Der Fall Irmgard Rode
Autor: Heinz-Jürgen Schönhals
Erscheinungsjahr: 2024
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Heinz-Jürgen Schönhals
hschoenhals@yahoo.de
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Inhalt
Die minderjährige Irmgard Rode (17 ½ Jahre alt) ist Vollwaise, erbt mit 18 Jahren ein riesiges Vermögen von ihrem verstorbenen Vater, einem Fabrikanten. Verwalter ihres Vermögens ist ihre Tante Gabriele Rode. Sie und ihr Mann Erik haben Irmgard adoptiert. Ralf Linden, ebenfalls ein Waisenkind, der von dem Ehepaar Linden adoptiert wurde, besucht oft Irmgard Rode, nicht nur wegen des gemeinsamen Schicksals des Elternverlustes, sondern auch weil Ralf der Cousin von Irmgard ist. Auf ihres Bruders Examensfeier bricht Irmgard plötzlich zusammen und stirbt. Im Polizeilabor Frankfurt wird festgestellt, dass in Irmgards Weinglas eine Überdosis eines Barbiturats enthalten war. Die Polizei hat mehrere Personen im Verdacht, kann aber niemandem die Tat nachweisen.
Kurz nach den polizeilichen Vernehmungen wird Gabriele Rode erpresst. Sie soll 500.000.- DM am Sandplacken nahe O. dem Erpresser übergeben. Der hat angeblich gesehen, wie sie das überdosierte Barbiturat in Irmgards Weinglas gegeben hat. Gabriele Rode fühlt sich zwar unschuldig, hat aber Angst, ihr Sohn Alex käme durch das Gerede des Erpressers in Verdacht. Deshalb übergibt sie dem Erpresser das Geld. Bei der Übergabe wird sie erschossen. Auch der Erpresser wird angeschossen, kann aber fliehen. Einige Zeit später nimmt sich Gabrieles Mann Erik wegen depressiver Anwandlungen, auch aus Trauer über den Tod seiner Frau, das Leben.
Ralf Linden kommt jetzt in Verdacht, er wird von der Kriminalpolizei derart scharf verhört, dass sein Vater bei der Polizeidirektion Frankfurt eine Beschwerde gegen den verhörenden Beamten einreicht.
Ralf und sein Freund Ernst Michalak nehmen an einer Séance bei seiner Tante teil. Dabei teilt der beschworene Geist durch Klopfen mit, der Mörder Irmgards halte sich in der Nähe der Séance-Gesellschaft auf.
Ralf Linden und sein Freund Ernst trauen eines Tages ihren Augen nicht: auf einem Rheinschiff bei St. Goarshausen sehen sie einen Mann, der Erik Rode täuschend ähnlich sieht. Der Mann ist in Begleitung einer jungen Frau. Jedoch meinen sie, es liege wohl eine Verwechslung vor. Die Polizei jedenfalls geht der Behauptung Ralf Lindens nach. Die Leiche von Erik Rode wird auf dem Friedhof von Frankfurt-Nieder Eschbach exhumiert.
Wie der Fall gelöst wird, kann man am Schluss des Romans lesen.
Personen
Erik Rode - (bankrotter) Fabrikant
Gabriele Rode - seine Frau
Alex Rode - beider Sohn
Irmgard Rode - (sehr reiche) Adoptivtochter des
Ehepaars Rode
Ralf Linden - Cousin von Irmgard, Adoptivsohn
des Ehepaars Linden
Dr. Karl Linden - Rechtsanwalt
Ingrid Linden - Ehefrau von Dr. Karl Linden
Ernst Michalak - Freund von Ralf Linden
Walter Ebeling - (geschwätziger) Student
Iris Cornelius - Freundin von Ernst Michalak
Roswita Kleinschmidt - Verlobte von Alex Rode
Dr. Wilhelm Grambach - Bankdirektor, Gast auf
Alex‘ Examensfeier
Ines Grambach - Ehefrau des Bankdirektors
Niki Froloff - Freund von Alex Rode, Gast auf dessen
Examensfeier
Gernot Freese - Schwager von Niki Froloff
Mathilde Obermann - Tante von Ernst Michalak
Günter Wegener - Kriminalhauptkommissar
in Frankfurt, Leiter der Mordkommission Frankfurt
Reinhold Knese - Kriminaloberkommissar in Frankfurt
Walter Kabel - Hauptkommissar in Oberursel,
Leiter der Mordkommission Oberursel
René Förster - Student, Gast auf Alex‘ Examensfeier
Gerhard Kreidenfels - Polizeidirektor, Chef von Günter
Wegener
Gertrud Wegener - Ehefrau von Günter Wegener
Ilse Knese - Ehefrau von Reinhold Knese
Willi Breden - Oberkommissar, mit Günter und Reinhold
befreundet
Inhaltsverzeichnis
5. Axel Rodes Examensfeier (des Stiefbruders
von Irmgard)
6. Tischgespräche über zwei Kriminalfälle
7. Ralf Linden fühlt sich auf Axels Examensfeier unwohl
8. Irmgard Rode wird ohnmächtig
