1. Kapitel - Unterwegs im nächtlichen London
Wir schrieben das Jahr 2009. Es war eine kalte, sternenklare Nacht, kurz vor Mitternacht, ein leiser Wind pfiff, es herrschte Totenstille. Nur ab und an hörte man das Laub, welches vom Wind aufgewühlt wurde, rascheln. Eine Gestalt eilte durch die Stadt, wir befinden uns in London, das sollte nicht unerwähnt bleiben. Durch die Gassen und Gässchen und kleinen Seitenstraßen strich diese Gestalt, wohl weiblichen Geschlechts. Ihr Name war Nihil, aber dies war der Name, den sie sich gegeben hatte, weil sie fand, das er zu ihr passte. Nihil ist das lateinische Wort für Nichts. Und genauso war sie auch, wie ein Nichts, ein Niemand. Sie tauchte aus dem Nichts auf, urplötzlich, und ebenso plötzlich war sie wieder verschwunden. Ihr richtiger Name, auch wenn dies belanglos ist, lautete: Holly. Einfach nur Holly. Denn über ihren Familiennamen wusste niemand etwas. Nicht einmal sie selbst. Denn Nihil kannte ihre Familie nicht. Kein einziges Mitglied. Sie war im Waisenhaus aufgewachsen und aus diesem vor 3 Jahren geflohen, damals war sie gerade einmal 14 Jahre jung gewesen. Sie hatte es dort nicht mehr ausgehalten. Die anderen Kinder konnte sie nicht leiden, die Aufseher hasste sie und umgekehrt war es genauso. Seitdem schlug sie sich alleine durch, in den Straßen Londons. Sie war schon merkwürdig und beängstigend anzusehen. Mir ihren 1,60 Meter war sie zwar recht klein geraten, aber sie wusste sich ihrer zu wehren. Aber das Merkwürdige war das Schwert, dass über ihrem Rücken hing. Sie hatte sich regelmäßig fort geschlichen, um Unterricht zu nehmen, natürlich setzte sie es nie gegen Menschen ein, aber sie liebte es, in verlassenen Hallen zu üben, dann fühlte sie sich frei. Ihre Kleidung war einfach: eine schwarze Stoffhose, eine schwarze Tunika, ein langer, schwarzer Mantel, und schwarze Stiefel. Eine rote Umhängetasche baumelte an ihrer rechten Schulter, das war der einzige Farbklecks an diesem dunklen Wesen. In dieser befand sich nicht viel, ein wenig Kleidung, einige Plastikflaschen mit Wasser, Kaugummis. Die langen, dunklen Haare fielen offen über ihren Rücken, bis zu den Hüften, und umrahmten ein schmales, blasses Gesicht, aus dem grüne Seelenspiegel, einem entgegen blickten. Den Kopf gesenkt lief das junge Mädchen weiter, bis es an einem alten Fabrikgelände angekommen war. Flink kletterte sie über den Maschendrahtzaun und sprang auf der anderen Seite die letzten Meter nach unten, wo sie leichtfüßig landete. Eilig lief sie weiter, und dann sah sie ihn. Nathan. Ihr einziger Freund, und ihr Lehrmeister. Er hatte sie den Schwertkampf gelernt. Sie wusste fast nichts über ihn. Er sprach nie über seine Vergangenheit und nach einigen, gescheiterten Versuchen, etwas von ihm darüber zu erfahren, hatte sie es aufgegeben. Denn umgekehrt vertraute auch sie ihm kaum etwas von ihrer Vergangenheit an. Aber sie verstanden sich sehr gut, und bei ihm fühlte sie sich geborgen. Der junge Mann lächelte, als sie schließlich vor ihm stand. „Hi, Nathan. Wie geht es Dir?“ Der Angesprochene, ein junger Mann, etwa 20 Jahre alt, an die 1,80 Meter groß, mit schwarzem, hüftlangem Haar und grünen Augen und ebenfalls ganz in schwarz gekleidet, neigte den Kopf zum Gruße. „Ich kann nicht klagen. Und, ist bei dir alles in Ordnung?“ Er hatte Nihil ins Herz geschlossen, denn irgendwo waren sie beide... wie sollte man sagen... Ausgestoßene? In der Gesellschaft nicht akzeptiert oder sie wollten einfach nicht dazugehören. Das traf es eher. Das Mädchen zuckte mit den Schultern. Nathan wusste, dass er im Moment auf seine Frage keine Antwort bekommen würde. Er kannte diese Geste. Und akzeptierte es. „Wollen wir?“ er wies auf die Halle. Sie trafen sich regelmäßig dort, und maßen sich im Schwertkampf. Nihil machte große Fortschritte. Sie trainierte hart und verbissen. Als sei das Schwert ihr einzigster Lebensinhalt.
