ihrer grünen Fraunfreundin?“. Das Wort 'Freundin' betonte er eigenartig. „Was geht euch das an?“.
Rommath reagierte auf einen Gedanken von Anrawen als er sagte: „Ich bin auf der Suche nach ihr, denn sie hat in ihrem Heimatland ein schweres Verbrechen begangen. Dafür soll sie bestraft werden. Die Untote die bei ihr ist, interessiert mich nicht. Ich denke, wenn sie hinderlich ist, werde ich sie töten.“.
Ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Untoten, als er murmelte: „Wenn das so ist.“. Etwas lauter erwiderte er: „Ja. Zufällig habe ich die Beiden gesehen. Soweit ich weiß, haben sie den Zeppelin Richtung Orgrimmar genommen. Aber was sie dort wollen, das weiß ich auch nicht.“.
Rommath war froh, dass er auf den Hinweis Anrawens gehört hatte. Sie hatte ihm gesagt, dass dieser Untote seinen Gedanken nach ganz besonders schlecht auf Linda zu sprechen war, und sie am liebsten tot sehen würde.
„Danke, war doch einfacher als ihr dachtet. Wenn ich das nächste Mal die Lady treffe, werde ich euch lobend erwähnen.“.
Der Untote winkte ab.
„Schon gut, jetzt geht, oder ihr holt die Beiden nicht mehr ein!“.
Rommath nickte und wandte sich ab.
Er hörte wieder das Mädchen in seinen Gedanken.
„Jetzt, wo wir wissen, wo wir suchen müssen, brauchen wir diesen Hexer nicht mehr.“.
„Ganz meine Meinung, beeilen wir uns, hier raus zu kommen.“.
Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge, bis sie an einen Ausgang kamen. In diesem verschwanden sie.
Als sie die Oberfläche erreicht hatten, begannen sie zum Zeppelinturm zu rennen, denn sie sahen, dass dort gerade das Zeppelin nach Orgrimmar anlegte.
Da der magische Strick sie immer noch miteinander verband, war für Beide das Laufen sehr anstrengend.
Keuchend und nach Luft schnappend kamen sie schließlich oben auf dem Turm an.
Der Goblin lachte sie an und wollte etwas sagen, aber Rommath drückte ihm nur das benötigte Geld in die Hand und ging mit Anrawen auf das Zeppelin.
Als sie sich kurz um geguckt hatten, bemerkten sie, dass sie auf jeden Fall nicht das gleiche Zeppelin erwischt hatten, wie Fenaria und Linda.
Beide dachten das gleiche.
„Wenigstens sind wir diesen Hexenmeister los!“.
Man konnte gerade hören, wie knirschend der Motor des Zeppelins anlief, als sie ein erschrecktes Quietschen herumfahren ließ.
Der Goblin schwebte etwa einen Meter über dem Boden, am Hals gehalten von niemand geringerem als dem Hexer. Er gurgelte erschreckt Beschimpfungen.
„Was fällt euch ein! Ihr könnt jetzt nicht mehr einsteigen, das Zeppelin ist gerade beim Ablegen! Verdammter Elf, lasst mich runter oder ich werde euch zeigen, welches Körperteil wir mit unserer Größe ganz klasse erreichen!“.
Der Hexer zeigte sich nicht weiter beeindruckt. Stattdessen flammte der Goblin plötzlich auf. Er begann wie am Spieß zu schreien. Der Hexer warf das brennende Geschöpf ohne weitere Sorgfalt den Turm hinunter. Das Schreien steigerte sich noch, bis es nach einem klatschenden Geräusch aufhörte und zu einem leisen Wimmern wurde.
Etwas kam Rommath komisch an dieser Szene vor. Und es war nicht die Grausamkeit des Hexers.
Dieser machte gerade einen Satz und sprang auf das Zeppelin, welches schon ein Stück weit vom Steg weg geflogen war. Als der Hexer ihnen mit einem Lächeln, das so gar nicht zu seiner vorherigen Tat passte, zu winkte bemerkte Rommath, was ihm eigenartig vorgekommen war.
Der Hexer hatte wieder Hände! Keine Hände eines Fraun zwar, aber Hände.
„Na, wolltet ihr schon ohne mich fahren? Das finde ich gar nicht nett. Aber man kann ja verzeihen! Nicht wahr?“.
Immer noch lächelnd stellte er sich zwischen Rommath und Anrawen und legte seine Arme um ihre Schultern. Rommath schluckte als er auf seine Schulter sah.
Dort tippten gerade gelassen einige gräulich, dreckige Knochen einen ihm unbekannten Takt auf sein Fleisch.
18
Langsam wachte sie auf. Noch im Halbschlaf streckte sie sich. Ihre Hand stieß auf etwas hartes, kratziges. Sofort wurde sie sich bewusst, wo sie sich eigentlich befand. Nicht in ihrem normalen weichen, angenehmen Bett, sondern auf dem harten Boden eines Zeppelins. Sie öffnete die Augen und musste sie im nächsten Moment geblendet wieder schließen. Etwas vorsichtiger öffnete sie sie kurze Zeit später erneut.
Bis sie sich an die grelle Helligkeit gewohnt hatte, dauerte es noch einen kurzen Moment. Dann allerdings sah sie, dass sich nichts wesentliches verändert hatte.
Sie lag immer noch dort, wo sie sich beim Start des Zeppelins niedergelassen hatte. Nur Linda war weg.
Aber das bereitete ihr keine weiteren Sorgen. Sie glaubte sich mit Linda und der Mannschaft des Zeppelins allein. Linda war wahrscheinlich nur eben unter Deck gegangen, um dort nach irgendetwas zu schauen.
Fenaria richtete sich auf und schaute über die Reling. Was sie sah, verschlug ihr den Atem. Sie sah Wasser. Überwältigend viel Wasser. Noch nie in ihrem Leben hatte sie Meer gesehen. Und jetzt flogen sie über die wohl größte Ansammlung von Wasser, die es gab. Die Wasseroberfläche war glatt wie ein Spiegel. Die gleißend helle Sonne wurde von dieser mit vielfacher Lichtstärke zurück geworfen.
Fenaria betrachtete das ihr vollkommen ungewohnte Schauspiel mit offenem Mund. Der Wind wehte ihre Haare wild um ihren Kopf. Mehrmals musste sie sich eine Strähne aus den Augen wischen, um wieder ungehinderten Blick nach vorne zu haben.
Land konnte man nirgends entdecken. Sie stützte sich auf die Reling und beugte sich über den Bug. Sie sah den Schatten des Zeppelins über die Wasseroberfläche gleiten. Kleinere Wellen verzerrten ihn ab und an.
Trotz ihrer nicht ganz perfekten Lage fühlte Fenaria sich glücklich. Sie genoss ein Gefühl wie im Rausch. Die Geschwindigkeit, der Wind in ihrem Gesicht, die salzig schmeckende Luft mit dem würzigen Geruch und die strahlende Sonne hellten ihr Gemüt auf. So hatte sie sich noch nie gefühlt.
Als sie diese Art von Rausch ausgekostet hatte begann sie sich Sorgen um Linda zu machen. Sie war nun schon eine ganze Zeit alleine. Die Sonne hatte schon eine kleine Strecke am Horizont zurück gelegt. Fenaria schätzte, dass es inzwischen Mittag war.
So beschloss sie, sich von dem überwältigenden Anblick los zu reißen und nach Linda zu suchen. Weit konnte sie ja nicht sein.
In der Mitte des Schiffes führte eine überdachte Treppe in die unteren Etagen. Nachdem Fenaria sich auf dem nicht sehr großen Deck umgesehen hatte, und dort keine Anzeichen von Linda entdecken hat können ging sie die Treppe hinab. Die Stufen knarrten und knirschten unter ihren Füßen, und sie musste sich vorstellen, was passieren würde, würde der Boden auf einmal durchbrechen und sie haltlos ins Meer stürzen. Sie würde dort wahrscheinlich mehrere Stunden hilflos umher schwimmen, und dann schließlich ertrinken oder von irgendwelchen Tieren gefressen werden. Schnell schüttelte sie den Gedanken ab.
Die Treppe ging um eine Ecke, und plötzlich hatte Fenaria einen kleinen Raum vor sich, welcher in eine Plattform mündete, die über die Fläche des eigentlichen Zeppelins hinausragte. Auf dieser Plattform stand ein Goblin vor einem Steuerrad und winkte ihr freundlich zu. Fenaria winkte zurück und ging auf den Goblin zu. Dieser quäkte ihr sofort etwas mit seiner hohen Stimme entgegen.
„Hallo Fräulein. Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?“.
Etwas unsicher erwiderte Fenaria: „Ja, ich denke schon.“.
Als sie stockte hakte das grünhäutige Wesen nach.
„Na, sagt schon, junge Frau. Ich werde euch sicherlich nicht beißen!“.
Dabei fing er an zu grinsen. Fenarias Blick fiel auf zwei Reihen kleiner, spitzer Zähne, die das vorher Gesagte fast verspotteten. Fenaria murmelte: „Es würde euch auch sicherlich nicht gut bekommen!“.
Etwas lauter fuhr sie schließlich fort: „Habt ihr eine Untote gesehen? Sie sieht aber nicht unbedingt aus wie eine Untote. Also fast schon eher wie ein normaler Mensch. Natürlich ist sie keiner, aber... ach, ihr wisst schon was ich meine!“.
Mit einem schleimigen Lächeln antwortete der Goblin: „Ja, ich denke ich weiß was ihr meint. Eine Verlassene, die nicht ganz so verlassen ist, wie andere Verlassene.“.
Er lachte selbstgefällig.
„Ich wette ihr meint die dort drüben!“.
Fenaria wandte sich um. Neben der Treppe gab es noch einen weiteren Raum, den Fenaria bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte. Einsehen konnte sie ihn von ihrer Position aus nicht.
„Genau dort drin habe ich sie vor einiger Zeit verschwinden sehen.“.
Fenaria nickte und stellte noch eine Frage.
„Danke. Könnt ihr mir auch sagen, wann wir ungefähr in Orgrimmar ankommen werden?“
„Natürlich. Wir werden noch einige Stunden fliegen. Die Sonne wird noch den sechsten Teil eines Kreises beschreiben, dann sind wir da. Aber macht euch keine Sorgen. Es gibt noch viele andere Leute, welchen auf Zeppelinen schlecht wird. Das geht vorüber.“. Er lächelte ihr aufmunternd zu.
Fenaria wusste zuerst nicht, auf was der Goblin hinaus wollte. Bis sie darauf kam, dass er ihre Hautfarbe meinte. Verärgert und ohne etwas zu erwidern wandte sie sich ab und ging auf den Eingang des Raumes zu, in dem der Goblin Linda vermutete.
Als sie den Raum betrat war das erste, was ihr entgegen schlug ein Geruch, als ob hier drin seit drei Wochen Gelage gefeiert würden. Sie selbst hatte noch nie in ihrem Leben Bier getrunken, bei den Astralen hat es immer nur Wasser gegeben. Dennoch kannte sie den Geruch dieses Getränkes. Und in diesem Raum schien jedes kleinste Stück der Luft mit diesem Geruch durchsetzt zu sein. Fenaria wurde nun tatsächlich etwas übel.
Inmitten dieses Zimmers stand ein alter dreckiger Tisch aus Holz, welcher an einigen Stellen schon Schimmel ansetzte. Der Grund dafür war nicht allzu schwer zu erkennen. Aus den diversen Humpen, die auf dem Tisch standen oder lagen lief das Gebräu auf den Tisch, wessen Holz das nicht sehr gut bekam.
Sauberkeit schien man hier nicht allzu ernst zu nehmen. Um den Tisch herum saßen drei Goblins und ... Linda! Alle schienen dem Bier schon stark zu gesprochen zu haben. Fenaria schauderte es, wenn sie daran dachte, dass diese Leute das Zeppelin lenkten.
Schnell wurde sie von einem Goblin bemerkt. Dieser winkte ihr überschwänglich zu, wobei er fast vom Stuhl fiel.
„Kommt doch her, werte Dame. Hier ist immer noch ein Platz frei für so ein hübsches Fräulein wie sie!“.
Er sprach bemerkenswert fest für die Menge an Alkohol, die bereits in seinem Blut schwimmen musste.
Er klopfte mit einem breiten Grinsen auf den Platz neben sich.
„Es tut mir Leid, wenn ich sie enttäuschen muss, aber ich bin nur hier, um meine Freundin ab zu holen.“. Das Grinsen auf dem Gesicht des Goblins ließ deutlich nach und machte einem enttäuschten Gesichtsausdruck Platz.
„Oooch. Wir hatten gerade so viel Spaß. Eure Freundin sagt ihr? Dann seid ihr diese heldenhafte Frau? Wir bewundern euch alle und wünschen euch viel Glück auf eurer Mission.“.
Er stand auf und verbeugte sich vor Fenaria. Alle anderen Goblins an dem Tisch taten es ihm gleich. Einer verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorne auf den Boden. Sofort begann er laut zu schnarchen. Sofort eilten seine Kameraden zu ihm. Doch jegliche Versuche ihn aufzuwecken schlugen gründlich fehl. Schließlich wandten sie sich ab, und gaben sich wieder dem Bier zu. Den Goblin ließen sie achtlos auf der Erde liegen.
Linda hatte sich inzwischen auf ihrem Stuhl umgedreht, und strahlte Fenaria an. Das Lächeln wurde allerdings etwas unsicher, als sie den ärgerlichen Gesichtsausdruck von Fenaria sah.
Diese stand immer noch in der Tür. Sie winkte Linda ärgerlich zu. Diese verstand, was Fenaria wollte, und erhob sich zögernd. Einer der Goblins, es war der gleiche, der vorher Fenaria einen Sitzplatz angeboten hatte, legte Widerspruch ein.
„Was, du willst uns schon verlassen? Warum?“. Er sah sie herzerweichend an.
„Wir hatten doch viel Spass, oder hat dir unsere Gesellschaft nicht gefallen?“.
Linda beeilte sich zu antworten, denn es existiert nicht umsonst das Sprichwort „Verärgere niemals einen Goblin, wenn dein Leben von ihm abhängt.“. Und in gewissem Maße tat es das gerade eben.
„Natürlich hat sie das, Futzltuk! Aber ich muss mich um meine Freundin kümmern. Sie möchte etwas von mir. Sobald ich kann, komme ich wieder zurück.“.
Der Goblin namens Futzltuk murmelte etwas von: „Jaja, die elfische Heldin ist wichtiger als die kleinen grünen Goblins, die mir Getränke ausgeben, schon klar. Ich verstehe!“.
Total verunsichert wandte Linda sich ab, und trat zu Fenaria.
Sie versuchte ein Lächeln. Doch als Fenarias Gesichtszüge hart blieben, ließ sie es bleiben.
Fenaria zog sie weg, auf die Treppe zu.
„Was hast du dir dabei gedacht? Denen von unseren Plänen zu erzählen?“.
Linda erschrak zuerst über den barschen Tonfall, aber dann fasste sie sich schnell wieder.
„Was soll das heißen? Ich habe dich gelobt! Findest du das etwa schlimm? Du stehst bei diesen Goblins jetzt hoch im Kurs! Und von wegen verraten der Pläne. Die Lady hat nichts davon gesagt dass irgendwas davon geheim bleiben sollte! Dann darf ich doch wohl etwas davon erzählen. Die Goblins sind doch nett. Die verraten sicher nichts.“.
Fenaria schüttelte den Kopf.
„Linda, das sind Goblins! Die würden für ein Humpen Bier sogar ihre eigene Mutter verkaufen!“.
„Aber, aber...wir haben uns doch so nett unterhalten. Sie haben Scherze erzählt, und lustige Geschichten. Einer hat sogar davon gesponnen, dass ein blinder Passagier an Bord sei. Er sagte, er wüsste das mit Sicherheit, nur hat er ihn nicht finden können. Daraufhin haben die anderen Goblins gelacht. Und ich auch. Es war so lustig, Fen!“.
Fenaria schüttelte erneut den Kopf. Sie mochte diese Goblins nicht. Diese vorgehaltene Freundlichkeit. Dieses aufgesetzte Lächeln. Nein, diese grünen Wesen waren ihr überhaupt nicht sympathisch. Und dann diese Namen. Disharmonisches Gekrächze! Goblins waren nur auf Profit aus, das wusste sie. Deswegen waren sie auch neutral und schlossen sich weder der Horde noch der Allianz an. So konnte man Ausrüstung an beide Seite verkaufen, ohne sich wirkliche Feinde zu machen.
Sie nahm Linda bei der Hand und sprach nun etwas freundlicher, aber auch eindringlicher.
„Linda. Ich verstehe ja, dass du dich nach Aufmerksamkeit sehnst. Nein, sag nichts. Es ist so. Ich kenne das.“. Ein bitteres Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Aber du musst dir deine Freunde und die Leute, denen du dich anvertraust, besser aussuchen. Ich war schon eine eigenartige Wahl!“. Linda schaute sie fragend an.
„Wie meinst du das? Du bist doch meine Freundin?“.
Fenaria seufzte.
„Ja, inzwischen schon. Aber am Anfang, da war das nicht so – ach Linda!“.
Linda hatte wieder Tränen in den Augen.
„So meinte ich das doch nicht – hör zu, alles was ich sagen wollte ist, dass du im Moment niemanden vertrauen kannst, außer mir und dir!“
Aus glitzernden, schwarzen Augen schaute Linda sie an. In dem Moment sah sie nicht aus wie jemand, der schon einmal gestorben war.
„Du magst mich also noch?“.
Als Antwort nahm Fenaria sie einfach in den Arm. Ein Gefühl durchströmte sie, dass sie bisher noch nie kennen gelernt hatte. Ein warmes Gefühl. Jemand brauchte sie! Jemand setzte auf sie! Jemand vertraute ihr! Jemanden lag etwas an ihr!
Nach einiger Zeit löste sich Fenaria von Linda, hielt sie an den Schultern fest und blickte ihr tief in die Augen. Diese waren nicht mehr feucht, viel mehr brannte etwas in ihnen, was das warme Gefühl in Fenaria zurückkehren ließ.
„Hast du verstanden?“ fragte sie leise. Linda nickte.
„Ja, Fen!“.
Mit einem herzlichen Lächeln sagte sie zu ihr: „Bitte halte dich in Zukunft ein kleines bisschen mehr unter Kontrolle, ja?“.
Wieder nickte Linda. Fenaria ging die Treppe nach oben aufs Deck. Linda folgte ihr. Sie lächelte wieder.
Auf einmal stieß sie etwas zur Seite. Es war der Goblin. Im vorüber gehen knurrte er Linda an: „So, ihr kommt also wieder zurück, hä? Von wegen! Wir sind euch doch vollkommen egal!“.
Mit gekünstelter Stimme fuhr er fort. „Oh, Herr Goblin, bitte seid so nett, und fliegt uns nach Orgrimmar, weil wir ja etwas soooo Wichtiges zu erledigen haben. Ohhh, ihr sollt auch noch wissen, was für wichtige Gäste ihr hier befördert. Ohja, natürlich nehme ich etwas von den gratis Getränken.“.
Er setzte aus, um gleich darauf mit gekränkter Stimme fort zu fahren.
„Wir sind doch für euch nur niederes Personal! Dafür geboren, um zu dienen! Pah!“.
Linda wollte etwas erwidern, doch Fenaria kam ihr zuvor. Sie wusste, dass sie es sich mit diesem Goblin so oder so verscherzt hatten. Außerdem wurde sie langsam wütend über das Verhalten dieser Wesen.
„Ja, Futzltuk! Dafür halten wir euch! Und mehr seid ihr auch nicht! Was macht ihr denn den ganzen Tag? In diesem Zeppelin hin und her fahren, und euch betrinken! Klasse! Was für ein erfülltes Leben! Ich würde ja liebend gern mit euch tauschen, aber leider habe ich tatsächlich noch einige wichtige Sachen zu erledigen. Aber was erzähle ich euch das? Ihr wisst sicherlich nicht was wichtiger sein könnte, als auf diesem schrottigen Kahn irgendwelche fremden Personen zwischen zwei Städten hin und her zu kutschieren und die Konzentration von Alkohol in eurem Blut so sehr zu steigern, dass sie wohl schon mehr als die Hälfte eurer Gehirnzellen überlagert hat. Und nebenbei geht ihr euren Fahrgästen auf den Geist, nachdem ihr ihnen das total überhöhte Fahrgeld abgenommen habt!“.
Das Gesicht des Goblins wechselte seine Farbe beachtlich schnell von dreckigem Grün zu rot. Wütend stapfte er an ihnen vorbei.
Fenaria wusste, dass sie den Stolz des Goblins unwiederbringlich verletzt hatte. Aber das war ihr im Moment egal. Sie hatte keine Lust, von diesen Wesen immer wieder blöd angemacht zu werden. Außerdem hatte Linda wahrscheinlich Recht.
Wer sollte schon Interesse daran haben, ihr Vorhaben zu vereiteln? Und vor allem, wann sollte er versuchen es zu vereiteln? Wenn der Landeplatz des Zeppelins in Orgrimmar genau so nah an der Stadt war, wie auch der in Unterstadt, sah Fenaria auf diesem Weg keine Chance für einen Angriff. Und in der Stadt würde man ihnen sicherlich nichts zuleide tun. Schließlich waren sie Mitglieder der Horde.
Aber noch waren sie nicht da. Fenaria stand mit Linda wieder am Bug des Schiffes und beobachtete mit ihr zusammen das Wasser. Wie kleine Wellen das Wasser kräuselten, und es danach doch wieder genau so aussah wie vorher. Fenaria wünschte sich, sie hätte so ein beständiges Leben wie das Wasser beständig war. Sie hatte allerdings nicht viel Zeit, diesen Gedanken nach zu hängen, denn nach einiger Zeit kam schließlich Land in Sicht. Linda hüpfte erfreut in die Luft, als sie es entdeckte.
„Schau, Fen! Dort ist Durotar! Und da kann man die Pallisaden von Orgrimmar erkennen, guck doch!“.
Fenaria guckte. Und auch sie konnte am Horizont vage die Stadt der Orks ausmachen.
Allerdings war aus dieser Entfernung nicht all zu viel zu erkennen. Aber das Zeppelin näherte sich dem Land schnell. Um so näher sie kamen, um so trostloser erschien das Land. Sand und Wüste so weit das Auge reichte. Ab und zu ein paar karge Pflanzen. Sobald sie nicht mehr über dem Meer flogen schlug ihnen eine Hitzewelle entgegen, so dass Fenaria unwillkürlich ein paar Schritte zurückwich. Linda lachte sie aus. Sie hatte nichts gespürt. Fenaria sagte nichts darauf.
Sie schaute nur gespannt in Richtung der Stadt. Würden sie diesen Magier ohne Umstände finden? Würde der Kriegshäuptling Thrall das Hilfegesuch von Sylvanas ohne weiteres annehmen? Schließlich hing einiges davon ab. Und zwar nicht nur für sie, sondern für ihr ganzes Volk.
Inzwischen hatte sie sich auch mehr Gedanken über ihr Volk gemacht. Bisher war sie hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, ihr eigenes Leben zu beschützen.
Sympathie für ihre eigenen Leute hatte sie bisher nie spüren können. Keiner von ihrem Volk war nett zu ihr gewesen. All ihre Mitschüler hatten sie für ihre Andersartigkeit gehasst. Ihr Mutter hatte sie vergiftet, und ihr Vater war komplett verrückt.
Naja, dachte sie sich, wenigstens um Letzteren brauchte sie sich wohl keine Sorgen mehr zu machen.
Die einzige Vertreterin ihres Volkes, zu der sie je so etwas wie Zuneigung verspürt hatte, war Lilieth gewesen. Aber auch sie war jetzt tot. Wiederum umgebracht von Fraun. Allerdings, so dachte Fenaria, keine wirklichen Fraun. Das waren eher Dämonen als Fraun gewesen.
Und mit Rommath konnte sie sich auch nicht wirklich anfreunden, er schien sich nicht um ihr persönliches Schicksal zu scheren, als vielmehr um etwas, was zwar eng mit ihr zusammen hing aber für sie persönlich ohne Bedeutung war.
Und trotz allem befand sie sich gerade auf dem Weg, etwas für ihr Volk zu tun.
„Und wehe, wenn ich danach keine Auszeichnung bekomme!“. Dachte sie sich.
Plötzlich gab es einen Ruck. Erschreckt schaute Fenaria auf. Sie hatten an einem Turm angelegt. Dieser sah ganz anders aus als der in Unterstadt. War derjenige bei den Verlassenen grau und aus Steinen gebaut, so war dieser hier aus Holz und mit Fellen bespannt. Etwas lebendiger zwar als die Variante in Unterstadt, aber trotzdem genau so rückständig.
Unbeholfen stiegen die Beiden aus dem Zeppelin. Durch die Planken des Turms konnte man den Boden sehen. Futzltuk war schon vor ihnen ausgestiegen. Er hatte sich mit einem Goblin unterhalten, der auf dem Turm stand. Beide schauten ihnen nun nicht gerade freundlich entgegen. Linda duckte sich unter den Blicken, Fenaria jedoch schritt aufrecht an ihnen vorbei.
Einer der Goblins flüsterte: „Arrogantes Fraunpack!“. Fenaria überhörte es.
Sie gingen die ebenfalls hölzerne Treppe im Innern des Turmes nach unten bis sie schließlich in die staubige Einöde traten. Jeder ihrer Schritte hinterließ eine kleine Staubwolke, welche eine kurze Zeit über dem roten Sand schwebte, bevor sie sich langsam wieder in der flimmernden Luft auflöste. Drückend lag die heiße trockene Luft auf den zwei einsamen Gestalten, die sich langsam der Hochburg der Orcs näherten.
Die Tore der Stadt waren tatsächlich nicht weit. Hoch ragten spitze Holzpfähle in den Himmel hinein.
Als sie durch die Tore traten, welche von zwei groben, finster drein blickenden Orcwachen mit riesigen Äxten flankiert wurden, sah Fenaria zum ersten Mal in ihrem Leben Orgrimmar.
Sie blieb zwischen den riesigen Holzpfählen des Tors stehen, um den Anblick der Hauptstadt der Horde besser auf sich wirken zu lassen.
Sie war viel belebter als Silbermond und auch als Unterstadt, falls man in diesem speziellen Fall überhaupt von belebt sprechen konnte.
An beiden Seiten der etwas verlassen in dem riesigen Eingang stehenden Gestalten drängten sich ohne Rücksicht wahre Massen von verschiedenen Wesen vorbei.
Orcs, Trolle, Tauren, Untote und Goblins. Fenaria konnte sogar ganz kurz den Blick auf einen Fraun erhaschen. Das blieb allerdings auch der einzige.
Viele der Wesen warfen Fenaria beim Vorübergehen Blicke zu, welche meist von einem wollüstigen Lächeln begleitet wurden. Einige ließen sogar eindeutige Absichten erkennen. Fenaria schaute dem einige Zeit hilflos zu und verteilte böse Blicke, bis es ihr zu viel wurde. Sie wandte sich einigermaßen verzweifelt an Linda.
„Was haben all die Leute? Die werden ja wohl nicht glauben, dass ich – du weißt schon.“.
Linda warf einige verhaltene Blicke auf Fenaria. Darauf antwortete sie mit einer Stimme, die verriet, dass sie dieses Thema nicht gerne anschnitt: „Naja. Schau dich doch mal an.“.
Fenaria tat wie geheißen, und ließ einen prüfenden Blick über ihren Körper wandern.
Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, dann fand sie auch den Grund für die unangenehme Aufmerksamkeit der Umgebung. Sie hatte immer noch das gleiche Kleid an, wie beim Beginn ihrer Reise. Besser gesagt, sie hatte immer noch Teile des gleichen Kleides an.
Vom Kleid an sich war nicht mehr viel übrig geblieben. Das wenige, was mehr lose als fest an ihrem Körper hing, reichte gerade aus, um die wichtigsten Stellen zu verdecken. Und das mehr schlecht als Recht.
Es war ihr überaus peinlich, dass ihr das erst jetzt auffiel. Rot anlaufend versuchte sie möglichst viel mit ihren Händen und Armen zu verdecken, was ihr aber gründlichst misslang. Einige der Orcs, die gerade vorüber stampften, animierten diese hilflosen Versuche dazu stehen zu bleiben und in grollendes Gelächter auszubrechen.
Fenaria, die den lachenden Orcs ein paar besonders böse Blicke zu warf, beeilte sich vom Eingang der Stadt weg zu kommen, wo jeder sie sehen konnte.
Sie hielt erst wieder an, als sie etwas weiter östlich vom Tor eine Nische zwischen einem rohen Holzhaus und dem Fels des Berges, welcher Orgrimmar umgab, erreichte.
Dort spendete Schatten eine erfrischende Kühle, und Fenaria setze sich zugleich auf den Boden. Den Rücken an den warmen, roten Fels gelehnt. Linda kam gleich darauf auch dazu und setzte sich zögernd zu ihr.
Fenaria sagte mit enttäuschter Stimme: „Warum hast du mir denn nichts gesagt, Linda? Ich muss doch schon eine ganze Weile so aussehen!“. Sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.
Mit schüchterner Stimme antwortete Linda: „Naja, weißt du, ihr Fraun. Ihr seid doch fast immer so angezogen. Ich .. ich dachte, das gehört so! Tut mir Leid!“.
Fenaria schüttelte nur den Kopf. Sie lugte zwischen ihren Fingern hindurch. Linda saß vor ihr. Ihre Zähne hatte sie in ihre Unterlippe geschlagen, und schaute sie so unsicher an.
Plötzlich zog Fenaria die Hände von ihrem Gesicht weg und begann laut zu lachen.
„Ach Linda!“.
Diese war zuerst komplett verunsichert. Aber nach und nach wich ihr verdutzter Gesichtsausdruck einem vollen und glücklichen Lächeln.
„Es macht dir also nichts aus?“.
Fenaria hatte ihr Lachen inzwischen wieder unter Kontrolle, aber ab und zu zuckten ihre Schultern immer noch.
Sie gluckste nur noch einmal: „Ach Linda!“ um gleich darauf wieder ernst zu werden.
„Naja, ich werde wohl nicht darum herum kommen, mir etwas Neues zu kaufen.“.
Sie durchsuchte ihre heil gebliebenen Taschen. Nach einiger Zeit schaute sie entmutigt auf.
„Leer. Alles Geld was ich hatte ist für die Zeppelin Fahrt drauf gegangen. Hast du vielleicht -.“.
Sie brauchte die Frage nicht zu vollenden. Linda hatte schon am Anfang des Satzes heftig begonnen den Kopf zu schütteln.
Fenaria seufzte. Sie richtete ihren Blick auf den überfüllten Marktplatz, welcher einige Mannslängen von ihnen entfernt war.
„Naja. Hier gibt es ja genug Leute, die ein paar Silber zu viel in der Tasche haben. Warte hier!“.
„Aber Fenaria, du willst doch nicht – Fen!“.
Doch den letzten Anruf bekam diese schon nicht mehr mit. Sie war schon aufgestanden und in Richtung der Menge gelaufen.
Linda schaute sich kurz um, ob sie ihr irgendwie hFraun könnte, aber sie entdeckte keine Möglichkeit dazu. Und als sie ihren Blick wieder geradeaus richtete, war Fenaria verschwunden. Da sie keine andere Möglichkeit sah blieb sie auf der Erde sitzen und wartete mit steigender Ungeduld darauf, dass irgendwo in der Menge ein ärgerlicher Aufschrei erfolgte, und Fenaria, verfolgt von wilden Orcs vom Marktplatz getrieben würde.
Doch es nichts geschah. Das machte sie nur noch unruhiger.
Fenaria war einige Momente, nachdem sie Linda verlassen hatte, in den Schatten verschwunden. Eine Technik, die sie bei den Astralen gelernt hatte. Nur wenige Leute würden sie jetzt noch wahrnehmen.
Jedoch war ihr so etwas nur möglich, wenn sie keiner beobachtete.
Sie schlich unbemerkt durch die Menge der Leute. Schließlich entdeckte sie eine Chance.
Sie näherte sich zwei Orcs, die nahe beieinander standen, und eine übel gelaunte Mine aufgesetzt hatten. Sie bewegte sich hinter einen von ihnen und schubste diesen mit voller Wucht gegen den zweiten.
Diesen wiederum traf der Stoß so unerwartet, dass er um fiel und hart auf den sandigen Boden auf traf. Schneller als Fenaria erwartet hatte, rappelte er sich wieder auf. Sofort ging er auf die andere Grünhaut los. Diese war geistig noch überwältigt von den Ereignissen, deshalb traf sie der erste Fausthieb völlig unvorbereitet.
Er knickte kurz zusammen als er den Schlag in der Magengegend spürte, doch dann hatte er begriffen worum es ging. Kampf! Das kannte er. Sofort holte er aus und verpasste dem anderen Orc einen ebenso heftigen Faustschlag.
Fenarias Plan war aufgegangen. Sie pirschte sich näher an die beiden Orcs heran, peinlich darauf bedacht, allen gewollten und ungewollten Schlägen von diesen auszuweichen.
Schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht. Sie hielt zwei klimpernde Lederbeutel in den Händen.
Vorsichtig schlich sie zurück. Als sie kurz vor Linda wieder aus den Schatten auftauchte, sprang diese vor Schreck auf. Sie fasste sich an die Brust. Fenaria musste bei dieser für eine Untote sinnlosen Geste unwillkürlich schmunzeln.
„Fen! Mach das nie wieder!“. Sie hielt kurz inne, als sie die zwei Beutel in Fenarias Händen sah.
„Du hast es tatsächlich geschafft?“.
„Aber sicher. Was dachtest du denn?“.
Linda antwortete nichts darauf, sondern blickte Fenaria nur staunend an.
Diese mochte diesen Blick nicht und forderte Linda mit einem Kopfnicken auf, ihr zu folgen.
„Wir besorgen mir jetzt erstmal neue Kleidung!“.
Sie lief in Richtung einer bestimmten, besonders herunter gekommenen Holzhütte. Als sie vorher in der Menge umher geschlichen war, hatte sie gehört wie sich zwei Orcinnen über den Händler unterhalten hatten, der hier seine Waren feil bot. Sie hatten sich darüber beschwert, dass alles viel zu eng wäre, was es hier gab. Also glaubte Fenaria, das könnte wohl das Beste für sie sein.
Linda stackste scheinbar willenlos hinter ihr her.
Sehr bald und ohne unliebsame Unterbrechungen hatten sie die Hütte erreicht. Sie bestand wie alle anderen auch aus einem groben Holzgestell, welches mit Häuten bespannt war. Nur hatten diese Häute hier schon zahllose Risse und das Holz war teils verfault.
Dennoch betraten sie ohne zu zögern das Haus. Als sie hereinkamen schlug ihnen fast unerträglicher Gestank entgegen. Der Gestank eines Gerbers.
Drinnen stand hinter einer Theke ein Untoter. Er hatte keine Haare mehr, und die Knochen standen an verschiedensten Stellen aus seinem Körper heraus.