9. Erste Ermittlungen und Bildung einer Mordkommission
10. Untersuchungen bei den Rodes
11. Der Konkurs der Firma Erik Rode‘s wird bekannt
12. Der Erpresserbrief
13. Erpresserinstruktionen
14. Gedankenaustausch zwischen den Kommissaren von
Frankfurt und Oberursel
15. Bildung einer zweiten Mordkommission
16. Weitere Untersuchungen und eine neue Schreckens-
meldung
17. Im Visier der Frankfurter Mordkommission: Ralf
Linden
18. Ein weiteres Gespräch Ralf Lindens mit Walter
Ebeling (dem geschwätzigen Studenten)
19. Ralf Linden wird scharf verhört
20. Beschwerde gegen den verhörenden Haupt-
kommissar
21. Eine Séance bei Ernst Michalaks Tante Mathilde
22. Der Radausflug der Kommissare samt ihren
Ehefrauen
23. Die Ereignisse überschlagen sich
24. Noch ein verstörendes Ereignis
25. Der schöne Klaus
26. Finale furioso im Frankfurter Stadtwald
Kapitel 1
Irrmgard Rodes Misstrauen gegenüber ihren Adoptiv-
eltern
„Wo fährst du denn jetzt schon wieder hin, Ralf?“, fragte Ingrid Linden ihren Sohn Ralf, der seine Mutter gerade mal für ein paar Stunden zu Hause in dem Dorf Waldstädten besucht hatte, gleich aber wieder von neuem aufbrach, um mit der Bahn irgendein neues Ziel anzusteuern, „sag‘ nur, du besuchst schon wieder deine Cousine Irmgard in Frankfurt?“
„Ja, habe ich vor.“
„Aber was zu viel ist, ist zu viel!“
„Nicht bei unserer Freundschaft, Mama!“
Sprach’s, verabschiedete sich und verließ die Wohnung seiner Mutter, um Richtung Bahnhof davonzueilen.
Diese enge Freundschaft zwischen Irmgard Rode und Ralf Linden hatte sich durch das gleiche Schicksal der beiden herausgebildet und gefestigt. Sie waren beide Waisenkinder. Ralfs Eltern, Waltraud und Günter Burgdorf, früh verstorben, hatten ihren Sohn alleine auf der Welt zurückgelassen. Glücklicherweise fand er in Ingrid und Dr. Wilhelm Linden Ersatzeltern und ein vorbildliches neues Zuhause. Auch Irmgard Burgdorf, jetzt Irmgard Rode, hatte beide Eltern bei einem Autounfall verloren. Auch sie hatte Glück: Ihre Tante Gabriele Rode, die Schwester von Irmgards Mutter, war spontan bereit gewesen, ihre Nichte als neues Familienmitglied in ihre Familie auf-zunehmen. Ein weiteres Glied der Familie war noch der erheblich ältere Sohn Alex Rode, sozusagen der Stiefbruder Irmgards.
Zu Ralf Linden ergab sich für Irmgard außer der Freundschaft noch ein echtes Verwandtschaftsverhältnis, denn der verstorbene Vater von Ralf, Günter Burgdorf, war der Bruder von Irmgards Vater, Gerhard Burgdorf. Das Vormundschaftsgericht hatte nicht nur der Adoption des kleinen Ralf durch die Lindens, sondern auch der kleinen Irmgard durch die Rodes zugestimmt. Auch hatte es das Ehepaar Rode mit der Verwaltung des Riesenvermögens beauftragt, welches dem Adoptivkind nach Auflösung des väterlichen Unternehmens zugefallen war. Erst mit der Volljährigkeit durfte Irmgard selbst über ihr Erbe verfügen.
Die Jahre vergingen, und aus dem kleinen Mädchen war inzwischen eine hübsche junge Dame von 17 ½ Jahren geworden. Der Augenblick, da Irmgard über ihr gewal-tiges Vermögen eigenständig verfügen durfte, stand also unmittelbar bevor.
Irmgard Rode hatte im Laufe der Jahre zu Ralf viel Vertrauen gefasst. Anfangs freute sie sich immer, wenn ihr Cousin sie bei den Rodes besuchte, und sie forderte ihn auch auf, öfter mal bei ihr in Frankfurt hereinzuschauen.
Bei einem dieser Besuche gestand sie Ralf, sie hätte manchmal Bedenken, dass ihre Tante Gabriele und ihr Onkel Erik die Verwalter ihres großen Vermögens seien. Ralf beriet sie fortan in den Angelegenheiten sowohl der Vormundschaft als auch der Vermögensverwaltung, die Kenntnisse darüber hatte ihm sein Adoptivvater, der Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Linden, vermittelt. Während seiner bald häufigen Besuche in Frankfurt versuchte Ralf immer, Irmgards Zweifel an der Redlichkeit der Rodes zu zerstreuen, denn er hielt Tante Gabriele und Onkel Erik für durchaus verlässliche und vertrauenswürdige Leute.