Nihil sah sich um. Der Mond schien hell, es war Vollmond. Es war hell genug um den Kampf heute ins Freie zu verlegen. „Wie wäre es, wenn wir heute hier draußen die Klingen kreuzen?“ schlug das Mädchen vor. Nathan nickte. „Wenn du möchtest. Gerne.“ Die Idee gefiel ihm. Nicht immer in der staubigen Halle gegen Nihil zu kämpfen. Nein, unter dem Vollmond.
Sie nahmen Kampfhaltung ein und das junge Mädchen schloss für einen Moment die Augen. Das tat sie immer. Als würde sie sich innerlich auf den Kampf gegen Nathan vorbereiten. Sie mochte ihn. Er war ihr einziger Freund. Ihr bester Freund. Dem einzigen Menschen, dem sie vertrauen konnte. Und dann begann der Kampf. Nihil ging sofort in die Offensive und bedachte Nathan mit einer ganzen Reihe von Angriffen, der parierte und ein Stück zurückwich, während sich Nihil einmal um die eigene Achse drehte und ausholte, doch der junge Mann war schneller. Während das junge Mädchen sich drehte, hatte er sich blitzschnell bewegt, und stand plötzlich hinter ihr. Nihil spürte Nathans Schwert an ihrer Kehle. Sie lächelte leicht. „Ich habe wohl einen Moment nicht aufgepasst. Dieser Kampf geht an dich. Aber ich will eine Revanche.“ Sie ließ sich ins Gras sinken und deutete neben sich. „Nach einer kurzen Pause, bitte.“ Der junge Mann setzte sich neben sie und musterte Nihil besorgt. Es war nicht normal für sie, schon nach einer Runde eine Pause zu verlangen. „Ist alles in Ordnung? Du wirkst noch blasser als sonst.“ Nihil sah zu Nathan. „Es war ein anstrengender Tag.“ antwortete sie nur. Mehr war auch nicht. Sie war wieder verfolgt worden. Von Leuten aus dem Waisenhaus. Man floh nicht so einfach. Schließlich wartete eine Familie auf einen, oder sonst irgendwer, und auf die Aufseher und vor allem den Besitzer eine Menge Geld. Das ihnen mit Nihils Flucht natürlich durch die Lappen gegangen war. Stundenlang hatten die beiden Männer sie gejagt, aber schließlich war das Mädchen ihnen entwischt. Sie ließ sich nicht wieder in diese Hölle zurückbringen. Niemals! Es war die schlimmste Zeit ihres Lebens gewesen. Kurz nach ihrer Flucht hatte sie Nathan getroffen. Sie war doch erst 14 gewesen und er hatte ihr geholfen. Hatte ihr die Hallen gezeigt, in denen sie seitdem lebte. Sie im Schwertkampf gelehrt. Er war ihr engster Vertrauter. Und Nathan hatte seinerseits eine Art Beschützerinstinkt für Nihil entwickelt. Auch wenn sie nicht mehr so hilflos und so auf ihn angewiesen war, wie noch vor 3 Jahren. Sie hatte ihn über den Haufen gerannt, er hatte nicht lange gezögert, sie an der Hand genommen und sie zu dem alten Fabrikgelände gebracht, das seit etwa einem Jahr sein zu Hause war. Dort war man ungestört und einsam, weil sich niemand dorthin verirrte. Oder es wagte, das Gelände zu betreten. Dem Maschendrahtzaun und den Warnschildern sei Dank.