Auf der Theke waren allerlei Waren ausgelegt. Fenaria konnte vor allem Rüstungen aus Leder erkennen. Allerdings gab es auch Köcher, Munitionsbeutel und verschiedene andere Teile aus Leder.
Fenaria schob sich vor die Theke. Darauf gewappnet, sich einige Kommentare wegen ihres Aussehens gefallen zu lassen. Doch im Gegenteil. Der Untote blieb vollkommen sachlich. Er schien sich für seine Umwelt nicht im geringsten zu interessieren. Nicht einmal eine Begrüßung gab er von sich.
„Ihr wünscht?“.
„Äh, ich hätte gerne neue Kleidung.“.
„Hm, lasst mich sehen. Wie wäre es hiermit?“.
Der Untote bewies Augenmaß. Er hob eine leichte Lederrüstung von der Theke, welche ganz im Gegenteil zu der Hütte, in der sie verkauft wurde in makellosen Zustand war. Sie glänzte bräunlich, und war an wichtigen Stellen wie den Schultern entsprechend verstärkt.
Fenaria nahm die Rüstung entgegen und hielt sie sich an den Körper.
Darauf, sie anzuziehen, verzichtete sie aus offensichtlichen Gründen. Obwohl sie nicht sicher war, ob der Untote auf die totale Entblößung ihres Körpers nicht ebenso teilnahmslos reagiert hätte, wie auf alles andere.
Fenaria entschied sich, die Lederrüstung zu nehmen.
„Ja, die ist gut. Wieviel?“.
„80 Silber!“. Das war überraschend wenig.
Fenaria kramte das Geld aus einem der beiden Lederbeutel und überreichte es dem Untoten. Dieser zählte es nicht einmal ab, sondern warf es sofort in einen für Fenaria nicht sichtbaren Behälter.
„Sonstige Wünsche?“.
„Äh, nein. Danke!“. Sie wollten sich gerade zum Gehen wenden, als der Untote etwas in seinem teilnahmslosen Tonfall ein warf.
„Wollt ihr sie vielleicht nicht auch anziehen? Dort ist eine Trennwand!“.
Sein knochiger Zeigefinger zeigte auf ein Gestell aus Holz, dass Fenaria vorher gar nicht gesehen hatte.
Sie warf dem Untoten einen verschmitzten Blick zu. Doch dieser hatte den Blick schon wieder gesenkt und untersuchte irgendetwas an seiner Ware.
Fenaria stieg hinter die Holzwand und zog sich um. Die Fetzen des alten Kleides hängte sie über die Trennwand.
Als sie wieder hervor kam, musterte Linda sie eingehend.
„Das passt ja perfekt!“.
Fenaria musste ihr zu stimmen. Auch wenn es nicht so aussah, aber dieser Untote hatte Ahnung davon, was er verkaufte.
Fenaria wollte den Laden verlassen, da fiel ihr noch etwas ein.
Sie ging vor die Theke und sprach den Verlassenen erneut an.
„Wisst ihr, wo Thrall sich für gewöhnlich aufhält?“.
Ohne auf zu schauen antwortete der Händler: „Einfach die Gasse im Osten entlang gehen, bis zum Ende.“.
„Äh, in Ordnung. Auf Wiedersehen.“.
Der Untote schaute nur kurz mit einem verächtlichen Blick auf, und vertiefte sich dann wieder in seine Arbeit.
Fenaria zuckte mit den Schultern und verließ zusammen mit Linda das Geschäft.
Sie bewegten sich Richtung Osten. Ihr strammer Schritt zeigte, dass sie sich sicher fühlten.
Insgesamt sechs Augenpaare schienen dieses Gefühl Lügen zu strafen. Deren Blicke verfolgten sie. Die einen schon seit längerer Zeit, die anderen erst seit kurzem. Und nur der Besitzer eines einzigen war nicht darauf aus, sie zu töten.
19
Rommath stand mit Anrawen am Bug des Schiffes. Landrol hatte sich vor einiger Zeit entfernt. Er sagte, er hätte noch etwas mit den Goblins zu „erledigen“.
Rommath begann leise ein Gespräch.
„Wir sind bald da. Was sollen wir machen? Ich werde immer sicherer, dass dieser Hexer und wir komplett unterschiedliche Ziele verfolgen, auch wenn er etwas anderes behauptet.“.
Anrawen nickte.
„Das war uns doch von Anfang an klar. Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darum machen, wie wir ihn los werden!“.
Beide schreckten auf, als eine vor unverhohlener Bosheit triefende Stimme hinter ihnen sagte: „Oh, da braucht ihr euch keine Sorgen mehr machen! Ich habe mich schon darum gekümmert, wie ich euch los werde. So lässt sich das Problem auch lösen, oder nicht?“.
Landrol stand nur wenige Schritte hinter ihnen und schaute ihnen hämisch entgegen.
„Ich brauche euch nicht mehr.“. Weder Anrawen noch Rommath waren in der Lage etwas zu sagen.
„Auf Nimmerwiedersehen, Ramil.“ er nickte ihm kurz zu. „Schnuckelige NachtFrau!“ ein kurzes Winken.
„Ich habe mir einen ganz besonders interessanten Tod für euch ausgedacht. Viel Spass mit der ... Besatzung, oder dem was von ihr noch übrig ist.“.
Erst jetzt sah Rommath, dass der Hexer einen Goblin an seinen Ohren gepackt hatte. Dieser schwebte hilflos mit den Beinen zappelnd über den Holzplanken.
Der Hexer schnippte einmal mit den knochigen Finger der anderen Hand, und der Goblin hörte auf zu zappeln. Dafür kam eine andere Art von Leben in ihn. Seine Augen begannen rötlich zu leuchten und sein ganzes Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse der Bosheit.
Langsam setzte der Hexer das Wesen, das früher einmal ein Goblin gewesen war auf dem Boden ab. Sofort begann es auf Anrawen und Rommath zu zu stürmen.
Einige Schritte vor ihnen sprang es in die Luft und öffnete sein vor spitzen Zähnen strotzendes Maul. Die Hände hatte es nach vorne ausgestreckt. Ein gequältes Kreischen drang aus seiner Kehle.
Nun war es an Rommath zu schnippen. Kurz bevor das grüne Wesen sie erreichte, froren seine Bewegungen ein. Rommath trat einen Schritt zur Seite und der Goblin flog an ihnen vorbei in die Tiefe. Kein Laut drang aus seiner Kehle.
Landrol schaute zynisch lächelnd zu Rommath und Anrawen.
Dann sagte er mit fast schon belustigter Stimme: „Ha, das war erst einer. Aber ich hatte in der Zeit, wo ihr hier oben geflirtet habt, genug Möglichkeiten mich mit der gesamten Mannschaft zu ... unterhalten.“.
Trotz der überaus gefährlichen Situation schrie Anrawen plötzlich mit gekränkter Stimme: „Wir haben nicht 'geflirtet'! Was fällt euch ein! Als ob ich irgendwas an diesem eingebildetem Schnösel finde! Pah!“. Rommath musste sie an beiden Armen festhalten, damit sie sich nicht in ihrer Ekstase auf den Hexer warf, und damit einen wohl tödlichen Fehler beging.
„Lasst mich los, ich werde diesem Dämonenschubser in Spe zeigen, was passiert, wenn man eine Priesterin der Elune bezichtigt, mit einem Mensch zu flirten!“.
„Ruhig, Anrawen. Das will er doch nur. Verdammt, bezwingt einmal euren Stolz!“.
Anrawen sah ein, dass Rommath Recht hatte, und beruhigte sich etwas. Dennoch ließ sie Rommath noch nicht los.
Sie zischte ihn an.
„Lasst mich los! Oder habt ihr etwa noch andere Gründe, mich zu begrabschen?“. Ihr Augen schienen Blitze zu verschießen.
Schnell nahm Rommath seine Arme von ihr, und hielt sie entschuldigend nach oben.
Als Landrol anfing laut zu lachen, wendeten sie ihre Blicke wieder ihm zu.
„Köstlich! Damit habt ihr mir den besten Beweis geliefert, den ich mir wünschen konnte.“.
Augenblicklich wurde er wieder ernst.
„Aber das Dämonenschubser werde ich euch nicht verzeihen. Und eure Elune könnt ihr euch sonst wohin stecken! Ich übernehme das jetzt persönlich“.
Anrawen begann in ihrer Wut unkontrolliert zu zittern.
Ihr Worte kamen nur geflüstert zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Wagt es nicht ... wagt es nicht noch einmal .... Elune ... zu.... beleidigen!“.
Der Hexer lachte erneut laut auf. Dann sagte er mit vor Spott triefender Stimme: „Oh, ich bin Elune, eine ganz tolle Göttin! Schaut mich an und verehrt mich! Ich bin so toll und mächtig, ihr müsst jeden massakrieren, der etwas anderes behauptet!“.
Das war zu viel für Anrawen. Mit einem wütenden Schrei stürzte sie sich nach vorne. Rommath, der sie zurück halten wollte, griff ins Leere.
Mit bloßen Händen wollte die Priesterin auf den Hexer los gehen.
Darauf hatte dieser gewartet. Mit einer einzigen schnellen fließenden Bewegung formte er mit seinen Händen eine Kugel vor seiner Brust. Aus dieser begannen augenblicklich schwarze Flammen zu lodern. Nur wenige Augenblicke später stieß er seine Hände nach vorne, und öffnete die Kugel.
Schwarzes loderndes Feuer schlug der NachtFrau entgegen und hüllte sie für einen Moment ein.
Im nächsten Moment wurde sie mit gewaltiger Wucht aus dem Feuer gestoßen. Sie flog über die Reling, an Rommath vorbei. Dieser griff sofort nach ihr, und bekam sie auch zu fassen.
Allerdings wurde er von dem Schwung mitgezogen und hing schließlich auch an der Außenseite des Zeppelins. Mit einer Hand hatte er die Reling fassen können, die andere klammerte sich um das Handgelenk von Anrawen.
Diese baumelte, nur von dem Magier gehalten, leblos über dem Meer. Ihr Körper zeigte schwere Verbrennungen, welche nicht von normalen Feuer stammen konnten. Aber Rommath hatte zur Zeit andere Sorgen. Seine Kraft ließ schnell nach. Schließlich war er kein muskulöser Krieger, sondern ein auf geistige Widerstandsfähigkeit geschulter Magister.
Er spürte gerade wie seine Finger langsam von dem kratzigen Holz abrutschten, als er Schritte hörte. Plötzlich griff etwas hartes, kaltes nach seiner Hand und hielt sie fest. Es war Landrol.
Als sein Kopf über die Reling blickte, und seine ungepflegten schwarzen Haare auf Rommaths Gesicht fielen, hätte dieser am liebsten los gelassen. Aber der Hexer hielt seine Hand mit stahlhartem Griff fest.
„Soso. Ihr haltet diese Kal'Dorei fest, damit sie nicht ins Wasser fällt und stirbt. Wie niedlich. Sagt, was habt ihr an diesem Geschöpf? Diese Rasse war es, die uns verbannt hat, diese Rasse ist es, die uns am liebsten tot sehen würde. Warum beschützt ihr sie mit eurem Leben?“.
Rommath fühlte sich gezwungen zu antworten.
„Diese Frau ist anders! Sie denkt anders über uns. Ich weiß nicht warum aber -“. Er stockte.
Der Hexer schaute ihn hämisch an.
„Aber ihr mögt sie? Ha! Seid froh, dass sie ohnmächtig oder tot ist, sonst würde sie euch dafür eigenhändig umbringen. Ich mache euch ein Angebot. Ihr dürft am Leben bleiben, wenn ihr dieses blauhäutige Etwas jetzt los lasst. Wir klingt das?“.
„Nach einer Lüge.“.
Der Hexer schaute beleidigt.
„Sehe ich so aus, als ob ich lügen würde?“.
„Ja, das tut ihr. Und ganz sicherlich habt ihr das auch schon. Ich glaube nicht, dass ihr Fenaria etwas Gutes wollt!“.
Der Hexer setzte ein gekünsteltes Lächeln auf.
„Ha, das habe ich nie behauptet. Ich sagte nur, ich bin begierig darauf, sie zu finden. Und das ist nicht gelogen. Ich bin nämlich begierig darauf, sie zu finden. Was ich allerdings danach mit meiner Tochter anstelle, das werde ich euch nicht verraten. Ihr würdet es auch nicht verstehen. Aber lassen wir das. Ihr habt immer noch die Wahl zwischen Leben und Tod.“.
„Ihr kennt meine Antwort! Wahrscheinlich würdet ihr mich, sobald ich Anrawen los lasse noch einen Augenblick am Leben lassen, und dann töten, weil nach eurer Ansicht das Abkommen damit auch gelöst wäre.“.
Der Hexer blickte, als ob man ihn durchschaut hätte.
„Ihr verderbt mir aber auch alles. Na gut, wenn das so ist. Sterbt - Beide!“.
Er wandte sich kurz um. Mit der einen Hand hielt er immer noch Rommath fest, während er mit der anderen etwas machte, was der Magier nicht sehen konnte.
Als er sich schließlich wieder um wandte, spielte ein sadistisches Lächeln um seine Lippen. Nun konnte Rommath auch die andere Hand sehen. Auf den bleichen Knochen tanzte eine grüne Flamme. Sie schien ein eigenes Leben zu haben. Sie wanderte den Arm des Hexers hoch, auf dessen Schultern, und wieder hinab auf seine Hand.
„Schaut, ist sie nicht schön? Eine Kunst, die euch angeblichen Meistern des Arkanen für immer verborgen bleiben wird.“.
„Ihr seid verrückt.“.
Das Lächeln wich nicht vom Gesicht des Hexers.
„Offensichtlich! Aber Macht hat ihren Preis, nicht?“.
„Was habt ihr schon für eine Macht? Zwei hilflos mehrere Mannslängen über Wasser hängende Wesen zu töten, ist keine Macht!“.
„Sterbt!“.
Mit vor Panik weit geöffneten Augen beobachtete Rommath, wie sich die knochige Hand mit dem Feuer, das jetzt still blieb, seinem Arm näherte. Als sie den Arm erreicht hatte, sprang das Feuer sofort über.
Im selben Moment spürte der Magister einen brennenden Schmerz auf seinem Arm.
Die grüne Flamme tanzte scheinbar munter auf dem selben. Überall, wo sich das unnatürlich Feuer durch Rommaths Kleidung und in sein Fleisch fraß, ließ es hässliche Spuren zurück.
Landrol hatte Rommath bereits losgelassen, und starrte nun mit vor der Brust gefalteten Armen auf diesen herunter. Scheinbar erwartete er eine Entscheidung.
Es begann nach verbrannter Haut zu stinken. Rommath biss die Zähne zusammen. Er hatte nicht viele Alternativen.
Würde er los lassen und aus dieser Höhe ins Wasser fallen, würde er ebenso schwere Verletzungen davon tragen, wie wenn der Grund aus Stein wäre. Und wahrscheinlich würde diese von dämonischen Energie gespeiste Flamme sich nicht einmal durch Wasser löschen lassen, und ihn immer weiter verzehren. Irgendwann würde er daran sterben, aber vorher wahrscheinlich dem Wahnsinn verfallen.
Danach würde die Flamme sich Anrawen vornehmen, vorausgesetzt, sie lebte zu diesem Zeitpunkt noch.
Allerdings musste er los lassen, denn wenn er beide Hände frei hätte, hätte er immer noch die Möglichkeit mit seiner Magie etwas gegen die Flamme zu unternehmen.
Er musste es einfach probieren. Er ließ los. Höhnisches Gelächter folgte ihm. Da Rommath jedoch nicht zurück blickte konnte er auch nicht sehen, wie Landrol im hinterher winkte.
Er konzentrierte seine Gedanken auf die Flamme. Mit der jetzt freien Hand versuchte er einen Zauber zu wirken, was ihm sehr schwer fiel, da er sich im freien Fall befand. Mit der anderen Hand hielt er immer noch das Mädchen fest.
Er wusste, dass er den Zauber gewirkt haben musste, bevor er auf die Wasseroberfläche auf traf. Ansonsten wäre alles aus. Für Beide.
Mit einer einzigen riesigen geistigen Anstrengung schleuderte er gedanklich einen Zauber auf die Flamme.
In diesem Moment riss für ihn die Welt auseinander. Auf einmal sah er nichts mehr, nur alles verschlingende Schwärze umschlang ihn. Er spürte noch Anrawens Arm in seiner Hand, und den Schmerz auf seinem Arm. Die Flamme existierte also noch.
Er hatte immer noch das Gefühl, er würde fallen. Aber in alle Richtungen gleichzeitig. Es ließ sich nicht beschreiben.
Und dann war es vorbei. So schnell wie es gekommen war. Er traf hart auf den Grund auf. Allerdings bestand dieser Grund nicht aus Wasser, so wie es eigentlich hätte sein sollen, sondern aus nassem Holz.
Die Flamme auf seinem Arm schien dieses Zwischenereignis unglaublich gestärkt zu haben. Sie fraß sich mit solch einer Heftigkeit in sein Fleisch, dass ihm das Bewusstsein schwand.
Kurz davor hörte er allerdings noch eine kratzige, aufgebrachte Stimme: „Was um alles Tote in der Welt macht ihr denn hier? Ich dachte ich wäre euch endlich los!“.
20
„Dachtest wohl, duse könntest den alten Tuk überlisten, kleines Frau,hm? Nichtse da. Ichse dich sehen, dich die ganze Zeit beobachtet. Seit du beklauen Orc ich dir folgen. Niemand brechen Gesetze von Orgrimmar, ohne dass Tuk es sehen.“.
Der Troll führte Selbstgespräche. Er befand sich auf den Dächern von Orgrimmar und hatte den Blick auf Linda und Fenaria gerichtet, welche gerade aus seinem Blickfeld verschwanden. Er sprang leichtfüßig von dem Dach herunter und landete ebenso leichtfüßig wieder auf dem staubigen, fest getretenen Boden der großen Stadt. Vorsichtig und darauf bedacht keinen Laut von sich zu geben, schlich er hinter Fenaria und Linda her. Er nutzte jeden Schatten und jede Nische zwischen den schiefen Holzbauten aus, um sich zu verbergen. Aber die zwei Beschatteten waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie ihn auch nicht bemerkt hätten, wäre er ein Taure und nur ein Meter hinter ihnen gewesen.
Er führte sein Selbstgespräch fort.
„Michse dich töten, kleines Frau. Gesetz von Orgrimmar zwar vor sieht, nur Verhörung und mindere Strafe, aber michse einfach sagen, es Unfall. Ich nix mögen arrogante Fraun. NachtFraunse, Fraunse, alles gleiches Pack. Alles feindlich gegen Trolle. Jetzt ich auch feindlich gegen Fraunse. Ich dich töten kleine Frau. Kleines Untotenmädchen wohl auch dran glauben muss. Niemand sie wirklich vermissen wird. Kein Problem.“.
Fenaria und Linda waren samt ihrem Verfolger inzwischen einer Abzweigung gefolgt, welche in eine dunkle Gasse führte. Abseits von der sehr belebten Hauptstraße, bevölkerten nur sehr wenige Leute diese düstere Ecke von Orgrimmar.
Ausschließlich Gestalten mit zweifelhaften Absichten trieben sich hier herum.
Der Troll namens Tuk wartete, bis einige maskierte und sich flüsternd unterhaltende Orks in schwarzen Kutten vorüber gegangen waren, dann näherte er sich mit steigender Geschwindigkeit Fenaria und Linda. In seiner rechten Hand glänzte ein zum tödlichen Stoß bereiter Dolch.
„Du bist dir sicher? Tot oder Lebendig ist egal?“. Die Stimme gehörte einem Orc, welcher bewaffnet mit einer riesigen Keule zu einem seiner drei Kameraden redete.
Alle standen auf einer kleinen Anhöhe inmitten der zwielichtigen Gasse.
Der angesprochene, auch ein Orc, jedoch mit zwei sehr groben Schwertern an der Seite, antwortete missmutig: „Du denkst ich lüge?“
Er langte bedrohlich nach seinen zwei Schwertern. Doch bevor die Situation weiter eskalieren konnte, unterbrach ein anderer aus der Gruppe der vier Personen den Streit. Dieser war ebenso wie die zwei Orcs in schwarze Sachen gehüllt. Allerdings fiel dessen Robe lose seinen Körper hinunter, während sie bei den Orcs straff um die Taille gespannt war. Es war ein Untoter.
Seine Worte klangen mehr nach einem Knurren als nach einer normalen Stimme.
Er unterstütze den Orc, der vorher gesprochen hatte.
„Der Kontakt war nicht sehr deutlich, aber so etwas hat er gesagt, ja.“.
Der Orc mit den Schwertern grunzte.
„Und Belohnung war?“.
Der Untote antwortete mit seiner dunklen Stimme: „Er sprach von Macht!“.
Der andere Orc haute seine Keule mit voller Kraft auf den Boden.
„Macht! Was will ich mit Macht? Diese Keule ist meine Macht! Ich kann sie ihn gerne spüren lassen, diese Macht, vielleicht überlegt er sich sein Angebot dann noch einmal, diese Made!“.
Zum ersten Mal ließ sich die vierte Gestalt vernehmen. Ihre weibliche Stimme kam krächzend aus ihrer Kehle.
„Langsam mit den jungen Kodos! Schaut, wenn wir den Auftrag erledigen, haben wir uns eine gute Verhandlungsbasis geschaffen, oder nicht? Wir können dann gegen Rausgabe dieser Frau, ob tot oder lebendig, eine höhere Belohnung fordern!“.
„Hö?“ sagten beide Orcs gleichzeitig.
Die weibliche Gestalt versuchte es einfacher zu erklären.
„Wenn Frau tot, wir können verlangen Gold!“.
Jetzt zeigte sich Erkenntnis in den Gesichtern der Orcs.
„Ah, ja! Gold ist gut.“.
„Seht ihr!“.
„Wir wissen sowieso noch nicht, wann wir diese Belohnung bekommen können.“ sagte der Untote „Als ich mit diesem Elf Kontakt hatte, befand er sich in Unterstadt. Er hatte dort eine unserer Kontaktpersonen angesprochen. Ihm geht es vor allem darum, dass diese Frau ihre Ziele, was auch immer diese sind, nicht umsetzen kann. Deswegen sollen wir sie so früh wie möglich aus dem Verkehr ziehen. Und solange bis dieser Elf kommt, können wir ja noch etwas – Spass mit ihr haben.“. Ein dunkles Lachen kam über seine verfaulten Lippen.
Das weibliche Wesen, es war eine Trollin, fragte den Untoten: „Habt ihr denn einen Treffpunkt ausgemacht?“.
„Nein, das war diesem Typen zu riskant. Er sagte nur, 'er würde uns schon finden'.“.
Die Trollin schüttelte den Kopf und sagte zweifelnd: „Also, so ganz geheuer ist mir diese Sache nicht. Wer sagt uns, dass dieser Elf uns nicht betrügt oder gar umbringt, wenn wir ihm diese Frau ausliefern?“.
„Hm, ein guter Einwand. Aber dem können wir entgehen, indem wir das Mädchen irgendwo verstecken, und den Aufenthaltsort nur gegen Belohnung herausgeben.“.
Die Trollin nickte.
„Da hast du Recht.“.
„Gehen wir jetzt endlich töten?“ empörte sich der Orc mit der Keule.
„Sachte, Okzik. Taktik ist manchmal praktischer als bloßes draufhauen.“.
„Hö?“.
Die Trollin seufzte.
„Ja, wir gehen jetzt töten.“.
„Jawoll! Dann los!“.
Die vier Personen machten sich bereit. Der Untote lockerte seine Kutte noch mehr, so dass er volle Bewegungsfreiheit hatte. Seine Hände begannen sanft zu glimmen.
Die Trollin legte ihre Robe komplett ab. Eine leichte Kettenrüstung kam darunter zu tage. Kurz darauf hatte sie einen Bogen in der Hand. Einen Pfeil locker auf die Sehne gelegt. Mit der anderen Hand ließ sie einen kurzen Pfiff los. Sofort kam aus den Schatten ein Panther geschlichen. Er gesellte sich neben die Trollin.
Der Untote knurrte ärgerlich.
„Muss dieses Vieh immer dabei sein?“.
Die Jägerin warf ihm einen kurzen vernichtenden Blick zu. Der Untote zuckte nur die Schultern.
Die Orcs hatten es nicht nötig sich auch nur in irgendeiner Weise bereit zu machen, sie waren immer bereit.
Der eine zog mit einer schnellen wuchtigen Bewegung seine zwei Schwerter aus den Scheiden. Er öffnete den Mund zu einem Kampfschrei und wollte vorwärts stürmen. Doch plötzlich streckte die Trollin einen Arm aus und hielt ihn zurück. Das gefiel diesem gar nicht. Er baute sich vor der Trollin auf.
„Was soll das? Du hast gesagt, jetzt Angriff! Jetzt Töten! Ich will jetzt töten!“.
„Pscht! Schaut doch! Da hat noch jemand den gleichen Gedanken.“.
„Höh?“.
Anstatt einer Antwort deutete die Trollin nur auf die Gasse hinunter. Auf dem staubigen Weg schritten unbekümmert das Mädchen und die Untote. Doch sie waren nicht allein. Hinter ihnen lief ,geduckt und mit einem Dolch in der Hand, ein Troll.
„Jetzte ichse dich kriegen, kleines Frau!“. Der Troll hatte schnell aufgeholt. Er war nur noch einige Schritte hinter Fenaria und Linda, welche ihn immer noch nicht bemerkt hatten.
Im letzten Moment gab er seine Deckung auf, und holte mit dem Dolch aus.
„Du dürfen abschließen mit arroganten Leben jetzt! Ich dich tö – argh!“.
Ein unterdrückter Aufschrei, welcher aber sogleich von einer Hand in einem schwarzen Lederhandschuh erstickt wurde. Der Troll wurde brutal in eine kleine Nische gezogen, von denen es in der dunklen Gasse genügend gab.
Dort presste ihn eine in pechschwarze Klamotten gehüllte Gestalt an die dreckige Wand. Eine Hand war um seine Kehle geschlossen, die andere hielt seinen Arm mit dem Dolch fest.
Nachdem Tuk den ersten Schreck überwunden hatte, blickte er der Gestalt in das Gesicht – und erschrak ein weiteres Mal.
„Fraunse! Aber – aber du dochse dort auf der Straße laufen. Ich – nein, wartense, du nur ähnlich! Was du wollen? Niemand einfach Tuk überlisten. Ich dich töten, und dann kleines Fraunse!“.
Ein überlegenes Lächeln umspielte die Lippen der rothaarigen Frau.
„So, dich überlistet niemand, hm? Na, scheinbar lässt dein Wortschatz tatsächlich auf deine Intelligenz schließen. Und um mich zu töten bist du in einer denkbar ungünstigen Situation!“.
Die Hand an seiner Kehle drückte heftiger zu. Der Troll würgte.
„Siehst du was ich meine? Ich denke, ja. Also dann wollen wir doch mal anfangen. Ich habe nicht viel Zeit. Was willst du von meiner Tochter?“.
Mühsam und mit erstickter Stimme brachte der Troll hervor: „Dase sein deine Tochterse? Ich nichts wissense.“. Um mehr zu sagen fehlte ihm die Luft.
„Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Aber einen kleinen Dienst kannst du mir noch erweisen. Allerdings eher indirekt“.
Die Augen des Trolls weiteten sich in stummer Frage.
Das Lächeln der Frau weitete sich und in ihre Augen trat ein brutales Glitzern.
„Was war das?“ fragte der Untote mit unsicherer Stimme.
„Ich weiß es nicht. Aber dieser Troll hat es scheinbar auch auf diese Frau abgesehen.“ antwortete die Trollin.
„Aber was macht der in dieser Nische. Komischer Plan!“ sagte einer der beiden Orcs.
„Ich glaube kaum, dass er da freiwillig rein gegangen ist. Warten wir eine Zeit.“.
Lange brauchten sie nicht zu warten.
Auf einmal spritzte ein Schwall einer dunklen Flüssigkeit aus dem Schwarz der Nische und benetze den staubigen Boden der Gasse.
Alarmiert sagte der Untote: „Was zur Königin war denn das?“.
Die Trollin hob ein grob gearbeitetes Fernrohr an ihr Auge. Lapidar kam nur ein Wort aus ihrem Mund.
„Blut.“.
„Soll das heißen dieser Troll ist – tot?“. Er brauchte nicht auf eine Antwort warten.
Langsam fiel eine dunkle Masse aus der Nische, bis sie schließlich auf dem Boden zu liegen kam.
Man konnte einen Körper erkennen.
Einer der Orcs sagte: „Aba wo is denn der Kopf?“.
Die Trollin sagte stockend: „Das werden wir wohl nie erfahren. Ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Ich bin nur froh darüber, dass dieser Troll sozusagen seinen Kopf für uns hin gehalten hat. So hat es ihn und nicht uns getroffen.“. Sie blickte sich kurz um.
„Verdammt! Jetzt ist das Mädchen verschwunden.“. Und tatsächlich. Fenaria war inzwischen aus ihrem Blickfeld geraten.
„Argh!“ schrie Okzik „Teil hat uns Beute geklaut! Ich mach das platt! Was auch immer.“. Mit diesen Worten rannte er los. Der andere Orc streckte seine Schwerter über den Kopf und rannte ihm mit wildem Geschrei hinterher.
Die Trollin zuckte nur mit den Schultern.
„Sollen sie sehen, was sie davon haben. Vielleicht bringen sie diesen Attentäter ja tatsächlich zur Strecke.“.
Doch als sich eine ganze Zeit nichts tat, begann sie sich Sorgen zu machen.
Sie sagte zu dem Untoten: „Vielleicht sollten wir doch mal nach schauen?“.
Der Untote nickte schwach.
Darauf setzten sich Beide in Bewegung und gingen den gleichen Weg, den die Orcs vorher beschrieben hatten.
Als die Trollin und der Untote in die unmittelbare Nähe der Nische kamen, machten sie sich schon auf das Schlimmste gefasst. Sie bewegten sich mit äußerster Vorsicht.
Die Jägerin mit gespanntem Bogen, und der Magier mit einer knisternden Feuerkugel zwischen seinen Händen.
Doch als sie um die Ecke traten entspannten sie sich. Knarzend gab der Bogen nach. Zischend verflüchtigte sich die Kugel aus Feuer.
Die zwei Orcs standen lebend in der Nische und blickten betreten zu Boden.
Die Trollin empörte sich: „Was steht ihr hier so blöd rum? Wir haben uns doch tatsächlich Sorgen um euch zwei Idioten gemacht! Warum seid ihr nicht einfach zurück gekommen, als ihr gesehen habt, dass hier niemand mehr ist.“.
Einer der Orcs drehte sich zu ihr um, auf seinen dümmlichen Zügen zeigte sich so etwas wie Furcht. Er zeigte mit einem seiner dicken Finger auf den Boden.
Die Trollin blickte hinab. Und auch sie bekam ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.
Auf dem Boden lag die übel zugerichtete Leiche des Trolls. Der Kopf war auch hier aus der Nähe nicht aufzufinden. Aber das war es nicht, was der Trollin ein schlechtes Gefühl in den Bauch trieb.
Jemand hatte mit dem Blut des Trolls einen Kreis auf dem Boden gezogen. Und inmitten dieses Kreises stand, ebenfalls mit Trollblut gezeichnet nur ein Satz: „Überlegt es euch gut!“.
21
Er wurde unsanft geweckt. Er fühlte einen Schwall kalten Wassers auf seinem Gesicht. Prustend schlug er die Augen auf, und erstarrte.
„Nein. Bitte lass es einen Traum sein! Nicht er.“ seine Stimme war ein leises Flüstern.
Dennoch hatte ihn die Person, die mit einem leeren Eimer über ihm stand verstanden.
„Doch, genau der! Kein Traum.“ seufzend fügte der Untote hinzu: „Leider.“.
Rommath setzt sich auf. Er bemerkte, dass er sich auf einem Schiff befand. Er schaute sich um. Auf den nassen Dielen liefen geschäftig Goblins hin und her. Am Horizont konnte er trockenes und wüstes rotes Land erkennen. Rommath schätzte, dass sie sich in der Nähe von Ratschet befanden. Um so mehr fragte er sich was dieser ihm nur allzu bekannte Untote hier machte.
Und wie kam er überhaupt hier her?
Scheinbar war diese Frage seinen Augen abzulesen, denn der andere antwortete: „Ihr seid mitten in ein magisches Experiment rein geplatzt! Ihr habt mich gestört! Ich miete mir extra dieses überteuerte Goblin Schiff um mein Experiment in aller Ruhe draußen auf dem Ozean durchführen zu können, und was passiert? Irgend so ein daher gelaufener Hoch Magister muss natürlich in der Phase der Stabilisierung im Zielgebiet eine hohe Menge an arkaner Energie frei setzen. Und damit einen von mir nicht vorhersehbaren Prozess einleiten, der ihn dann samt seiner sehr fragwürdigen Begleitung auf dieses verdammte Schiff teleportiert!“.
Rommath, der durch den letzten Satz an die Priesterin erinnert worden war, unterbrach ihn in seiner Schimpftirade. Seine Stimme klang alarmiert.
„Wo ist Anrawen?“.
Der Untote schaute ihn mit noch vom Sprechen offenem Mund an.
„Wie bitte?“.
„Wo ist das Mädchen?“.
„Die NachtFrau?“.
„Genau die!“.
Ungläubig starrte der Untote Rommath an.
„Was wollt ihr denn mit der? Die ist im Schiffskerker, wo sonst?“.
Hektisch sprang Rommath auf.
„Das Mädchen hatte schwerste Verletzungen!“.
Der Untote zuckte nur mit den Schultern.
„Ihr seht auch nicht gerade gesund aus.“.
Erst jetzt bemerkte Rommath wie sehr sein Arm schmerzte. Er schaute auf ihn herunter und ihm wurde übel. Das eigenartige Feuer hatte sich tief in das Fleisch ein gegraben, hässliche Brandflecken überzogen seine Haut. Alles war übersäht mit Brandblasen, deren Inhalt einen eigenartigen Grünton hatte.
Er wandte sich ab und schüttelte den Kopf.
„Das wird schon. Aber das Mädchen könnte sterben, wenn man ihr nicht hilft!“.
Der Untote zuckte erneut mit den Schultern.
„Na und? Ich kann euch nur erneut fragen, was ihr von ihr wollt. Ich dulde auf meinem Schiff keine Verräter!“.
Rommath wurde ärgerlich.
„Ich bin kein Verräter.“.
Der Untote grinste boshaft.
„Und wer bestätigt mir das? Vielleicht sollte ich euch auch fest setzen.“.
Rommath ballte die Fäuste zusammen.
„Ihr macht das doch nur, um mir das Leben schwer zu machen!“.
Der Untote lächelte süffisant.
„Und wenn?“.
Rommath wusste, dass wenn dieser Untote wollte, er ihm tatsächlich einige Schwierigkeiten bereiten konnte. Es war schließlich nicht ab zu streiten, dass er mit dieser NachtFrau zusammen gearbeitet hatte. Wenn das jemand anders erfahren würde, wäre seine Stellung bei seinem Volk dahin. Er musste nachgeben.
