Das Wiedersehen
Den Blick auf die Pflastersteine vor mir gerichtet geh ich an den alten, grauen und mittlerweile verlassenen Wohnhäusern vorbei. Vor einem Jahr noch war hier hochbetrieb. Kinder spielten mit ihren Hunden lachend im Garten und die Eltern sahen ihnen in den Armenliegend zu. Heute jedoch kann man in den Gärten, vor diesen heruntergekommenen Häusern, höchstens noch eine Ameise über das braune Gras laufen sehen. Meine Hand streift von einem Gartenzaun zum andren. Noch um die Ecke, die Straße gerade aus und ich bin zuhause. Zuhause... Ich muss lächeln. Mittlerweile wohne ich in einem von diesen heruntergekommenen Häusern. Alleine. Ohne Eltern oder einen gläffenden Gefährten. Vor der Haustüre bleibe ich stehen und zieh den Schlüssel aus meiner zerissenen Jeans. Die Tür springt auf. Meine Turnschuhe zieh ich aus und gehe hinein. In der Küche hol ich meinen letzen Schokoriegel aus dem mitlerweile micht mehr funktionsfähigen Kühlschrank und setz mich ins Wohnzimmer. Genüsslich verschlinge ich ihn und bin froh überhaupt etwas zu Essen zu haben. Ich seh aus dem Fenster und kann erkennen wie die Sonne sich zwischen den grauen Wolken zeigt. Verträumt sehe ich nach draußen. Die Sonne. Das einzige Glücksbringende, neben dem Essen, in letzer Zeit. Ich steh auf und gehe hinaus in den Garten. Strecke der Sonne mein Gesicht entgegen und bin glücklich. "Krach" verwirrt dreh ich mich um. Das war eindeutig die Haustür die ins Schloss gefallen ist. "Hallo?" Ich bin mir sehr sicher das ich die Tür geschlossen hatte. Der Wind kannte es also nicht gewesen sein. Ich geh wieder rein und seh mich um ob ich irgendjemanden entdecken kann. "Hallo ist hier jemand?" Mein Herz beginnt wie wild zu pochen. Jemand hier?! Nochmals ruf ich laut "Hallo?" und da seh ich ihn, wie er in meinem Flur steht und mich anstarrt. "Jonas bist du´s?"
Ich geh auf ihn zu und kann es kaum fassen. Auf meinem Gesicht breitet sich ein strahlendes Lächeln aus. Doch er blickt mich weiterhin unverändert an. Ich werfe mich in seine Arme und mir laufen Tränen übers Gesicht. "Jonas...", bekomm ich wimmernd herraus. "Oh, Jonas!" Er packt mich überraschend an den Schulter und drückt micht sachte von sich. "Skyler, was machst du noch hier?", sagt er mit einem Ton, der nicht gerade von Glück überschwämmt klingt. Ich seh ihn weiter an, ich kann einfach nicht anderst. Seit ungefähr elf Monaten hab ich keinen Menschen mehr gesehen. Und jetzt wo ich doch endlich wieder einem gegenüberstehe und dabei auch noch Jonas, meinem geliebten Jonas!, kann ich es kaum fassen. "Ich...ich...", mein Gehirn ist so voller Freude das ich keinen vernünftigen Satz zusammen bekomme. Was auch nicht nötig ist da mich Jonas mit seinen unglaublichen blauen Augen unterbricht. "Meine Güte, Skyler bist du von allen guten Geistern verlassen? Du weist doch was hier los ist! Du kannst dich hier nicht alleine durchschlagen! Draußen wimmelt es nur von diesen abschäulichen Bestien die es nur auf dein Blut abgesehen haben! Wieso bist du nicht wie alle anderen geflohen?"
"Weil ich nicht wie alle anderen bin! Und ich kann sehr wohl auf mich selbst aufpassen!" Bei diesen Worten ziehe ich den Holzpflock aus meiner Hosentasche und halte ihn Jonas direkt vors Gesicht. Bei dem Anblick des Pflocks fängt er an zu lachen. "Mit diesem Teil willst du dich verteidigen? Weist du überhaupt wozu diese Bestien im stande sind?" "Klar weiß ich das! In den letzen elf Monaten hab ich hunderte von ihnen mit diesem Pflock in die Hölle befördert!", geb ich hochmütig von mir. Ich streich mir mein kastanienfarbenes Haar aus dem Gesicht und blicke ihn herrausfordernt an. Er schüttelt den Kopf und sieht mich enttäuscht an. "Skyler, erzähl mir keine Märchen, der einzige Grund aus dem du vermutlich noch am Leben bist, ist der, dass du verdammt viel Glück hattest!"