Davon hatte sich der junge Mann natürlich nicht abhalten lassen. Und so lebte er dort nun und regelmäßig kam Nihil vorbei. Wo sie lebte wusste er nicht. Aber es gab viele verlassen Hallen in London. Und wenn sie wollte, konnte sie auch hier einziehen. Er nutzte die Halle ja nur als Unterkunft für die Nacht. Tagsüber verweilte er in den Straßen und Gassen Londiniums, ebenso wie Nihil. So nannte man London früher. Londinium. Aber zurück zu jener sternenklaren Vollmondnacht im Herbst...
Nach einer Weile sprang Nihil auf. „Weiter!“ sie bemühte sich, ein Lächeln zustande zu bringen, welches man als solches werten konnte und sah abwartend zu Nathan. Der Angesprochene stand auf und erwiderte das Lächeln. „Gerne doch, ganz wie du möchtest.“ natürlich merkte er, wie sehr sie unter den ewigen Verfolgungen litt, aber wenn sie nicht darüber reden wollte, konnte er sie nicht zwingen. Und in einem Jahr wird ohnehin alles vorbei sein, da wird Nihil nämlich 18 Jahre alt. Und niemand, rein niemand, kann sie dann noch zwingen in das Waisenhaus zurückzukehren, denn mit 18 hätte man sie ohnehin raus geworfen, sofern sie von niemandem adoptiert worden war. Die Sonne war schon beinahe aufgegangen,das Leuten der Kirchenglocken sagte ihnen, dass es 5.00 Uhr morgens war, als die beiden Kämpfer beschlossen, dass es für diese Nacht genug war. Nihil hatte schnell zu ihrer alten Gewandheit und Verbissenheit, vorallem aber zu ihrem Geschick zurückgefunden. Es war trotzdem ein Unentschieden, von 10 Kämpfen, es waren relativ kurze Auseinandersetzungen gewesen, hatten sie beide jeweils 5 für sich entschieden. Nihil begleitete Nathan in die Halle. „Ich würde heute gerne hier bleiben.. wenn es dir keine Umstände bereitet.“ ihre zarte Stimme war kaum zu hören. Nathan nickte und seufzte leise. „Nihil, du weißt genau, dass es mir keinerlei Umstände bereitet, und dass ich mich freue, wenn du da bist.“ Das Mädchen lächelte. Sie wusste, das Nathan sie sehr gern hatte. Er war einfach zu durchschaubar. Doch Nihil ging es nicht anders, auch sie mochte Nathan sehr gern, er war der einzigste Mensch, dem sie bedingungslos vertraute, ja Nathan würde sie ihr Leben anvertrauen. Und er war der einzige Freund, den sie hatte. Sie machten es sich also in den Hallen gemütlich. Bald darauf war Nihil eingeschlafen. Hier fühlte sie sich sicher. Hier konnte ihr nichts passieren. Nathan würde auf sie aufpassen, sie beschützen. Der junge Mann betrachtete das junge Mädchen eine Weile, dann beschloss er, „Einkaufen zu gehen“. (Mittlerweile war es etwa 6.00 a.m.). Nihil würde hungrig sein, wenn sie wach wurde. Er zog das Tor hinter sich zu und verschloss es sorgfältig, bevor er über den Maschendrahtzaun kletterte und sich auf den Weg zum Markt machte. Heute war Wochenmarkt, eigentlich war die ganze Woche über Markt, aber heute, an einem Sonntag, waren noch mehr Stände da. Wenn man kein Geld hatte, und von der Gesellschaft nicht akzeptiert wurde, musste man sich sein Essen eben auf anderem Wege beschaffen. Er schlich eine knappe Viertelstunde durch die Menge, bis er einen Obststand entdeckte und darauf zuhielt. Ein paar Äpfel und Birnen verschwanden in seiner Tasche, dann sprintete er los. Er war noch nie erwischt worden. In einer kleinen Seitengasse hielt er an. Ohja, diese Rufe kannte er zu Genüge. „Haltet den Dieb, so haltet ihn doch!“ Und wie sie nach einer Weile verklangen, weil er schon über alle Berge war. Er lachte leise und machte sich auf den Rückweg.