„Nun gut, was wollt ihr?.“
„Euch nie in meinem ganzen Leben wiedersehen!“.
„Wenn das alles ist, nur zu gerne.“.
Der Untote schüttelte den Kopf.
„Das ist nicht alles! Ihr habt mir die einzige Möglichkeit versaut, meinen Versuch erfolgreich ab zu schließen! Um es kurz zu machen, ich will das Mädchen!“.
Rommath schluckte. Er musste irgend etwas machen. Vorerst versuchte er noch etwas Zeit zu schinden.
„Was wollt ihr denn mit der? Sie ist euch doch nun wirklich nicht von Nutzen!“.
„Ich werde einen anderen Versuch starten. Dazu brauche ich diese Frau und diese sehr interessante Flamme, die ihr mit gebracht habt, und die sich fast nicht von euch lösen wollte.“.
„Ihr versucht dieses .. Ding unter Kontrolle zu halten? Ihr wisst, was das für Folgen haben kann!“.
Ungewohnt heftig rief der Untote aus: „Erzählt ihr mir nicht was gefährlich sein könnte! Ich habe einmal auf euch gehört, und schaut wohin es mich gebracht hat!“.
Zerknirscht sagte Rommath: „Ich habe mich doch schon tausend Mal bei euch entschuldigt und euch sogar Ersatz an geboten!“.
Jetzt rastete der Untote aus.
„Ersatz sagt er! Ihr habt so keine Ahnung vom Leben! Verdammt, hat euch die Magie euer kleines Gehirn so zusammen geschrumpelt, dass ihr nicht mal mehr die kleinsten Sachen begreift? Eine Frau kann man nicht einfach so ersetzen!“.
Er beruhigte sich wieder etwas. „Aber vielleicht lernt ihr das ja jetzt.“. Ein gehässiges Grinsen folgte.
Rommath war sprachlos. Was genau hatte er überhaupt vor? Rommath glaubte nicht daran, dass er das Mädchen nur wegen irgendeinem „Experiment“ festhalten wollte.
„Warum habt ihr mich nicht einfach getötet?“.
„Einfach ist das ausschlaggebende Wort. Es wäre zu einfach gewesen. Was hätte ich davon? Nie habe ich mich an euch rächen können. Und jetzt springt ihr mir direkt in die Arme. Zusammen mit eurer Liebsten. Was hätte mir besseres passieren können?“.
Rommath brauste auf. „Das ist nicht meine 'Liebste'. Ihr habt ja keine Ahnung über die Hintergründe.“.
Das Grinsen des Untoten wurde breiter.
„Dann macht es euch ja nichts aus, jetzt einfach dieses Schiff zu verlassen und euch irgendwo eurer Sucht hin zu geben! Irgendwo anders als hier!“.
Rommath hatte nicht bemerkt, dass sie inzwischen in einem Hafen angekommen waren. Es war der Hafen von Ratschet, wie er sich gedacht hatte.
„Da ist der Ausgang!“ der Untote deutete zu einer Seite des Schiffes, wo eine Planke ausgelegt worden war, die auf den Steg des Hafens führte.
Zähne knirschend wandte Rommath sich ab und ging vom Schiff.
Hinter sich hörte er die dunkle Stimme des Untoten.
„Auf Nimmerwiedersehen, Rommath.“.
Er drehte sich noch einmal um, und blickte zurück.
„Wir werden sehen, Krabropos!“.
Der Untote sagte nichts mehr, er schien nicht sicher, was er von dem letzten Satz halten sollte.
Rommath ging den Steg entlang. Auf die mehr oder weniger freundlichen Grüße der Goblins achtete er nicht. Ebenso wenig auf die ihm entgegen kommenden Menschen und anderen Wesen. Ratschet war eine neutrale Hafenstadt. Man ging sich so gut es ging aus dem Weg.
Nein, er hatte andere Gedanken. Er erinnerte sich zurück an die Zeit, wo das Missverständnis zwischen ihm und dem anderen Magier, namens Krabropos entstanden war.
Sie wurden beide in einer Magierschule unterrichtet. Krabropos war damals noch ein Hochelf gewesen, wie er. Sie haben sich noch nie gut leiden können, und waren schon immer darauf aus gewesen, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Das alles hatte sich allerdings auf relativ harmlosen Niveau abgespielt. Aber ein Tag hat alles verändert.
Sie hatten sich zu einem unerlaubten Duell verabredet. Krabropos hatte, da er sich seines Siegs sicher war, seine damalige Freundin mit gebracht.
Doch sie wurden überraschend gestört, eine Person hatte sich genähert, ob Lehrer, Schüler oder ein Außenstehender hatten sie nicht gewusst. Das war auch egal. Wenn irgend wem dieses Duell bekannt geworden wäre, hätten sie mit einer sofortigen Verweisung von der Schule rechnen müssen. So bediente sich Rommath seinen damals noch geringen Zauberkräften und öffnete mit seinem ganzen Einsatz ein Portal. Er selbst war als erster durch das Portal gegangen, danach folgte, ihm ein einziges Mal vertrauend, Krabropos mit seiner Freundin.
Doch Rommath hatte bei der Öffnung einen Fehler begangen. Krabropos und er selber kamen zwar gesund auf der anderen Seite an, aber die Freundin von Krabropos blieb verschollen.
Von diesem Zeitpunkt an hasste Krabropos Rommath. Er verließ die Magierschule, und ging zurück nach Silbermond. Nur um so weit wie möglich von Rommath weg zu kommen. Dort befand er sich auch als die Geißel einfiel. Er wurde getötet und einige Zeit später von dunklen Mächten wiederbelebt. Konnte sich allerdings von dem Fluch lösen und trat den Verlassenen bei.
Sein weiterer Weg war Rommath unbekannt. Was er jetzt hier machte konnte er nur raten.
Er beschleunigte seinen Schritt durch die wenigen staubbedeckten Häuser der kleinen Hafenstadt.
Vor allem hielten sich hier Händler auf, die ihre Waren von dem anderen Kontinent bezogen. Ein Gasthaus konnte er nicht entdecken. Aber das war auch nicht sein Ziel.
Er konzentrierte sich wieder auf seine eigentliche Aufgabe. Fenaria finden! Er begab sich zum Flugmeister von Ratschet, und bezahlte für einen Flug nach Orgrimmar, welches nicht sehr weit entfernt war.
Er hasste es für gewöhnlich auf diesen Tieren zu reiten, die ähnlich aussahen wie Löwen mit Flügeln. Aber für ein Portal fehlten ihm die Kräfte. So hatte er keine andere Wahl.
Er schwang sich auf den Windreiter, wie diese Tiere hießen und vertraute darauf, lebend in Orgrimmar an zu kommen.
22
„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“ fragte Linda zögernd.
„Der Untote hat gesagt, immer der Gasse nach ... aber irgendwie sieht mir das hier nicht so aus, als ob der Häuptling der Orcs hier hausieren würde.“.
Sie waren stehen geblieben, und schauten sich in der schummrigen Gasse um.
Fenarias Gesicht spiegelte Unsicherheit und Ratlosigkeit wider. Linda an ihrer Seite schien sich ähnlich zu fühlen. Sie trat unruhig von einem Bein auf das andere.
„Was machen wir denn jetzt?“.
„Erstmal ruhig bleiben! Hm, irgendwie habe ich keine Lust jemanden nach dem Weg zu fragen.“ sagte sie mit einer Spur von Abscheu in der Stimme.
Dabei richtete sich ihr Blick auf einen betrunken in der Ecke liegenden Troll, der in einer Pfütze lag. Die Pfütze sah stark danach aus, als ob sie sich noch vor einiger Zeit im Innern des Trolls befunden hätte.
Angewidert wandte sich Fenaria ab. Aber auch nirgends anders in der Gasse konnte sie jemanden entdecken, der auch nur im Entferntesten vertrauenerweckend aussah.
Seufzend sagte sie zu Linda: „Wir müssen wohl den Weg noch einmal zurück gehen, irgendwo haben wir sicher eine Abzweigung übersehen.“.
Linda nickte schwach.
Sie drehten um und gingen den Weg wieder zurück, an all den dunklen Gestalten vorbei, die diese Gasse bevölkerten.
Innerlich wunderte Fenaria sich, dass ihnen bisher noch niemand etwas Schlechtes gewollt hatte. Ihre anfängliche Sicherheit war längst einer unbestimmten Furcht gewichen. Die Leute hier waren ihnen ganz sicherlich nicht freundlich gesinnt. Das sagten schon die Blicke, die ihnen andauernd zugeworfen wurden.
Dennoch hatte bisher niemand versucht, sie zu belästigen oder gar zu beklauen. Fenaria wunderte sich darüber, denn zwei Mädchen, die alleine eine dunkle Gasse entlang spazierten gaben für gewöhnlich ein leichtes Ziel ab.
Aber sie schüttelte den Gedanken ab. Wahrscheinlich machte sie sich einfach zu viel Sorgen.
Linda allerdings schien ihre Gedanken zu teilen.
Unsicher sagte sie: „Fenaria, ich fühle mich irgendwie beobachtet. Das gefällt mir nicht.“. Dabei schaute sie sich immer wieder unruhig über die Schultern.
Auch Fenaria spürte dieses drückende Gefühl in ihrem Bauch, als ob mindestens ein Augenpaar jeden ihrer Schritte verfolgte. Aber sie konnte nirgends etwas entdecken, was die Vermutung bestätigen würde.
Sie widersprach Linda, vor allem aber, um sich selbst zu beruhigen.
„Das bildest du dir sicher nur ein. Ist ja auch kein Wunder, bei den Erlebnissen der letzten Tage.“.
Doch ihre Antwort klang nicht gerade überzeugt.
„Hoffentlich hast du Recht.“.
Schließlich kamen sie tatsächlich an eine Abzweigung, die ihnen vorher nicht aufgefallen war. Der Weg, den die Abzweigung nahm, sah deutlich freundlicher aus, als der den sie vorher fälschlicherweise genommen hatten.
Sie schauten sich nur kurz an, bogen dann nach links ab und folgten dem vorher übersehenen Weg.
Aus irgendeinem Grund fiel mehr Sonne auf diese Straße und ließ den Sand golden strahlen. Auch die hölzernen Häuser sahen einladender aus. Vor den meisten standen ein paar Orcs und diskutierten angeregt. Wahrscheinlich feilschten sie über Preise.
Als Fenaria und Linda an einem Haus vorbei kamen, vor dem auf einem Tisch ausgebreitet Pökelfleisch lag, bemerkte Fenaria auf einmal wie sehr ihr Magen knurrte. Kein Wunder, sie konnte sich auch nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte.
Sie bat Linda kurz zu warten, und ging zu dem vor den Tischen stehenden Orc hinüber.
Unsicher im Umgang mit diesen groben Wesen, fragte sie vorsichtig: „Äh, werter, äh, Orc. Wieviel kostet dieses köstlich an zu sehende Fleisch, das sie hier ausliegen haben?“.
Der Orc blickte zu der Frau hinunter. Dann fing er langsam an zu grunzen, welches sich immer weiter steigerte, bis er schließlich lauthals prustete. Fenaria wurde rot und wollte sich schon abwenden, aber der Orc legte ihr eine Hand auf die Schulter und hielt sie so fest.
Er brauchte noch ein paar Augenblicke, dann hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt und konnte reden.
Dennoch kamen seine Worte stockend und zwischen mit Mühe zurück gehaltenen Lachanfällen.
„Wo bist du denn entsprungen, kleine Frau? Dein erstes Mal in Orgrimmar, hä?“.
Fenaria nickte etwas unsicher. Der Orc gluckste noch einmal, bevor er fort fuhr.
„Wa' kla'. Gut. Ein Kilo von dem Fleisch hier kostet 3 Silberstücke.“.
Fenaria nickte erneut, und holte den kleinen Beutel mit dem Geld heraus.
Sie zählte drei Silberstücke ab und überreichte sie dem Orc, welcher ihr daraufhin mit einem breiten Grinsen im Gesicht das Fleisch überreichte.
Fenaria beeilte sich von ihm weg zu kommen. Vor allem da der Orc wieder anfing verhalten zu grunzen. Wohl die orcische Art zu Kichern, dachte sich Fenaria.
Als sie wieder bei Linda ankam, warf diese einen neidischen Blick auf Fenaria, welche gerade genüsslich in einen Streifen des Fleisches hinein biss. Fenaria blickte sie fragend an.
Linda seufzte nur, und wandte sich ab um dem Weg weiter zu folgen. Fenaria blieb kurz verdutzt stehen, und beeilte sich dann wieder zu Linda auf zu schließen.
„Was ist los?“.
„Ach, nichts!“.
„Doch, Linda. Natürlich. Nun sag schon. Was habe ich falsch gemacht?“.
Linda warf Fenaria einen Blick zu, den diese von ihr überhaupt nicht gewohnt war. Der Blick war annähernd böse zu nennen.
„Du hast mich nicht gefragt, ob ich auch etwas möchte!“.
Fenaria blieb verwirrt stehen und blickte abwechselnd auf den Bund mit dem Pökelfleisch und auf Linda.
„Aber, aber du bist doch - du brauchst doch nicht – ich meine, äh, Linda, es tut mir Leid. Aber ich dachte wirklich nicht daran, dass du auch etwas“ das nächste Wort kam etwas schwerer über ihre Lippen „brauchst.“.
„Ist schon in Ordnung. Ich 'brauche' ja auch nichts. Ich bin ja 'nur' untot. Wie kommt man auch auf die absurde Idee, dass solche Leute was 'brauchen'.“.
Beleidigt wandte sie sich erneut ab, und schritt strammen Schrittes davon.
Fenaria verdrehte die Augen, dann holte sie wieder zu Linda auf.
Sie sagte nichts mehr. Linda würde sich selbst wieder ein kriegen. Jedenfalls hoffte sie das.
Am Ende der staubigen Straße konnte Fenaria ein riesiges Gebäude erblicken. Auch wenn sie noch niemals vorher hier gewesen war, konnte sie erahnen, dass das ihr Ziel war.
Als sie näher kamen sah sie, dass der hohe Eingang des Gebäudes von zwei brutal aussehenden Wachen flankiert wurde. Beide waren in schwerste Rüstung gehüllt und hatten riesige Schwerter als Waffen.
Linda hatte sich wohl wieder einigermaßen in den Griff bekommen, denn sie blickte unsicher zu Fenaria und flüsterte: „Da wollen wir rein? An denen vorbei?“.
Fenaria nickte.
„Ja, wir müssen!“.
Sie näherte sich mit langsamen Tempo der rechten der beiden Wachen. Als sie angekommen war, blieb sie vor dem Orc stehen. Aber dieser machte keine Anstalten etwas zu sagen, sondern schaute sie nur grimmig an.
Fenaria begann ihr Anliegen vor zu tragen. Sie bemühte sich eine feste Stimme zu bewahren, allerdings gelang ihr das nicht ganz.
„Wir wollen Thrall sprechen!“.
Der Orc grunzte kurz. Fenaria war sich allerdings sicher, dass es diesmal kein Kichern darstelle.
„Mit welcher Begründung?“.
„Das darf ich nur Thrall selber sagen. Aber es ist von ungeheurer Wichtigkeit!“.
„Sicher, eine Frau und eine Untote, die mir sagen, was wichtig ist. Wichtig für euch vielleicht. Aber unsere Interessen sind andere als die euren. Also verzieht euch! Ihr dürft nicht passieren!“.
„Sylvanas Windrunner hat uns geschickt!“.
„Und? Eine untote Frau, Klasse! Naja, aber wenn das stimmt müsste ich euch passieren lassen. Aber habt ihr überhaupt einen Beweis?“.
Fenaria lächelte überlegen und griff in eine ihrer Taschen. Dann in eine andere. Plötzlich verschwand das überlegene Lächeln und machte einem panikartigen Gesichtsausdruck Platz. Sie durchsuchte noch die anderen Taschen. Dann ließ sie ihre Schultern hängen.
Mit verzweifelter Mine schaute sie die Wache an. Dann sagte sie kleinlaut.
„Ich habe den Brief wohl verloren.“.
Sie bemerkte, wie Linda an ihrer Seite bei diesen Worten zusammen zuckte.
Aber der Orc hatte wohl nichts anderes erwartet, denn er sagte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zu ließ: „Dann macht, dass ihr von hier weg kommt, sonst sperre ich euch wegen Belästigung ein.“.
Fenaria ließ den Kopf hängen und drehte sich um. Langsam schlurfte sie den Weg zurück.
Linda folgte ihr genau so langsam. Allerdings verriet ihr Gesicht keine Niedergeschlagenheit. Ganz im Gegenteil. Sie schien eher verärgert.
Dennoch sagte sie nichts.
Als sie wieder auf dem Marktplatz in der Mitte von Orgrimmar angekommen waren, ließ Fenaria das erste Mal wieder etwas von sich hören.
Ihre Stimme klang schwach und gebrochen.
„Linda, weißt du wo es hier ein Gasthaus gibt? Ich brauche jetzt dringend etwas Ruhe.“.
Linda sagte nichts, sondern zeigte nur auf ein zweistöckiges Holzgebäude auf der anderen Seite des Marktes. Man konnte durch die Türöffnung einen Schankraum erkennen, in dem verschiedene Gestalten herum lungerten. Fenaria nickte schwach, murmelte ein leises 'Danke' und bewegte sich darauf zu.
Als sie das Gebäude betrat schlug ihr der typische Geruch von Gasthäusern entgegen. Geruch von verschiedenen Getränken, am meisten allerdings Bier, und allen möglichen Speisen. Gemischt mit dem Schweiß von Wesen unterschiedlichster Abstammung.
Der Schankraum war sehr groß. Er maß sicherlich gute 40 Schritte in der Länge und 25 in der Breite. Ab ungefähr der Hälfte ging die Holzwand prompt in Felsen über.
Im Schankraum standen diverse Bänke jeder Größenordnung. Mächtige Tische aus Holz befanden sich dazwischen.
Auf den Bänken saßen Vertreter aller Rassen. Ganz hinten, wo das von flackernden Kerzen geworfene Licht schon schummrig wurde beugte eine Schar Untoter die Köpfe zusammen und flüsterte sich gegenseitig etwas zu. Ab und an warf einer der Verlassenen anderen Wesen in dem Raum einen abwertenden Blick zu.
Direkt auf den Bänken am Eingang bildete eine Gruppe von Orcs und Trollen das Empfangskomitee. Sie schütteten aus riesigen Humpen alle möglichen und unmöglichen Getränke in sich hinein und grölten als ob es kein Morgen gäbe. Dabei bissen sie von gigantischen Fleischkeulen riesige Stücke ab und verschlangen sie mit einem Mal.
Das krasse Gegenteil dazu bildete eine Versammlung von Tauren, welche die Mitte der besonders großen Bänke besetze. Sie redeten gesittet miteinander und verschlangen dabei mächtige Mengen, Fenaria konnte zuerst ihren Augen nicht trauen, rohes Fleisch. Fenaria drehte sich der Magen um. Sie wandte sich ab und suchte den Gastwirt.
Sie fand ihn sofort. Er stand hinter der Theke, die links dem Eingang lag. Gegenüber dem restlichen Schankraum wirkte sie geradezu winzig. Es war ein Troll, der gerade dabei war ein riesiges Gefäß sauber zu machen.
Fenaria bewegte sich zu der Theke und legte beide Arme darauf.
Der Troll bemerkte sie so gleich und sprach sie höflich an.
„Seid gegrüßt, Frau. Was darf es sein? Bestes Bier aus Orgrimmar, gebraut mit dem Hopfen aus der Mulgore Ebene? Oder ein erlesener Wein aus eurer Gegend? Oder habt ihr Hunger? Wir bieten hier für jeden Geschmack etwas an. Also?“.
„Äh, eigentlich suche ich nur noch einem Schlafplatz.“.
„So, ein Schlafplatz? Ja, klar. Im zweiten Stock haben wir genügend Zimmer. Was wollt ihr denn für eins?“.
„Da gibt es Unterschiede?“.
Doch bevor der Troll zu einer weiteren langatmigen Rede ansetzen konnte, bereute Fenaria ihre Frage und würgte den Troll mitten beim Luftholen ab.
„Nein, ist schon gut. Gebt uns irgendeines.“.
Der Troll schloss den Mund wieder und nickte. Dann durchsuchte er eine für Fenaria nicht sichtbare Kassette. Schließlich überreichte er ihr einen Schlüssel.
„Es ist ein großes Zimmer mit so ziemlich allem was ihr braucht. Denke ich. Aber falls ihr Sonderwünsche habt, so lasst es mich wissen. Bezahlt ihr gleich?“.
„Ja. Wir werden erst einmal nur eine Nacht bleiben. Dann schauen wir weiter.“.
„Wie ihr wollt. Das macht 50 Silberstücke!“.
Fenaria zuckte mit den Schultern. Das war viel. Allerdings war es ja nicht ihr Geld, was sie hier ausgab.
„Hier, bitte.“.
„Dankeschön. Das Zimmer ist gleich das erste links. Die Treppe da hoch.“.
Fenaria schaute in die Richtung, in die der Troll deutete. Gegenüber der Theke, also rechts neben dem Eingang, befand sich eine simple Treppe aus Holz. Sie hatte kein Geländer.
Fenaria bedankte sich kurz bei dem Troll, dann ging sie zusammen mit Linda die Treppe hinauf. Sie fand ihr Zimmer sofort. Die Tür klemmte zwar ein bisschen, aber das Zimmer an sich machte dieses kleine Manko wett.
Es war groß, selbst für Fenarias Geschmack. Linda musste es fast gigantisch vorkommen. Gegenüber der Tür, etwa 10 Schritte entfernt befand sich ein großes Fenster, welches den Blick über einen Großteil des Marktplatzes freigab und das Zimmer mit Licht überflutete. Neben dem Fenster befanden sich Vorhänge, damit man das Zimmer nachts abdunkeln konnte.
Direkt rechts neben der Tür führte eine weitere auf ein kleines Zimmer, dessen Bedeutung Fenaria auf einen Blick klar wurde. Dennoch wollte sie nicht wissen, wo die Dinge, die man hier hinterließ, landeten.
Als sie weiter in das Zimmer hinein ging, erschrak sie kurz als sie eine Bewegung neben sich bemerkte. Doch als sie erkannte, worum es sich handelte staunte sie.
Dort hing ein Spiegel. Ein echter Spiegel. Kein auf Hochglanz poliertes Blechstück, sondern ein Spiegel mit Glas. So etwas war selten. Vor allem hier, in Orgrimmar.
Langsam ahnte Fenaria, dass der Preis für das Zimmer vielleicht doch gerechtfertigt gewesen war.
Sie ließ sich auf eines der beiden Betten sinken, die an der linken Wand des großen Raumes standen. Die Matratze war mit Stroh gefüllt. Sie wollte sich gänzlich nach hinten fallen lassen, als sie gewahrte, dass Linda mit in die Seite gestemmten Armen und einem Gesichtsausdruck vor ihr stand, der Fenaria gar nicht gefiel.
„Wa – was ist denn?“.
Die Stimme, mit der Linda jetzt antwortete kannte Fenaria nicht. Sie klang hysterisch, ja fast feindlich.
„Was ist? Das fragst du mich? Du hast den Brief verloren! Was sollen wir denn jetzt machen? Kannst du mir das vielleicht sagen? Nicht nur dir hing etwas an diesem Brief! Wenn wir den Auftrag richtig ausgeführt hätte, wer weiß, vielleicht wäre ich wieder in Unterstadt willkommen gewesen. Aber nein, du verlierst diesen Brief! Was ist denn so schwierig daran, so ein Blatt Papier bei sich zu behalten? Immer vermasselst du alles!“.
Fenaria hatte Linda mit steigender Unruhe zu gehört. Sie konnte nicht fassen, was ihre Freundin da auf sie hinab regnen ließ. Solche Vorwürfe war sie nicht gewohnt.
Mit ungewollter Härte erwiderte sie: „Und? Du machst nie Fehler, oder wie? Denk mal scharf nach. Wegen wem wären wir fast gestorben, weil in einem angeblichen sicheren Versteck die Feinde lauerten? Wessen Schuld war es, dass wir in Unterstadt fast keine Hilfe gefunden hätten? Wer hat den Goblins unsere Pläne verraten? Und überhaupt, ich habe dir schon einmal das Leben gerettet, schon vergessen? Ach was sage ich Leben. Du lebst ja nicht einmal.“.
Fenaria war inzwischen wieder aufgestiegen, und sehr nah an Linda heran gekommen, welche entgegen von Fenarias Vermutung nicht anfing zu schluchzen. Stattdessen schien sie sich darauf vor zu bereiten, genauso hart zurück zu schlagen. Doch sie wurde gestört. Eine süffisante Stimme unterbrach die Beiden.
„Wenn ich euren Streit kurz stören dürfte. Fenaria, Linda?“.
Die beiden angesprochenen erstarrten und blickten zur Tür, wo die Stimme her gekommen war. Linda schaute kurz zu der im Türrahmen stehenden Frau, dann wieder zu Fenaria, und wieder zurück. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich totale Verwirrung wider.
„Fe-Fenaria, das bist ja du. Nur – nicht ganz so – grün.“.
Fenaria war zu einer Erwiderung nicht in der Lage. Sie sah ihr scheinbares Spiegelbild selber.
Das Mädchen begann wieder zu sprechen und kam dabei langsam und mit sicheren Schritten näher. Auf ihrem Gesicht lag ein wissendes, überlegenes Lächeln.
„Nana. Wer wird denn gleich so überrascht sein. Ich beobachte euch doch schon seit Unterstadt. Übrigens interessant, dass ihr da lebend, oder fast lebend, wieder heraus gekommen seid, liebe Linda.“. Sie zwinkerte ihr zu.
Linda, total perplex, sagte: „Aber, woher, woher kennt ihr meinen Namen?“.
„Oh, du erinnerst dich nicht mehr? Naja, liegt wohl auch ein bisschen an mir. Aber streng dein zerfressenes Hirn einmal an. Vor drei Jahren, es hatte etwas mit den Scharlachroten zu tun. Na? Nein? Es kommt dir nichts? Und wenn ich den Namen Lonora erwähne? Na, dämmerts jetzt?“.
Fenaria spürte, wie Linda neben ihr kurz zusammen knickte, bevor sie sich straff hinstellte und das Mädchen in dem Pechschwarzen Lederklamotten mit tiefstem Hass in den Augen an funkelte. Ihre Stimme zitterte.
„Du warst das?“.
Das Mädchen nickte. Nicht ohne Stolz in der Stimme sagte sie: „In Person!“.
Linda stieß auf einmal einen spitzen Schrei aus und stürmte auf das Mädchen zu. Diese machte nur eine kleine Bewegung, woraufhin Linda mit voller Wucht gegen den Spiegel knallte. Dieser zersprang in tausend Stücke, welche langsam auf die am Boden liegende Untote hinab regneten.
Das Mädchen beachtete den bewusstlosen Körper nicht weiter, sondern näherte sich wieder Fenaria. Diese wich immer weiter zurück, bis sie an die Kante des zweiten Bettes stieß und sich ungewollt auf dieses setzte.
„Nun, Fenaria ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet. Beinahe zu lange“.
Fenaria hatte langsam ihre Fassung wieder gewonnen. Dennoch schwang pure Angst in ihrer Stimme mit.
„Worauf, und woher kennen sie meinen Namen?“.
„Du wirst erfahren, worauf. Und ich kenne mehr als nur deinen Vornamen, Fenaria.“.
Sie näherte sich immer weiter, bis sie direkt vor ihr stand. Fenaria konnte sie nun genau erkennen. Ihre Ähnlichkeit mit sich selber war verblüffend.
„Wie meinen sie das?“.
„Fenaria. So nannte ich dich einst.“.
„Sie haben mir den Namen gegeben? Aber das würde ja heißen, dass.“. Weiter kam sie nicht. Die Erkenntnis überkam sie wie eine Welle. Das konnte, durfte nicht wahr sein.
Das Mädchen wertete ihren Gesichtsausdruck richtig.
„Ja, Fenaria. Ich bin deine Mutter. Und du heißt mit wirklichen Namen Fenaria Schattensturm! Aber diese verdammten Astralen haben dich deinen Nachnamen vergessen lassen. Wahrscheinlich auch noch zu deinem angeblichen Schutz. Ha! Das ich nicht lache. Sie haben dich nicht beschützen können“. Sie beugte sich plötzlich ganz nah an ihre Tochter heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Auf einmal sprang Fenaria auf, und stieß ihre Mutter dabei von sich weg. Sie schrie.
„Nein! Niemals!“.
Als Reaktion darauf vertiefte sich das Lächeln ihrer Mutter nur noch mehr. Auch die nächsten Worte flüsterte, ja, hauchte sie.
„Oh, doch.“
23
Während er die Treppe in den Bauch des Schiffs hinunter ging, hing er seinen Rache Gedanken nach, die er schon seit so langer Zeit gehegt hatte. Er war zufrieden. Endlich hatte er sie bekommen. Seine ganz persönliche Rache.
Als er im Innern des Schiffes angekommen war fiel sein Blick als erstes auf den in der Mitte des kleinen Raumes stehenden Käfig und seinen Inhalt. Er hatte erwartet, dass Rommath länger um diese Frau kämpfen würde. Wenn er ehrlich zu sich selbst sein wollte, schmälerte das seinen Triumph ein bisschen.
Es hatte sogar einen kleinen Augenblick gegeben, in dem er daran gezweifelt hatte, dass Rommath etwas an dieser NachtFrau lag.
Aber nun war er sich sicher. Was er allerdings noch nicht sagen konnte, war, ob der NachtFrau genau so viel an Rommath lag. Er bezweifelte es.
Er ging näher zum Käfig hin, dessen Inneres im Schatten lag. Er fuhr mit seinen knochigen Fingern an den metallenen Gitterstäben entlang. Es schepperte.
Die im Innern des Käfigs liegende Frau schreckte auf, und versuchte auf zu stehen. Mitten in der Bewegung zuckte sie zusammen und kauerte sich wieder auf den Boden.
Mit zusammen gebissenen Zähnen zischte sie: „Was wollt ihr, Madenauge?“.
Krabropos erwiderte mit dunkler, kalter Stimme: „Oh, nichts besonderes.“. Er schaute sie mit abschätzendem Blick an.
„Eure Schmerzen müssen stark sein! Ihr beweist Willenskraft. Mal sehen wie lange. Ob sie reicht, bis jemand kommt, um euch zu retten?“. Er lachte ein trockenes, krächzendes Lachen.
Mit von Abscheu schwangerer Stimme antwortete Anrawen: „Was seid ihr für eine Kreatur? Was hat euch auf die Welt los gelassen?“.
Als Antwort wieder nur ein trockenes Lachen.
Der Untote ging ein paar Schritte weiter und machte sich an einer kleinen Kommode zu schaffen.
Als er wieder zum Käfig zurück kam, hatte er eine grünlich flackernde Flamme in seinen Händen. Mit der freien Hand umkreiste er die Flamme langsam und konzentriert.
„Es ist schwer unter Kontrolle zu halten, wisst ihr?“.
Das Mädchen hatte sich bis an den hintersten Rand des Käfigs verkrochen. Trotz dem Halbdunkel konnte man erkennen, dass ihre Augen vor Furcht geweitet waren.
Mit erstaunlich fester Stimme fragte sie wieder: „Was wollt ihr?“.
Die Augen des Untoten suchten die ihren. Ein hässliches Grinsen lag auf seinem Gesicht.
„Mir die Zeit vertreiben.“.
Zusammen mit diesen Worten wurden seine kreisenden Bewegungen immer langsamer. Gleichzeitig begann die Flamme immer unruhiger in seiner Hand zu zucken. Sie veränderte ständig die Farbe zwischen Schwarz und einem tiefen Grün.
Der Vorgang ging mit unnatürlicher Stille vor sich. Man hörte nur das gepresste und angestrengte Atmen der gefangenen und Schmerzen leidenden NachtFrau.
Schließlich verebbten die Bewegungen des Untoten gänzlich, als plötzlich ein gewaltiger Knall die Stille zerschmetterte.
Nachdem er kurz aufgeschaut hatte, begann der Untote sofort wieder mit den Bewegungen, hektischer als zuvor. Man sah, dass es ihn einige Anstrengungen kostete, die Flamme wieder unter seine vollständige Kontrolle zu bekommen.
Doch schließlich hatte er es geschafft. Er verstaute die nunmehr verhalten flackernde Flamme in einem magischen Behältnis, bevor er schnellstens die Treppe wieder hinauf eilte.
Anrawen atmete auf. Sie hatte eine Gnadenfrist bekommen.
Er war wütend. Irgend etwas hatte seine sicheren Opfer seiner unmittelbaren Umgebung entrissen. Er konnte sich nicht sicher sein, ob sie tot waren.
Das brachte ihn aus seinem bisher mühsam behaltenem Rest seelischer Ausgewogenheit.
Ein Feuerball verbrannte zwei grüne Goblins, die sich daraufhin kreischend auf dem Boden wanden. Das Feuer zehrte nur ein paar Augenblicke an ihnen, dann waren sie nichts weiter mehr als zwei Häuflein schwarzer Asche auf dem Boden des Zeppelins.
Den nächsten Goblin zerfetzte es in der Luft, nachdem Landrol ihn kurz vorher in eben diese befördert hatte.
Verzweifelt suchte der Hexer nach einem neuen Objekt, an dem er seine Wut auslassen konnte, aber es gab nichts Lebendes mehr auf dem Zeppelin.
Sein Zorn konnte kein Ventil mehr finden und entlud sich so mit ganzer Wucht auf seine direkte Umgebung.
Der Hexer stand, beide Arme zur Seite gestreckt mitten auf dem Zeppelin als er Feuer fing. Er begann irre zu lachen und zu schreien als die Flammen schließlich auf das trockene Holz des Zeppelins über traten. Ihn schien das leckende Feuer nicht verletzen zu können.
Auf einmal explodierte ein Kegel aus grünen Flammen aus ihm heraus, so dass auch die Segel Feuer fingen, und große Teile des Holzes einfach weg gesprengt wurden.
Direkt danach fiel der Hexer kurz erschöpft auf die Knie. Doch sofort richtete er sich wieder auf. Er schien wieder einigermaßen bei Verstand.
Er betrachtete kurz sein Werk, kicherte einmal irre, und wartete bis das abstürzende Flugboot fast den Wasserspiegel berührt hatte. Dann sprang er einfach ab.
Er landete in der Nähe eines Schiffes im Wasser. Das brennende Zeppelin knallte mit einem gewaltigen Getöse neben ihm ins Wasser.
Landrol zog sich gerade auf das Schiff hoch, als aus dem Bauch von diesem eine Gestalt geeilt kam. Es war ein Untoter. Sein Gesicht drückte viele Gefühle auf einmal aus. Das dominierende davon war allerdings Zorn.
Das gefiel dem Hexer. Er ging ohne jegliche Anzeichen von Furcht auf die fremde Person zu, und streckte ihm eine Hand entgegen.
„Dunkle Grüße, mein Name ist Landrol. Mit wem habe ich das Vergnügen?“.