Flehen
"Glück... Glück nennst du das? Weißt du wie ich das nenne?? Überleben!", werf ich ihm entgegen. Den Blick gesenkt, geh ich den Weg zurück in den Garten. Ich setz mich ins Gras und seh wieder der Sonne entgegen. Hinter mir hör ich wie sich jemand nährt. Jonas. Seltsam, als ich ihn das Letzte mal sah, dachte ich das wars. Er zog wie alle anderen Männer davon, um sie... sie, die hier alles zerstört haben, ohne das wir uns währen konnten... zu bekämpfen. Und genau deswegen bin auch hier geblieben. Ich wolle ihm helfen. Ich wollte nicht wie die anderen "währlosen" Frauen auf die Rückkehr ihrer Männer warten. Ich wollte... ja ich wollte helfen. Aus diesem Grund blieb ich zurück. Alleine, um zu helfen. Ich senke meinen Blick als Jonas vor mich tritt und sich niederlässt um mir in die Augen sehen zu können. "Skyler... Du... Ich ... Ich hab mir wirklich sorgen gemacht als ich herrausfand, dass du nicht im Auffanglager bist. Ich dachte sie hätten dich erwischt!" Mein Herz macht einen Satz. In seinen Augen kann ich sehen, dass er es ernst meint. Ich bedeute ihm etwas. Er hätte mich vermisst. Er wäre der Einzige gewesen.
Ich betrachte ihn. Seit dem Letzten mal ist sein goldenes Haar gewachsen. Auch sieht er müde aus, mit den dunklen Ringen unter seinen Augen. Seine einstmals makelose Haut weist kleine Narben auf. Am meisten springt mir die Narbe über seiner linke Braue ins Auge. Ich hebe meine Hand um sie zu berühren, doch Jonas fährt urplötzlich zurück. Mit einem Mal steht er einige Meter von mir entfernt. Verwirrt schüttle ich den Kopf. Das muss Einbildung gewesen sein. Langsam richte ich mich auf und seh ihn enttäuscht an. "Darf ich dich nicht einmal mehr berühren?" Er sieht zu Boden, will offensichtlich meinem Blick ausweichen. Ich beweg mich auf ihn zu. "Jonas?" "Sky.. bitte bleib..." Er sieht weiter auf den Boden und schließt die Augen. Es scheint als müsste er nachdenken. Nach einigen Sekunden sieht er wieder auf und blickt mich intensiv an. "Du musst zu den anderen in das Auffanglager. Hier bist du nicht sicher!" "Ich kann nicht.", mein ich ausweichend. "Du musst! Bitte!? Ich kann dich nicht beschützen.", fleht er. Ich sehne mich nach seiner Nähe und geh auf ihn zu, ich will ihm versichern, dass ich auf mich selbst achten kann, doch er weicht wieder zurück. "Sky du musst noch vor Sonnenuntergang hier weg sein... BITTE!", fordert er mich auf. "Jonas ich kann, will und werde nicht gehen, ich muss hierbleiben". Ich beweg mich auf ihn zu und er weicht wieder zurück. Die Schatten werden langsam länger und die Sonne sinkt dem Horizont entgegen. Er schüttelt enttäuscht den Kopf, geht auf mich zu, jedoch an mir vorbei. Vor der Tür ins Haus bleibt er nochmals stehen und sieht mich an. "Dann pass auf dich auf.", mit diesen Worten betritt er das Haus und ist weg. Verwirrt geh ich ihm nach. Doch er ist schon weg. Ich öffne die Haustür und will sehen ob ich ihn noch erwischen kann. Er ist weg... Betrübt schließ ich die Tür hinter mir und gehe in den ersten Stock um mich für die baldig anbrechende Nacht vorzubereiten.
Remedium
Diese schier alles durchdringende Kälte ist kaum zu ertragen. Ich zieh mir die dicke Winterjacke änger um die Schultern. Immer wieder werf ich Blicke nach hinten. Bestimmt verfolgt mich schon eins dieser Bestien. Diese Bestien die ihrem Blutrausch erliegen. Nacht für Nacht. Immer wieder. Sie zerstören die Menschheit. Haben schon meine Familie zerstört. Haben sie abgemetzelt, bis jeder Einzelne in einer Blutlache vor sich her triefte. Mich haben sie nicht erwischt. Dafür werd ich sie jetzt abmetzeln. Sie haben mir meine liebsten Menschen genommen, dafür werden sie in der Hölle schmoren. Jetzt hör ich die ersten Schritte hinter mir. Ich zieh langsam den Pflock aus meiner Tasche. Gehe aber trotzdem unbeirrt weiter. Sie Schritte kommen näher. Immer näher. Ganz nahe! Ich wirble herum und ersteche ihn mit einem gezielten Schlag mit dem Pflock mitten ins Herz. Er, sie,... naja eher es, zerfällt zu Staub. Zufrieden mit mir gehe ich weiter. Mein Ziel ist der Friedhof. Dort treiben sie sich am liebsten herum. Vielleicht um ihre Familienmitglieder zu betrauern? Nein, ich glaube kaum. Sie sind seelenlose Bluttrinker. Sie haben keine Erinnerungen mehr an ihre Menschlichkeit. Verdienen sie nicht.