Nihil war mittlerweile wach geworden. Das Tor war zu, das hieß, Nathan war unterwegs. Bestimmt „einkaufen“. Wie er sich um sie kümmerte, es war rührend. Und ungewohnt. Natürlich war das schon seit 3 Jahren so, aber Nihil hatte sich noch immer nicht wirklich daran gewöhnt, das es einen Menschen gab, der für sie sorgte, der sich um sie sorgte. Aber sie hatte tatsächlich das Glück, dass es einen solchen Menschen gab. Sie streckte sich, gähnte herzhaft, und kramte dann in ihrer Tasche nach einer Wasserflasche. Trank einen Schluck und zuckte zusammen, als sie ein Geräusch vernahm, und das Tor sich öffnete. Falscher Alarm. Es war Nathan. „Guten Morgen. Na, gut geschlafen?“ fragte er lächelnd und setzte sich neben sie. „Natürlich.“ antwortete Nihil lächelnd. Hier schlief sie beinahe immer gut, außer es plagten sie Albträume. Ein Apfel fand den Weg in ihre Hand. Ja, es war wirklich rührend. Aber für Nathan war es selbstverständlich und Nihil wusste das. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, sich dagegen zu wehren. Nathan wollte für sie da sein, sich um sie kümmern und Punkt. „Danke. Für alles, was du für mich tust.“ Sie wusste gar nicht, wie oft sie sich schon bedankt hatte, bestimmt schon 100 Mal. Nathan antwortete mit einem Kopfnicken und biss in einen Apfel, auch Nihil begann, an ihrem zu knabbern. Ihr Leben hatte sich ziemlich verändert, war gefährlich geworden, aber auch unendlich schöner. Das Leben im Waisenhaus, das konnte man nicht Leben nennen.. es war die Hölle gewesen. Die Aufseher streng und ungerecht. Die Strafen hart und unmenschlich. Alles in allem grausam. Aber das war nun vorbei. Endgültig.
2. Kapitel - Damien Strange
Damien Strange schlich durch die Straßen Londons. Der unauffällige, junge Mann, mit den halblangen schwarzen Haaren und den dunklen Augen, lebte schon seit 22 Jahren hier, schlichtweg sein ganzes Leben. Er war um die 1,88 Meter groß und schlank. Damien hatte es nicht schlecht. Natürlich verdiente man mit einem Buchladen nicht gerade viel, aber für ihn reichte es. Er liebte Bücher, schon seit er ein kleiner Junge gewesen war. Und für ihn war für Anfang an klar gewesen, dass er seinen eigenen Laden aufmachen würde. Da seine Eltern früh gestorben waren, die Mutter bei der Geburt, der Vater ein Jahr später (er hatte es nicht verkraften können, das seine geliebte Frau die Welt der Lebenden verlassen hatte) war Damien bei einer Pflegefamilie aufgewachsen, denn Verwandte hatte er hier nicht und seine Großeltern waren zu alt, um sich um ein Kleinkind kümmern zu können. Gerade war er auf dem Weg zu seinem Geschäft, die Mittagspause war vorbei, und es war Zeit den Laden für den Nachmittag zu öffnen. Noch ein paar Meter und er hatte sein Ziel erreicht. „Strange World“, sein Lebensinhalt. Er kramte den Schlüssel aus der Jackentasche und schloss auf. Der Duft der Bücher schlug ihm entgegen und lächelnd trat er durch die Türe und brachte das „Geöffnet!“-Schild an. Ob heute wohl noch Kundschaft zu erwarten war? Sicherlich, dachte er optimistisch. Und solange niemand kam, hatte er Zeit die neue Lieferung einzuräumen. Damien verschwand im Lager und kam wenig später mit 2 Kisten zurück. Fantasybücher und einige Bildbände. Er stellte die Kisten ab und machte sich daran die Bildbände in das dafür vorgesehene Regal einzuräumen, neben die anderen Bände die dort auf einen Käufer warteten. Das Regal enthielt Bildbände von Irland und Schottland, auch England war vertreten und nun erhielten sie Gesellschaft von Neuseeland-Bildbänden. Damien hatte dieses Land noch nie bereist, aber es musste, laut der Bücher, wunderschön sein. Das Läuten der Türglocke ließ ihn zusammenfahren. Er drehte sich um. „Guten Tag! Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Seine freundliche Stimme, ebenso wie sein höfliches und nettes Auftreten machten ihn sympathisch. Die ältere Dame sah sich um und kam dann auf ihn zu. „Ich suche...“ begann sie, hielt inne, und meinte schließlich: „Führen Sie Krimis? Beispielsweise Agatha Christie?“ Der junge Mann nickte. „Selbstverständlich. Suchen Sie einen bestimmten Krimi?“ „Nein, nein.“ antwortete die Kundin. „Na, dann kommen Sie mal mit.“ Damien führte sie zu einem Regal, an dem ein Schild angebracht war. „Kriminalromane“. Die Dame nickte und ging interessiert am Regal entlang. „Falls Sie mich brauchen, ich bin vorne und räume die Bücher ein.“ Er ging zurück und fuhr mit seiner Arbeit fort.