Perplex blieb der Untote stehen, bis sich ein schwaches Lächeln auf sein verrottetes Gesicht stahl.
„Mein Name ist Krabropos. Erster Magier der dunklen Fürstin. Was habt ihr auf meinem Schiff zu suchen?“.
„Nur ein verunglücktes Pärchen. Ein eigenartiges Pärchen. Es besteht aus einem Mensch, der sich Ramil nennt und einer Frau namens Anrawen. Habt ihr sie gesehen? Sie haben etwas, was mir gehört.“.
Der Untote wirkte plötzlich stark verunsichert.
„Ja, nein. Ich meine, doch. Aber wenn wir den gleichen Mensch meinen, habt ihr falsche Informationen.“.
Der Gesicht von Landrol verdunkelte sich merklich. Falsche Informationen bedeuteten immer, dass man ihn belogen hatte. Und das mochte er nicht. In seiner Stimme lag ein drohender Unterton, als er fragte: „Was meint ihr damit?“.
„Der Mensch heißt nicht Ramil, sondern Rommath und ist seines Zeichens Großmagister von Silbermond.“.
Landrol verschlug es für einen Moment die Sprache. Danach flüsterte er: „Soso, Rommath also. Wieso habe ich ihn nicht erkannt? Die lange Zeit in diesem Kerker muss mich mehr beeinflusst haben, als ich dachte. Aber dafür wird auch noch jemand büßen, o ja!“.
Abwesend nickte er mit geschlossenen Fäusten mehrmals, bis er sich wieder seiner Umgebung gewahr wurde und dem Untoten fest in die Augen blickte.
„Wo sind sie?“.
Landrol musste dem Untoten großen Respekt eingeflößt haben, denn dieser erwiderte ohne zu zögern, ja sogar etwas ängstlich: „Das Mädchen habe ich hier gefangen, aber der Magier ist weiter gegangen nach Orgrimmar. Es schien, als suchte er etwas.“. Er zögerte kurz. „Und dieses Etwas war ihm wichtiger als diese Frau.“.
Die zusammengeballte Faust von Landrol fing kurz Feuer als er dies hörte. In seine Augen trat wieder unverhohlener Hass, gemischt mit nackter Gier.
„Ich brauche das, was dieser Magier sucht! Brauche es dringender als er weiß. Ich habe schließlich auch ein paar Leute in Orgrimmar, die alles für Gold machen. Und selbst wenn der Magier dazwischen funken und dieses Etwas retten sollte. Ich werde es ihm wieder ab nehmen, wenn er glaubt, er habe es sicher.“.
„Darf man fragen, wozu ihr dieses 'Etwas' braucht? Und noch so dringend, scheinbar?“.
Die Augen von Landrol, welche während seiner letzten Worten Richtung Horizont abgeschweift waren, richteten sich wieder auf den Untoten.
„Ich sage euch das nur, weil ich euch mag. Dieses 'Etwas' bedeutet Macht für mich. Macht, die ihr euch nur erträumen könnt. Ich bin jetzt schon mächtig, aber wenn ich dieses 'Etwas' bekomme, wird sich meine vorhandene Macht potenzieren, und ich kann meinem Meister wieder unter die Augen treten, ohne mich schämen zu müssen. Endlich!“.
„Und jetzt lasst mich diese Frau sehen. Ich habe einen Plan!“.
Rommath war gerade in Orgrimmar an gekommen. Auf dem Flug hatte er sich kurz Gedanken um die NachtFrau gemacht. Stimmte etwa das, was der Untote gesagt hatte? War er in Anrawen, er wagte es kaum zu denken, verliebt?
Er wollte es nicht wahr haben, und zwang sich an etwas anderes zu denken. Fenaria musste vor diesem verrückten Hexer beschützt werden und dafür musste er sie erst einmal finden.
Hatte er erst einmal Fenaria gefunden, würde er sich um Anrawen kümmern. Aber erst dann.
Aber wo sollte er mit der Suche anfangen? Da er keinen wirklichen Anhaltspunkt hatte, betrat er den erst besten Laden, den er fand.
In der schmutzigen Hütte stand ein Untoter hinter der Theke, der sich überhaupt nicht für seine Kunden zu interessieren schien. Er arbeitete an irgendeinem Lederteil.
Rommath, der es nicht gewohnt war, nicht beachtet zu werden, empörte sich: „Hallo! Wollen sie vielleicht einmal auf schauen, wenn eine hochgestellte Persönlichkeit ihren Laden betritt? Ich habe eine Frage!“.
Der Untote schaute auf. Etwas säuerliches lag in seinem Blick.
„Vielleicht habe ich aber keine Lust zu antworten!“.
Damit wandte er sich wieder ab.
Rommath war drauf und dran aus zu rasten, als sein Blick auf eine aus Holz gearbeitete Trennwand fiel. Auf der Trennwand lag, er konnte sein Glück kaum fassen, das alte Kleid von Fenaria! Er erkannte es sofort.
Er eilte dorthin, nahm den Stofffetzen und hielt ihn dem Untoten direkt unter die Nase.
„Wem gehörte das?“.
Der Untote schaute erneut auf. Sein Blick verriet, dass er erheblich genervt war.
„Für einen Elf haben sie aber unglaublich schlechte Manieren! Aber damit sie endlich verschwinden sag ich es ihnen. Dieser Stofffetzen gehörte einer von ihrer Art. Allerdings hatte sie eine viel bessere Mutterstube! Und jetzt verschwinden sie aus meinem Laden.“.
Doch Rommath tat das genaue Gegenteil. Er lehnte sich auf die Theke, so dass sein Gesicht nur eine Handspanne von dem Gesicht des Untoten entfernt war.
„Und wohin ist diese Frau gegangen?“.
Der Untote wurde langsam ärgerlich.
„Was weiß ich? Was interessiert mich das? Bin ich ein Gott? Bin ich allwissend? Würde ich es ihnen sagen, wenn ich es wüsste? Dort ist die Tür und sie werden durch selbige nun sofort mein Geschäft verlassen!“.
Rommath sah ein, dass er aus diesem Wesen nichts mehr heraus bekommen würde, und kam der Bitte des Untoten nach.
Als er auf den staubigen Platz trat, blieb er erst einmal stehen und blickte sich um. Wo konnte sie nur sein? Und warum war sie überhaupt hier in Orgrimmar? Das würde sie ihm wohl erzählen müssen, wenn er sie gefunden hatte.
Er beschloss, dass er wohl am ehesten eine Spur im Gasthaus aufschnappen könnte.
Da er schon ein oder zweimal hier gewesen war, wusste er auch, wo das Gasthaus lag.
Er eilte darauf zu.
Als er eintrat wollte er sich sofort der Theke zu wenden, aber ein lautes Geräusch aus der oberen Etage ließ ihn zögern. Langsam wandte er sich der Treppe zu und stieg diese vorsichtig hinauf.
„Niemals werde ich mit dir mit kommen! Da gehe ich lieber zu den Astralen zurück!“.
Pure Verzweiflung schwang in der Stimme von Fenaria mit.
Das genaue Gegenstück dazu bildete die Stimme der Frau, die ihr gegenüber stand. Rothaarig und mit einem siegessicherem Lächeln auf dem Gesicht.
„Du hast keine Wahl! Die Astralen haben dich nicht beschützen können! Niemand gelingt das. Außer mir. Deiner Mutter. Glaub mir Fenaria. Es muss so sein!“.
„Nein! Du hast mich beinahe getötet mit diesem verfluchten Gift! Wieso sollte ich gerade dir vertrauen?“.
Das Mädchen seufzte.
„So. Das haben dir wohl auch diese Astralen erzählt, hm? War ja nicht anders zu erwarten gewesen!“. Sie packte ihre Tochter an den Handgelenken. Diese wehrte sich heftig, konnte dem Griff aber nicht entrinnen.
„Hör mir zu! Ich hatte niemals in meinem ganzen Leben die Absicht dich zu töten! Du bist mein Meisterwerk!“.
Fenaria schluchzte: „Sorandis hat gesagt, ich wäre gestorben, wenn sie mich nicht gefunden hätten!“.
Das Mädchen seufzte.
„Nicht zu viel und nicht zu wenig verraten. Eine Kunst, die diese Wesen beherrschen! Du wärst gestorben, wenn die Astralen nicht gewesen wären, ja. Aber nur weil ich zu diesem einem einzigen Zeitpunkt nicht anwesend gewesen war, Fenaria! Und rate einmal, wer die Astralen dann doch noch auf deine Spur gebracht hat! Ich!“.
Fenarias Widerstand erlahmte. Sie hatte Tränen in den Augen.
„Aber warum hast du mich dann nicht zurück geholt? Und warum hast du mich überhaupt vergiftet? Das macht doch keine Mutter!“.
Wieder einmal seufzte das Mädchen.
„Ich konnte dich nicht wieder holen. Die Astralen hatten dich versteckt. Wirksam! Und das mit dem Gift ist eine lange Geschichte. Zu lang um sie jetzt zu erzählen. Sie hat etwas mit deinem Vater zu tun.“.
„Mein Vater? Was hat er damit zu tun. Warum war er in diesem Kloster gefangen? Und warum hast du ihm die Hände ab gehackt? Und und“. Weiter kam sie nicht.
Denn auf einmal verschwand das Lächeln aus dem Gesicht der Frau und machte einem Ausdruck der Überraschung Platz. Gepaart mit einer kleinen Spur von Angst.
Ihr Griff lockerte sich soweit, dass Fenaria sich los reißen konnte. Dennoch blieb sie stehen, da sie die Reaktion ihrer Mutter verwunderte.
Diese fragte erschüttert: „Woher weißt du das alles? Und was meinst du mit 'war'?“.
Etwas unsicher erwiderte Fenaria: „Ich war bei ihm, er ist mit mir und Linda geflohen!“.
Ihre Mutter blickte ihr tief in die Augen.
„Und dennoch lebst du noch?“. Ihre Stimme klang besorgt. „Fenaria, hör mir zu. Ich weiß nicht wie du entkommen konntest, du musst unglaubliches Glück gehabt haben. Aber dein Vater darf dich nicht noch einmal in die nicht vorhandenen Hände bekommen. Niemals! Du bist nur bei mir sicher, nur und ausschließlich ich kann – argh!“.
„Was? Sie beschützen? Wohl doch nicht! Aber, wie ihr einst so passend sagtet: Wir werden uns wiedersehen!“.
Die spöttische Stimme gehörte Rommath, der im Hintergrund den Raum betreten hatte. Er hielt mit einem kristallklaren Strahl die rothaarige Frau magisch gefangen, so dass sie sich nicht bewegen konnte.
„Ich werde eure Tochter jetzt mit nehmen und sie vor ihrem Vater beschützen, dessen Bekanntschaft ich auch schon gemacht habe.“. Er zeigte der erstarrten Frau seinen mit Brandblasen überzogenen Arm.
„Ich glaube ich kann sie besser beschützen als ihr. Ihr scheint ja nicht einmal der Magie mächtig zu sein! Und ich hatte damals so große Hoffnungen in euch gesetzt, Larona Schattensturm! Ja, es ist mir vor kurzem wieder ins Gedächtnis gekommen, dass ich euch kenne. Ich weiß gar nicht, was mir diese Erinnerung geraubt hatte. Aber das ist jetzt gleichgültig. Ihr jedenfalls werdet eure Tochter nicht mehr wieder sehen. Nicht in diesem Leben.“.
Mit diesen Worten begann er einen Zauber zu formen. Fenaria stand daneben und schaute reglos zu.
Doch mitten in den typischen Bewegungen hörte Rommath auf. Keuchend sagte er zu sich selbst: „Was ist los? Ich kriege den Zauber nicht gewirkt! Was ist das?“. Dann wandte er sich auf einmal Fenaria zu. „Wir müssen weg. Jetzt. Der Fessel Zauber bröckelt auch. Schnell! Ich weiß nicht was passiert!“.
Er packte Fenaria am Arm. Diese wollte gen Tür rennen. Aber Rommath zog sie auf das Fenster zu, öffnete es und schob Fenaria nach draußen. Er selbst stieg hektisch hinter ihr her. Kurze Zeit später konnte man zwei dumpfe Aufschläge hören. Dann war es wieder still.
Es dauerte noch einige Zeit, bis Larona sich wieder bewegen konnte. Als sie spürte, dass der Zauber vollends nach gelassen hatte war ihre erste Handlung, mit voller Verachtung in der Stimme die Wörter: „Unverbesserlicher Trottel!“ aus zu stoßen. Dann drehte sie sich um und ging langsam auf die Zimmertür zu.
Dort angekommen ging sie in die Knie und hob einen Körper vom Boden auf, der gerade dabei war, wieder aus der Bewusstlosigkeit zu erwachen.
Sie bewegte sich zu einem Bett und legte Linda darauf ab. Schließlich zog sie scharrend einen Stuhl über den Boden und setzte sich neben das Bett.
So saß sie da, mit auf die Knie gestützten Armen und wartete, bis Linda die Augen auf schlug.
Das erste was diese darauf hin sehen konnte waren zwei boshaft lächelnde tief grüne Augen, welche sie fixierten. Sofort erinnerte sie sich an alles, was in den letzten Minuten vor gefallen war. Gehetzt schaute sie sich kurz in dem Raum um, um gleich darauf zu schreien: „Was hast du mit Fenaria gemacht?Wo ist sie?“.
Ruhig und ohne jegliche Emotionen in der Stimme erwiderte Larona: „Genau das will ich heraus finden. Und du wirst mir dabei hFraun!“. Bevor Linda den Mund öffnen konnte um zu widersprechen, sagte das Mädchen noch einmal mit Nachdruck: „Du wirst!“.
Auf ihrem Gesicht lag wieder das selbstsichere Lächeln.
24
„Na dann wollen wir doch mal sehen.“. Ein gemeines Lächeln wanderte über Landrols Gesicht als er sich dem Käfig näherte.
Aus dem Käfig heraus blickten ihm zwei blaue Augen feindselig entgegen.
„Was wollt ihr sehen? Idiot!“.
„Oho. Große Worte für euch, Priesterin. Ich will wissen, was es wirklich mit euch auf sich hat. Alles was mir dieser Magier erzählt hat, war erstunken und erlogen! Nicht dass ich das nicht gewusst hätte. Er hat euch nicht 'aufgeschnappt' und seitdem mit genommen. Und er hieß auch nicht Ramil.“. Auf das letzte Wort legte er eine eigenartige Betonung.
„Und er hatte sicherlich auch nicht vor, euch aus zu liefern.“ er schüttelte den Kopf „Nein, ganz sicher nicht. Er fand etwas an euch. Und ihr vielleicht auch an ihm?“.
Das Mädchen gab ein Geräusch von sich, und im nächsten Moment landete eine klebrige Masse im Gesicht des Hexers, welche sich langsam ihren Weg zum Boden suchte.
„Wie erwachsen! Wisst ihr keine andere Möglichkeit euch zu wehren? Wie wäre es, wenn ihr versucht, meine Gedanken zu verwirren, mein Hirn zu martern oder mich gar zu steuern? Das könnt ihr doch sicher gut!“.
Anrawen ließ sich nicht verwirren. Nicht, dass sie so etwas nicht schon versucht hätte.
Aber etwas stimmte mit diesem Elf nicht. Sie kam nicht an seine Gedanken heran. Ähnlich wie sie es schon bei der anderen Frau, die angeblich seine Frau war, gemerkt hatte. Dennoch gab es einen gravierenden Unterschied. Bei der Frau war einfach nichts da gewesen, was sich hätte kontrollieren lassen. Wenn sie versuchte in die Gedanken des Hexers ein zu dringen, waren da zwar Gedanken. Aber sie waren so unglaublich fremd, dass sie sich nicht 'einnisten' konnte.
Deswegen blieb sie dabei, ihn böse an zu starren.
„Nein? Ihr traut euch wohl nicht? Naja, das hilft euch auch nichts! Wir haben einen interessanten Plan entworfen, der sehr stark auf euch aufbaut.“.
Anrawen unterbrach ihn: „Wir?“.
„Oh. Natürlich wir. Ihr kennt meinen Freund doch.“. Der besagte Freund kam gerade zu Landrol hinzu und stellte sich hinter ihn. Er winkte Anrawen kurz zu, wobei seine knochenweißen Finger aneinander klapperten.
Das Mädchen schauderte kurz zusammen.
„Oh, ihr mögt ihn nicht? Dabei ist er so sympathisch. Wusstet ihr, dass er reges Interesse an meiner Fähigkeit, sagen wir, eigenwillige Flammen zu erschaffen, hat?“. Er blickte auf die verbrannte Haut der Frau. „Oh, ich sehe, ihr habt schon Bekanntschaft damit geschlossen.“. Er lachte krächzend.
„Was wollt ihr?“.
Sofort verstummte der Hexer und wandte sich dem Käfig, in dem das Mädchen lag, noch etwas näher zu.
„Sagen wir es so. Ich will Rommath samt meiner Tochter. Und dabei werdet ihr mir hFraun. Ihr müsst nicht einmal viel dafür tun. Zuvorkommend wie ich bin, werde ich das für euch erledigen.“.
Anrawen begann sich zusammen zu kauern, als in der rechten Hand des Hexers auf einmal eine Kugel konzentriertes Feuer erschien.
Er wandte sich an Krabropos: „Sagt euren Leuten, sie sollen noch etwas weiter raus fahren!“. Daraufhin wandte er sich wieder an das Mädchen. „Wir wollen doch keine ungebetenen Zuhörer!“.
Dann fing er an.
Rommath zog Fenaria weiter. Über den Markt. An vielen Orks vorbei, die sie mit fragenden Gesichtern musterten. Durch die dämmrige Gasse. Bis zu einem zwielichtigen Gasthaus, das er, immer noch schweigend, betrat.
Es war sehr klein. Eine Spelunke. Drinnen befanden sich zwei morsche Tische und eine kleine Anzahl von Stühlen, welchen allen mindestens ein Teil fehlte, und von denen deswegen die meisten nutzlos auf dem Boden lagen, statt darauf zu stehen.
In diesem Gasthaus befand sich nur ein einziger Troll, welcher gerade dabei war langsam von seinem Hocker hinunter zu rutschen. Mit einem dumpfen Knall schlug er schließlich auf dem Boden auf und blieb dort liegen.
Genau in diesem Moment sprach sie der Gastwirt an. Jedenfalls glaubte Fenaria, dass es der Gastwirt war.
Seine Stimme erinnerte an einen Schleifstein. Gekleidet war er wie ein Ausgestoßener.
„Was wollt ihr?“ fragte der Untote nicht gerade höflich.
Rommath antwortete ihm. Mit atemloser, gehetzter Stimme.
„Ein sicheres Zimmer. Schnell! Es geht um Leben oder Tot!“.
Der Verlassene gab nur etwas von sich, das klang wie: „Pff, Tod!“ und zog einen alten verrosteten Schlüssel aus seiner zerfetzten Jacke.
„Da! Und geht vorsichtig mit der Einrichtung um!“.
„Jaja. Wo ist das Zimmer?“.
Ohne ein Wort zu sagen nickte der Untote in die hinterste Ecke des Gasthauses. Dort war es so dunkel, dass man nichts erkennen konnte.
Dennoch zerrte Rommath Fenaria in die Richtung, die der Untote ihnen gewiesen hatte. Fenaria ließ sich mit schleifen. Sie war komplett verwirrt und nicht fähig Widerstand zu leisten.
Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie eine verrottete Tür ausmachen. Rommath nahm den Schlüssel und machte sich am Schloss zu schaffen.
Allerdings war er zu hastig und verfehlte das Schloss um Haaresbreite. Er stieß mit dem Schlüssel und seiner ganzen Hand gegen die morsche Tür. Diese gab sofort nach, und fiel samt Angeln nach hinten. Mit einem lauten Scheppern traf sie auf den Boden und zersprang dort in tausend Stücke.
Aus dem vorderen Teil des Gasthauses schrie der Wirt mit zeternder Stimme: „Den Schaden werdet ihr mir ersetzen! Und seid gefälligst leiser, ihr stört die Gäste!“.
Rommath beachtete ihn nicht, sondern zog Fenaria in das karge Zimmer, welches als einzige Einrichtung einen Stuhl hatte. Schlafen sollte man wohl auf einem Haufen Stroh, welcher in einer Ecke des Zimmers lag. Unschöne Gerüche stiegen daraus hervor.
Er ließ Fenaria mitten dem Zimmer stehen und wandte sich der Öffnung zu, in der vorher die Tür gehangen hatte.
Er murmelte ein paar Sprüche. Deutlich konnte Fenaria sehen, wie Schweißperlen auf seine Stirn traten. Seine Hände begannen zu zittern. Doch schließlich trat ein leichtes Flimmern dorthin, wo früher einmal eine Tür gewesen war. Auch die Wände des Raumes überzogen sich mit diesem Flimmern.
Erschöpft kam Rommath zu Fenaria in die Mitte des Raumes zurück und setzte sich auf den einzig vorhandenen Stuhl.
Er begann zu flüstern. Es klang verzweifelt.
„Nicht einmal diesen kleinen Vermummungszauber bekomme ich ohne große Anstrengungen hin. Was ist los mit mir?“.
Er schaute auf seine Hände, die sanft zitterten. Das karge Licht warf schummrige Schatten auf seine zusammen gekauert auf dem Hocker sitzende Gestalt.
Doch auf einmal straffte er sich und schaute Fenaria in die grün leuchtenden Augen.
„Aber wenigstens habe ich dich gefunden. Endlich. Was machst du in Orgrimmar?“.
Fenaria, immer noch komplett von der Handlung überwältigt, fasste sich nur langsam.
„Ich – ich bin mir nicht sicher. Ich war hier, um, um genau, um Hilfe zu holen. Aber ich habe den Brief verloren und dann haben mich die Wachen nicht vorgelassen und ich konnte keine Hilfe holen. Dann bin ich mit Linda in dieses Ga - Linda!“.
Fenaria wollte aus der Tür stürmen, aber Rommath hielt sie mit Gewalt zurück.
„Linda ist im Moment egal. Wahrscheinlich können wir sie abschreiben. Diese Frau wird sie wohl kaum am Leben lassen. Es tut mir Leid, dass ich sie nicht mit nehmen konnte. Aber diese Frau... Und ich... Irgendwas stimmt nicht, Fenaria. In deiner Nähe lassen meine Kräfte nach. Ob das mit der Prophezeiung zusammen hängt?“.
Fenaria wurde noch verwirrter.
„Was? Prophezeiung? Was für eine Prophezeiung? Was hab ich damit zu tun? Und was meine Mutter? Und warum soll ich daran schuld sein, wenn deine Kräfte nach lassen? Was willst du überhaupt?“.
Rommath wurde plötzlich sehr ernst. Er beugte sich vor, und packte Fenaria an den Schultern. Er blickte ihr tief in die Augen.
„Fenaria. Ich hätte nicht gedacht, dass es so tief geht! So weit! Ich bin selbst ratlos. Aber wir müssen dich vor deiner Mutter verstecken, genau so wie vor deinem Vater. Ich hoffe es erfüllt sich deine Bestimmung!“.
Fenaria riss sich los. Sie hatte es satt.
„Was denn für eine Bestimmung? Und warum vor meiner Mutter schützen? Sie klang am Ende überhaupt nicht mehr so, als ob sie mir etwas antun wollte! Sie hat davon geredet, mich beschützen zu können. Und dass es niemand anderer kann!“.
Rommath flüsterte wieder.
„Aber vor was beschützen, Fenaria? Weißt du das?“.
Nach kurzem Zögern antwortete diese kleinlaut: „Nein, nicht wirklich.“.
„Siehst du? Und genau das versuche ich heraus zu finden.“.
„Indem du mich von einem Ort zu einem anderen schleppst, ohne mich zu fragen ob ich das überhaupt will?“.
„Ich verstehe es ja selber nicht – ich – argh!“. Auf einmal krümmte Rommath sich zusammen. Wie unter starken Schmerzen verzog er das Gesicht. Fenaria wurde unruhig.
„Was ist los? Hallo? Rommath!“. Er reagierte nicht, sonder setzte sich auf den Hocker, mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht. Die Hände umfassten seinen hochroten Kopf.
Fenaria näherte sich ihm und wollte ihm hFraun. Doch plötzlich kamen keuchend Worte über Rommaths Lippen.
„Anrawen – sie wird – wir müssen ihr hFraun!“. Dann brach er zusammen.
25
„So, meine Liebe. Du hast, grob gesagt, zwei Möglichkeiten. Entweder du sagst mir sofort alles was du weißt. Und wenn ich sage Alles, meine ich auch Alles. Oder wir machen das auf eine Methode die mir lieber wäre, dir aber sicherlich nicht gefällt.“.
Larona saß immer noch auf dem Stuhl vor dem Bett auf dem Linda lag. Diese war inzwischen an allen vier Gliedmaßen gefesselt. Auf dem Bett lagen verschiedenste Werkzeuge, die alle nicht danach aussahen, als ob sie Zwecken der Heilung dienen würden.
„Du willst mich foltern? Ich bin bereits tot und spüre keine Schmerzen mehr, vielleicht hast du das vergessen!“ sagte Linda mit fester und dennoch vor Hass zitternder Stimme.
Larona warf den Kopf in den Nacken und lachte.
„Glaub mir, konventionelle Methoden werde ich schon nicht anwenden. Glaub mir, dich habe darin Erfahrung.“ leiser fuhr sie fort „Mehr vielleicht als ich will.“.
„Ich werde Fenaria niemals verraten. Lieber sterbe ich! ... nochmal.“. Larona seufzte.
„Normalerweise mache ich das nicht, aber ich habe es verdammt eilig. Also. Noch ein einziges Mal im Guten.“ sie beugte sich ganz nah zu Lindas Gesicht, und sprach dann mit eindringlicher Stimme:„Ich will meine Tochter beschützen, ihr nichts antun! Aber dafür brauche ich Informationen, was ihr hier macht, und warum. Also?“.
Als Antwort sammelte Linda soviel Flüssigkeit, wie sie konnte und spuckte der rothaarigen Frau ins Gesicht.
Diese wischte sich mit der behandschuhten Hand kurz über das Gesicht, bevor sie sagte: „Nun gut. Du hast es so gewollt.“.
Sie griff nach einem der Werkzeuge, die auf dem Bett lagen. Es war ein spitzer Dolch. Dann nahm sie mit ausgesuchter Langsamkeit ein kleines Behältnis aus ihrem Umhang. In diesem Behältnis schwamm eine hell leuchtende Flüssigkeit. Sie öffnete den Deckel und tauchte die Spitze des Dolches behutsam in die Flüssigkeit.
Es sah so aus, als ob die Flüssigkeit aus dem Glas nach oben in den Dolch hinein laufen würde. Doch hielt dieser Vorgang nur kurz an, denn Larona zog den Dolch sofort wieder heraus.
Dann hielt sie die getränkte Spitze ganz nah vor das Gesicht der Untoten und lächelte sie dabei an.
„Wa-was ist das?“.
„Du solltest es kennen. Es ist konzentriertes Licht. Heilige Energie.“.
Lindas Augen öffneten sich in schierer Panik. Für Untote war heilige Energie unglaublich schmerzhaft.
„Nei- nein. Nicht.“.
„Sooo? Nicht? Warum nicht? Du würdest Fenaria doch niemals verraten, oder? Was macht es da aus, ob du vorher leidest oder nicht? Und ich würde meinen Spass haben.“.
Linda sackte, obwohl sie auf dem Bett lag, merklich zusammen. Leise, ganz leise erwiderte sie: „Also gut.“.
Das Mädchen wandte den Kopf seitlich zu Linda.
„Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden!“.
Jetzt schrie Linda. Ihre Stimme klang brüchig.
„Ich sags ja!“.
„Na dann los. Ich bin ungeduldig!“.
Und Linda erzählte. Alles. Angefangen bei ihrer ersten Begegnung über den Aufenthalt im Kloster bis hin zu dem Auftrag, den sie von Sylvanas empfangen hatten, welcher schließlich mit ihrer Ankunft, hier, in Orgrimmar endete. Kein kleinstes Teilchen ließ sie aus.
Larona hörte die ganze Zeit geduldig zu, und packte dabei langsam ihre Werkzeuge wieder ein.
Als Linda geendet hatte, nickte sie zufrieden.
„Gut, das wirft ein komplett neues Licht auf die Sache. Wenn auch nicht gerade ein positives. Aber gut.“.
Sie stand auf, und machte sich an ihren Sachen zu schaffen. Den Sitz ihrer Dolche und Schwerter überprüfend ließ sie die schlaff auf dem Bett liegende Linda nicht aus den Augen.
Schließlich wand diese ihr ihr Gesicht zu.
Mit komplett hoffnungsloser und gebrochener Stimme fragte sie: „Und jetzt tötest du mich?“.
Larona stoppte mit ihren Vorbereitungen und verneinte. Sie wirkte etwas unsicher.
„Nein. Nein, ich weiß nicht, wie du an dieses ungeheure Glück kommst, aber irgendwas sagt mir, dass ich dich noch brauchen könnte. Auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was du darstellen solltest außer einem Hindernis.“.
„Warum schleuderst du nicht einfach einen Feuerball auf mich, der mich verbrennt? Dann hättest du ein Problem weniger!“.
Jetzt ließ das Mädchen komplett von ihren Waffen ab und näherte sich Linda erneut. Ihre nächsten Worte kamen gefährlich geflüstert über ihre Lippen.
„Ich kann keine Magie mehr wirken.“.
Erstaunen schlich sich auf das Gesicht der Untoten.
„Aber damals...“.
„Damals ist lange her, meine Liebe.“ sie flüsterte immer noch „Damals war ich noch unerfahrener. Damals war mein Mann noch einigermaßen ... normal. Damals beherrschte ich noch die große Schule der arkanen Magie. Damals lebtest du noch!“.
Zum Schluss hin war sie immer lauter geworden. Dennoch hatte sie Lindas Interesse geweckt.
„Wie, warum?“.
Larona hatte sich wieder zurück gebeugt.
„Das werde ich dir nicht verraten.“.
„Aber, warum hast du damals so gehandelt, wie du gehandelt hast? Warum gerade ich? Warum Lonora?“.
Larona wurde ärgerlich.
„Du warst gerade in der Nähe. Und jetzt hör auf mit deinen dummen Fragen. Du kannst glücklich sein, dass ich heute einen guten Tag habe.“.
Linda wagte nicht, noch mehr zu fragen.
„Wir müssen jetzt Fenaria finden. Dieser Trottel von Magier hat keine Ahnung, was auf ihn zu kommt!“.
Sie zog blitzschnell einen Dolch aus ihrem Gürtel und schnitt mit einer einzigen Bewegung die Seile durch, die Linda an das Bett fesselten.
Diese sprang geistesgegenwärtig auf und wollte weg rennen. Doch Larona war viel schneller. Noch bevor Linda das Bett überhaupt verlassen hatte, spürte sie schon den stahlharten Griff einer schwarz behandschuhten Hand um ihren Oberarm.
„Du bleibst hier! Und jetzt komm.“.
Das Mädchen zog sie brutal hinter sich her.
Sie schritt graziös die Treppe hinunter. Linda folgte ihr stolpernd und fast fallend.
Als sie unten angekommen waren, verstellte ihnen der Troll, der hier den Gastwirt dar stellte, den Weg.
„Stehen bleiben! Wo wollt ihr hin? Wer bezahlt mir meinen Schaden und -“ er stoppte als er einen spitzen Dolch an seiner Kehle fühlte.
„Wie wäre es wenn ihr den Schaden selbst bezahlt? Ist das nicht euer Gasthaus? Wer sonst sollte dafür zuständig sein als ihr?“.
Die mindestens zwei Köpfe kleinere Frau stand vor dem Troll und bedrohte diesen mit einem grünlich leuchtenden Dolch.
Im Gasthaus war es still geworden, die Gäste hatten bemerkt was vor sich ging.
Der Troll antwortete mit fester Stimme: „Das ist zwar mein Gasthaus, aber ihr werdet für den Schaden aufkommen, den ihr angerichtet habt! Ich habe genau gehört, dass ihr den Spiegel zerstört habt! Und sicherlich noch die restliche Ausstattung des Zimmers! Also?“.
„Ihr seid mir zu frech!“.
Mit diesen Worten führte sie eine winzige Bewegung des Dolchs durch. Ein einziger Tropfen roten Trollblutes fiel auf den Boden.
Die Augen des Trolls wurden bleich und er fing an zu wanken. Schließlich sackte er zusammen und fiel auf den Boden. Das alles geschah innerhalb weniger Augenblicke.
Das Mädchen beugte sich zu ihm herunter, wobei sie in die Knie ging und sich in charakteristischer Weise der Trolle auf den Boden hockte. Dann zog sie einen Leinenbeutel hervor, den Linda bisher noch nicht bemerkt hatte. Sie ließ den auf dem Boden liegenden Troll hinein schauen.
Sie flüsterte: „Seid froh, dass ich heute einen guten Tag habe.“.
Linda konnte kurz Schrecken in den Augen des Trolls auf blitzen sehen, bevor sie trüb wurden und der Troll in die Bewusstlosigkeit versank.
Larona stand wieder auf. Plötzlich hörte man die erzürnte Stimme eines Orks: „Das könnt ihr hier doch nicht machen, Frau! Das ist Orgrimmar. Hier gibt es Gesetze!“.
Das Mädchen warf den Kopf herum und warf dem Ork einen einzigen Blick zu. Dieser verstummte sofort und setzte sich kleinlaut wieder zu seinen Kameraden.
„Ignorante Idioten! Also weiter. “.
Sie zog Linda aus dem Gasthaus heraus und über den staubigen Marktplatz. Diese hoffte, dass irgendwer bemerken würde, dass sie nicht freiwillig mit dieser Frau mit kam.
Aber sie hoffte umsonst. Niemand scherte sich auch nur ein kleines bisschen um sie.
Schließlich stoppte Laronas. Sie hatten wohl ihr Ziel erreicht. Linda kannte es nur zu gut.
Sie traten in die karge Hütte ein.
Ihnen schlug eine dunkle Stimme entgegen: „Ich habe geschlossen! Seht ihr das nicht? Mir war heute schon viel zu viel los, als dass ich noch große Lust auf mehr Dummköpfe habe, die mir meine Laune versauen!“.
Larona antwortete mit zuckersüßer Stimme, die so gar nicht zu dem passte, was Linda bisher von ihr kannte: „Oh, seid wann habt ihr denn eine Laune?“.
Der Untote, der bisher krampfhaft auf seine Arbeit gestarrt hatte, schaute verwundert auf.
„Larona? Das kann nicht wahr sein! Was macht ihr denn hier? Und was schleppt ihr diese Untote mit? Ach, sagt nicht, dass ihr ...“.
„Doch. Genau das. Ich brauche einmal wieder eure Hilfe.“.
Während sie gesprochen hatte, war sie weiter in den Raum hinein gekommen. Ein schwacher Lichtschein fiel durch die Tür hinter ihr und erhellte den spärlich eingerichteten Raum und die darin gestapelten Rüstungen aus Leder.