Der Vollmond steht hoch am Himmelszelt und erleuchtet die Nacht. Sein Licht verwandelt die Straßen der Stadt in ein schauerliche Kulisse. Eine Kulisse perfekt für die Vampire. Und für mich: ihrem Todbringer.
Den Pflock halte ich immer noch in der Hand und lass ihn kreisen.
Wie der Pflock kreisen auch meine Gedanken. Kreisen um Jonas. Wo er wohl jetzt ist. Warum er wohl nicht bei mir geblieben ist. Warum? Ich kneife die Augen zu und schüttle einmal kurz meinen Kopf. Ich darf mich jetzt nicht ablenken lassen. Ich muss mich konzentrieren. Einmal nicht aufgepasst und ich bin dran. Sie sind nämlich schnell, sehr schnell. Doch ich bin schneller. Muss es sein. Die Rache verlangt es von mir.
Gleich bin ich am Friedhof. Er liegt dunkel und unheimlich vor mir. Er scheint leer, aber ich weiß das es nicht so ist. Sie lauern, hinter jedem Grabstein. Ich schreite zwischen den Reihen der Gräber hindurch und halte ausschau nach ihnen. Den Pflock fest in der rechten Hand blick ich mich um, halte meine Ohren offen. Und da sind schon die Ersten. Mit gefletschten Mäulern rennen sie auf mich zu. Ich bleib stehen. Athme nochmals tief ein und stürme ihnen dann entgegen. Die ersten drei kann ich ohne große Mühe erlegen, doch ein vierter schafft es mich zu verletzten. Zwar nur ein kleiner Kratzer, aber dieser reicht aus um die Bestien den noch verbliebenen Verstand zu rauben. Jetzt kommen sie von allen Seiten auf mich zugestürmt. Angetrieben von dem niemals endenwollenden Blutdurst. Ich zähle dreißig Vampire. Jeder einzelne will mich leersaugen. Sie sind mir Zahlenmäßig sowas von überlegen, aber ich geb nicht auf. Zwanzig kann ich auf der Stelle erlegen, ohne dass ich weitere Verletzungen erleide. Plötzlich springt mich jedoch einer von hinten an und beist mich mitten in den Hals. Von höllischen Schmerzen getrieben reiß ich ihn mir vom Rücken und ramme ihm den Pflock ins Herz. Schon kommen die nächsten. Ich muss diesen brennenden Schmerz vergessen. Muss weiter kämpfen, ansonsten bin ich Tod. Egal ob ich den wirklichen und reinen Tod erleiden werde oder einer von ihnen werden würde, beides stell ich gleich. Keins von diesen zwei Optionen steht für mich für Leben. Beides bedeutet Tod.
Die Letzten erledige ich so rasch wie möglich. Jetzt wo keiner mehr übrig ist kommt der Schmerz zurück. Kaum zu ertragen. Aus meiner Tasche zieh ich eine Flasche. Den Schraubverschluss reiß ich ab und gieß mir den Inhalt mitten auf die Wunde. Dieses Zeug, Remedium, ist meine einzige Möglichkeit um mich von der Vergieftung durch einen Vampir zu retten. Wenn nicht, ja dann wäre ich Tod. Remedium besteht aus dem lebensrettendem Elexier der helianthus und des arbore solems. Der Sonnenblume und des Sonnenbaums. Remedium ist poures Gift für Vampire und ist genauso wirksam wie der Pflock. Aber eben auch selten. Also absolut nur für Notfälle. Wie diesen hier.
Ich Wickle mir einen Schal um den Hals, um die Blutung zumindest ein bischen zu stoppen.
Jetzt muss ich so schnell wie möglich nachhause. Durch den Blutverlust bin ich ziemlich geschwächt. Morgen werde ich weiter kämpfen. Morgen.
Fortsetzung folgt...
Texte: Alle Rechte des Buches liegen bei mir.
Bildmaterialien: Cover made bei teetrinkerin nochmals ganz großes Dankeschön :)
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2011
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