Etwa eine halbe Stunde später kam die Kundin, sie hieß Mrs. Smith, wie sie Damien kurz vorher gesagt hatte, zurück. Offenbar war sie fündig geworden. „Diese beiden hier.“ Damien las die Titel. „Gute Wahl. Das macht dann...“ er führte Mrs. Smith zur Kasse. „... 30 Pfund, insgesamt.“ Mrs. Smith zahlte, bedankte sich und verließ den Laden. „Ich habe zu danken.“ antwortete Damien noch, bevor die Tür sich schloss. Der restliche Nachmittag verlief ohne besondere Vorkommnisse. Keine Kundschaft mehr, er erledigte die restliche Arbeit, wie Bücher einräumen, Kasse abrechnen, Laden aufräumen und hängte um 7 Uhr abends schließlich das „Geschlossen!“-Schild an die Türe, um letztendlich in seiner Wohnung über dem Geschäft zu verschwinden. Diese war nicht sehr groß, aber für ihn war es mehr als genug, er lebte lieber schlicht und einfach. Damien machte sich eine Tiefkühlpizza und während diese im Ofen verweilte, schaltete er den Fernseher an. Man wollte ja wissen, wie es in der Welt so zuging. Die Nachrichten gaben nichts Erwähnenswertes von sich, daher beschloss er nach seiner Pizza zu sehen, als Koch war er ein hoffnungsloser Fall, also hielt er sich mit Tiefkühlkost am Leben, nicht gerade die gesündeste Ernährung, aber er trieb ja viel Sport (Laufen, Schwimmen, Fitnessstudio und so was.). Die Pizza war fertig, Damien holte sie aus dem Ofen und verbrannte sich prompt die Finger. „Damn!“ fluchte er, nicht gerade die feine englische Art. „Verflucht nochmal.“ grummelte er vor sich hin, während er die Pizza auf einen Teller bugsierte und anschließend seine Finger unter kaltes Wasser hielt. Als der Schmerz nachgelassen hatte, setzte er sich an den Tisch und verputzte einen Teil der Pizza, den Rest würde er für morgen Abend aufheben. Abwasch und dann ein gutes Buch lesen, so lautete der Plan für den heutigen Abend. Ziemlich entspannt und relaxt also. Nach getaner Hausarbeit schnappte er sich sein Buch und machte es sich im Sessel gemütlich. Gegen Mitternacht suchte er sein Bett auf. So ging auch dieser Arbeitstag zu Ende.
3. Kapitel - Fürsorge oder Liebe?
Den restlichen Tag hatte Nihil in London verbracht. Trotz der Gefahr, wieder verfolgt zu werden. Nathan war in den Hallen geblieben, Schlaf nachholen. Das Mädchen strich durch die Straßen, vorsichtig. Aber diesmal lief alles gut. Keine Aufseher. Sie konnte sich wie ein normales Mädchen fühlen, ohne die Angst, den Druck. Sie liebte London. Auch wenn sie hier die schlimmste Zeit ihres Lebens verbracht hatte. Aber hier hatte sie Nathan kennen gelernt...