Doch plötzlich verdunkelte sich das Licht und nur eine ungewisse Dämmerung blieb zurück.
Blitzschnell fuhr Larona herum, als sie den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht des Untoten sah. Als ihr Gesicht der Tür zu gewandt war, hatte sie schon zwei schlanke Schwerter kampfbereit erhoben.
In der Tür sah sie fünf ihr wohl bekannte Gestalten.
Eine Trollin trat vor.
„Geht zur Seite Frau! Wir wollen nur etwas von diesem Untoten.“.
Hinter der Trollin betraten noch zwei Orks den Laden. Sowie eine Gestalt, deren Gesicht mit einer schwarzen Kapuze verhüllt war. Doch Linda erkannte an seiner Gangart, dass es ein Untoter sein musste.
Die Trollen wurde ungeduldig.
„Nun geht schon zur Seite. Euch wollen wir nicht töten!“.
Ein gefährlicher Glanz hatte sich in die Augen der Frau gelegt.
„Wenn ihr den Weg nicht freigeben wollt, müssen wir das anders regeln.“. Sie wandte sich an einen der Orks. Er hatte eine riesige Keule in den Händen.
„Okzik! Dein Einsatz!“.
Mit der Keule fortwährend auf die linke Hand klatschend kam der Ork näher. Die anderen Gestalten hatten inzwischen die Tür geschlossen und verriegelt.
Der Untote war gerade dabei, seltsame Zeichen auf die Tür zu zeichnen.
„Komm kleine Frau und zeig mir was du kannst!“.
Ein Lächeln trat auf Laronas Gesichtszüge.
„Nur zu gerne, Ork!“.
26
Es war dunkel in dem kleinen Raum. Man konnte nur Umrisse der Personen erkennen. Schatten wurden keine geworfen.
Der Orc näherte sich der schmalen Frau mit wuchtigen Schritten, dass die Erde bebte. Jeder andere Gegner wäre zurück gewichen. Doch Larona blieb dort stehen, wo sie stand. Vor dem untoten Verkäufer und vor Linda.
In ihrer linken Hand lag ein Dolch, in der rechten ein Schwert. Beide glänzten grünlich. Sie hatte die Waffen noch nicht kampfbereit erhoben, sondern ließ sie lose an ihrer Seite herunter hängen.
Mit süffisanter Stimme flüsterte sie: „Na komm, Orc. Komm.“.
Dieser schnaufte kurz und machte sich bereit zum Sprung. Doch in diesem Augenblick bewegte sich eine der drei Gestalten an der Tür. Durch diese Bewegung wurde ein Loch in der Tür frei gelegt, welches vorher verdeckt gewesenen war. Durch dieses Loch fiel ein kleiner heller Lichtstrahl. Genau in Laronas Gesicht.
Mitten im Sprung stockte der Orc, als wäre er vor eine Wand gelaufen.
Larona legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch. „Angst?“.
Der kräftige Orc machte einen verwirrten Eindruck. Er drehte den Kopf hektisch über die Schulter zu seinen Kameraden.
Stotternd sagte er: „A - aber, da-das is doch sie! Die die die wia suchen müssn! Oda nich?“. Verwirrt blickte er immer wieder zu Larona und wieder zurück.
Die Trollin kniff die Augen zusammen. Dann riss sie sofort ihren Bogen vom Rücken, legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss ihn in Richtung der Frau ab. Er surrte durch die Luft und bohrte sich mit einem schmatzendem Geräusch in einen Kopf.
Die Trollin lächelte kurz zufrieden. Doch auf einmal verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht als ob es weg gewischt worden wäre.
Gleichzeitig ertönte ein hysterisches Gelächter aus der Richtung in die der Pfeil geflogen war.
Die Trollin murmelte: „Das kann doch nich - das kann nich – nein!“.
Das Lachen beruhigte sich langsam wieder und wandelte sich zu der normalen, siegessicheren Stimme von Larona.
„Die Dunkelheit verwirrt wohl eure Augen. Erstens habt ihr hier nicht das Mädchen vor euch die ihr sucht. Und zweitens habt ihr mit eurem Pfeil, der übrigens wunderbar gezielt war, mein Lob dafür, das Haupt eines Herren durch bohrt, den das nicht weiter stören wird. Ich glaube sogar, ihr kennt ihn.“.
Mit dem letzten Satz zusammen flackerte auf einmal eine Fackel auf. Sofort wurde es hell in dem kleinen Gebäude. Die Trollin sowie die beiden Orcs hielten spürbar die Luft an, als sie das erblickten, was sich ihren Augen dar bot.
Larona stand immer noch auf ihrer alten Position. In der einen Hand hielt sie jetzt jedoch eine brennende Fackel und in der anderen den Grund für die Überraschung der drei Gestalten.
Locker an den Haaren gehalten baumelte dort ein männlicher Trollkopf an ihrem Arm. Mitten in seiner Stirn steckte ein Pfeil, der dem Kopf einigen Schwung gegeben hatte.
Nun meldete sich der Untote zu Wort, den die ganze Sache gänzlich kalt gelassen hatte.
„Und? Was wollt ihr uns damit sagen?“.
Larona funkelte den Untoten böse an.
„Ich will damit sagen, dass ihr drei Möglichkeiten habt. Möglichkeit Nummer eins: Ihr dreht euch sofort um, verlasst diesen Raum und vergesst warum ihr hier wart. Das wäre für euch übrigens wohl das vernünftigste. Möglichkeit Nummer zwei: Ihr arbeitet mit mir zusammen, wir suchen zusammen diese Frau, und reden darüber, was wir mit ihr anstellen wenn wir sie haben. Und schließlich Möglichkeit Nummer drei: Ihr weigert euch mit mir zusammen zu arbeiten, bleibt hier und sterbt.“ sie machte eine kurze Pause bevor sie mit Nachdruck hinzu fügte: „Alle!“.
Der Orc mit der Keule gab ein Kriegsgebrüll von sich und schrie: „Ich entscheide mich für Möglichkeit fünf! Euch töten!“.
Dann stürmte er brüllend auf Larona zu. Diese löschte schneller als man schauen konnte die Fackel und trat dann zur Seite.
Der Ork, dessen Augen sich nicht so schnell an die Dunkelheit gewöhnen konnten, lief an der Frau vorbei. Als er gemerkt hatte, dass er zu weit gelaufen war, drehte er sich so schnell er konnte um. Doch er war zu langsam. Er spürte noch den stechenden Schmerz eines in seinen Brustkorb eindringenden Fremdkörpers, bevor er das Bewusstsein verlor und hart zu Boden fiel.
Plötzlich flammte die Fackel wieder auf. Sie warf einen flackernden Schatten auf Laronas hartes Gesicht. Ein Lächeln zierte es wieder. Sie sprach zu dem am Boden liegenden Orc. Ihr Stimme klang zynisch.
„Das wäre wenn dann Möglichkeit Nummer vier gewesen.“.
Dann wandte sie sich wieder den anderen zu.
„Nun? Die Entscheidung liegt bei euch. Zu meiner Verteidigung möchte ich sagen, dass euer Freund noch lebt. Er wird später wieder auf wachen. Es war kein tödliches Gift! Einige Nachwirkungen werden wohl bleiben, aber was soll man machen?“.
Die Reaktionen der drei übrigen Gestalten waren unterschiedlich.
Der andere Orc knurrte bedrohlich. Man spürte dass er das Mädchen am liebsten angesprungen hätte.
Der Untote dahingegen hatte seine rechte Hand erhoben und spielte mit einer kleinen Flamme, die auf seiner Handfläche tanzte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte komplette Gleichgültigkeit wieder, doch konnte man trotzdem sehen, dass er die Flamme auf das Mädchen los lassen wollte.
Doch die Trollin hielt ihn zurück. Sie atmete schwer, und man merkte dass es sie einige Überwindung kostete, ruhig zu bleiben.
„Nun gut. Wir begleiten euch. Das Mädchen ist viel zu wichtig, als dass wir einfach so von unserem Auftrag – äh, ich meine, als dass wir einfach aufhören könnten sie zu suchen.“.
Sie stieß den Untoten in die Seite, da dieser immer noch mit der Flamme spielte.
Dieser schaute der Trollin daraufhin in die Augen und flüsterte ihr zu: „Bist du verrückt? Diese Frau wird uns bei der erst besten Möglichkeit verraten! Was meinst du, warum wir keinen Fraun in unseren Reihen haben? Genau deswegen. Das eigene Wohl steht bei ihnen doch über allem! Das ist Selbstmord!“.
Doch der Blick und die geflüsterten Worte, die zurück kamen sorgten dafür, dass er sich murrend ab wandte und das Feuer löschte.
Die Trollin sah darauf hin wieder zu Larona und sagte mit eindringlicher Stimme: „In Ordnung, wir begleiten euch. Aber wenn ihr uns verratet, ...! Ich warne euch!“.
Das Lächeln auf dem Gesicht der Frau verbreiterte sich.
„Ich wusste, wir würden gut zusammen arbeiten können! Achja, die hier kommt auch noch mit!“.
Sie gab den Blick auf Linda frei, welche zusammen gekauert hinter ihr stand, und der die ganze Situation mehr als unangenehm war.
„Ha-Hallo.“ kam es heiser aus ihrer Kehle.
27
„Wir kümmern uns noch eben um Okzik. Ihr könnte ja schon einmal draußen warten.“. Die Stimme der Trollin hatte auf einmal einen ungewohnt freundlichen Tonfall.
Larona antwortete mit einem verbindlichen Lächeln: „Es gibt hier keinen zweiten Ausgang. Also keine falschen Hoffnungen.“.
Mit diesen Worten verließ sie das Gebäude. Linda zog sie hinter sich her.
„Wollen wir hoffen, dass diese Idioten keine Dummheiten anstellen!“.
Linda meldete sich schüchtern zu Wort. Scheinbar mit der Absicht, Larona zu schmeicheln, sagte sie: „Und...und selbst wenn. Wenn ihr einen Pfeil in der Luft aufhalten könnt, was sollen diese Leute gegen euch ausrichten können!“.
Larona zuckte, und schaute Linda daraufhin belustigt an.
„Was glaubst du eigentlich? Ich bin mächtig. Sehr mächtig. Aber auf einen so präzise abgeschossenen Pfeil kann selbst ich nicht reagieren. Ich habe nicht einmal gesehen, dass diese Trollin einen Pfeil auf mich angelegt hatte. Es war reines Glück, dass ich in diesem Moment den Kopf dieses Dilettanten aus der Tasche geholt hatte. Eigentlich zu einem anderen Grund, aber -“. Sie stockte. Ihre Stimme wurde ärgerlich.
„Aber warum erzähle ich dir das eigentlich? Und warum sagst du so etwas zu mir? Wenn du glaubst, ich passe weniger auf dich auf, weil du mir schöne Worte machst, hast du dich geschnitten.“. Mit diesen Worten wandte sie sich wieder ab.
Linda ließ den Kopf wieder hängen. Das Mädchen hatte sie durch schaut. Schon wieder.
Verstohlen richtete sie ihren Blick auf Larona. In der Tat, sie hatte sich seit 'damals' verändert. Ihr Gesicht war noch härter geworden. Und ihre Haarfarbe war eine andere. Entweder hatte sie ihre Haare damals gefärbt gehabt, oder das jetzige rot war nicht natürlich.
Aber eigentlich war das egal. Sie wusste jetzt, wer sie war. Wer sonst außer der einen Frau konnte den Namen ihrer Mutter wissen? Lonora. Bei diesem Namen kamen Erinnerungen in Linda hoch, von denen sie gedacht hatte, sie hätte sie längst vergessen.
Was hatte sie alles erlebt mit ihrer Mutter. Damals. Bevor die Seuche nach Lordaeron kam. Sie war überglücklich gewesen. Sie und ihre Mutter hatte dieses gewisse etwas verbunden. Ein Band, das nicht zerreißen kann. Hatte sie jedenfalls gedacht, bis sie eines Tages eines Besseren belehrt worden war. Denn an diesem einen Tag hatte ihre Welt begonnen zusammen zu stürzen. An diesem einen Tag war die schwarzhaarige Frau gekommen. Die, wie sie jetzt wusste, mit der Person überein stimmte, die sie im Moment vor sich hatte.
Sie konnte sich auf einmal an jede Kleinigkeit erinnern. Sie hatte damals mit ihrer Mutter zusammen in der Küche gesessen als es an die Tür klopfte. Ihre Mutter hatte ihr zu gelächelt, und war zur Tür gelaufen, um zu öffnen. Kurze Zeit darauf, als das Quietschen der Tür verklungen war, hatte Linda ihre Mutter ein paar Worte keuchen hören. Diese Worte standen ihr auf einmal kristallklar im Gedächtnis: „Nein! Nein, das ist ein Missverständnis – bitte! So glaubt mir doch!“.
Die Worte waren fest und ohne Furcht gesprochen worden, doch sollten es die Letzten gewesen sein, die Linda je wieder von ihrer Mutter hören würde. Eine Stimme sagte daraufhin etwas in einer Sprache, die Linda nicht verstehen konnte. Als sie geendet hatte, schrie Lonora kurz auf.
Sofort war Linda auf gesprungen, um ihrer Mutter zu Hilfe zu eilen. Doch als sie um die Ecke bog, und die sich ihren Augen bietende Szene erkannte, war sie wie angewurzelt stehen geblieben.
Ihre Mutter stand an die Wand gedrängt da und hatte einen kleinen Dolch in der Hand. Die Klinge des Dolchs steckte tief in dem Bauch ihres Gegenübers.
Doch auch wenn sie ihren Gegner hatte verletzen können, man erkannte, dass das Leben unweigerlich aus ihrem Körper wich.
Ihr gegenüber stand das Mädchen und schien sich trotz ihrer Schmerzen an dem Anblick der sterbenden Frau zu laben. Man konnte meinen tiefe Befriedigung erfüllte sie.
Linda schrie etwas, und rannte auf die Beiden zu. Das Mädchen, durch das Geschrei aufmerksam geworden drehte sich zu ihr um.
Das Letzte, was Linda in diesem Leben sehen sollte, waren zwei giftgrün leuchtende Augen. Mit tiefem Hass erfüllt.
Dann war es schwarz um sie herum geworden. Als sie wieder aufwachte, war sie tot und in Unterstadt. Eine lange Zeit war vergangen.
War der Hass über die Zeit fast verschwunden gewesen, nun drängte er zusammen mit den Erinnerungen wie ein Vulkan wieder an die Oberfläche.
Sie musste sich an dieser Frau rächen. Für ihre Mutter. Für sich selbst. Aber wie? Körperlich hatte sie keine Chance.
Plötzlich erinnerte sie sich daran, wie Larona bei der Erwähnung ihres Mannes, Landrol, vor wenigen Stunden reagiert hatte.
Sie begann einen Plan zu schmieden. Einen Plan, der ihrem sonstigen Gemüt vollkommen widersprach.
28
„Rommath! Rommath! Wacht auf! Rommath! Verdammt, ich kenne nicht einmal seinen Vornamen.“.
Fenarias Stimme klang verzweifelt. Sie kniete über dem reglos auf dem dreckigen Boden liegenden Magister. Er befand sich in einer eigenartigen Ohnmacht. Seine Augen standen offen, aber es war kein Leben dahinter. Doch da sich seine Brust noch regelmäßig hob und senkte, musste Fenaria wenigstens nicht um sein Leben fürchten. Auf jeden Fall vorerst nicht.
„Was soll ich denn jetzt machen?“. Die Worte kamen geflüstert über ihre Lippen. Sie schaute sich in dem kleinen Raum um.
Hier gab es nichts, was ihr auch nur in irgendwelcher Weise hFraun konnte. Bis auf das Stroh auf dem Boden, und den kleinen Hocker war der Raum leer.
Also musste sie nach draußen. Hilfe holen. Woher oder wen, das wusste sie nicht.
Aber irgendetwas musste sie machen. Sie stand auf und ging schnell auf den Eingang des Raumes zu. Plötzlich blieb sie abrupt stehen. Eine Armlänge vor ihrem Gesicht flimmerte die magische Barriere, die Rommath gewirkt hatte, um sie zu schützen. Jetzt bewirkte sie das genaue Gegenteil. Fenaria konnte nicht nach draußen.
Sie sank auf die Knie und stützte den Kopf in die Hände.
Sie dachte über ihre verzweifelte Situation nach und kam zu dem Schluss, dass es für sie im Moment einfach keinen Ausweg geben konnte. Sie saß hier hinter einer magischen Barriere, die von einem Großmagister gewirkt worden war.
Was sollte sie schon dagegen machen können? Nichts anderes als hier darauf warten, dass irgendwelche Leute kämen und sie bemerkten. Und diese Leute mussten nicht unbedingt ihre Rettung im Sinn haben.
Auf einmal kam ihr eine verwegene Idee. Hatte Rommath nicht etwas davon gesagt, dass er in ihrer Anwesenheit Probleme damit hatte, Zauber zu wirken?
Fenaria hatte das für Schwachsinn gehalten. Aber vielleicht ....
Sie musste sich an jeden Strohhalm klammern, den sie jetzt bekommen konnte.
Umständlich stand sie auf und näherte sich der flimmernden Wand.
Bildete sie sich das ein, oder begann die Barriere tatsächlich stärker zu flackern, je näher sie kam?
Kurz vor der Barriere, die aussah wie ein blauer Vorhang, der aus dem Nichts herunter fiel, blieb sie stehen.
Zitternd streckte sie ihre rechte Hand aus. Zögernd näherten sich ihre schlanken Finger dem Vorhang.
Plötzlich blitzte es in dem Vorhang auf. Ruckartig zog sie ihre Hand zurück. Sofort normalisierte sich die Barriere wieder. Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. Konnte das wirklich wahr sein? Sie probierte es erneut.
Langsam näherten sich ihre zitternden Finger der Barriere. Als es erneut blitzte zuckten ihre Finger nur kurz. Millimeterweise bewegte sich ihre Hand nun auf den blauen Vorhang zu, der nun anfing stärker zu flackern.
Schließlich, als der Abstand zwischen der Barriere und ihrer Fingerspitze nur noch eine Daumenbreite betrug, bildete sich in dem schimmernden Vorhang unter grellen Blitzen eine winzige Lücke.
Fenaria biss sich auf die Lippen und schloss die Augen, bevor sie die ganze Hand mit einer ruckartigen Bewegung um ein ganzes Stück nach vorne schob.
Sie spürte nichts außer einem leichten Kribbeln. Langsam öffnete sie die Augen.
Was sie sah hätte sie jubeln lassen, wenn sie nicht derart erstaunt gewesen wäre.
Ihrem Erstaunen gab sie mit ein paar gestotterten Worten Ausruck.
„Aber – aber was? Wie...?“.
Um ihre Hand hatte sich eine große, kreisrunde Lücke gebildet. Die Ränder der Lücke blitzten und waberten als ob sie versuchen würden, sich wieder zu schließen.
Aber etwas hinderte sie daran. Und dieses Etwas war Fenarias Hand.
Sie zog sie wieder zurück. Sofort schloss sich die Lücke wieder.
Sie besah sich mit ungläubigen Augen ihre Hand. Ihr Herz machte einen Sprung.
Doch noch konnte sie es nicht glauben. Sie hob ihre andere Hand neben die, die sie durch die magische Barriere gesteckt hatte.
Der Vergleich bestätigte es ihr. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, das von purem Glück zeugte.
Die Hand, welche durch die Barriere gedrungen war, hatte einen Grünton, der ein bisschen schwächer war als der der anderen Hand.
Fenaria sah von ihren Händen auf die Barriere und wieder zurück. Schließlich hob sie die Hand, welche noch in dem alten verhassten Grünton schimmerte und bewegte sie auf die Barriere zu.
In purer Konzentration biss sie die Zähne zusammen. Auf ihre Züge trat etwas angespanntes.
Schneller als vorher, als ob sie es nicht erwarten könnte, streckte sie ihre Hand durch die Lücke, welche sich prompt in dem schimmernden Vorhang bildete.
Das Kribbeln stellte sich wieder ein.
Ein paar Augenblicke ließ sie die Hand dort auf der anderen Seite, bevor sie sie wieder zurück zog und eiligst betrachtete.
Vor Entzücken öffnete sie ihren Mund und wollte schon einen Freudenschrei loslassen, als sie sich daran erinnerte, wer da hinter ihr am Boden lag, und rein gar nichts von ihrer Freude hatte.
Das Lächeln verschwand wieder von ihrem Gesicht. Sie ließ die Hände wieder sinken. Ernst schaute sie die Barriere an und schritt auf sie zu. Eine gewisse Unsicherheit konnte sie nicht abschütteln, deswegen schloss sie, kurz bevor sie hin durch trat die Augen.
Doch auf einmal blieb sie stehen. Sie befand sich mitten in der Barriere und fühlte wieder das seltsame Kribbeln.
Doch dieses Mal war es stärker. Zusammen mit diesem Kribbeln kam ein Gefühl wieder, dass sie auch schon kennen gelernt hatte. Eine Art von Verlangen. Verlangen nach Magie. So wie schon einmal musste sie sich gehen lassen.
Sie konnte gar nicht anders. Als sie die Augen öffnete, merkte sie, wie aus den unregelmäßigen Rändern des magischen Schirmes Energie in ihre Fingerspitzen, in ihre Haare, ja in jeden Teil ihres Körpers floss.
Auf einmal begann sie die Welt mit anderen Sinnen wahr zu nehmen. Es war nicht zu beschreiben. Die Farben wurden kräftiger, je mehr der Energie sie auf nahm. Sie fühlte sich mit jedem Augenblick, der verging stärker. Wohlige Wärme breitete sich in ihr aus.
Sie wollte mehr von dieser wunderbaren Energie, dieser wunderbaren Wärme spüren.
All ihr Streben wollte sie darauf ausrichten, mehr von dieser Energie zu bekommen.
Doch auf einmal stach ein Gedanke an eine Person aus ihrem Unterbewusstsein scharf in ihr Gehirn.
Diese Person war Lilieth. Fenaria erinnerte sich unwillkürlich daran, was diese Frau einmal zu ihr gesagt hatte. Sie hatte sie in gewisser Weise davor gewarnt, sich der Magiesucht hinzugeben, so schön es auch war.
Dieser kurze Gedanke, der nicht bewusst gedacht worden war, schleuderte sie wieder zurück in die Realität. Mit ganzer Macht stemmte sie sich gegen das Verlangen noch mehr Magie auf zu nehmen. Schließlich und mit großer Anstrengung schaffte sie es.
Keuchend trat sie aus dem Magiefeld heraus. An der Stelle, wo sie vorher gestanden hatte, schloss sich die entstandene Lücke wieder. Doch langsam und flackernd. Nicht so flüssig wie die kleineren Lücken, die durch ihre Hände entstanden waren.
Mit Verwundern stellte Fenaria fest, dass sie sich wieder auf der Seite befand, von der sie das Feld betreten hatte. Sie wandte sich um, und schaute zu Rommath. Und erschrak bei seinem Anblick.
Sie eilte zu dem Magier und kniete sich wieder neben ihn.
Seine Züge waren eingefallen und matt. Seine Augen strahlten noch weniger Leben aus als vorher.
Fenaria wurde bleich bei dem Gedanken, dass diese Verschlechterung seines Zustandes wahrscheinlich auf sie zurück zu führen war.
Auch wenn Rommath es nicht merkte, er speiste immer noch das magische Schild mit seiner Energie. Und Fenaria hatte sich an dieser Energie gelabt.
Sie schüttelte sich bei dem Gedanken an das, was passiert wäre, hätte sie sich einen Augenblick zu spät gegen ihre Sucht gewandt.
Sie blickte hinunter auf ihre Hände. Das in ihren Augen hässliche Grün hatte sich weiter gemildert. Außerdem umschloss ein leichter bläulicher Glanz ihre Hände.
Auf einmal begann Rommath unregelmäßig zu atmen. Fenaria erschrak und legte aus reiner Reaktion die rechte Hand auf seine Brust.
Sofort beruhigte sich sein Atem wieder, und es kehrte deutlich mehr Leben in ihn zurück.
Doch gleichzeitig merkte Fenaria, wie sie schwächer wurde. Die Energie, die sie vorher aufgesogen hatte, verließ ihren Körper wieder. Langsam aber mit ernüchternder Sicherheit.
Dennoch ließ sie ihre Hand dort liegen, wo sie lag. Wollte sie doch, dass Rommath wieder auf wachte.
Aber als sie sah, dass gleichzeitig mit dem Schwächegefühl auch der Grünton ihrer Hände wieder zu nahm musste sie sich sehr beherrschen, um nicht dem inneren Drängen nach zu geben. Tränen traten in ihre Augen.
„Jetzt wach endlich auf!“.
Wie als ob er es gehört hatte, trat Leben in die Augen des Magisters. Nur schwaches Leben, aber immerhin Leben. Fenaria atmete erleichtert auf und zog ihre Hand zurück.
Niedergeschlagen betrachtete sie die selbige, die jetzt wieder genau so aussah wie vorher.
Rommaths Augen irrten eine Weile ohne Ziel in dem kleinen Raum umher, bevor sie Fenaria fixierten.
„Was hast du gemacht?“. Der Tonfall war so vorwurfsvoll gewählt, dass es Fenaria die Stimme verschlug.
„Ich habe euer Leben gerettet.“ antwortete sie schließlich nach einiger Zeit mit gekränkter Stimme.
Rommath stützte sich auf seine Ellbogen.
„Du hast alles nur noch schlimmer gemacht!“.
29
Fenaria stützte ihre Arme in die Seite und schaute Rommath mit gekränkt funkelnden Augen an.
„Ich habe euch soeben euer Leben gerettet, und ihr behauptet, ich hätte alles nur noch schlimmer gemacht? Hätte ich euch sterben lassen sollen, oder was?“.
Rommath wiederholte mit schwacher Stimme den Satz, den er gegenüber Fenaria schon so oft erwähnt hatte, dass es sie langsam wütend machte.
„Das verstehst du nicht.“
Jetzt platzte Fenaria der Kragen. Leichtes Rot zeichnete sich einige Moment auf ihrem Gesicht ab, bevor sie anfing zu schreien: „Das verstehe ich nicht? Du hast doch überhaupt keine Ahnung was ich verstehe oder nicht. Du schleifst mich jetzt schon Ewigkeiten mit dir herum, ohne mir auch nur eine Kleinigkeit zu sagen, was du vor hast, oder warum ich dir überhaupt folgen soll. Bisher habe mich nicht beschwert, weil ich es, wie du immer sagst, einfach nicht besser wusste. Aber jetzt reichts mir! Die Begegnung mit meiner Mutter hat mir in gewisser Weise die Augen geöffnet. Woher weiß ich, dass nicht sie, sondern du der Feind bist? Sie wollte mich schützen, mir sogar Wahrheiten offenbaren, die ich schon seit Ewigkeiten suche. Und was passiert dann? Natürlich, der liebe Herr Magier kommt hereingestürmt, überblickt in seinem uneingeschränktem Wissen sofort die Situation und bereitet sich darauf vor eine Frau, wahrscheinlich das einzige Wesen auf dieser vermaledeiten Welt, das mir auf meine Fragen freiwillig antworten könnte, um zu bringen. Klasse Idee, Rommath. Ehrlich. Aber, dem Sonnenbrunnen sei Dank, hat das wohl nicht geklappt. Und ich kann dir sogar sagen warum. Du hattest mit deiner Vermutung Recht, auch wenn sie unverschämt war! Ich wirke mich negativ auf dich aus! Vielleicht wäre es deswegen besser, wir würden in Zukunft getrennte Wege gehen! Was hälst du davon? Oh, deine Prophezeiung müsstest du dann natürlich alleine erfüllen, so Leid es mir auch tut.“.
Schnaufend stand Fenaria über Rommath und blickte ihn zornig an.
Dieser schaute zurück. Zuerst hätte man denken können, dass in seinen Augen kurz so etwas wie Wut aufflackern würde, aber schließlich senkte er den Kopf.
Seine Stimme klang auf einmal nicht mehr anklagend, sondern entschuldigend und brüchig.
„Es tut mir Leid, Fenaria. Du hast Recht. Nicht damit, dass ich dein Feind bin, beileibe nicht. Aber damit, dass ich unüberlegt gehandelt habe. Aber das Problem ist folgendes: Ich weiß selbst nicht, was mein oder unser Ziel ist, oder sein soll. Ich beginne den Glauben an diese Prophezeiung zu verlieren.
Und was deine Mutter betrifft: vielleicht hast du Recht, aber ich kann nicht mehr machen, als dich vor ihr zu warnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas Gutes mit dir im Sinn hat. Und davon bin ich überzeugter als von dieser Prophezeiung.
Eine Sache bereitet mir aber noch viel größere Sorgen. Ich muss das einfach zu Ende bringen. So sehr ich mich auch davor fürchte. Und diesmal musst du mir nicht folgen.“.
Rommaths Stimme war zum Ende hin immer bittender geworden, so dass Fenaria nicht anders konnte als ihre Wut zu vergessen. Sie seufzte, und ihr Blick wurde mitfühlend.
„Es geht um diese Priesterin, oder?“.
Rommaths Kopf schnellte nach oben, er blickte Fenaria erschreckt in die Augen.
„Woher weißt du...“. Fenaria lächelte traurig.
„Auch wenn ich in meinem bisherigen Leben keine Erfahrung mit diesem Gefühl habe machen können, erkenne ich es doch, wenn jemand davon aufgefressen wird.“.
Mit trockenem Mund flüsterte Rommath: „Welches Gefühl, Fenaria?“.
„Liebe, Rommath, Liebe!“.
Der Magier sackte zusammen. Den Blick gen Boden gerichtet nickte er schwach.
Leise hauchte er: „Ja, ja, das wird es wohl sein.“.
Und eine Spur Endgültigkeit schwang in seiner Stimme mit.
30
Fenaria warf immer wieder einen Blick auf den neben ihr gehenden Hochmagister.
Sein Gesicht war blaß, eingefallen. Er sah ganz und gar nicht gesund aus. Noch hatte er Fenaria sein konkretes Ziel nicht mit geteilt, aber nach dem Gespräch in der schäbigen Gaststätte konnte Fenaria nicht umhin, ihm zu folgen. Was hätte sie auch sonst machen sollen?
Jetzt liefen sie also schon seit einer ganzen Zeit durch die staubige Einöde, welche hinter Orgrimmar lag. Den Zeppelinturm, welcher für Fenaria das einzig bekannte Bauwerk in dieser Wüste dar stellte, hatten sie schon lange passiert. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie nieder, und ließ die Luft vor ihren Augen flimmern.
Im Moment wanderten sie einen Weg entlang, der von heißen Sandböen umweht wurde, so dass man ihn nur schwer erkennen und ihm folgen konnte. Doch Rommath schien sich seiner Sache sicher zu sein.
Sein Blick ruhte auch nicht auf dem Boden oder war gar in die Ferne, auf ihr Ziel gerichtet, nein, Rommath schaute gen Himmel, welcher in der Dämmerung genauso rot war, wie der Boden rings um sie herum.
Seine Lippen murmelten unentwegt für Fenaria unverständliche Worte.
Auch wenn er es nicht sagte, wusste die junge Frau doch, dass sich Rommath in einem stillen Zwiegespräch befand.
Und auch wenn es ihr unangenehm war ihn jetzt zu unterbrechen, sie wollte wissen, wo sich ihr Ziel befand, und so fragte sie ihn wiederum: „Rommath, wenn ich schon freiwillig mit komme, sag mir doch bitte, wohin wir jetzt gehen.“. Etwas leiser setzte sie hinzu: „Auch wenn es mit dieser Frau zu tun hat, könnt ihr mir es sagen. Ich behalte alles für mich. Ehrlich!“.
Sie blickte ihn bittend an.
Er senkte den Blick, und traf den ihren.
Was sie nun in seinen Augen sah, erschreckte Fenaria.
Leid, unendliches Leid. Dazu eine Unsicherheit, die tief aus der Seele kommen musste. Seine Augen waren, wie sein restliches Gesicht auch, eingefallen, lauerten tief in den Augenhöhlen.
Umso merkwürdiger war der Klang seiner Stimme, die auf einmal aus seinem Mund drang.
Sie war stark, so wie Fenaria sie kannte. Ließ keine Kompromisse zu, und spiegelte wieder, dass er ein Ziel hatte, das er mit allen Mitteln zu erreichen suchte. Diesen Widerspruch konnte sie sich nicht erklären.
„Wir gehen nach Ratschet. Und dort suchen wir nach deinem Vater. Und nach Krabropos!“.
Der Name der letzten Person ließ Fenaria erschreckt zusammen fahren. Sie konnte es nicht glauben.
Unsicher erwiderte sie: „Ha-habt ihr eben Krabropos gesagt?“.
Rommath schaute sie ungeduldig an: „Ja, kennt ihr ihn etwa?“.
In seiner Stimme schwang solch ein drohender Tonfall mit, dass Fenaria nur schnell den Kopf schüttelte und kleinlaut murmelte: „Nein, nein.“.
„Warum kommt euch der Name dann bekannt vor?“.
In seine Augen hatte sich ein gefährlicher Glanz geschlichen.
Fenaria kniff die Lippen zusammen, während sie krampfhaft überlegte. Doch ihr fiel nichts ein, und so konnte sie nicht anders, als Rommath die ganze Geschichte zu erzählen.
Doch entgegen ihrer Befürchtung rastete er nicht aus, sondern nickte nur. Wenn sein Gesichtsausdruck auch alles andere als zufrieden genannt werden konnte.
„Nun gut, das ändert rein gar nichts an meinen Plänen. Eigenartig ist es, aber nicht bewegend.“.
Auf weitere Fragen von Fenaria antwortete er nicht mehr. Er schritt stur gen Westen.
Fenaria folgte ihm, jetzt da sie das Ziel kannte waren ihre Gefühle zwei gespalten.
Einerseits war sie froh darüber, das die Sache wohl bald beendet sein würde, war doch ihr Vater der Quell allen Übels.
Andererseits hatte sie ganz klare Angst vor eben jenem. Sie musste an ihre erste Begegnung denken, der sie nur ganz knapp und mit Glück entkommen war. Aber sie wollte sich nicht mehr verstecken, wollte nicht mehr weglaufen.
Und so folgte sie Rommath weiter, welcher wohl im Sinn hatte, ihr Ziel noch vor Morgengrauen zu erreichen.
31
„Wir müssen diese Frau los werden!“. Die Stimme der Trollin hatte wieder jegliche Sympathie verloren, klang kratzig wie zuvor.
Sie blickte der Reihe nach ihre Begleiter an, die in einem engen Kreis um sie herum standen, und flüstern mussten, damit sie der Untote an der Theke nicht verstehen konnte.
Den Orc, welcher den anderen verletzten Orc stütze, den Untoten Magier, welcher mit einer Flamme in seinen Händen spielte und einen unbeteiligten Eindruck machte und schließlich ließ sie einen besonders langen Blick über den verletzten Orc schweifen.
„Ich glaube zwar, dass sie übertreibt, wenn sie sagt, sie könnte uns alle mit links besiegen, aber auf keinen Fall sollten wir sie unterschätzen.“ eine kleine Pause, dann: „Sie ist flink!“.