Doch mit der Zeit musste er seiner Cousine Recht geben: Es störte nun auch ihn etwas an der Beziehung zwischen Irmgard und ihren Adoptiveltern, wobei er nicht einmal genau sagen konnte, was ihn konkret störte. War es etwas Unaussprechliches, Abstraktes, was ihm an dem Verhältnis zwischen Irmgard, Gabriele und Erik nicht passte? Eigentlich auch nicht. Denn dass die Adoptiveltern ein derartiges Riesenvermögen für ihr adoptiertes Kind in Eigenregie verwalten durften, ohne dass jemand ihnen dabei über die Schultern schaute, war ja etwas ganz Konkretes. Vor allem war eines sehr konkret, dass es ihm plötzlich so vorkam, als läge im Safe der Adoptiveltern ein herrlich leuchtendes Diamantenkollier von ungeheurem Millionenwert, das sie, die Rodes, zwar hin und wieder betrachten, das sie aber niemals für eigene Zwecke nutzen konnten, sei es, dass sie vielleicht mal einen kleinen oder auch mal einen etwas größeren Diamantsplitter herausbrechen könnten, um auf diese Weise ihre ärgsten Schulden - denn Erik Rode war ein bankrotter Fabrikant - begleichen zu können. Das Gefühl einer Gefahr für seine Cousine konnte Ralf bei solchen Überlegungen bald nicht mehr unterdrücken.
Diesen kritischen Blick auf die Leute, in deren Haus seine Cousine lebte, hatte er sich zu einer Zeit zu Eigen gemacht, als sich bei ihm allgemein eine pessimistische Einstellung zu den Mitmenschen festgesetzt hatte. Es hing mit dem Debakel seiner Beziehung zu einem Mädchen, Mechthild Scheuermann, zusammen, die ihm eines Tages die Freundschaft aufkündigte, ihm sozusagen den Laufpass gab. Dies sollte ihn eigentlich noch nicht besonders erschüttert haben, jedoch dass sich das Mädchen unmittelbar darauf seinem besten Freund, Jan Brockstätte, zuwandte, war des Guten zu viel gewesen oder besser gesagt: des Argen zu viel. Fortan stand er allgemein den Menschen misstrauisch und illusionslos gegenüber. Es hatte ihn einfach umgehauen, dass ihm zwei Menschen, denen er vertraut hatte, Derartiges antun konnten. So ist es auch zu erklären, dass er in jeder Situation, wo viel Vertrauen zu Mitmenschen eine Rolle spielte, wie im Falle seiner Cousine, die ihr Riesenvermögen an ihre Verwandten ausgeliefert sah, sofort die Warnglocken schrillen hörte. Entsprechend kritisch, ja in Bezug auf Irmgards Situation überaus alarmierend fielen deshalb neuerdings seine Mahnungen gegenüber seiner Cousine aus.
Auch überlegte er, ob er weiter an seinem Studium der Germanistik festhalten sollte. Seit zwei Jahren studierte er Literaturwissenschaft an der Universität in Marburg. Jedoch befürchtete er mit einem Male, dass die permanente Beschäftigung mit Barockgedichten, mit Goetheromanen und Schillerdramen oder mit romantischer Eichendorff-Lyrik ihn vielleicht dazu geführt hatte, dass er in seinen Vorstellungen zu oft und zu gerne rosige Nebelschwaden erzeugte, hinter denen das wahre, eigentliche Wesen der Welt nur verschwommen, jedenfalls für ihn nicht deutlich genug wahrnehmbar wurde. Denn darauf kam es ihm jetzt ja in erster Linie an: dieses wahre Wesen der Welt und das der Mitmenschen nüchtern und emotionslos zu erkennen und sich keine Illusionen mehr darüber zu machen, wie die Menschen im Allgemeinen ticken und das Räderwerk der Welt in Wirklichkeit funktionierte.
So finden wir ihn denn auch bald auf der Universität in Frankfurt wieder, und zwar in der juristischen Fakultät. Er hatte kurzerhand - mit Einwilligung seiner Eltern - auf Jura umgesattelt und auch die Universität hatte er postwendend gleich mitgewechselt. Der Wegzug nach Frankfurt hatte für ihn den Vorteil, dass dort Cousine Irmgard wohnte und er sich also intensiver um sie kümmern konnte. Und von dem Jurastudium erwartete er, dass man sich dort ausschließlich mit den „Realien“ dieser Welt auseinandersetzte und nicht erfundene Romanhandlungen oder weltentrückte lyrische Phantasiegebilde zum Thema intensiver Betrachtungen machte.