Als es dämmerte, kehrte sie zu den Hallen zurück. Behände kletterte sie über den Zaun, überquerte den Rasen und öffnete leise das Tor. Ebenso leise trat sie ein. Und ja, Nathan schlief noch. Zusammengerollt lag er auf dem Boden. Sie setzte sich neben ihn. Sollte sie ihn wecken? Nein. Er brauchte schließlich auch seinen Schlaf. Für das Abendessen, hatte sie heute gesorgt. Und sie hatten noch die Äpfel vom Morgen. Sie hatte einen Laib Brot stibitzen können. Das musste reichen. Lächelnd betrachtete sie ihren schlafenden Freund, welcher nach einer Weile wach wurde. „Guten Morgen, Schlafmütze.“ neckte sie ihn, während er sich aufsetzte und ausgiebig streckte. „Schlafmütze?“ wiederholte er lächelnd und fuhr sich durch das zerzauste Haar. „Gut geschlafen?“ erkundigte sich Nihil und Nathan nickte. „Wie war's in der Stadt?“ „Schön. War alles okay. Habe uns Brot mitgebracht.“ antwortete Nihil und kramte ihre Wasserflasche aus der Tasche. „Durst?“ Der junge Mann nickte und trank einen Schluck. „Danke.“ Ein Kopfnicken. Sie verstanden sich ohne Worte. Manchmal kam es Nihil so vor, als würde Nathan sie besser kennen, als sie selbst. Vielleicht war es auch so. Sie waren die besten Freunde. Erzählten sich fast alles. Vertrauten sich bedingungslos.
Ob sie ineinander verliebt waren? Nihil bewunderte Nathan und hatte ihn, wie schon erwähnt, sehr gern. Nathan hatte Nihil sehr gern. Aber Liebe? Nun, warten wir es ab.
4. Kapitel - Kaffee, Kaffee!
„Piep-piep-piep-piep...“ Das nervtötende Piepsen des Weckers war das erste Geräusch, welches am nächsten Morgen an Damiens Ohren drang. Schlaftrunken und genervt tastete der junge Mann nach dem Verursacher, bekam den Wecker zu fassen und schaltete ihn aus. Dumme Gerätschaft. Und das schon morgens um halb sieben. Damien streckte sich und stand schließlich auf. Der Laden wollte um halb acht geöffnet sein und er wollte nicht das die Kundschaft ein schlechtes Bild von ihm bekam. Er tapste like Morgenmuffel Damien Richtung Küche. Erstmal Kaffee trinken. Okay, erst einmal Kaffee kochen. Er schlich gen Kaffeemaschine, kramt nach einem Filter, Pulver rein, Maschine an. Dann hieß es warten. Während die Maschine ihm sein Lebenselixier zubereitete, schlurfte Damien zurück ins Schlafzimmer und zog sich um. Bluejeans, schwarzes T-Shirt und Sneakers. Hoffend, dass der Kaffee fertig sei machte er sich auf den Weg in Richtung Küche. Damien seufzte. Beinahe. Die Maschine war wirklich reizend langsam. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und sah aus dem Fenster. Regen trommelte gegen die Scheibe. Das für London so typische Wetter. „It's raining men..“ summte Damien und warf einen Blick Richtung Kaffeemaschine. Das war noch zum Verrückt werden mit diesem Teil. Mittlerweile war es 7.00 a.m. In einer halben Stunde musst er den Laden aufsperren und... na endlich! Damien sprang auf, schnappte sich eine Tasse aus dem Geschirrschrank und schenkte sich Kaffee ein. Er trank seinen Kaffee grundsätzlich schwarz. Ohne Milch. Ohne Zucker. Er trank einen Schluck – heiß und kräftig rann das Gebräu seine Kehle hinab. Eine Wohltat. Ohne seinen allmorgendliche Tasse würde er niemals den Tag durchstehen. Er füllte den Rest in eine Thermoskanne um, schnappte sich eine Banane aus der Obstschale und polterte samt Tasse die Treppe hinunter. Er stellte beides in dem kleinen Raum ab, in den er sich zurückzog, wenn keine Kunden im Laden waren, trank die Tasse leer und platzierte sie neben die Kanne auf den Tisch, bevor er sich über die Banane hermachte. Das reichte ihm als Frühstück völlig. Schale traf Mülleimer und schon wuselte er durch den Laden. Rückte da ein Buch zurecht, räumte dort etwas ein. Pünktlich schloss er den Laden auf. Wer sich wohl heute hierher verirren würde?