Der gesunde Orc grunzte: „Nah! Und nicht blöd!“.
Daraufhin gab der Untote ein Geräusch von sich, das wohl ein unterdrücktes Lachen darstellen sollte. Der Orc schaute ihn feindselig an.
„Was ist?“.
Der Magier schaute auf. Plötzlich schloss er seine Hand, dass die Flamme, die vorher wild darauf getanzt hatte, auf einmal mit einer kleinen Rauchfahne verpuffte.
„Es ist nichts. Auf jeden Fall nichts, dass ihr mit eurem kleinen Hirn begreifen könntet. Aber in mir beginnt eine Idee zu reifen, die ihr vielleicht wissen wollt.“.
Er beugte sich näher zu seinen Kameraden und erläuterte ihnen seine Idee.
Die anderen hörten ihm gespannt zu und nickten schließlich eifrig mit hinterlistig lächelnden Gesichtern, als er seine Idee ausgeführt hatte.
Vorsichtig blickte Linda zu Laronas Gesicht hoch. Was sie sah, verwunderte sie nicht weiter. Die üblichen hochmütigen, brutalen Züge. Ungeduldig blickte die rothaarige Frau von einer Seite zur anderen. Ihre grünen Augen waren vor Missfallen zusammengekniffen. Sie machte den Eindruck, als ob sie sich nur mit Mühe zurück halten könnte. Wovon, dass wusste Linda nicht.
Für das was sie vor hatte, war es wichtig, dass Larona davon rein gar nichts mit bekommen durfte. Wenn sie schon die Schwächere von beiden war, musste sie wenigstens die Macht der Überraschung auf ihrer Seite haben.
Aber zuerst einmal musste sie sich ruhig verhalten, und einen richtigen Moment ab passen.
Sie war gerade dabei, ihren Plan nochmal genau im genau nach zu gehen, als ein plötzlicher Lärm sie in ihren Gedanken unterbrach.
Die vier Gestalten waren soeben aus dem Haus des Untoten Händlers gekommen. Allen voran die weißhaarige Trollin. Danach folgte der Magier und den Abschluss bildeten schließlich die zwei Orcs, wobei einer von ihnen von dem Zweiten halb getragen wurde.
Der stark hinkende Orc hielt sich die Hand vor den Brustkorb, aus welchem dunkel rotes Blut quoll.
„Das nächste Mal lasst ihr euch bitte weniger Zeit. Wir haben nicht viel davon!“ warf Larona den vier Gestalten mit schneidender Stimme entgegen.
Dann streifte ihr Blick den verwundeten Orc. Ihr Augen weiteten sich kurz in plötzlicher Verwunderung. Doch schnell hatte sie sich wieder gefasst, und setzte wieder einen abweisenden Blick auf.
Dennoch holte sie einen ihrer Dolche aus der Scheide, und betrachtete ihn argwöhnisch, bevor sie ihn mit einem Schulterzucken wieder zurück schob.
„Na dann. Als ich Fenaria das letzte Mal gesehen habe, war sie mit einem Magier und dieser da.“, sie deutete auf Linda, „zusammen. Der Magier hat sie mit sich genommen. Wonach wir jetzt suchen ist ein Ort, wo sie sich ausruhen könnten. Der Magier sah nicht so aus, als ob er noch ewig auf den Beinen stehen bleiben könne. Also frage ich euch: Wo gibt es hier in dieser dreckigen Stadt einen Zufluchtsort, den man in so einer Situation am ehesten aufsuchen könnte?“.
Die Trollin nickte.
„Ich kenne so einen Ort. Ein durchaus gemütlich anmutendes Lokal im hinteren Teil der Stadt. Folgt mir.“.
Larona setzte sich in Bewegung. Mit drohender Stimme sagte sie zu der Trollin: „Versucht keine Tricks!“.
Da Larona hinter der Trollin ging, konnte sie deren tückisches Lächeln nicht sehen, welches sich fast von einem Ohr bis zum anderen zog.
32
Linda schritt neben Larona her, immer wieder vorsichtige Blicke zu ihr werfend.
Sie musste mit einer der vier Personen reden, die sie begleiteten. Da die Trollin vor ihnen lief, fiel sie raus. Und die Orcs sahen nicht so aus, als ob sie auf ihren Plan anspringen würden, oder ihn auch nur verstehen könnten. Also blieb nur der Magier. Und der machte keinen sympathischen Eindruck.
Aber sie musste es versuchen. Sie wollte Rache. Rache für ihre getötete Mutter. Rache für ihr Schicksal. Rache für ihr ganzes Leben!
Also versuchte sie sich zurückfallen zu lassen. Ganz langsam, indem sie mit jedem Schritt, den Larona tat, ein paar fingerbreit Boden weniger überbrückte.
Da der seltsame Trupp sehr schnell marschierte, war es nicht einfach für Linda, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Gerade passierten sie den Eingang in die dunkle Gasse, wo sie am selben Tag schon mit Fenaria zusammen herum geirrt war. Ein kurzes Schaudern lief ihr mit eiskalten Fingern den Rücken hinab, als sie in das eigenartige Dämmerlicht trat.
Da die Sonne gerade dabei war, ihre letzten Strahlen auf die Stadt zu schicken, und so der Unterschied zwischen Schatten und Helligkeit mehr und mehr verschwamm, wurde die Szene noch unheimlicher, als sie ohnehin schon war.
Die Gestalten, die hier umher schlichen machten keinen vertrauenswürdigen Eindruck. Und ihre getarnten, in tiefen Schatten liegenden Gesichter noch weniger.
Linda schüttelte den Kopf, sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.
Wiederum warf sie einen zaghaften Blick zur Seite, bevor sie sich erneut ein kleines Stückchen zurück fallen ließ.
Langsam aber sicher kam sie dem Untoten so nahe, dass sie seinen rasselnden Atem hören konnte. Doch bis er ihre geflüsterten Worte verstehen konnte würde es noch eine Weile dauern. Sie durfte nichts überstürzen.
Als Linda schließlich in einiger Entfernung voraus eine eingefallene Hütte erkennen konnte, die wohl das Ziel der voraus gehenden Trollin dar stellte, war sie gerade nah genug an dem Untoten, um ihn auf sich aufmerksam machen zu können.
Sie wollte ihn gerade sachte mit dem Ellbogen anstoßen als plötzlich ein eiserner Griff ihren Unterarm umklammerte und sie wieder neben das Mädchen zog.
„Du bleibst hier!“.
Die hart und endgültig gesprochenen Worte ließen Linda all ihren Mut verlieren.
Niedergeschlagen und mit hängendem Kopf trottete sie neben Larona her.
Jetzt, wo das Mädchen aufmerksam geworden war, hatte sie mit großer Wahrscheinlichkeit all ihre Chancen verspielt, ihren Plan durchführen zu können. Einen Plan, der auf ihre Rache abgezielt hatte.
Während Linda sich in ihren düsteren Gedanken herum trieb, betrat die Trollin das herunter gekommene Gebäude, dass Linda vorher schon als ihr Ziel vermutet hatte. Larona folgte ihr, Linda grob hinter sich herziehend.
Dann folgten der Untote und schließlich die zwei Orcs. Als der letzte von ihnen das Gasthaus betreten hatte, hörte Linda ein leises Klicken. Neugierig drehte sie sich um. Was sie sah ließ sie neue Hoffnung schöpfen.
Der unverwundete Orc hatte die Tür des Gasthauses geschlossen, und stand nun vor dieser, dass man erst an ihm vorbei musste, wollte man hinaus.
Als er ihren Blick spürte, setzte er ein grimmig drohendes Gesicht auf. Doch Linda gab ihm durch Gesten zu verstehen, dass sie in keinem Fall vor hatte, Larona zu warnen.
Als sie dem Orc das endlich hatte klarmachen können, was nicht so einfach war, mit nur einem freien Arm, setzte dieser einen sehr dümmlichen Gesichtsausdruck auf. Scheinbar verstand er ihre Beweggründe nicht.
Aber das konnte ihr egal sein.
Sie ließ sich von der Frau weiter ziehen, und blickte sich derweil in dem Gasthaus um.
Es war nicht ein einziger Gast in der düsteren Gaststube anwesend. Nur der Wirt, und auch dieser verzog sich gerade in eine Hinterkammer.
Auf einmal blieb Larona stehen. Gehetzt schaute sie sich um.
„Was -?“.
Ebenso plötzlich wie Larona stehen geblieben war, drehte sich die Trollin nun um. In ihren Händen lag ein gespannter Bogen. Der Pfeil, der auf der Sehne lag, zeigte genau auf Larona.
Jetzt ging alles so schnell, dass Linda sich nachher nur noch bruchstückhaft an die Ereignisse erinnern konnte.
Das Mädchen neben ihr ließ sie los, und griff mit einer Bewegung, so schnell dass ihr die Augen kaum folgen konnten, nach einem Dolch in ihrer Scheide.
Und Linda grub ihre Zähne so kräftig sie konnte das Handgelenk, das zu dem Arm gehörte, der nach der rettenden Waffe greifen wollte. Larona schrie vor Schmerzen auf, doch sie hatte kaum noch Zeit genug Linda weg zu stoßen, als schon von hinten zwei kräftige, grüne Arme nach den ihrigen griffen.
Der Orc bog ihre Arme hinter ihren Rücken. Wieder stöhnte das Mädchen vor Schmerzen auf, und funkelte den Orc über die Schulter böse an.
Es war derjenige, den sie verwundet hatte. Er hatte sich offensichtlich wieder erholt..
„Jetzt bist du dran, kleine Frau.“.
Laronas Stimme zitterte vor Wut, als sie erwiderte: „Das würde ich mir an eurer Stelle noch einmal überlegen!“.
Jetzt sprang die Trollin in das Gespräch ein.
„Gib uns einen Grund, warum wir dich am Leben lassen sollten!“.
Während des Gespräches stand Linda mehr oder weniger teilnahmslos daneben, und leckte sich das Blut der Frau, das noch an ihren Lippen klebte mit der Zuge auf. „Selbst dieser Teil von ihr ist bitter“ dachte sie sich mit Genugtuung.
Linda wartete darauf, dass diese Leute endlich Schluss machen würden mit dieser Person, die so viele Leben zerstört hatte. Was sie danach mit ihr selbst anstellen würden war ihr egal.
Dann hörte sie wieder die eiskalte Stimme der Frau.
„Ich weiß was ihr wollt, und wohin ihr wollt. Und ich weiß dass ihr nur auf Gold aus seid, vielleicht etwas Macht, aber vor allem Gold! Also lasst mich euch folgendes sagen: Derjenige, der euch Fenaria suchen ließ, dieser jemand sucht auch mich! Und zwar lebendig. Und das könnt ihr mir glauben, er wäre bereit einiges für mich zahlen!“.
Sie schaute der Trollin fest in die Augen. Diese blickte zurück.
Lange Zeit verging so. Die Trollin, welche mit gespanntem Bogen auf die von dem Orc brutal festgehaltene Larona zeigte, überlegte.
Schließlich ließ sie den Bogen langsam sinken, wobei sich die Sehne mit einem Knarzen entspannte.
„Nun gut. Aber ich warne euch, falls das nicht stimmt, werde ich euch Okzik und seinem Bruder überlassen!“.
„Nein!“ der sich überschlagende Schrei kam aus Lindas Kehle „Ihr müsst sie jetzt töten! Das ist doch nur ein Trick! Ich – sie – ihr dürft das nicht!“.
Die Trollin wendete ihren Blick Linda zu. Triefender Spott lag in diesem.
„Was dürfen wir nicht? Und was hast du dazu überhaupt zu sagen? Wir gehen jetzt zu unserem Auftraggeber, und schauen was er dazu sagt!“.
Linda ließ den Kopf hängen, es hatte ja doch keinen Sinn zu widersprechen.
„Also los! Aber erst entwaffnet ihr dieses Biest!“.
Auf die Aufforderung der Trollin hin entwaffnete einer der Orcs das Mädchen. Dabei trat eine zu bewundernde Anzahl an Waffen zu Tage. Zwei lange Dolche, zwei schlanke Schwerter, mehrere Wurfdolche und zwei versteckte Klingen an ihren Unterarmen.
Während sie entwaffnet wurde, knurrte Larona nur und warf allen Umstehenden vernichtende Blicke zu.
Schließlich wurden alle ihre Waffen sorgfältig verstaut und sie selbst von dem Orc straff festgezurrt.
Linda erhob noch einmal Einwände. „Wenn ihr sie fesselt, werden doch sicherlich die Wachen aufmerksam! Bringt es doch lieber jetzt gleich zu Ende!“.
Diesmal antwortete der Untote, der die ganze Zeit wie unbeteiligt neben dem Geschehen gestanden hatte. Er warf Linda nur einen kurzen verächtlichen Blick zu, und ging dann mit einem betont leichtem Gang auf die gefesselte Frau zu.
„Wie ihr wisst“ begann er mit trockener Stimme „befinden wir uns hier in Orgrimmar.“ er setzte ein widerliches Lächeln auf „selbst wenn diese wunderhübsche Frau um Hilfe rufen würde“ er streichelte mit seinem verfaulten Zeigefinger über eine von Laronas Wangen, die das mit eisiger Ruhe über sich ergehen ließ „würde es überhaupt niemanden stören. Fraun sind hier nicht sehr erwünscht, wisst ihr?“.
Er fuhr mit seinen aufgesprungenen Lippen an Laronas weichem Hals entlang.
„Nicht sehr erwünscht!“ wiederholte er und zog auf einmal seinen Kopf mit einem Rucken von ihrem Hals weg.
Das Mädchen stöhnte nur kurz auf, doch aus ihren Augen schossen dem Untoten Blitze des Hasses entgegen. Mit einer lässigen Kopfbewegung spuckte dieser einen Hautfetzen auf den Boden, der früher einmal die nun klaffende Wunde auf Laronas Hals bedeckt hatte.
Ein dunkler Blutstrom tröpfelte langsam auf ihre tiefschwarze Lederrüstung. Die Drohung die dem Untoten aus den Augen der Frau entgegen schoss war nicht zu beschreiben. Doch dieser warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals auf.
„Also los jetzt!“. Die Stimme der Trollin hatte etwas schneidendes. Sie drängte den Orc, der die an Arm und Hals blutende Frau vor sich hatte, nach draußen zu gehen.
Als dieser Larona grob umdrehte, dass sie fast stolperte, kam sie an Linda vorbei.
Als das Mädchen an ihr vorbei lief schaute sie Linda kurz aus ihren funkelnden Augen an. Erneut kroch ein eiskalter Schauer den Rücken des Mädchens hinunter.
Denn dieser eine, kurze Blick hatte eine deutliche Aussage gehabt, auch wenn kein Laut über die Lippen der Frau gekommen war. Und diese Aussage war mehr als einfach zu verstehen gewesen: Verräterin!
33
Sie stolperten den staubigen Weg zurück, den sie gekommen waren. Nein, allein das Mädchen stolperte. Angetrieben von einem riesigen grünen Wesen, dem Orc Okzik.
Es machte den Eindruck, als ob er riesigen Spaß daran hätte, das Mädchen vor sich her zu treiben.
Diese hatte im aufkommenden heißen Wüstenwind, welcher schwanger vor winzigkleinen Sandkörnern war, und ihre roten Haare wild um ihren Kopf wehte, große Schwierigkeiten damit, das Gleichgewicht zu halten.
Schließlich passierte es, sie stolperte endgültig, da sie mit den riesigen Schritten des Orcs nicht mithalten konnte, und fiel hart auf den dreckigen Boden. Mitten in Orgrimmar, mitten unter Massen von Personen, die sich nicht einen Deut um die nun hilflos auf dem Boden liegende Frau scherten. Der Magier hatte Recht gehabt. Viele warfen sogar noch belustigte Blicke auf die Gefangene.
Auch der Orc begann zu lachen, ein grausames, herzloses Lachen, und ging einfach an der Frau vorbei und weiter in Richtung des Ausganges von der riesigen Stadt.
Da er ein Seil in seinen Händen hielt, dessen anderes Ende um die auf ihrem Rücken zusammengebundenen Handgelenke geschnürt war, gab es einen harten Ruck, und er zog das Mädchen ohne Schwierigkeiten hinter sich her.
Und obwohl sie große Schmerzen leiden musste, denn ihre Arme waren nun in einem eigenartigen Winkel nach hinten verdreht, kam nicht ein einziger Laut über ihre Lippen.
Linda beobachtete die Schleifspur, die sie nun hinter sich herzogen.
Sie, das war immer noch die Bande, bestehend aus der Trollin, neben der nun wieder ihr Panther einher trottete, der Untote, der amüsiert auf das Mädchen blickte, und schließlich die zwei Orcs.
Okzik, der das Mädchen hinter sich her schleifte. Und sein Bruder der, sich immer noch den Brustkorb haltend, genau neben der Frau her ging. Sein Blick war auf ihr vor Scham und vielleicht auch noch aus anderen Gründen rotes Gesicht geheftet. Seine Augen lechzten nach Blut.
Linda ging nicht freiwillig mit diesen Leuten mit. Sie hatte schon in der dunklen Gaststätte abhauen wollen, doch mit einem hässlichen Lachen hatte die Trollin erklärt, dass sie mit ihnen kommen würde.
Immerhin hatte man ihr die Wahl gelassen, ob sie freiwillig mit ging, oder ob man sie, genauso wie Larona, gefesselt und unter Zwang mit führen sollte.
Linda hatte sich für die freiwillige Variante entschieden, und war, als ihr Blick auf das Bündel, dass hinter dem Orc über den Sand schleifte fiel, mehr als glücklich über diese Entscheidung.
Doch über ihre Situation war sie nicht glücklich. Sie vermied es tunlichst, den Blick auf Larona zu richten. Denn sie konnte den Blick, der sie dann jedes Mal traf nicht aushalten.
Rache. Das war ihr Ziel gewesen. Und zum Teil hatte sie es auch erreicht. Aber mit jedem Schritt, den sie taten, wurde sie schwankender in ihren Gedanken. Sie war sich nicht mehr sicher, ob es das richtige gewesen war, was sie getan hatte.
Rache hatte sie gewollt, für eine Tat, die weit in der Vergangenheit lag. War das rechtens? War das moralisch zu vertreten? Vielleicht hatte das Mädchen ihre Besinnung inzwischen bereut, und versuchte wieder etwas gut zu machen?
'Nein! Nein, sie hat sich gegenüber mir nicht so verhalten, als ob sie auch nur irgendwas bereue. Statt dessen scheint sie stolz auf ihre Taten zu sein! Es ist absolut gerecht, was jetzt mit ihr passiert!'.
Gerade wollte sie Larona in die Augen schauen, um ihr zu zeigen, dass sie genauso fest von ihrer Rache überzeugt war, wie Larona von sich selber, als ein Satz, den die Trollin aus sprach, ihre ganze Gesinnung über den Haufen warf.
„Ha! Ob Landrol dieses Langohr genau so viel wert ist, wenn es aus sieht wie ein räudiger Hund?“. Krächzendes Lachen kam aus ihrer Kehle.
Da hingegen war Lindas Kehle auf einmal wie zu geschnürt. Landrol! Fenarias Vater! Der Hexer, der sie hatte umbringen wollen!
Wie unter Schock blieb Linda mitten auf der Straße stehen. Sie wünschte Larona zwar den Tod, aber nicht die Auslieferung an diesen Elf. Nicht an dieses Monster.
Aber eins beschäftigte sie noch viel mehr: Sie selbst wollte dort nicht hin. Auf keinen Fall und unter keinen Umständen!
Als Linda wie angewurzelt stehen blieb und keine Anstalten machte weiter zu gehen, ja sogar anfing ein bisschen zu zittern, erklang wieder die krächzende Stimme der Trollin: „Was ist denn jetzt wieder los? Weiter jetzt!“.
Lindas Stimme war brüchig, als sie antwortete: „Nei-nein! Ich gehe da nicht hin! Niemals! Nicht zu Landrol! Nein!“.
Die Trollin seufzte nur kurz, dann wendete sie dem Magier ihren Blick zu, und nickte kurz.
Und als ob dieser nur darauf gewartet hätte, sprach er eine schnelle Zauberformel, und in Linda kroch eine unnatürliche Kälte die Beine hoch, bis sie ihren Brustkorb und schließlich ihren Hals erreicht hatte.
Sie wollte weg rennen, doch sie konnte ihre Beine nicht mehr bewegen. Auch ihre Arme waren auf einmal taub. Einzig ihre Blickrichtung war ihr noch selbst überlassen.
Bevor sie sich richtig über ihren Zustand klar werden konnte, kam auch schon Okzik auf sie zu, und nahm sie einfach unter den Arm.
Ohne lange zu zögern nahm die eigenartige Truppe ihren Weg wieder auf.
Lindas Beine ragten nach vorne, so dass sie Larona in ihrem Blickfeld hatte, und ohne den Kopf zu wenden, hatte sie keine Möglichkeit, wo anders hin zu schauen.
So musste sie die nächsten Meter der Frau in die Augen schauen. Augen, die bereits vor Schmerzen wässrig waren. Sie versuchte dem Blick stand zu halten, der sie traf.
Und sie war sich nicht sicher, was in diesem Blick die Überhand hatte. Der Spott oder eine weit im Hintergrund flackernde Angst, die auch sie selbst verspürte. Doch dass auch Larona sich fürchtete, das ließ Linda fast verzweifeln, und sie versuchte sich aus der magischen Umklammerung der Kälte zu befreien.
Doch so sehr sie auch versuchte zu strampeln, oder sich zu wehren, sie konnte sich nicht bewegen. Keinen einzigen Zoll.
Auf einmal hielt die Trollin an, die Orcs und der Magier taten es ihr gleich.
Und als Larona nun auch zum Stillstand kam, entrann sich doch ein erleichtertes Seufzen ihrer Kehle.
Wieder sprach die Trollin.
„Glaubt nicht, dass es schon vorbei ist! Und ihr, woher wisst ihr eigentlich, dass Ratschet unser Ziel ist, Magier?“
Linda konnte jetzt die knurrende Stimme des Untoten vernehmen.
„Als ihr euch in diesem ... Gasthaus mit der Frau vergnügt habt, hatte ich einen kurzen Kontakt zu diesem Hexer. Er gab mir eine recht genaue Beschreibung, wo wir hin sollen. Nämlich zu einem Schiff, dass in einiger Entfernung vor Ratschet vor Anker liegt. Und als ich euch erwähnte, Frau, da riss der Kontakt zwar gerade ab, doch konnte ich noch Wogen des Triumphs spüren. Und noch andere Gedankenfetzen kamen durch. Ich an eurer Stelle würde darum betteln, dass wir euch jetzt töten.“.
Ein übles Grinsen entblößte seine verfaulten Zähne.
Mit vor Hass und Schmerz verzehrter Stimme stieß das Mädchen zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor: „Geht verfaulen, Knochenhaufen!“.
Der Untote warf wieder den Kopf in den Nacken und begann zu lachen.
„Bis zum Schluss, hm? Nun, so soll es sein. Jetzt los, ich werde den Windreiter leitern! Fliegt mir nach.“.
Bevor Linda sich noch fragen konnte, was der Magier meinte, wurde sie unsanft auf etwas haariges gepackt und fest gebunden.
Das gleiche passierte mit der Frau, welche neben ihr zu liegen kam.
Linda realisierte, dass es eins dieser Löwenartigen Tiere war, auf der sie fest gemacht wurden.
Bald darauf erhoben sie sich auch schon in die Luft.
Der Untote flog, wie er schon gesagt hatte, voraus. Hinter ihm saß die Trollin. Und die Orcs hatten jeweils einen eigenen Windreiter. Auch wenn der des verwundeten Orcs beachtlich schwankte.
In der Mitte flogen Linda und Larona. Ihr Windreiter war mit einem Seil mit dem vordersten verbunden, so dass er ihm folgte.
Im Laufe des Fluges warf Linda einen langen Blick auf das Mädchen, welche mit dem Rücken zu ihr lag.
Die schwarze Lederrüstung war stark zerschrammt und an einigen Stellen sogar auf gerissen. Dort, wo der Schutz für die empfindliche Haut fehlte, waren hässliche Schürfwunden zu sehen, aus denen ein steter Strom roten Blutes sickerte.
Der Atem der Frau ging unregelmäßig und flach.
Linda kämpfte die aufkommenden Schuldgefühle nieder und senkte ihren Blick, so dass sie nur das Fell des Windreiters und einen Teil der regelmäßig auf und abschlagenden Schwingen sah.
Fast wäre sie eingeschlafen, ob der beruhigenden auf und ab Bewegung des Fluges.
Doch ein plötzlicher harter Ruck ließ sie aufschrecken.
Als sie die Augen öffnete, sah sie die für ein Schiff typischen Dielen unter sich.
Sie und das Mädchen wurden wieder los gebunden und unter Deck geführt. Larona war es diesmal vergönnt, selbst zu laufen, auch wenn sie stark hinkte.
Unter Deck war es dunkel und es stank stark nach Schwefel. Linda konnte sich nicht erklären, wo dieser Geruch her kam, bis sie in der hinteren Ecke des Schiffsbauches einen kleinen Tisch sah, auf den von unbekannten Quellen gespeiste Flammen flackerten, und auch mehrere dampfende Phiolen standen.
Sie dachte eine Bewegung hinter dem Tisch zu erkennen, doch ein Laut neben ihr lenkte sie ab.
Sie blickte zur Seite und erkannte, was der Verursacher des Lautes gewesen war.
Larona hatte stark die Luft ein gesogen und fixierte die Stelle, an der Linda etwas gesehen zu haben dachte. Sie schien in der Dunkelheit mehr zu erkennen als Linda, denn in ihren Augen loderte eine unbestimmte Furcht.
Linda konnte nicht anders, als auch ihren Blick wieder dorthin zu richten, und jetzt sah auch sie etwas.
Was dort aus der Dunkelheit geschritten kam, trieb ihr die Gänsehaut auf den Körper, und ließ sich ihre wenigen Nackenhaare aufstellen. Sie hätte nicht gedacht, dass so etwas überhaupt noch mit diesem schon einmal gestorbenen Körper passieren hätte können, doch es passierte!
Es war der Hexer. Und sein Gesicht war von dem gleichen bösartigen Lächeln verzehrt, dass er damals gehabt hatte, als er Linda umbringen wollte.
Seine Stimme war so drohend, dass sich Linda unwillkürlich duckte.
„So trifft man sich wieder! Hätte nicht gedacht, dass ich jemals in diesen Genuss komme. Und dann sieht man dich noch so hilflos, wie du mich damals hinterlassen hast. Köstlich! Aber ich denke, ich werde noch ein bisschen Spaß mit dir haben, bevor ich mit dir das mache, was du mir damals angetan hast.“ er machte eine kleine Pause, dann sprach er flüsternd weiter „nur tausend Mal schlimmer!“.
Er kam weiter auf Linda und Larona zu, nur dass sein Blick ausschließlich der Frau galt. Die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt.
Larona meldete sich zu Wort, in einem Versuch Widerstand zu leisten. Doch auch wenn ihre Stimme sicher klingen sollte, so hörte Linda doch die Furcht heraus, die im Hintergrund mit schwang.
„Wie denn – ohne Hände?“.
Nun verbreiterte sich das Lächeln Landrols noch. Langsam, mit einer triumphierenden Geste zog er seine Arme hinter dem Rücken hervor und hielt sie in die Luft. Die knochigen Finger klapperten mit trockenen Geräuschen aneinander.
Nun war jede Sicherheit aus Laronas Stimme verschwunden. Reine Panik bahnte sich in einzigem Wort ihren Weg aus der Kehle der Frau: „Nein!“.
Landrol wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich ein so lauter Schlag ertönte, dass seine Worte unter gingen.
Auf einmal barst die Schiffswand mit einem infernalischem Getöse, und das ganze Schiff wurde heftig durch geschüttelt.
Noch bevor Linda überhaupt erkannte, was passiert war, wurde sie gegen einen Balken geschleudert. Schnell wurde es schwarz vor ihren Augen, und das letzte was sie erkennen konnte, war, dass das ganze Schiff von einer unheimlichen Macht zerquetscht wurde.
34
Wenn Fenaria während ihrer Reise zu dem Schluss gekommen war, dass Rommath erschöpft und unentschlossen sei, so wurde sie nun eines besseren belehrt.
Er stand auf einer Anhöhe, an deren Fuß Ratschet im Dunst des Morgens lag. Eine kleine Küstenstadt, in der nun langsam aber sicher die ersten Leute auf die Straße eilten, um mit ihren Geschäften zu beginnen.
Fast direkt an die Häuser grenzte das schimmernde Meer auf welchem, langsam erwachend, die Möwen herum schwammen.
Doch der Blick des Magiers hatte weder für das eine noch für das andere etwas übrig. Er war fest auf ein einziges Ziel gerichtet, dass so weit von der Küste entfernt lag, dass der Dunst es fast verschluckte.
Und genauso fest wie sein Blick war seine Stimme, als er zu Fenaria sagte: „Bitte, entferne dich weit genug, damit ich ...“ sein Blick verdüsterte sich „diesem Einfallspinsel zeigen kann, dass er nun erntet, was er einst sähte.“.
Zuerst noch zögernd, doch dann immer schneller ging Fenaria von Rommath weg. Ein eigenartiges Feuer war auf einmal in seinen Augen zu sehen. Ein kaltes Feuer.
Fenaria war gute 20 Schritte von Rommath entfernt, als sie stehen blieb, und sich wieder zu ihm um wandte.
Rommath stand immer noch genau so auf der Klippe, wie vorher. Doch sie wollte ihn nicht stören, und gab ihm Zeit. Wartete, dass etwas passierte.
Und tatsächlich. Erst hob er die Arme, streckte sie zur Seite aus, die Handflächen nach oben gerichtet, wie im Gebet. Doch er betete nicht.
Und obwohl die Entfernung alles Gesprochene von ihm verschlucken musste, waren seine Worte plötzlich überall. Sie kamen von jeder Seite, wie von schroffen Felswänden zurück geworfene Echos. Von überall drangen sie auf Fenaria ein.
Doch sie galten nicht ihr. Sie galten den Elementen!
Auch wenn Fenaria die Sprache der Magie nie gelernt hatte, und auch nicht verstand, so konnte sie doch den Sinn der Worte erraten, die nun Rommaths Geist verließen, ohne dass er auch nur die Lippen bewegte.
Er forderte die Elemente auf, ihm zu hFraun. Nein! Er zwang ein einziges Element, ihm zu gehorchen! Das Wasser!
Plötzlich bildete sich ein Wirbel um seinen ganzen Körper, und Fenaria zog sich erschreckt weitere Schritte zurück, doch die Stimmen wurden nicht leiser. Im Gegenteil.
Noch eindringlicher hämmerten sie auf ihren Geist ein.
Immer fordernder wurde der unhörbare Tonfall.
Der Wirbel verdichtete sich mehr und mehr, er bestand, das erkannte Fenaria nun, aus winzig kleinen blauen Eiskristallen, die mit einer unheimlichen Geschwindigkeit um Rommath herum rasten. Immer schneller wurden diese Kristalle, und begannen einen Wind zu entfachen. Einen Wind, der nicht nur Fenarias Haare nach hinten zu wehen begann.
Staubschwaden von dicken Sandkörnern wurden von Rommath in einem steten Strom fort getrieben, und als Fenaria einen Blick zum Himmel warf, verschlug es ihr den Atem.
Die Wolken zogen sich zusammen, bildeten eine Wand über Rommath. Der Himmel verdunkelte sich, als sich ein einzelner Strang aus der Wand löste und langsam gen Erde sank.
Er näherte sich dem Wirbel, der um den Magier herum fegte. Und als er nur noch einige Fingerbreit von ihm entfernt war, tat es einen riesigen Donnerschlag und ein Blitz überflutete den Himmel und die ganze Umgebung mit gleißendem Licht.
Als Fenaria die Augen geblendet wieder öffnete sah sie, dass die riesige Wolkenwand über Rommath mit ihm über diesen einzelnen Strang verbunden war, und Blitze zuckten in dieser unfassbaren Verbindung hin und her.
Wieder hörte sie den ungesprochenen Fluss von magischen Formeln. Doch er verdichtete sich mehr und mehr, verwob die letzten fehlenden Enden mit den Anfängen, drehte das Gleichgewicht um und kam schließlich zu einem Ende.
Und plötzlich ließ Rommath all die gesammelten Energien mit einem Mal frei.
Von Rommath ging ein blaues Licht aus, das so hell war, dass Fenaria die Augen schließen musste.
Als sie sie kurze Zeit wieder öffnete sah sie nur noch wie der Wirbel, der vorher Rommath umkreist hatte, mit rasender Geschwindigkeit in das Meer schlug.
Von der Stelle, an der das Wasser dieses unnatürliche Gebilde verschluckt hatte, breitete sich eine Fläche aus. Erst nach genauem Hinsehen erkannte Fenaria was es war.
Eis! Das ganze Meer vereiste, und dehnte sich dabei gewaltig aus.
Der Steg, an dem Schiffe, die mit Ratschet handeln wollen, für gewöhnlich andocken, wurde durch das Eis nach oben gedrückt und komplett zerstört.
Holz und Eissplitter flogen durch die Luft und regneten auf die erschreckten Bewohner der kleinen Stadt herunter, welche sich schnellstens in Sicherheit zu bringen versuchten.
Doch den Sinn hinter diesem überaus mächtigen Zauber erkannte Fenaria erst einen Moment später.
Das Schiff, welches wohl das Ziel Rommaths darstellte, wurde von den Eismassen eingekeilt und zugleich ramponiert, dabei hob es sich um einige Meter in die Luft.
Als Fenaria atemlos auf Rommath blickte, nickte dieser nur kurz und zufrieden. Dann schaute er plötzlich Fenaria an.
Und noch vor ihrem nächsten Atemzug stand er neben ihr und fasste sie am Arm.
Wiederum einen Augenblick später fand sie sich auf einmal zwischen eingedrückten Holzbohlen und aus den Wänden ragenden Eiszapfen wieder.
Noch bevor sie überhaupt realisieren konnte, was hier vor sich ging, stieß Rommath sie zur Seite, und wandte sich einer für sie nicht sichtbaren Gestalt zu.
„Und jetzt zu dir!“ sprach er, und wollte zum Angriff übergehen. Doch plötzlich umgab ihn eine hell grüne Aura, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen, doch kein Laut kam durch die Barriere, obwohl sein Mund in stummem Schrei weit offen stand.
„Na na. Nicht gleich so übermütig. Mein lieber untoter Freund soll noch ein bisschen weiter leben.“.
Aus den Schatten schälte sich eine Gestalt. Fenaria war durch den Stoß Rommaths auf den Boden gefallen, und sah die nun erscheinende Person durch einen riesigen Eiszapfen hindurch, der sich vor ihr durch die Schiffswand gebohrt hatte.
Doch auch wenn sein Bild verzerrt war, erkannte sie sofort, wem diese kalte Stimme gehörte: Landrol!
Sie zuckte zusammen und kauerte sich noch weiter in die Ecke.