Seine Mutter war allerdings nur unter der Bedingung einverstanden gewesen, dass er sich eng an seinen Jugendfreund Ernst Michalak anschloss, der schon seit drei Semestern in Frankfurt Jura studierte. Ernst war einverstanden, sich etwas um den Jugendfreund zu kümmern. Außerdem schrieb ihm Ralfs Mutter einen Brief. Sie hatte ihn, der in der Schülerzeit bei den Lindens ein- und ausging, als vernünftigen und vertrauenswürdigen Jungen kennengelernt und meinte also, sie könnte sich wegen ihrer Sorgen um Ralf dem Ernst anvertrauen. Der Brief lautete wie folgt:
„Lieber Ernst,
entschuldige bitte, dass ich mich in der Angelegenheit, die unseren Sohn Ralf be-trifft, noch einmal persönlich mit einer Bitte an dich wende. Zunächst herzlichen Dank, dass du dem Ralf bei seinem Einstand als Student der Rechte behilflich sein willst. Es wäre außerdem ganz gut, wenn du Ralph auch noch in anderer Hinsicht zur Seite stehen könntest. Die Art, wie unser Sohn sein Studium der Germanistik so rasch aufgegeben hat, erfüllt uns mit Sorge. Du kennst Ralf ja, er ist noch etwas naiv und weltfremd, sieht in den Menschen in erster Linie das Gute, das hat vielleicht auch seine Freundschaft mit Mechthild beeinträchtigt. Das Unglück mit seiner Freundin, die ihn schnöde verlassen hat, hat Ralf derart umgeworfen, dass er zu diesen panikartigen Entschlüssen veranlasst wurde. Vielleicht solltest du darauf achten, dass Ralf in erster Linie den Erfordernissen seines neuen Studiums gerecht wird und nicht schon wieder in allerlei Ablenkungen seine Kräfte verzettelt oder auch - was ihm in seiner jetzigen Situation überhaupt nicht bekommen wird - in eine neue Liebesaffäre hineinstolpert. Ralf neigt zu dieser Verzettelung und auch zu anderen Ablenkungen. Denn dass so eine Affäre für ihn sehr gefährlich werden kann, haben ja Ralfs Reaktionen auf Mechthild Scheuermanns Verhalten gezeigt.
Ich wäre dir sehr dankbar, lieber Ernst, wenn du die Angelegenheit und vor allem die-sen Brief vertraulich behandelst. Am besten verbrenne ihn und sage bitte ja nichts davon zu Ralf.
Mit herzlichen Grüßen
Ingrid Linden
Kapitel 2
Ralf Linden möchte in der Nähe seiner Cousine Irmgard wohnen
Nicht nur die Nähe zu seiner Cousine hatte Ralf Linden bewogen, in Frankfurt weiter zu studieren, er konnte es vor sich selbst bald auch nicht mehr leugnen, dass er sich in das hübsche Mädchen verliebt hatte.
Immer wieder besuchte er sie, erzählte ihr von seinem neuen Studium, von den neuen Professoren, mit denen er es jetzt zu tun hatte. Auch dass er inzwischen etwas unsicher geworden sei, ob der Wechsel des Studiums das Richtige für ihn gewesen sei, ließ er sie wissen. Doch eins empfinde er immer stärker als Genugtuung, dass man sich in all diesen juristischen Vorlesungen und Übungen auf Feldern bewege, wo man sich ausschließlich mit den „Realien“ dieser Welt auseinandersetzte. Man fragte nicht lange nach den metaphysischen und philosophischen Ursprüngen der Phänomene, man fragte auch nicht lange nach den menschlichen und schicksalhaften Verwicklungen, die sich hinter den juristischen „Fällen“ verbergen, das heißt, man fragte überhaupt nicht nach einem derartigen psychologischen und philosophischen „Krimskrams“, wie Dr. Bellermann, der Assistent seines Juraprofessors, einmal in einer Übung, die er anstelle des Professors leitete, herablassend bemerkte, sondern man interessierte sich nur noch für das Formal-Juristische.
„Na ‘psychologischer Krimskrams‘“, wandte seine Cousine ein, „dürfte aber ein ziemlich unpassender, alberner Begriff sein. Ein verzweifelter Mensch, der um sein Recht bei den Gerichten nachsucht, wird sich bedanken, wenn man sein Anliegen mit solchen herzlosen Formulierungen herabsetzt.“
„Das sind ja nicht meine Worte gewesen, Irmgard, sondern die Abqualifizierungen des Assistenten unseres Professors.“
„Meine Güte! Habt ihr da aber brutale Typen, am Ende wohl noch mit Doktortitel geschmückt, was?“
„… und lechzend nach dem Professorentitel!“ ergänzte Ralf, „vor allem in den Prüfungen äußert sich so eine gemütlose Juristenseele in hohem Maße brutal. Es kommt dieser halt nur auf das formal juristische Exakte an. Wenn man das nicht trifft, flackert es gefährlich im Auge des knallharten Prüfers auf und um seinen Mund grinst es fürchterlich. Im Geiste sieht der arme, vielleicht noch etwas romantisch veranlagte Kandidat sofort alle seine Felle davonschwimmen.“
„Das ist ja nicht zu fassen!“ rief Irmgard empört aus, „andererseits, was bleibt dem knallharten Prüfer anderes übrig, als den Daumen nach unten zu senken, wenn der Prüfling nicht die vollkommen richtige Antwort gibt?“
„Ja, da hast du auch wieder recht.“
„Und in die Gesellschaft dieser kaltherzigen Typen hat sich deine empfindsame Seele nun also begeben, in der Absicht, zu einem erfolgreichen Abschluss deiner Studien zu kommen, immer unter der Oberaufsicht dieser scharf blickenden, mitleidlosen Prüfungsfanatiker, die kein Pardon geben. Das klingt ja jetzt alles bei dir so, als würdest du es bereuen, dass du auf die juristische Fakultät übergewechselt bist.“
„Na ja, soweit würde ich nicht gehen, liebe Cousine“, erwiderte Ralf, und er bereute es fast, dass er ihr so viel über seine Angst vor dem neuen Studienfach mitgeteilt hatte, „meine Zukunft wird nun mal die Jurisprudenz sein; ich kann ja nicht ständig das Fach wechseln, nur weil mir dies und das nicht passt.“
Ernst Michalak, der zusammen mit Ralf auch hin und wieder Irmgard besuchte, hörte aus dessen Erzählungen heraus, dass die Cousine drauf und dran wäre, dem Ralf seinen Überwechsel auf Jura auszureden. Eingedenk des Briefes von Frau Linden war er nun bestrebt, die Besuche seines Freundes bei Irmgard Rode zu unterbinden. Als er mit seinem Vorschlag herausrückte, die Cousine besser nicht mehr aufzusuchen, weil sie seinem Studienwechsel dauernd kritisch gegenüberstehe, wies Ralf das zunächst empört zurück. Irmgard, sagte er, würde ihn in dieser Hinsicht überhaupt nicht beeinflussen. Außerdem sagte er, er würde Irmgard lieben. Nun gestand Ernst seinem Freund, dass Ralfs Mutter ihn dringend gebeten habe - den Brief erwähnte er nicht -, alles zu tun, damit ihr Sohn sich voll auf das neue Jurastudium konzentriere und ja nicht in irgendeiner Weise sich davon ablenken lasse. Da erst gab Ralf nach und besuchte Irmgard längere Zeit nicht mehr.
Doch es dauerte nicht lange, bis er nach einiger Zeit von seiner Cousine die Anfrage erhielt, warum er sie nicht mehr besuche. Als er wieder einmal einen solchen Brief bekam, konnte er es nicht lassen, darauf zu reagieren. Er ging wieder zu Irmgard hin. Den Gedankenaustausch mit ihr hatte er, wie er feststellte, lange vermisst, er konnte sich halt mit ihr so gut unterhalten, weil sie offenbar auf der gleichen Wellenlänge miteinander kommunizierten. Wieder redete und redete er mit ihr, weil ihm das so ungeheuren Spaß machte. Dabei war wieder sein neues Studium das Dauerthema. Von dem komischen Assistenten des Professors Bellermann erzählte er ihr abermals skurrile Geschichten. Der würde ein Einführungsseminar für blutige Anfänger abhalten und hätte sogar die Newcomer vor dem juristischen Studium gewarnt; jedenfalls die Ungeeigneten, die juristisch nichts auf der Pfanne haben. Dabei hätte er sich sogar zu beängstigenden Metaphern verstiegen, um das klägliche Ende eines unbegabten Juristen zu umschreiben. Er verglich dessen mühevolles Studieren mit einer Fahrt auf einer gebrechlichen Schaluppe mitten auf hoher See oder mit einem Einbaum-Ruderer auf dem Stillen Ozean, wo täglich fürchterliche Stürme drohen. Ha, ha, ha, ha! Hätte er gelacht, die schlotternde Angst des einsamen Ruderers auf den hohen Wellen des Stillen Ozeans schien ihn wohl köstlich zu amüsieren. Den zynischen Scherz quittierten allerdings nur einige wenige Zuhörer mit einem dünnen Lachen, während manche bestürzt und ängstlich dreinschauten. Besser sei es dann, fuhr Bellermann mit seiner Warnung fort, man macht einen Schnitt. ‘Na, Sie kennen ja die Allerweltssprüche!‘ rief er aus, ‘ein Ende mit Schrecken ist besser, als einem Schrecken ohne Ende ins Auge zu starren, und dieses Ende – das könne er einem flüstern – wird nicht nur schmerzlich, sondern geradezu extrem verletzend sein. Deshalb also: seien Sie selbstkritisch und lassen Sie sich nicht von gefühlsdurchtränkten Vorstellungen über die angeblich sagenhaften Aussichten des Juristenberufes in die Irre führen‘“
Diese Warnungen des Assistenten hätten auch bei ihm, Ralf Linden, einige Angst ausgelöst, sagte er zu Irmgard. Das Gerede Dr. Bellermanns vom ‚Einbaum mitten auf dem Stillen Ozean‘ oder von der ‚Qual des Schreckens ohne Ende‘ ließen bei ihm äußerst mulmige Gefühle aufkommen. Manchmal sogar sei er von Gefühlen bedrängt worden, die angesichts des aufkommenden Widerwillens gegen das Juristendeutsch den Wunsch nach Rückkehr zu seinem alten Studium wenn nicht deutlich in Worte fassten, so doch leise und zaghaft anklingen ließen. Auch der Satz Doktor Bellermanns, ein unbegabter Jurist komme einem Ruderer in einem Einbaum auf dem Stillen Ozean gleich, sei hin und wieder durch sein Gemüt gegeistert, wobei der Gedanke nahe lag, dieser juristisch Talentlose könnte bei schwerem Sturm in die Tiefe des Ozeans hinabstürzen. Desgleichen sei ihm dabei ein Gedicht von Eichendorff eingefallen, in welchem es heiße: ‘Und als er auftaucht vom Schlunde, da war er müde und alt, so still war’s in die Runde und über den Wassern weht’ s kalt.‘
„Man sieht also“, beendete er schließlich seine Erzählung, „nach diesen Sprüchen des Doktors Bellermann bekam ich nicht wenig Angst vor dem neuen Studium. Werde ich es schaffen?“
Irmgard, die nur noch halb zugehört hatte, versuchte ihn zu beruhigen.