Doch zuerst wusste sie nicht, wen ihr Vater mit 'untoter Freund' meinte, bis sich eine weitere Gestalt zeigte. Doch erschien diese nicht aus den Schatten oder einer dunklen Ecke des Schiffsbauches, sonder kam viel mehr einfach aus der Luft heraus. Der Untote stand mitten im Raum. Und auch er grinste hämisch.
„Ich wusste ihr würdet wieder kommen. Kommt ihr um die kleine Frau zu retten?“. Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern brach in höhnisches Gelächter aus.
Wieder meldete sich Landrol zu Wort.
„Hm, ihr habt nicht zufällig noch eine andere kleine Frau dabei?“.
Bei diesen Worten schaute er sich um, und Fenaria machte sich zitternd so klein, wie es ihr nur irgendwie möglich war.
Doch bevor Landrols Blick über die Ecke schweifte, in der Fenaria lag, wurde er von einer weiteren Stimme ab gelenkt. Eine weibliche, krächzende Stimme.
„Was wollt ihr auch noch mit der? Ihr habt doch jetzt schon die Mutter. Und ich will unsere Bezahlung haben! Auch den Teil für den da!“.
Dabei zeigte die neu hinzu gekommene Trollin auf einen Klumpen, der vor ihren Füßen auf dem Boden lag.
Und als Fenaria genauer hin schaute, erkannte sie, dass dort ein Orc lag. Und aus seiner Brust ragte das obere Ende eines Eiszapfens.
Der Hexer lachte kurz auf.
„Ihr könnt seinen Teil nicht einfordern. Wenn einer das Recht dazu hätte, dann meine allerliebste Frau. Nicht wahr?“.
Und wieder erschien eine Person, die vorher von den Schatten verdeckt worden war.
Und Fenaria sank das Herz als sie ihre Mutter erkannte. Doch nicht in ihrer stolzen, siegessicheren Haltung, sondern in Hass und Hilflosigkeit gebückt. An den Haaren gepackt von ihrem Mann.
„Hat schnell reagiert wie damals schon. Als alle anderen damit beschäftigt waren, das Gleichgewicht zu halten, schnappt sie sich mal eben einen Eiszapfen, von denen es hier auf einmal so viele gibt, und erdolcht damit kurzerhand einen Orc, der zwei Köpfe größer als sie ist. Fast schon bewundernswert, wenn es nicht so sinnlos wäre, nicht?“.
Dabei bog er ihren Kopf nach hinten und blickte ihr in die vor unbändigem Zorn glühende Augen. Sie sagte nichts.
Schließlich ließ er sie wieder frei, wobei er in schallendes Gelächter ausbrach.
„Warum macht sie nichts? Was ist denn los?“ flüsterte Fenaria mit Panik in der Stimme.
Und eine ebenfalls zitternde Stimme antwortete ihr: „Er hat sie mit einem Zauber gefangen. Ich weiß auch nicht wie, aber du hättest auf jeden Fall nicht auch noch hierher kommen dürfen.“.
Fenaria erschrak zu Tode, und wäre beinahe auf gesprungen, doch konnte sie sich im letzten Moment noch beherrschen.
So beschränkte sie sich darauf sich um zu drehen, und ihr Herz tat einen Freudensprung: „Linda! Was ein Glück, dass du auch hier bist! Ähm, du weißt schon wie ich das meine. Aber was ist hier los? Warum bist du hier, warum meine Mutter, und wer ist dieser Magier und diese Trollin? Und überhaupt wie -.“.
Linda schüttelte nur den Kopf. „Es ist alles meine Schuld, Fenaria. Aber ich kann dir jetzt nichts erklären, wir müssen -“. Sie stockte als Landrol plötzlich mit seinem irren Gelächter auf hörte, und sie so der schützenden Klangkulisse beraubte.
Mit deutlich ernster Stimme sprach er weiter: „Nun, ich glaube nicht dass uns dieser Magier noch weiter hFraun kann. War nett, uns mal zu besuchen, aber wir sind schon voll!“.
Plötzlich wallte ein grünes Feuer in seinen Händen, und er wollte die tödliche Geste gerade zu Ende führen, als Krabropos ein schritt.
„Halt! Ich will das erledigen. Alleine!“.
Landrol schaute ihn skeptisch an, aber löschte schließlich das Feuer in seinen Händen. Daraufhin gab er Rommath mit einem leichtfertigen Schnippsen seiner knochigen Finger frei.
Dieser wob sofort einen Feuerball und schleuderte ihn auf seinen Widersacher.
Krabropos jedoch fing ihn mit einer Bewegung seiner beiden Hände ab, und schleuderte auf der Stelle einen größeren zurück, welcher wiederum von Rommath abgeleitet wurde und in das Heck des Schiffes ein schlug, dass sofort an fing zu brennen.
So ging es hin und her, und keiner der beiden Magier konnte die Oberhand gewinnen. Jegliche Zauber wurden abgefangen oder um geleitet.
Doch auf einmal wandte Krabropos einen Trick an. Er hob kraft seines Geistes einen zerstörten Holzbalken an, und schleuderte ihn von hinten gegen den Kopf des Fraun.
Dieser fiel mit einem Schmerzensschrei vorn über und traf mit einem dumpfen Aufprall auf den Boden auf.
Der Untote gab ein kurzes amüsiertes Glucksen von sich und wirkte einen weiteren kurzen Zauber, der Rommath am Boden fest fror.
„Nun wollen wir einmal schauen, ob ich es schaffe, dich ins Nether zu verfrachten. Ja, du hast richtig gehört. Ich sollte hier etwas anderes studieren, ich weiß, aber ich bin dabei zufällig auf einige interessante Unterlagen gestoßen, und auch mein neuer Freund hier hat mich einiges gelehrt. Wenn der Zauber gelingt, wirst du bei lebendigem Leib in den Nether gestoßen, und darfst dort für alle Zeit vor dich hin siechen. Vergiss nicht, einmal zu schreiben!“.
Mit diesen Worte begann er einen überaus mächtigen Zauber zu wirken.
Seine Hände beschrieben komplizierteste Gesten und Fenaria konnte wieder die Stimmen hören, die von überall her kamen, und sie erfüllten.
Der Raum um den Magier schien sich zu krümmen, alles verzehrte sich, ein plötzlich erschienener Strudel schien das Licht selbst zu verschlingen.
Und alles ging mit einer Langsamkeit vor sich, das Fenaria sich nicht sicher war, ob bereits eine Stunde oder erst ein Augenblick verstrichen war.
Doch plötzlich fühlte Fenaria wieder, dass der Zauber seinem Ende zu ging. Und die Luft wurde dick, und das Atmen wurde schwer, als Landrol die Worte aus stieß: „Eigentlich brauche ich dich auch nicht mehr. Würdest eh nichts mehr verraten, stures Weib! Geselle dich doch zu dem lieben Magier!“.
Und mit einem Lachen stieß der Hexer Larona von sich weg, auf den Strudel zu, der sich noch verbreitert hatte.
Und auf einmal sprang Fenaria aus ihrem Versteck auf, und auf ihre Mutter zu.
Sie hörte nicht, was sie schrie, doch es machte Landrol auf sie aufmerksam. Und mit einem Funkeln in seinen Augen, das zu verstehen gab, dass er seinem Ziel nun endlich so nahe war, wob er mit einer unerhörten Schnelligkeit einen Ball aus reinster Dunkelheit und schleuderte ihn auf Fenaria.
Und Fenaria erreichte ihre Mutter, fiel mit ihr zusammen auf den Wirbel zu, und der verderbliche, von Landrol gewirkte Zauber traf sie alle.
Sie, ihre Mutter sowie die zwei Magier.
Fenaria spürte wie es sie zerriss, und eine alles verschlingende Schwärze umfing sie. Doch sie konnte noch fühlen. Und sie fühlte, wie etwas nach ihr griff und sie aus der endlosen kalten Schwärze heraus führte. Zuerst langsam, dann immer schneller fiel sie auf ein ihr unbekanntes Ziel zu. Und dann erreichte sie es.
35
Langsam flatterten ihre Augenlider nach oben. Es war so hell, dass sie nichts sehen konnte.
Dennoch stemmte sie ihren Körper, der ihr schwer wie Blei vor kam, nach oben. Sofort wurde ihr schwindelig, und sie torkelte nach rechts, bis sie eine kalte Wand an ihrer Seite spürte, und sich an dieser schwer abstütze.
Erst jetzt machte sie sich Gedanken darüber, was überhaupt passiert war.
Sie war auf diesem Schiff gewesen. Zusammen mit Linda, ihrer Mutter, ihrem Vater, Rommath sowie noch einigen anderen Leuten, die sie allerdings nicht gekannte hatte.
Dann wollte Landrol ihre Mutter und Rommath umbringen lassen, von diesem Magier.
Sie mühte sich ab, seinen Namen wieder aus dem Chaos, was früher einmal ihr Gedächtnis gewesen war, hervor zu wühlen.
Und plötzlich kroch er aus den dunklen, wirren Tiefen ihres Kopfes hervor.
„Krabropos!“. Ihre Stimme war ein Hauch der Erkenntnis.
Und plötzlich konnte sie ihre Umgebung klar erkennen.
Was sie sah verblüffte sie so sehr, dass sie für einen Augenblick vergaß zu atmen.
Sonnendurchflutete Straßen, scheinbar in den Himmel reichende Häuser, sprudelnde Brunnen, auf deren klarem Wasser das Licht der Sonne in tausende Farben gebrochen und zurück geworfen wurde. Dazu im Wind knatternde Fahnen, auf denen das Wappen Silbermonds zu sehen war.
Zaghaft tat sie einen Schritt, sie konnte das nicht glauben. Wie sollte sie hier her gekommen sein? War das alles ein Traum?
Sie blickte zum Boden und sprang kurz auf und ab, wie um die Festigkeit des Untergrunds zu testen.
Als sich nichts tat ging sie, mit vor Staunen offenem Mund, weiter die leuchtende Straße entlang. Es schien so, als ob jeder einzelne Stein, über den sie schritt, den Glanz dieser alles über scheinenden Stadt hundertfach zurück warf.
Und mit jedem Schritt, den sie tat wurde ein anderes Gefühl in ihr stärker. Ein Gefühl, dass die langsam aufkommenden Erinnerungen an die schrecklichen Szenen im Schiff wieder beiseite drängte.
Doch noch war es nicht stark genug, dass es die anderen auf Fenaria ein stürmenden Eindrücke überdecken konnte.
Schleichend tastete es sich an Fenaria Geist heran, vorsichtig, behutsam umschmeichelte es ihre Sinne.
Fenaria merkte es nicht und ging auf einen Brunnen zu, beugte sich über das funkelnde Wasser, um ihr Spiegelbild zu betrachten.
Und auf einmal wurde sie hart zurück in die Realität gestoßen. Was sie auf der sich kräuselnden Oberfläche des Wassers sah war etwas, was nicht in diese perfekte Umgebung passte.
Und dieses Etwas war sie selber. Eine junge Frau mit dreckigen, verknoteten roten Haaren, ungewaschenem Gesicht und Augen die nur so nach Schlaf schrien.
Ein Schatten ihrer selbst. Und plötzlich kroch ihr die Müdigkeit in alle Glieder.
Langsam sank sie an der Wand des Brunnens herunter, bis sie schließlich auf dem warmen steinigen Boden zu liegen kam, und mit einem gnadenlosen Schwall kamen all die Erinnerungen wieder.
So lehnte die kleine Frau schlaff an dem fröhlich vor sich her plätschernden Brunnen. Und bevor die Müdigkeit sie komplett übermannte suchte eine kleine Träne der Verzweiflung ihren Weg über eine weiche Wange, bevor sie mit einem unhörbaren „Plitsch“ auf den warmen Marmor traf.
Einen Augenblick blieb diese Träne, die das deutlichste Zeichen Fenarias Erschöpfung war, ruhig auf dem hellen Boden liegen.
Doch plötzlich schien es so, als ob Leben in sie käme. Ihre Farbe veränderte sich zu einer Mischung aus dunklem rot und dämonischen grün.
Und hätte jemand in diesem Moment die Träne genau betrachtet, so hätte er etwas darin sehen können.
Das Spiegelbild eines dem Wahnsinn verfallenen Fraun. Das Spiegelbild des so genannten Prinzen der Fraun.
Kael Thas, wie er, mit einem widerlichen Lächeln im Gesicht, hinunter auf das Mädchen blickte, welche sich plötzlich unruhig im Schlaf hin und her wand.
36
Die Sonne spiegelte sich in den glatt polierten Platten auf dem Boden wieder.
Doch in einer Ecke, welche das strahlende Licht der Sonne nicht erreichte, und in der Schatten vor herrschten, regte sich eine Gestalt.
Rote Haare lagen wirr auf dem spiegelglatten Boden, der kein Licht zum reflektieren hatte.
Stöhnend wand das Mädchen sich von der einen auf die andere Seite, bis sie schließlich die Augen auf schlug.
Und lodernde Erkenntnis drang in ihre Pupillen. Sofort war sie auf den Beinen. An dem Platz, wo ihr schmaler Körper vorher noch gelegen hatte, waren blasse rote Blutflecken zu
sehen, die sich stark von dem weißen Marmor ab hoben.
Ihr Mund war ein einziger schmaler Strich, als sie sich zu den Gestalten hinunter beugte, die zu ihren Füßen lagen, ihr Bewusstsein jedoch noch nicht ganz zurück gewonnen hatten.
Sie kniete sich vor eine dieser Gestalten, die wie nasse Säcke regungslos auf dem weißen Stein lagen.
„Das ist für meinen Rüstung!“. Den scharf geflüsterten Worten folgte ein lautes Knacken, als die Nackenwirbel des Orcs brachen und sein Rückenmark durchtrennt wurde.
Der Körper des grünen Wesen entspannte sich in einer letzter Ruhe.
Larona blickte noch mit einem zufriedenen Lächeln auf ihr letztes Opfer, als neben ihr ein leises Stöhnen ertönte.
Ihr Kopf fuhr zu der Trollin und dem Untoten herum, die beide kurz davor waren auf zu wachen.
Leise flüsterte sie einen Fluch, und stand auf. Kurz ließ sie ihren Blick über die Umgegend wandern bevor sie sich für eine Richtung entschied. Doch sie ging nicht los, bevor sie der Trollin noch einen Dolch abgenommen hatte.
Dann eilte sie leicht humpelnd durch die breiten Gassen von Silbermond. Denn es war ihr schon längst klar geworden, dass sie sich in der Hauptstadt ihres Volkes befand.
Und dass sie keine anderen Fraun an traf konnte nur eines bedeuten. Kael Thas hatte seinen Plan wahr gemacht. Und das wiederum bedeutete, Kael Thas hielt sich hier irgendwo auf.
Also konnte sie nur ein Ziel haben: Sie musste ihre Tochter wieder finden. Und sie konnte nur hoffen, dass sie sie vor ihm fand.
Mit diesen Gedanken lief sie, immer darauf bedacht, nicht einen Laut von sich zu geben, durch die hell erleuchteten Straßen von Silbermond.
Ihre Wunden waren inzwischen verschorft, und man merkte der Frau nicht an, ob sie noch Schmerzen verspürte oder nicht. Sie lief, mit wachsamen Blick zwischen den vor Leere gähnenden Eingängen umher, in der Hoffnung ihre Tochter zu finden.
Aber weder fand sie ihre Tochter, noch irgendeinen anderen Bewohner Silbermonds.
Letzteres allerdings überraschte sie nicht, sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Bürger Silbermonds mit Kael Thas' Politik einverstanden waren.
Schließlich kam sie wieder dort raus, wo sie ihre Suche angefangen hatte. Doch von der Trollin und dem Knochengerüst war nichts mehr zu sehen.
Aber auch das überraschte sie nicht. Sie waren höchstwahrscheinlich auf der Suche nach irgendeinem Anhaltspunkt in dieser ihnen fremden Umgebung.
Sie zuckte kurz mit den Achseln und bog in eine andere Straße ein, die diesmal nicht hell erleuchtet war.
Dunkel zog sich die Gasse zwischen hohen Häusern hindurch. Und obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, drang nur karges Licht bis auf den Boden.
Dieser war hier auch nicht aus weißem Marmor, sondern aus schlichtem Pflaster, fast schon primitiv.
Flüsternde Schatten drangen aus den leeren Eingängen der Häuser. Sie schienen nach der schwarz gekleideten Frau zu greifen. Und Larona lächelte ein unergründliches Lächeln und genoss das Gefühl das die Schatten ihr vermittelten. Sie verschmolz mit ihnen, und sie erzählten ihr Geschichten, sagten ihr, wo Fenaria zu finden sei, versuchten sie zu verführen, sie zu locken. Aber die rothaarige Frau widerstand diesen Versuchen, denn sie selbst wusste am besten, was die Schatten erreichen wollten.
Die Schwachen würden diesen leeren Versprechungen und den Verführungen nicht lange standhalten können, und in einen schicksalhaften Schlund gezogen werden.
Doch sie wusste mit den Schatten um zu gehen. Wusste, wie sie wahre Informationen von falschen unterscheiden konnte.
Und so fand sie heraus, wo Fenaria sich befand. Doch nicht nur das.
Im letzten Flüstern das sie auffing lag eine weitere Wahrheit.
Doch hätte es nicht dieses Flüsterns bedurft, um sie auf diese Wahrheit aufmerksam zu machen, denn auf einmal schallte es laut durch die ganze Stadt: „Verstecken hat keinen Sinn mehr!“die Stimme triefte nur so von Hohn „entweder du kommst sofort zum Sonnenzornturm, oder deine liebe grüne Tochter ist Geschichte. Und ja, du bist gemeint, Verräterin!“.
Larona knirschte mit den Zähnen und begab sich auf den Weg. Denn sie wusste, dass dieser Weg notwendig war. Doch sie wusste auch: Es war vielleicht der letzte Weg in ihrem Leben.
37
Der Gang der Frau war fest und dennoch konnte man keinen einzelnen ihrer Schritte hören.
Ihr Gesicht spiegelte ihre Entschlossenheit wieder, als sie über den sonnenüberfluteten Platz schritt. Die Schatten hatte sie verlassen und mit ihnen die Sicherheit. Jetzt näherte sie sich unaufhaltsam einer Situation, deren Ausgang absolut ungewiss war.
Und obwohl wenig Hoffnung für sie bestand, denn was hatte sie schon, einen schäbigen Dolch und einen geschundenen Körper, ließ sie sich nicht anmerken, ob auch nur ein kleiner Teil ihres Stolzes gebröckelt wäre.
Den Blick geradeaus gerichtet lief sie an dem riesigen Springbrunnen vorbei, der ohne sich durch irgendetwas stören zu lassen riesige Wassermassen aus spie.
Sie wusste nicht, dass bis vor ein paar Momenten hier noch ihre Tochter gelegen hatte.
Sie betrat die Stufen links des Brunnens, und machte sich auf das gefasst was jetzt kommen würde.
Als sie die Stufen so weit erklommen hatte, dass ihr Blick auf den Eingang des riesigen Sonnenzornturms fiel, nahm sie einmal mehr ihren ganzen Mut zusammen und lief weiter.
Auf den Eingang des Turmes zu. Zum Aufenthaltsort ihrer Tochter.
Sie sah schon von weitem, wer den Eingang flankierte.
Wo vor dem Überfall von Kael Thas stolze in flammendes Rot gekleidete Fraun die Hallen des Lordregenten bewacht hatten, standen jetzt Sie.
Sie, dachte Larona verächtlich, waren keine echten Fraun mehr. Sie hatten sich dem Weg, den ihr falscher Prinz beschritt vollends angeschlossen. Nur um zu Macht zu kommen.
Das Mädchen begann zu lächeln. Ein kaltes, spöttisches Lächeln.
'Zu Macht kann man auch anders kommen.'. Sie blickte auf ihre Hände.
Ihr Lächeln vertiefte sich noch, als sie ohne einen Blick zur Seite zu werfen, an den Reihen der TeufelsFraun vorbei schritt.
Aus den Augenwinkeln meinte sie zu erkennen, wie einige bei ihrem Anblick in bösen Erinnerungen zusammen zuckten.
In anderen Situationen hätte ihr das Genugtuung verschafft, doch als sie jetzt durch den leicht wehenden roten Umhang schritt, der die Gemächer des Lordregenten von der Außenwelt abschnitt, da gefror sogar ihr Lächeln.
Ihr Gesicht wurde zu einer starren Maske, als sie dem gegenüber trat, der an allem Schuld war.
An der Schwelle zu den Treppen, die zu einer ein paar Fuß höher gelegenen Plattform führten, blieb sie stehen. Aufrecht und voller Entschlossenheit.
„Na wen haben wir denn da? Ist das etwa unsere verehrte Frau, die doch so in der Schattenkunst bewandert ist? Und obwohl sie sich vielleicht hätte vor uns verstecken können, kommt sie dennoch. Und warum? Nur wegen dem hier! Wer hätte das je für möglich gehalten? Eine Kampfmagierin, die sich um ihr Kind schert!“.
Ein düsteres Lachen quoll aus der Kehle des falschen Prinzen, welcher auf einem prunkvollen Thron hoch oben auf der Plattform saß. Sein aus der Brust ragender giftgrüner Splitter pulsierte im Takt seines Gelächters.
Und zu seinen Füßen, etwas entfernt von dem Thron lag eine zusammengekrümmte Gestalt mit grüner Haut.
Hinter zusammengebissenen Zähnen zischte Larona hervor: „Ich bin keine Magierin mehr! Und das weißt du! Du kennst auch den Grund.“.
„Oja! Den kenne ich. Und ich habe ihn sogar hier!“. Mit einem lockeren Winken bedeutete er einer Person, die bisher hinter dem Thron gestanden hatte, hervor zu kommen.
Larona war nicht überrascht, auf einmal in das Gesicht ihres Mannes zu blicken, der ihr mit einer seiner verknöcherten Hände spöttisch zu winkte.
Ihr zierlicher Körper erbebte vor zurückgehaltener Wut.
Ihre Stimme war gefährlich leise, als sie weiter redete: „Warum ziehst du es so in die Länge? Bring es doch zu Ende. Hier und jetzt!“.
Kael Thas beugte sich in dem Thron nach vorne und schaute der Frau direkt in die grünen Augen: „Ihr wollt eine faire Chance? Nein, meine Liebe. Nein. Die bekommst du nicht. Und bevor wir hier wieder weg gehen, und du mit kommst, wirst du mir noch einige Fragen beantworten.“.
Trotz der prekären Situation musste Larona laut auflachen.
„Du willst, das ich dir Fragen beantworte? Wie willst du mich dazu bringen? Vergisst du vielleicht wen du vor dir hast? Hast du vergessen, welche dreckige Aufgabe ich für dich erledigen musste? Meinst du vielleicht, dass ich diese Aufgabe hätte erledigen können, wenn ich mich nicht abgehärtet hätte? Mit Methoden, die ich mir im Nachhinein nicht mehr verziehe? Nein, du wirst mich nicht zum Reden bekommen!“.
„Warte doch erst einmal auf die Fragen, meine Kleine!“. Sein Lächeln wurde immer hässlicher.
„Neben deiner, wie du sie nennst, dreckige Aufgabe, hattest du noch eine andere, weitaus wichtigere. Du weißt was ich meine. Du solltest für den Sonnenzorn eine Waffe kreieren. Eine Waffe, wie sie es noch nie gab. Gegen die die Manabomben kleine Kracher wären.
Du hast nächtelang daran gesessen, ich weiß das, denn ich habe dich beobachtet. Aber als du uns verraten hast, habe ich keinerlei Hinweise mehr auf deine Arbeit gefunden. Du musst sie also mit genommen haben. Und Landrol hat mir einen Hinweis gegeben. Du hast außer deiner Ausrüstung nur eine einzige Sache mit genommen.“ er grinste finster „deine Tochter! Landrol bestätigte mir außerdem, dass du Experimente mit einem kleinen Baby durchgeführt hast. Wie grausam!“ er schüttelte in gekünsteltem Entsetzen den Kopf „Aber das steht jetzt nicht zur Debatte. Ich will wissen, wie man diese 'Waffe' aktiviert! Und du wirst es mir sagen.“.
Larona wurde rot.
„Du und Landrol, ihr seid beide so verblendet! Dachtest du wirklich, ich würde, nachdem er“ sie nickte mit dem Kopf zu Landrol „mir meine Magie geraubt hatte, noch weiter für den Sonnenzorn arbeiten?“.
Kael Thas wirkte etwas verwirrt, als er antwortete: „Wie? Aber Landrol hat mir bestätigt, dass es mit dieser Frau zu meinen Füßen etwas besonderes auf sich hat. Und wenigstens ihre Hautfarbe scheint das ja wohl zu bestätigen. Du bluffst doch nur!“.
„Verblendet, wie ich schon sagte. Ja, meine Tochter ist etwas besonderes! Und ja, sie hat Kräfte, wie eine 'Waffe'. Aber nicht so, wie ihr euch das vorstellt!“.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttisch überlegenen Lächeln.
Und in diesem Moment schlug die kleine zusammen gekrümmte Gestalt zu Kael Thas' Füßen ihre Augen auf.
38
Ein leises Stöhnen weckte den Magier. Während er die Augen öffnete hielt er sich mit einer Hand den stark schmerzenden Kopf.
Doch noch bevor er die Augen vollkommen geöffnet hatte, wusste er schon wo er sich befand.
Diese Ströme arkaner Magie konnte es nur an einem Platz geben. Silbermond.
Aber wie um alles in der Welt kam er hier her?
Doch bevor er dem weiter nach gehen konnte riss ihn ein erneutes leises, gequältes Stöhnen aus seinen Gedanken. Und plötzlich erkannte er, wer diese Geräusche von sich gab.
„Anrawen!“. Rommath riss die Augen auf. Sofort kroch er hastig auf die NachtFrau zu, die an einer Wand des Raumes lag, in den sie auf unerklärliche Weise gekommen waren.
Der Raum war rund und klein. Gehalten war er in den typischen Farben Silbermonds, rot und golden.
Beleuchtet wurde er, da er keinerlei Fenster besaß, von großen und kleinen Kristallen, die ohne jede erkennbare Befestigung an der Decke schwebten und ein pulsierendes rotes Licht aus strahlten.
Dieses helle rote Licht war es auch, dass Rommath erst spät erkennen ließ, wie es um die NachtFrau tatsächlich stand.
Als er so nah an sie heran gekommen war, dass er ihre schrecklichen Wunden sehen konnte, stieß er heftig die Luft aus. Man konnte erkennen, dass etwas in seinem Inneren nah daran war, zu zerbrechen.
„Nein, Anrawen! Nein, nein...“ murmelte er mit gebrochener Stimme.
Er drehte den zerschundenen Körper auf den Rücken, wobei das Mädchen Laute der Qualen von sich gab.
Tränen sprangen in seine Augen, als er ihre Vorderseite sah. Der ganze Körper war übersäht von unnatürlich grünen Brandblasen. Viele von ihnen waren bereits geplatzt und hatten ihren übel riechenden Inhalt über ihre nur noch in verbrannten Fetzen vorhandene Robe verteilt.
In schierer Machtlosigkeit strich Rommath der Frau eine Strähne aus dem Gesicht. Als er dabei über ihre geschlossenen Augen fuhr, spürte er, wie ihre Augäpfel in ungesunder Unruhe hin und her rollten.
„Anrawen“ flüsterte er mit zitternder Stimme „wacht auf! Ihr müsst aufwachen!“. Er wollte sie an den Schultern rütteln, aber als er sah, dass auch diese verbrannt waren, ließ er davon ab.
Er wusste nicht was er machen sollte, er war kein Heiler und er wusste auch nicht wo er jetzt einen her bekommen sollte. Zusätzlich war es sehr fraglich, ob ein Mensch ihm überhaupt geholfen hätte, eine Kal'Dorei zu heilen.
Wieder einmal fragte er sich, warum er sich gerade zu einer NachtFrau zu hin gezogen fühlte. Aber er schüttelte den Gedanken ab, so schnell er konnte. Er hatte andere Sorgen.
„Was soll ich nur machen?“.
Gerade vergrub er das Gesicht in seinen Händen, als sich eine Hand sanft auf seine Schulter legte. Der Magier erschreckte und schnellte hoch. Um seine Hand loderte schon heißes Feuer, und sein Gesicht war vor Trauer und Schrecken verzerrt.
Doch sofort verpuffte der Feuerball, als er sah, wer ihm gegenüberstand.
„Tu-tu-tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken!“. Stotternd kamen diese Worte aus dem Mund des kleinen Untoten Mädchens, das sich vor Rommath an die gegenüberliegende Wand zurück gezogen hatte.
Rommath musste kurz überlegen. Wo hatte er diese Untote schon einmal gesehen?
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
„Du bist Linda, nicht?“.
Eifrig nickte die Angesprochene mit dem Kopf, so dass ihre Haare wild umherflogen.
Rommath ging ein paar Schritte auf sie zu, während er die nächsten Worte sprach: „Kannst du heilen? Irgendwas für diese Frau machen? Bitte!“.
Aber Linda schaute ihn nur traurig und etwas verwirrt an.
Rommath ließ den Kopf hängen.
Er seufzte. „Und selbst wenn du könntest, würdest du es wahrscheinlich nicht machen. Warum schon einer NachtFrau hFraun?“.
„Richtig, warum einer NachtFrau hFraun? Gefällt dir nicht, was ich mit ihr gemacht habe? Ist sie nicht hübsch?“.
Es war nicht die Stimme Lindas, die da dunkel vom Eingang des Raumes erklang. Sie triefte nur so vor Hohn und Schadenfreude.
Und obgleich Rommath den Sprecher nicht sah, er wusste doch sofort, wer es war. Und sein Blut begann zu kochen.
„Krabropos!“.
„In Person!“.
„Ihr wart das!“.
„Ohne Zweifel.“.
„Ich werde euch töten!“.
„Falsch! Ich werde euch töten, ein für allemal. Es war ein dummer Zwischenfall dort auf dem Boot, der – oho!“.
Rommath war ohne Vorwarnung und mit einem heiseren Schrei auf den Untoten los gegangen. Pausenlos verließen Feuerbälle seine Hände und rasten auf Krabropos zu. Dieser hatte jedoch schon ein blau glitzerndes Schild um sich herum aufgebaut, das die zerstörerischen Energien ab fing.
„Immer noch dilettantisch, wie eh und je. Jetzt zeige ich euch mal, wie man einen richtigen – waah.“.
Noch während der Untote mit selbstverliebter Stimme gesprochen hatte, bereitete Rommath einen Zauber vor, von dem sein Gegenüber nichts merkte.
In seinem Übermut hatte er sich darauf beschränkt, die schnell gewirkten Feuerbälle Rommaths ab zu fangen.
So war er komplett unvorbereitet, als Rommath, dessen Gesicht inzwischen von übermächtiger Wut verzerrt war, ihm einen Blitz aus reinster arkaner Energie entgegen schleuderte.
Nie zuvor hatte er so etwas wirken können, und die Wirkung war der aufgewendeten Kraft mindestens ebenbürtig.
Der Blitz durchschlug mit einem ohrenbetäubendem Knall das Schild des Magiers und schleuderte ihn mehrere Schritte in den Gang, der hinter ihm lag.
Rommath lief dem immer noch über den spiegelglatten Boden rutschenden Magier hinterher. Sein Atem kam in heftigen, schnaufenden Stößen aus seinem Mund.
Als der Untote sich langsam wieder aufrichtete, war Rommath schon über ihm.
Sein Gesicht war eine einzige Grimasse unverhohlenen Zorns.
Er ergriff seinen Gegner am Kragen und hob ihn in die Luft. In den Augen des Untoten flackerte etwas auf, von dem dieser gedacht hatte, er könnte es nie mehr fühlen.
Angst.
„Rommath, mach keine Dummheiten! Denk dir, wie viel wir zusammen erreichen könnten! Zwei Magier unseres Kalibers! Mit unserer Erfahrung, mit unserer Macht! Zuerst heilen wir deine NacktFraunfreundin, und dann -“. Weiter kam er nicht.
Mit einem gewaltigen Schrei kanalisierte Rommath einen Zauber, der den Untoten gegen die Tür schleuderte, die ungefähr 30 Schritte entfernt das Ende des Ganges bedeutete.
Die massive Holztür hielt dem zwar stand, doch es hörte sich so an, als ob dem Untoten sämtliche Knochen gebrochen wurden.
Als er langsam an der Tür herunter rutschte, ließ er noch ein leises Stöhnen vernehmen, bevor er in sich zusammen sank.
Rommath stand heftig atmend und die Hände immer noch in Kampfhaltung erhoben in der Mitte des Ganges, als Linda mit vorsichtigen Schritten zu ihm stieß.
Sie zupfte kurz an seiner Robe, und erschrak als er zu ihr herunter sah. Seine Augen glühten in so einem starken Grün, dass man die Pupillen nicht mehr erkennen konnte.
Dennoch trug sie ihr ursprüngliches Anliegen vor, wenn auch zögernd: „Äh, ich, ich wollte euch nur sagen, der Frau geht es irgendwie wieder schlechter, ich...“.
„Was?“.
Linda beeilte sich zu versichern: „Es ist nicht meine Schuld, sie fing auf einmal an, noch flacher zu atmen als vorher! Außerdem zittert sie jetzt!“.
Als Rommath diese Nachricht vernahm, fiel sämtliche Spannung von ihm ab, und er sackte etwas in sich zusammen.
Er packte die Untote an den Schultern. Linda wand sich unwohl unter seinem Griff, aber sie wehrte sich nicht.
„Hör zu! Bitte, geh und schau ob der da noch lebt!“ er zeigte dabei auf den Körper des Untoten. „Ich muss zu Anrawen.“.
Mit diesen Worten ließ er Linda alleine in dem Gang stehen und eilte hastig zurück in den Raum, in dem Anrawen lag.
Die Untote stand unschlüssig in dem Gang und blickte zwischen Rommath, der nun mit zuckenden Schultern neben der NachtFrau kniete, und dem leblosen Körper am Ende des Raumes hin und her.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und ging in Richtung der massiven Holztür.
Vorsichtig schleichend näherte sie sich dem Körper des Untoten.
Als sie nah genug heran war, stieß sie ihn mit ihrem Fuß an.
Sie erschrak nur leicht, als sein Körper daraufhin zu Staub zerfiel.
Sie wollte auf atmen, als sie auf einmal eine Stimme hörte, die aus dem Raum hinter der Tür kam.
Sie drückte ihr Ohr an das warme Holz.
„Wenn das so ist, brauche ich sie nicht mehr! Auf nimmer wiedersehen, Fenaria!“.
Linda stockte das nicht mehr schlagende Herz, als sie das hörte. Sie hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht an die massive Holztür, und als diese schließlich mit einem gequälten Quietschen auf sprang, eilte Linda durch die Öffnung, aus der ihr helles Licht entgegen flutete.
Mit einem Blick durchschaute sie die sich ihr darbietende Szene.
Ein ihr unbekannter Magier, der mehr wie ein Dämon wirkte als wie ein Sin'dorei, stand vor einer auf dem Boden kauernden Frau. Fenaria!