„Klar wirst du das schaffen, Ralf. Du muss halt nur ein bisschen mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen.“
„Andererseits“, fuhr sie fort, „könnten diese Zweifel vielleicht tatsächlich ein Hinweis für dich sein, dass du mit einer Schaluppe auf dem Stillen Ozean unterwegs bist, das heißt, wenn der nächste Sturm aufzieht, könnte dein Schifflein eventuell umkippen und dich in die Tiefe reißen? Na ja, ich möchte dir ja keine Angst einjagen, aber aus deinem ganzen Reden höre ich doch erhebliche Zweifel heraus, dass du mit deinem neuen Studium gar nicht glücklich bist.“
„Ja, das mag sein“, lautete die dürre Antwort, „aber natürlich hast du Recht, mir fehlt es etwas an Selbstbewusstsein, ich lasse mir halt leicht von den Bellermanns Angst einflößen.“
Wieder erzählte Ralf seinem Freund Ernst von diesem Gespräch mit Irmgard, und der warnte ihn prompt noch einmal nachdrücklich, auf weitere Besuche im Hause der Rodes zu verzichten. Ralf überlegte lange, er sah sich ab sofort in einer beinah ausweglosen Lage. Irmgard Rode hatte ihm fast schon in der Manier von Dr. Bellermann Angst vor dem Jurastudium eingejagt; andererseits liebte er das Mädchen. Was sollte er also tun?
Wieder folgte Ralf dem Rat des Freundes und besuchte fortan nicht mehr seine Cousine. Das glaubte er, seiner Mutter schuldig zu sein.
Kapitel 3
Ralf Lindens Gespräch mit einem geschwätzigen Studenten
Nachdem er sich längere Zeit bei Irmgard nicht mehr gemeldet hatte, tat ihm sein Entschluss, Irmgard nicht mehr zu besuchen, wieder leid. Er konnte es einfach nicht lassen und ging doch wieder zu den Rodes hin. Allerdings ließ sich Irmgard dieses Mal verleugnen, sie ließ Ralf mitteilen, dass sie nicht zu Hause sei. Das passierte ihm mehrere Male: Immer wenn er bei ihr vorsprach, teilte man ihm mit, seine Cousine sei nicht zu Hause.
Ralf war über dieses befremdliche Verhalten seiner Cousine erst verdutzt, dann zunehmend verärgert, am Ende, nach dem soundsovielten Male einer kaltschnäuzigen Zurückweisung, stocksauer.
„Na ja“, beruhigte er sich, „wer weiß, was in so einem Kindskopf von pubertierendem Mädchen herumgeht? Ich bin halt bei ihr abgemeldet. Und fortan ging er nicht mehr zur Familie Rode hin, um Irmgard zu besuchen.
Ab jetzt war Ralf ständig mit Ernst Michalak zusammen, und ihre Freundschaft, die ohnehin seit ihrer Waldstädter Zeit bestand, wenn sie auch vorübergehend sozusagen in einem inaktiven Zustand existiert hatte, wurde jetzt in Frankfurt wieder zu neuem Leben erweckt und festigte sich von Tag zu Tag mehr.