Um die Hände des Magiers kreisten grüne Bälle, welche dieses unerträglich helle Licht aus strahlten. Es waren noch mehr Personen im Raum, aber um die kümmerte sich Linda nicht.
Als sie sah, wie die Lippen des Magiers (oder Hexers, sie wusste es nicht) eine Bewegung vollendeten, die aussah wie ein Kuss, rannte sie los.
„Fenaria!“.
Gerade als die grünen Bälle die Hände des Fraun verließen, war sie mit einem gewaltigen Sprung zwischen diesen und Fenaria gelangt.
Ihr Schrei wurde ihr von den Lippen gerissen, als sie von so unvorstellbar großen Energien umgeben wurde, dass ihre Gestalt verschwamm.
„NEEEEEIIIIIIIN!“. Der verzweifelte Schrei kam von den Lippen der jungen Frau. Sie rappelte sich umständlich auf und eilte auf Linda zu, deren Körper gerade leblos auf den glänzenden Boden auf schlug.
39
„NEEEEEIIIIIIIN!“. Tränen schossen in Fenarias weit aufgerissene grüne Augen. Sie schlitterte mehr über den Boden als dass sie lief. Aber das war ihr egal. Alles war ihr egal, ihre Mutter, ihr Vater und sogar Kael Thas. Das alles stand zurück vor dem was sie gerade mit ansehen hat müssen.
In diesem Moment schlug der Körper Lindas mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Fenaria fiel auf die Knie und rutschte die letzten Schritt bis zu dem dampfenden Etwas, was verkrümmt vor ihr auf dem glänzenden Marmor lag. Sie schluchzte.
Immer noch umgab eine schwache grüne Aura den zierlichen Körper. Gelegentlich zuckten kleine Blitze darin umher.
Als Fenaria ihre Freundin erreicht hatte, konnte sie sich nicht mehr zurück halten. Große Tränen kullerten in einem permanenten Strom aus ihren Augen und über ihre blassen Wangen, um schließlich auf dem weißen Marmor in viele kleine Tropfen zu zerfallen.
Fenaria fasste den verbrannten Körper, von dem nicht mehr viel zu erkennen war, an den Schultern. Sie ignorierte den stechenden Schmerz in ihren Armen, als sie die grüne Aura berührte. Die Schultern der rothaarigen Frau zuckten in unkontrollierter Verzweiflung und Trauer.
Ihre Stimme klang gebrochen, als letzte verzweifelte Wörter schluchzend über ihre zitternden Lippen kamen: „Linda! Linda, du darfst nicht sterben! Wach auf! Linda! Bitte.“.
Sie schüttelte den schwarzen Körper mit sanfter aber entschlossener Härte.
Und plötzlich regte sich etwas in dem zur Unkenntlichkeit verbrannten Gesicht der Untoten.
Sie hatte keine Augen mehr, die Fenaria anschauen konnten, dennoch wendete sie der Frau ihr geschundenes Gesicht zu.
Über ihre aufgesprungenen Lippen kam leise, ganz leise, so dass nur Fenaria es hören konnte der Hauch einiger Worte. Endgültige Worte.
„Fenaria ... du ... ich ... Freunde ... für immer.“.
Ein letztes befreites Röcheln entrang sich ihrer Kehle, dann erschlaffte der Körper der Untoten.
Ein schwerer grauer Vorhang aus Kummer und Tränen bedeckte das Gesicht Fenarias sowie ihren Geist.
Ihre Worte waren ein bloßer Hauch, ein letztes Aufbegehren gegen das absolut Unabwendbare. Gegen das Endgültige.
„Nein, Linda! Nicht...“.
Ihr Schluchzen verwandelte sich in Weinen, und ihre ganze Trauer, ihr ganzer Kummer verschaffte sich Luft.
Sie legte ihren Kopf an Lindas kalten Hals und vergoss Tränen des Schmerzes. Tränen des Kummers. Immer wieder murmelte sie die Worte: „Nein, nein, das darf nicht sein, nicht Linda, warum?....“.
Schließlich blickte sie auf. Ihre einzige wahre Freundin war auf immer von ihr genommen worden.
Sie betrachtete ihr Gesicht. Und sie sah nicht den hässlichen, verbrannten schwarzen Klumpen, sondern sie sah Linda, wie sie wohl einst einmal ausgesehen haben mochte.
Ein lebenslustiges Mädchen mit einem immer währendem Lächeln auf dem Gesicht.
Das Leben war so ungerecht!
„Was sollte das? Eigentlich dürfte nicht mal ein Staubkörnchen von ihr übrig sein!“.
Fenarias Augen verengten sich zu Schlitzen. Die Tränen hörten auf zu fließen. Sie stand auf. Langsam aber voller Kraft drehte sie sich um.
Ihr Augen schienen Blitze zu versprühen.
„Sie war meine Freundin!“.
Kael Thas stand mit verschränkten Armen vor ihr.
„Wie du richtig sagtest: Sie war!“.
Der Schrei, den Fenaria jetzt aus stieß konnte ihre grenzenlose Trauer und ihren unbändigen Zorn nicht wieder spiegeln.
Und sogar Kael Thas, ein überaus mächtiger Magier, zuckte kurz zusammen, als Fenaria begann auf ihn zu zu stürmen.
Doch er hatte sich schnell wieder gefasst, und begann zu lachen. Für ihn war das ein Spiel. Was sollte so eine kleine Frau schon anrichten können?
Doch Landrol hinter ihm hatte eine andere Meinung und er schrie sie aus Leibeskräften heraus. Und Panik schwang in seiner Stimme mit: „Kael, ihr müsst sie töten! Jetzt! Denkt an meine Worte!“.
Und Kael Thas erinnerte sich. Die Waffe! Aber da war es schon zu spät.
Fenaria, deren Augen nunmehr in purem Zorn leuchteten rannte auf den falschen Prinzen zu. Ihre Arme hatte sie nach vorne gestreckt, bereit den Mörder ihrer Freundin mit eigenen Händen zu erwürgen.
In ihrem Kopf gab es nichts mehr. Nur den Gedanken auf Rache. Rache für Linda. Rache für ihre Freundin!
Kael Thas feuerte in Panik einen riesigen Feuerball auf das Mädchen ab. Er traf sie in vollem Lauf, zeigte jedoch eine Wirkung, die er ganz und gar nicht erwartet hatte.
Um den ganzen Körper der Frau floss auf einmal eine eigenartige Aura aus grünen und blauen Blitzen. Ihre roten Haare wehten wild um ihren Kopf herum, aufgeladen durch die unheimliche Magie, die sie umgab.
Pures Entsetzen entstellte Kael Thas' dämonischen Züge. Da er seinen Blick auf Fenaria gerichtet hatte, konnte er nicht sehen, wie Larona sich mit einem hinterlistigen Lächeln auf dem Gesicht langsam an die Wand zurück zog.
Da begann er einen verwerflichen Zauber zu wirken. Er bündelte reine dämonischen Energien mit den arkanen Elementen des Nethers und verstärkte sie bis ins Unendliche.
Als er mit diesem Zauber fertig war, schleuderte er ihn auf das Mädchen.
Und er traf sie genau in dem Zeitpunkt, da sie bei ihm angekommen war.
Ein Knall ertönte, der TrommFraulle platzen ließ und eine ungeheure Macht rüttelte an den Wänden des stolzen Turmes.
Unglaublich helles Licht überflutete den ganzen Raum und machte das Sehen zu einer Unmöglichkeit.
In der Mitte des Raumes hatte sich eine riesige Kugel aus geballter Magie gebildet, welche nun langsam der hohen Decke des Raumes entgegen schwebte.
Innerhalb dieser Kugel kämpften zwei Fraun, für Außenstehende nicht sichtbar, einen erbarmungslosen Kampf.
Die von reinem Zorn geleitete kleine Frau hatte ihre Hände um den Hals des in die Verteidigung gedrängten Prinzen gelegt.
Ihrem Mund entfuhr ein hohes Kreischen und ihre Augen schienen Blitze zu versprühen. Man sah ihr an, dass sie nur ein einziges Ziel hatte: Den Tod dieses Mannes!
Der Elf jedoch wollte nicht sterben, und so tat er alles, was ihm möglich war, um Fenaria los zu werden. Er schoss sämtliche arkane Energien, die er auf bieten konnte auf den zierlichen Körper der Frau, doch es zeigte sich nicht die geringste Auswirkung. Im Gegenteil, es schien so, als ob das Mädchen mit jedem Quäntchen Magie, dass ihr entgegen geschleudert wurde, stärker würde.
Die Adern an ihrem Hals traten kräftig hervor, ebenso wie die an ihren Händen, die Klauen glichen.
Schmale Blutströme sickerten von den Stellen hinunter, wo ihre Fingernägel die Haut des Prinzen auf geritzt hatten.
Kael Thas erkannte, dass er der Frau mit Magie nicht schaden konnte, und so wollte er seinerseits die Hände an ihren Hals legen.
Aber plötzlich überkam es ihn wie ein Schock: Obwohl er keine Magie mehr wirkte, fühlte er wie er zusehends schwächer wurde.
Als ob irgendetwas die Energie aus seinem Körper saugen würde.
Mit purer Panik in den Augen blickte er auf Fenaria, die ihn zwischen zusammengekniffenen Lidern böse an funkelte.
„NEEEEEIIIN! Lass das! Ich – aargh!“.
Fenarias Hände drückten noch stärker zu. Gleichzeitig schrie sie aus Leibeskräften.
Kael Thas blickte in Todesangst auf ihre Arme, auch dort traten die Adern stark unter der Haut hervor.
Und er sah noch etwas. Zusammen mit den Wellen der Schwäche, die ihn durchliefen, pulsierten die Adern dieses kleinen Mädchens.
„Da – das kann nicht sein – ich bin – bin doch – unsterblich!“.
Er spürte wie die letzten Energie aus ihm heraus gesaugt wurden. Er konnte rein gar nichts dagegen machen. Er wurde langsam getötet von dem Wesen, dass sein Opfer hätte sein sollen.
Den Tod vor Augen versuchte er noch einmal seine letzten Kräfte zu mobilisieren. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelang es ihm und mit einer ungeheuren Anstrengung schaffte er es, das Mädchen von sich weg zu stoßen.
Sie gab einen erstickten Schrei von sich, als die Ströme der Magie auf einmal versiegten.
Er jedoch setzte ein siegessicheres Lächeln auf, und begann einen schnellen Zauber zu wirken. Er war sich sicher, dass er das Mädchen jetzt verletzen konnte.
Doch immer noch von der unbängigen Wut getrieben, war sie schon wieder an ihn heran, und biss ihn mit voller Kraft in den Hals.
Er schrie auf. Der Schmerz war schlimmer als nur der reine Schmerz durch den Biss.
Es fühlte sich so an, als ob die ganze Magie, die ihm entzogen worden war mit einem Mal wieder in ihn hinein fließen würde.
Das war zu viel. Etwas in seinem Inneren, etwas nicht greifbares, spannte sich, immer weiter, bis kein Platz mehr vorhanden war. Dann platzte es. Mit einem letzten gewaltigen qualvollen Schrei verließen den Prinz der Fraun die Lebensgeister. Er starb.
Fenaria schaute kurz triumphierend, bevor die ungeheure Kraftanstrengung ihren Tribut forderte.
Sie wurde ohnmächtig und fiel haltlos in die Tiefe.
40
Larona wusste zwar nicht genau was kommen würde, doch sie hatte eine Vorahnung. So konnte sie sich unbemerkt zur Wand des Turmes zurückziehen, und kauerte sich dort auf die Erde, ihre Hände auf die Ohren gepresst.
Keinen Moment zu früh. Der Schlag, der ertönte als die beiden Fraun aufeinander prallten, ließ die Wände des Turmes erzittern. Larona schmerzten die Ohren, obwohl sie sie bedeckt hatte und ihre Nase begann zu bluten.
Von den freigesetzten Energien noch benommen konnte sie den darauf folgenden Kampf nur fragmenthaft verfolgen.
Erst als ein auf den Boden aufprallender Körper das Ende des Kampfes anzeigte, kam sie aus ihrer Lethargie heraus.
Mit schmerzendem Kopf erwartete sie jeden Moment zu sehen, wie ihre Tochter neben dem Prinz der Fraun aufschlagen würde, und sie wieder etwas von ihrem Leben verlieren würde, was ihr wichtig war.
Doch nichts passierte. Aufgewühlt versuchte sie ihren Blick klar zu kriegen. Tausende bunte Kreise tanzten vor ihren Augen.
Nach mehrmaligen Blinzeln schließlich lichtete sich ihr Blick und sie sah auf eine Szene, die ihren gemarterten Körper vor Wut erzittern ließ.
Landrol stand, aus den Ohren sowie der Nase blutend, neben dem toten Kael Thas.
Doch er kümmerte sich nicht um seinen Prinzen, sondern hatte den Blick gen Decke gerichtet.
In seine Hände strömte ein grüner Lichtstrahl, der zitternd in Fenarias zierlichem Körper endete, welcher unnatürlich langsam gen Boden schwebte.
Larona wusste, was ihr Mann dort trieb. Er sog die Lebenskraft aus Fenarias Körper. Scheinbar wollte er seinen Prinzen auf den gleichen Weg rächen, wie sie ihn umgebracht hatte.
Er konzentrierte sich so auf sein Werk, dass er keine Augen für seine Umgebung mehr hatte.
Aber der Frau wurde noch etwas ganz anderes bewusst. Die Tatsache, dass Landrol ihrer Tochter mit Magie schaden konnte. Was das bedeutete musste sie sich nicht klar machen.
Noch einige Augenblicke mehr, und ihre Tochter wäre Geschichte.
Sie rannte los. Im Lauf zog sie den Dolch hervor, den sie der Trollin abgenommen hatte. Ihr ganzer Körper schrie gepeinigt auf, als sie diese Kraft von ihm verlangte. Die letzten Tage hatten ihr mehr zugesetzt, als sie sich zu gestehen wollte.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen war sie bei ihrem Mann angelangt und raubte ihm mit einer kräftigen Bewegung ihrer Beine den sicheren Stand.
Während er nach hinten fiel, schnellte Larona mit dem Dolch über seinen Körper.
Einen heiseren Aufschrei später lag er zusammengekrümmt auf dem Boden.
Zwei auf die Erde klatschende Körperteile zeigten Larona an, dass sie trotz ihrer Erschöpfung richtig gezielt hatte.
Doch sie hatte keine Zeit es genauer zu kontrollieren, denn Fenaria fiel nun, da Landrol sie nicht mehr mit seiner Magie penetrierte, wieder schneller dem Boden entgegen.
Larona warf den Dolch beiseite, welcher mit einem klirrenden Geräusch über den Marmor schlitterte und stellte sich mit ausgebreiteten Armen unter Fenaria.
Als die leichenblasse Frau schließlich in ihren Armen landete, brach Larona unter dem Gewicht zusammen. Aber sie hatte den Aufprall abgebremst. Fenaria war noch am Leben. Das bezeugte ihr flacher, hektischer Atem.
Larona wollte befreit auf atmen, aber auf einmal fuhr ein stechender Schmerz in ihr linkes Bein und ein hässliches Knacken sagte ihr, dass ihr Knochen nachgegeben hatte.
„So, du dachtest also, du könntest mich mit dem alten Trick wieder außer Gefecht setzen und deine ach so arme Tochter retten?“.
Die Stimme aus Landrols Mund war viel zu laut. Ein Indiz dafür, dass er keine Zeit gehabt hatte, seine Ohren bei dem Knall zu schützen.
Larona erwiderte nichts. Stattdessen suchte sie mit den Augen seine Arme. Die blutenden Stümpfe, die sie dort entdeckte, wo sich bis vor ein paar Momenten noch skelletierte Hände befunden hatten, bestätigten ihr erneut, dass sie getroffen hatte. Aber warum war er noch bei Bewusstsein? Ganz anders als beim ersten Mal?
Als ob er ihre Frage erraten hätte antwortete er: „Ich habe dazu gelernt und bin noch stärker geworden. Du hättest mich vielleicht gleich umbringen sollen!“.
Zwischen zusammengebissenen Zähnen presste Larona hervor: „Ich hatte gerade keinen Holzpflock bei mir!“.
„Was? Du musst schon lauter sprechen!“.
Während er das sagte verlagerte er sein Gewicht auf den Fuß, der auf dem Bein der Frau stand und drehte ihn genüsslich hin und her.
Larona sprangen Tränen des Schmerzes in die Augen, ihr Kopf sowie ihr Hals wurde rot und sie umklammerte ihre Tochter während sie versuchte nicht laut auf zu schreien.
Den Gefallen würde sie ihm nicht tun.
Landrol schaute etwas enttäuscht auf sie herab.
„Stur wie eh und je. Aber egal. Du wirst das letzte Mal in deinem Leben stur gewesen sein! So wie du alles das letzte Mal gewesen sein wirst! Aber zuerst nehme ich mich meiner Tochter an. Du sollst sehen wie sie stirbt, bevor du ihr folgst!“.
Ein diabolisches Glitzern zeigte sich in seinen Augen als er ein letztes Mal auf ihr gebrochenes Bein stieg und seinen Fuß dann über dem Gesicht Fenarias zum Stillstand brachte.
Seine Gesichtszüge verzogen sich in purer Freude an Laronas Schmerz, und sie konnte nichts machen. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr.
Ihre Tränen waren nun nicht mehr nur Tränen des Schmerzes. Es waren Tränen der Angst. Aber nicht um ihr Leben, denn damit hatte sie schon längst abgeschlossen. Nein, sie fürchtete sich um ihre Tochter.
Sollte er sie doch umbringen, aber warum ihre Tochter? Warum Fenaria? Sie war doch auch sein Kind. Sie hatte so viel in ihrem Leben falsch gemacht, sie wollte nun nicht auch noch an dem Tod ihrer Tochter schuld sein.
Sie wollte auf springen, weg rennen, Fenaria in Sicherheit bringen. Aber zu mehr als leicht mit den Armen zu zucken war sie nicht in der Lage. Sie war komplett ausgelaugt. Ihr Körper verweigerte die Arbeit.
Ihr einziger Trost bestand darin, dass Fenaria nicht bei Bewusstsein war. So musste sie wenigstens nicht mit ansehen, was für eine unfähige Mutter sie hatte.
„Wer hätte gedacht, dass es je so kommen würde, Tochter? Naja, Leben ist Leben und Tod ist Tod. Du hast das letzte Mal eine leuchtende Persönlichkeit umgebracht!“.
Landrol holte aus und – entflammte. Er fing Feuer als ein Funkenstoß von der gegenüberliegenden Seite des Raumes seine Kleidung in Flammen setzte.
Er vergaß die beiden am Boden liegenden Fraun und versuchte laut schreiend die lodernden Flammen zu löschen, die ihn so unversehends aus seiner Freude gerissen hatten.
„Jetzt seid ihr eine leuchtende Persönlichkeit!“ erklang es spöttisch aus der Ecke, von der die Flammen herüber gezuckt waren.
Rommath stand, Anrawen an seiner Seite, breitbeinig unter dem Türrahmen und bewegte seine Händen in Gesten des Feuers.
Landrol weiteten sich in Furcht die Augen als er ihn erblickte. Er hörte mit seinen fruchtlosen Bemühungen die Flammen zu löschen auf und rannte gehetzt aus dem Raum. Eine glühende Spur von Asche folgte ihm.
Rommath wollte ihn verfolgen, doch da fiel sein Blick auf Larona und ihre Tochter, die stöhnend am Boden lag, ihr Bein seltsam verdreht.
Er bedeutete Anrawen, die zwar schwer angeschlagen aber dennoch recht lebendig aus sah, ihm zu folgen.
Als er bei Mutter und Tochter angekommen war, kniete er sich neben sie und besah sich kurz ihre Wunden. Schnell winkte er die NachtFrau zu sich.
„Du kannst das besser!“.
Als die NachtFrau sich neben ihn kniete, gab er ihr einen schnellen Kuss auf die Wange.
Das und der Blick, den Anrawen Rommath danach zu warf raubten Larona den Atem und das Bewusstsein.
41
Fenaria fühlte sich, als sie erwachte, wie tot. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich derartig zerschlagen gespürt. Doch etwas raues, das über ihre Wange strich sagte ihr, dass sie noch etwas fühlen konnte, also lebte sie noch.
Sie öffnete ihre Augen. Angenehm helles Licht umflutete sie, sie lag auf einem weichen Bett in einer Kammer von Silbermond.
Und was sich so rau auf ihrer Wange angefühlt hatte, war die behandschuhte Hand ihrer Mutter gewesen. Larona saß neben ihr auf dem Bett, und hatte die Hände nun in ihren Schoß gelegt.
Fenaria war es einen Moment nicht möglich zu reden, denn sie sah etwas was sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Ihre Mutter lächelte. Aber kein kaltes, berechnendes Lächeln, wie man es von ihr gewohnt war, sondern ein offenherziger Ausdruck des Glücks.
Langsam fand Fenaria ihre Sprache wieder.
„Wa – was ist passiert?“.
Ein fragender Ausdruck legte sich in Laronas Augen.
„Weißt du gar nichts mehr?“.
Fenaria strengte ihr Gehirn an.
„Doch – irgendwas war passiert, was mich – LINDA!“. Mit einem Ruck war ihr Oberkörper in einer senkrechten Position und sie wollte aus dem Bett springen.
Doch ihre Mutter hielt sie entschlossen fest.
„Ruhig, Fenaria. Du bist noch nicht wirklich genesen!“.
„Aber Linda.“. Tränen stahlen sich wieder in ihre Augen.
„Ja, Linda ist tot. Aber sie ist in der Gewissheit gestorben, dir das Leben zu retten. Außerdem hat sie nichts gespürt – sie war untod!“.
Larona zeigte es nicht, aber es schüttelte sie innerlich durch, wenn sie daran dachte, dass sie die Mutter der Freundin ihrer Tochter getötet hatte. Damals war es notwendig gewesen, Konkurrenz musste aus geschaltet werden, aber heute bereute sie es dennoch.
„Aber Linda war anders, sie war meine Freundin! Nie wollte sich jemand mit mir abgeben, und auch in Zukunft wird es niemand wollen!“. Die letzten Worte verschwanden in einem Schluchzen.
„Fenaria, Liebes. Du wirst neue Freunde finden!“.
Zornig funkelte Fenaria ihre Mutter an. Sie schrie fast.
„Wie denn? Wer will sich schon mit einer Frau abgeben, die aus sieht wie eine verdammte Orcin! Und du bist an allem Schuld! An Allem!“.
Fenaria wollte auf ihre Mutter mit den Fäusten ein schlagen, aber Larona hielt ihre Arme in einem stahlharten Griff.
„Fenaria! Hör mir zu!“.
„Nein! Nein ich will nicht!“.
„Dann schau wenigstens her! Schau auf deine Arme!“.
Unter Zornestränen folgte Fenaria der Bitte. Und erstarrte.
Ihre Haut war nicht mehr grün. Sie war vollkommen normal. Etwas blass vielleicht, aber nicht grün!
Sie hatte den Zorn auf ihre Mutter vergessen, kraftlos hingen ihre Arme in der Luft. Ratlos murmelte sie: „Aber wie?“.
„Das lässt sich relativ einfach erklären! Aber du musst versprechen, mich aus sprechen zu lassen und mich nicht zu unterbrechen.“.
Fenaria nickte zaghaft. Larona ließ ihre Arme los, die daraufhin auf die Bettdecke fielen.
„Also. Fange ich mir der Frage an, die du mich damals im Gasthaus gefragt hattest. Warum habe ich dich 'vergiftet'? Ich will mich kurz fassen. Kael Thas verlangte von mir, eine Waffe zu erschaffen. Eine Waffe, die so mächtig sein sollte, dass man dazu lebendes Fleisch bräuchte. Nun, Ironie des Schicksals war es, dass dein Vater ihm vorschlug, ich solle doch mein eigenes Kind dazu benutzen, denn vielleicht waren die Kräfte, die er und ich besaßen auf dich über gegangen. Das wäre dem Vorhaben zu Gute gefallen.
Zum Schein ging ich auf seine Forderung ein.
Zum Schein, da ich mit den ganzen Methoden und seinen immer wahnsinniger werdenden Forderungen schon länger nicht mehr einverstanden gewesen war. Und nun sah ich meine Chance, ihm die Macht zu rauben. Ja, du hörst richtig, ich hatte es mir damals in den Kopf gesetzt, seine Stelle ein zu nehmen. Ein sinnloses Unterfangen, wie ich einsah. Leider zu spät.
Nunja, also anstatt an einer Waffe für ihn zu arbeiten, arbeitete ich an einer Waffe gegen ihn. Damals war ich der Magie noch fähig, und ich verwendete all mein Wissen, um dich zu dem zu machen, was du bis vor kurzer Zeit warst. Aber ich hatte damals etwas vergessen. Nie hätte dich jemand dazu zwingen können, deine Fähigkeiten ein zu setzen. Viel mehr war es nötig, dass du sie aus freiem Willen ein setzt. Und was könnte ein Baby schon dazu bewegen, einen Prinz an zu greifen?“. Sie lächelte gequält. „Naja, es kam sowieso alles anders.“.
„Aber warum war ich grün?“. Fenaria legte eine besondere Betonung auf das letzte Wort.
„Das kam ganz einfach durch die Substanzen, die ich dir zu geführt habe. Ich habe Magie und verschiedenste Gifte miteinander verbunden. Als du die Magie heute freigesetzt hattest, verschwanden auch die Gifte. Und damit wurdest du anfällig für die Magie deines Vaters. Ich mache keinen Hehl daraus. Was ich damals getan habe, war dumm. Du hättest sterben können, und wahrscheinlich hätte ich mich dann nur darüber geärgert, keine Möglichkeit zur Machtübernahme mehr in der Hand zu haben.“.
Larona schaute traurig zu Fenaria und sagte dann leise: „Du hast also allen Grund mich zu hassen, und ich würde es dir nicht verübeln.“.
Doch Fenaria verspürte keinen Hass mehr gegen ihre Mutter. Vielmehr war sie traurig, vielleicht hatte sie sogar etwas Mitleid.
„Eine Frage habe ich noch: Wie kamen die Astralen dazu, mich zu erziehen? Wie haben sie mich gefunden, und warum trichterten sie mir ein, du wärst eine Gefahr?“.
Larona nickte.
„Ja, die Astralen. Sie haben dir erzählt, du wärst gestorben, wenn sie dich nicht aufgenommen hätten? Ja, das stimmt. Aber nicht wegen dem Gift. Du wärst schlicht und ergreifend verhungert. Klein warst du damals noch, als zusammengewürfelte Truppen unser Lager überfielen. Dich konnte ich verstecken. Aber mich haben sie gefunden und mit genommen. Ich konnte mich nicht mehr um dich kümmern. Vielleicht war das auch besser so.“. Sie verstummte.
Fenaria war neugierig. „Was haben sie von dir gewollt?“.
Larona stieß einen kurzen Laut der traurigen Belustigung aus.
„Gewollt? Nichts spezielles, das übliche. Sie wollten Dinge wissen, und waren nicht gerade zaghaft in ihren – Methoden.“.
Mit einer vorsichtigen Bewegung zog das Mädchen einen ihrer schwarzen Handschuhe aus, und ließ Fenaria einen Blick auf ihre nackte Hand werfen.
Das Mädchen zuckte zusammen. Die Hand war überzogen von allerlei Arten von Narben. Brandnarben waren ebenso vorhanden wie Schnittnarben und auch noch andere, die Fenaria nicht definieren konnte.
Mit einem ernsten Gesichtsausdruck zog Larona den Handschuh wieder an. Jetzt erst bemerkte Fenaria, dass ihre Mutter, obwohl es in dem Raum sehr warm war, ihre komplette Lederrüstung trug.
Sie schluckte.
„Und was die Gefahr an geht, die ich angeblich für dich dar stellte. Was würdest du von einer Mutter denken, die ihr Kind vergiftet?“.
Fenaria blieb die Antwort im Hals stecken, denn in diesem Moment ging die Tür am anderen Ende des Raumes auf.
Herein kamen Rommath und eine NachtFrau.
Mit Erschrecken erkannte Fenaria Anrawen. Sie kroch an das Kopfende des Bettes und zog sich die Decke bis ans Kinn.
Die NachtFrau betrachtete sie erst etwas verwundert, dann lachte sie auf.
„Fenaria, du hast nichts von mir zu befürchten. Ich komme nur, um mir noch einmal deine Wunden zu besehen und dann werde ich mit Rommath hier einen gewissen Druiden besuchen gehen.“. Dabei blitzten ihre Augen gefährlich auf.
Während Anrawen vorsichtig die Bettdecke zurückzog, war Larona auf gestanden und mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht an das andere Ende des Raumes gegangen. Sie hinkte stark.
Als Anrawen sich Fenaria kurz angeschaut hatte, flammten ihre Hände kurz in einem weißen Licht auf, und ein Gefühl des Wohlbehagens durchlief die kleine Frau.
„So, bei dir ist alles auf dem Weg zur Besserung.“. Sie blickte zu Larona. „Aber bei dir würde ich gerne nochmal -.“.
„Du lässt deine Finger von mir!“ zischte ihr Larona boshaft entgegen.
Anrawen zuckte nur mit den Schultern.
Sie wollte gehen, doch Rommath flüsterte ihr etwas zu, und wandte sich dann nochmal an Fenaria.
„Fenaria, ich wollte dir nur Lebewohl sagen.“.
„Was, wie? Aber bleibt ihr denn nicht in Silbermond?“.
„Ha, nein. Anrawen würde hier auf keinen Fall geduldet werden. Und da ich, nunja, ich komme mit ihr. Wir werden uns irgendwo in einem neutralen Land nieder lassen. Aber vielleicht sieht man sich ja eines Tages wieder. Also, machs gut, und sage Lor Themar, ich wäre in tot oder irgendwie sowas. Ist mir egal.“.
Fenaria konnte den verzückten Ausdruck in seinen Augen erkennen als er sich wieder Anrawen zu wand und mit ihr zusammen das Zimmer verließ. Sie war ein bisschen neidisch.
Larona atmete empört aus, und ging dann wieder zu ihrer Tochter.
„Pah! Liebe zwischen Sin'Dorei und Kal'Dorei. So ein Schwachsinn! Irgendwas muss in diese NachtFrau gefahren sein, dass gegen die Natur ist. Genauso in Rommath. Entdeckt auf einmal, dass seine arkanen Kräfte auch heilen können! Pah!“.
„Wie bitte?“ Fenaria war ratlos.
„Ach! Rommath behauptete, er hätte diese NachtFrau mit der reinen Kraft seines Willens geheilt, als er sie“ kurz schüttelte es Larona „sie geküsst hat! Bah, allein die Vorstellung daran!“.
Fenaria musste innerlich kichern als sie ihre Mutter so sah. Doch dann überfiel sie plötzlich Müdigkeit und sie fiel in einen sanften Schlaf.
Als Larona merkte, dass der Zauber Anrawens ihre Tochter in den Schlaf versetzt hatte strich sie ihr sanft über ihre roten Haare und zog ihr die Decke über den zierlichen Körper. Dann ging sie zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal kurz um und warf einen traurigen Blick auf ihre Tochter.
„Shorel'aran, Fenaria.“.
Unter einem leisen Klicken fiel die Tür zu und Fenaria war wieder alleine.
Epilog
Ein paar Tage später.
Silbermond erstrahlte erneut im alten Glanz. Die Bevölkerung war aus den unterirdischen magischen Kuppeln wieder hervor gekommen, als sie gespürt hatte, dass die Gefahr vorüber war.
Über die Straßen eilten geschäftig verschiedenste Völker, und stritten sich am Basar über Preise.
Aber man konnte auch Zeichen der Umwälzung erkennen. Alle Statuen Kael Thas', die jedem Besucher Silbermonds klar gemacht hatten, wer hier herrschte, waren dabei ab gerissen zu werden.
Im Thronsaal saß wieder Lor Themar Theron sowie der Waldläufer General Halduron.
Nur Rommath fehlte. Die Nachricht über seinen Tod hatte große Traurigkeit in dem Volk der Sin'dorei hinterlassen, doch fanden sich die meisten schnell damit ab, war er doch ein Handlanger Kael Thas' gewesen.
Zwei Personen, die sich mit ihrem Schicksal nicht so gut abfanden, waren eine Trollin sowie ein Untoter, die im Kerker Silbermonds saßen. Sie hatten sich vor einigen Tagen in Silbermond verirrt und waren von der wiederkehrenden Stadtwache total erschöpft gefangen genommen worden.
Nun warfen sie sich im Kerker gegenseitig Beleidigungen an den Kopf, und niemand bekam etwas davon mit.
Auch Fenaria nicht, die außerhalb von Silbermond durch den Wald streifte.
Die sich senkende Sonne warf warme Strahlen durch das bunte Dickichte der Bäume und malte interessante Farbenspiele in die nach Leben riechende Luft.
Seit einigen Stunden lief sie nun schon durch die Bäume und dachte nach. Dachte darüber nach, was sie nun machen sollte.
Als die Sonne schon fast unter gegangen war, machte sie sich auf den Rückweg.
Während sie die Wächter am großen Eingangstor von Silbermond passierte, sprach sie einer davon an.
„Moment, ihr seid Fenaria Schattensturm?“.
Unsicher antwortete diese: „Ähhm, ja?“.
„Ich habe hier ein Paket für euch. Ich wünsche euch einen geruhsamen Abend.“.
Etwas verwirrt erwiderte sie den Gruß und nahm das Paket entgegen.
Es war in unscheinbar braunem Papier verpackt und trug kein Siegel.
Sie ging zur nächsten Bank, und öffnete das Paket.
Als erstes fiel ihr ein Brief entgegen. Sie nahm das Papier in die Hand. Magisch bildeten sich einige Buchstaben darauf.
Liebste Fenaria,
Es tut mir Leid, dass ich dich ohne ein weiteres Wort verlassen habe, aber ich bin zu der Entscheidung gekommen, dass es so das beste ist.
Dennoch wollte ich dir ein letztes Andenken von mir geben. Dies hier ist mein Tagebuch. Lese es bitte nur, wenn du alleine bist, und versuche nicht mich zu finden. Es ist besser für uns.
Mit aller Liebe,
deine Mutter,
Larona Schattensturm
P.S: Ich denke das Geld kannst du gut gebrauchen. Nimm es.
Sie packte das Paket weiter aus, neben einigen Goldmünzen, die ihr entgegen fielen beinhaltete das Paket ein schweres in schwarzes Leder gebundenes Buch.
Es war eigenartig leicht, und strömte eine unbestimmbare Gefahr aus.
Sich umsehend, ob gerade auch niemand in der Nähe wäre, schlug sie es auf.
Ihre Augen weiteten sich, als sie die ersten Zeilen las.
Texte: Alle Rassen, Charaktere und eigentlich alles hier ist geistiges Eigentum von Blizzard Activision. Auch die auf dem Cover abgebildeten Figuren.
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle diejenigen, die mich beim Schreibprozess so intensiv unterstützt haben. Danke!