Über seinen neuen, alten Freund Ernst erfuhr er bald Näheres. Zwar kannte er ihn von früher her recht gut, aber welche Meinung man von Ernst an seinem, Ralfs, neuem Studienort hatte - darüber wusste er natürlich so gut wie nichts. Ein Kommilitone mit Namen Walter Ebeling, der Ernsts Familienverhältnisse kannte, sprach ihn einmal auf Ernst Michalak an:
„Hast dir ja ein reiches Früchtchen an Land gezogen, was?“
„Wieso?“
„Na, wusstest du nicht, dass der Michalak einen reichen Onkel hat?“
„Weiß ich! Ich kenne ihn von früher.“
„Ach so! Der Onkel ist Inhaber der Lüth KG, soll ein ziemlich harter Typ sein. Zwar ist er als Arbeitgeber hier, in der Region, hochwillkommen. Die Leute reißen sich nur so um die Jobs bei der Lüth KG, und der Inhaber kann es sich leisten, die Bewerber reihenweise abzulehnen, übrigens nach scharfen Vorstellungsgesprächen! Die Ruppigkeit des Alten hat sich, glaube ich, auch auf den Neffen übertragen. Der soll früher geboxt haben, beim Verein für Boxfreunde e.V. von Waldstädten. Passt gut in das Raster der Familie, was? Sogar bei den Amateur-Boxmeisterschaften hat er ein-, zweimal teilgenommen, allerdings ist seine Mannschaft immer schon in der Vorrunde ausgeschieden.“
Der Student lächelte spöttisch, als er in dieser Weise über die mageren Erfolge der „Boxfreunde“ erzählte, und seinem Zuhörer kam es vor, er habe nicht nur über die „Boxfreunde“, sondern auch über Ernst Michalak keine gute Meinung.
„Bei Frauen hat der Michalak auch kein Glück“, erfuhr Ralf noch von dem Studenten, „der ist mal mit einem hübschen Mädchen namens Ute liiert gewesen. Aber ein anderer hat sie ihm ausgespannt.“
Dabei lächelte Ebeling in einer Weise süffisant, dass es Ralf vorkam, der Schaden Ernsts bedeute ihm eine herzliche Genugtuung.
Ralf Linden wies jetzt den geschwätzigen Studenten mit einiger Schärfe darauf hin, dass es sich bei Ernst Michalak um seinen Jugendfreund handele und er solle bitte darauf Rücksicht nehmen. Außerdem fühlte er sich an seine eigene Niederlage in seiner Beziehung zu Mechthild Scheuermann erinnert, denn als Niederlage hatte er das Verhalten seiner Ex-Freundin inzwischen doch empfunden, sicher nicht als Katastrophe, jedoch als etwas Peinliches, Unangenehmes.
„Äh, ja, entschuldige bitte“, bat Walter Ebeling ihm seine Taktlosigkeit zu vergeben, „aber ich sage das nur deshalb, weil der Ernst sehr jähzornig ist. Zwischen ihm und dem Rivalen um diese Ute hat es nämlich mal eine Schlägerei gegeben. Du solltest das wissen und also auch bei deinem Jugendfreund vorsichtig sein. Immerhin könntest auch du mal unter dem Jähzorn und der Eifersucht des Michalak leiden.“
„Quatsch!“ erwiderte Ralf aufgebracht, „mir kann so ‘was nicht passieren. Ich kenne den Ernst nur von seiner netten Seite.“
„Na schön, ich will nichts gesagt haben“, bemerkte der Student, er schien sehr ver-legen zu sein. Dennoch fuhr er mit seiner Klatscherei fort:
„Es hat nicht viel zu sagen, wenn einer nett ist. So einer kann sich über Nacht in einen hässlichen Menschen verwandeln. Ich habe einen Freund, der ist mit einem Typ verschwägert, der allgemein als nett gilt. Der Typ heißt… äh… - Frohloff heißt der und wohnt hier in Frankfurt. Immer wenn mein Freund seine Schwester, die also mit dem Froloff verheiratet ist, besucht, bringt sich der Schwager vor Freundlichkeit beinah um. Wenn er dann aber etwas länger als zwei Tage bleiben will - seine Heimatstadt, von der er angereist ist, liegt ziemlich weit oben im Norden, - verwandelt sich besagter Schwager nicht selten in einen regelrechten Stinkstiefel. Er wird dann in allen seinen Bemerkungen ausfällig und niederträchtig, fängt an, in der Vergangenheit des Schwagers, in der dieser manche Niederlage zu verzeichnen hatte, ausgiebig herumzustochern, bis der in dieser Weise unfreundlich Behandelte seine Koffer packt und wieder ab in den hohen Norden zurückfährt. Manchmal auch ist er zu mir, in meine Wohnung, umgezogen, denn er hatte an sich vor, noch ein bisschen in Frankfurt zu bleiben und die Großstadt und die Umgebung, den Taunus zum Beispiel, näher kennenzulernen. Soviel also zu einem, der allgemein als nett gilt.“
„So, und warum erzählst du mir das alles?“ wandte Ralf ein.
„Na ja, ich wollte dich ein bisschen warnen. Auch bei deinem Freund kann die Net-tigkeit schnell umschlagen und sich in ihr Gegenteil verwandeln, wenn die bekann-ten Anlässe vorliegen.“
„So, so, die bekannten Anlässe! Und welche könnten das sein?“
„Na, zum Beispiel… äh… ein bildhübsches Mädchen, in das ihr beide verknallt seid.“
„Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich.“
„Wart’s nur ab, was nicht alles passieren kann. - Übrigens, nebenbei bemerkt: der Freund von mir wusste sehr bald, warum er vom Schwager Froloff plötzlich so mies behandelt wurde, dieser radikale Umschlag in seiner Stimmung – warum das beinah regelmäßig bei ihm geschah. Der Schwager, also dieser Froloff, hatte nämlich eine Zwillingsschwester, von der mein Bekannter wenig wusste. Eines Tages aber erfuhr er, dass die Zwillingsschwester in einer Anstalt verstorben ist. Sie hätte an hochgradiger, schwerster Schizophrenie gelitten und Selbstmord begangen. Jetzt konnte sich mein Freund auch erklären, warum sein Schwager sich immer nach einiger Zeit urplötzlich in einen Stinkstiefel verwandelte. Der Froloff hat – wie mein Bekannter mir einmal salopp erklärte – einen ‘Detsch‘ von seiner schizophrenen Zwillingschwester abbekommen.“
„Einen Detsch? Eieiei!“, rief Ralf Linden aus, „ das ist ja schrecklich! Und warum erzählst du mir das alles?“
„Na, ja, es hat mich halt – wie soll ich’s sagen – sehr betroffen gemacht. Ich musste das mit dem Froloff, der Zwillingsschwester und dem Schwager erstmal verarbeiten.“
„Aber was hat das alles mit meinem Jugendfreund zu tun?“
„Weil…, wie gesagt. Ich wollte dich warnen. Denn du siehst nicht gerade wie einer aus, dem die rauen Winde schon heftig ins Gesicht geblasen haben.“
„Also hör‘ mal! Dass du dich da mal nicht täuschst!“
Ebeling schaute auf Ralf herab wie einer, der seinen Gesprächspartner nicht richtig ernst nimmt. Sein überlegenes Lächeln hatte sich in ein blasiertes Grinsen verwandelt, und seine Stimme klang mit einem Male affektiert und gestelzt.
„Wenn ich das schon höre: Mein Freund ist nett zu mir, also ist er auch nett! Man darf doch nicht den Fehler begehen, von seinen Mitmenschen, auch wenn sie einem nahe stehen, eine Friede- Freude- Eierkuchen-Mentalität zu erwarten.“
“Aber mein Freund hat nun mal keine schizophrene Zwillingsschwester! Das wirst du wohl nicht bestreiten können oder?“
Ralf hatte beschlossen, jetzt auch in den Angriffsmodus umzuschalten.
„Na ja, das braucht ja nicht alles deckungsgleich zu sein“, meinte der Kommilitone und ließ weiter feixend den Überlegenen heraushängen.
Ralf überlegte, wie er sich rasch von dieser Plaudertasche verabschieden könnte, ohne das Klatschmaul zu kränken. Doch die Plaudertasche insistierte unverdrossen weiter:
„Er scheint ja schon einen hübschen Ersatz gefunden zu haben, ich meine der Michalak - eine Blondine aus der philologischen Fakultät, studiert Anglistik. Die heißt… warte mal…, Iris heißt die und ist ein ganz toller Käfer. Aber der Michalak…, na ja, wie ein Coverboy sieht er ja nicht gerade aus.“
„Dafür ist er aber ein echter Kerl“, erwiderte Ralf und verabschiedete sich rasch, er sagte noch, er müsse etwas Wichtiges erledigen und ging schnell seiner Wege. Ralf vermutete, der Student hatte schlechte Erfahrungen mit Ernst Michalak gemacht; vielleicht hatte der ihm mal seine breite Boxerhand ins Gesicht gesetzt, sodass der Arme den Schläger nun überall, wo es nur ging, anschwärzte.
Kapitel 4
Ernst Michalak hält Ralf Linden für weltfremd, täuscht sich dabei aber
Es dauerte nicht lange, und Ralf Linden und Ernst Michalak waren sich - wie schon in alten Zeiten - wieder so nahe gekommen, dass sie sich auch intimere Angelegenheiten aus ihrem Privatleben mitteilten. Sie hatten sich in der Innenstadt ein Bierlokal als Stammkneipe auserkoren, in welchem sie manchmal auch gemeinsam zu Abend aßen. Das Gasthaus hieß einfach „Bierlokal“ und befand sich wenige Schritte vom Marktplatz entfernt.
In diesem Lokal nun saßen die beiden eines Abends und erzählten sich Geschichten aus ihrem bisherigen Leben, wobei Ralf sich nach mehreren Bieren dazu hinreißen ließ, seinem Freund von seinem Reinfall in der Liebe zu berichten, auch darüber, dass sein zweiter Freund, Jan Brockstätte, an diesem Reinfall einen entscheidenden Anteil beigetragen habe. Auch deshalb öffnete er dem Ernst gegenüber sein Herz, weil er meinte, der müsste viel Verständnis für ihn aufbringen, da er ja einen ähnlichen Reinfall bei seiner Freundin Ute erlebt habe, die ihm von einem anderen ausgespannt wurde.
Ernst lauschte der Erzählung, Ralfs Mutter hatte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2024
ISBN: 978-3-7554-8034-1
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