5. Kapitel - Das Hardwick-House
Den „Eispalast“. So nannten die Kinder das Waisenhaus. Eigentlich war es das „Hardwick-House“. Benannt nach der Direktorin. Mrs. Helen Hardwick. Eigentlich ein netter Name, was? Aber da täuschte man sich gewaltig. Groß, hager, spitznasig, von den Kindern gefürchtet. Eine Kälte ausstrahlend, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Deswegen auch der Name, den die Kinder dem Gemäuer gegeben hatten. Das ganze Gebäude strahlte drinnen wie draußen eine solche Eiseskälte aus, niemand würde dort freiwillig leben. Die Waisen konnten einem Leid tun. Sie fristeten ihr Dasein, in der Hoffnung, adoptiert zu werden. Teil einer liebevollen Familie zu werden. Sie hofften auf nette und verständnisvolle Pflegeeltern. Alle Kinder hatten Holly für ihren Mut, ihre Sturheit, oder auch Aufsässigkeit bewundert. Für den Mut, dass sie geflohen war, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Die meisten von ihnen waren ängstlich, und von daher folgsam. Mrs. Hardwick war bekannt für ihre grausamen Strafen. Böse Kinder müssen bestraft werden, pflegte sie immer zu sagen, und dieser Satz war wortwörtlich zu nehmen. Aber Holly, sie war ganz anders gewesen. Hatte sich nichts sagen lassen, und war mehrmals in der Woche in den Keller gesperrt worden. Manchmal sogar mehrmals am Tag und auch über Nacht. Aber sie hatte sich davon niemals einschüchtern lassen. Und dann, eines Morgens, vor 3 Jahren, war sie weg gewesen. Einfach weg. Geflohen. Still, leise und heimlich. Und niemand hatte sie je wieder gesehen. Natürlich hatte die alte Hardwick sofort nach dem Mädchen suchen lassen. Aber ohne Erfolg. Steven und Hardy, die beiden Aufseher, waren ohnehin ein totaler Reinfall, wenn es darum ging, jemanden zu verfolgen, geschweige denn einzufangen. Holly war und blieb verschwunden. Und nach 3 Jahren, standen die Chancen noch schlechter. Sie waren von Anfang an gering gewesen. Aber in einem Jahr hätte die Sucherei ohnehin keinen Sinn mehr. Dann war Holly volljährig. Dann war sie frei.
6. Kapitel - Strange World
Als Nihil am nächsten Morgen wach wurde, war Nathan nicht in der Halle. Das Mädchen fuhr sich durchs Haar und rappelte sich auf. Rasch lief sie nach draußen. Ah, er übte. Eine Weile sah sie ihm still zu. Bewundernd. Staunend. Wie er sich bewegte, wie das Schwert die Luft zerschnitt, Muster zeichnete. Schließlich ging sie zu ihm. „Guten Morgen, Nathan. Wollen wir heute zusammen in die Stadt?“ Der Angesprochene drehte sich um. Ein kurzes Lächeln. Dann ein Nicken. „Ich bring nur schnell...“ ein Deuten auf die Schwerter, ein Deuten gen Hallen. Während Nathan die Schwerter in die Halle zurück brachte und das Tor verschloss, rührte sich Nihil nicht von der Stelle. Nathan kam zurück und schließlich machten sich die Beiden auf den Weg in die Stadt. Eine Weile streiften sie einfach so herum, doch dann fiel Nihil ein Laden auf. Und das Schild „Strange World“. Sie lief darauf zu und betrat den Laden, Nathan folgte ihr. Das Läuten kündigte sie an, und da kam auch schon der Inhaber. Ein junger, gut aussehender Mann. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Nihil schien überrascht, hatte sie doch einen älteren, großväterlichen Mann erwartet. „Ähm.. wir sehen uns nur um.“ brachte sie schließlich heraus und verschwand mit hochrotem Kopf in einem der Gänge. Nathan beäugte den Besitzer misstrauisch. „Damien Strange.“ stellte sich dieser vor und hielt dem jungen Mann eine Hand hin. „Nathan. Einfach nur Nathan.“ er ergriff die Hand und schüttelte sie kurz. „Und die junge Dame...?“ Damien sah Nathan fragend an. „Nihil?“ rief der Gefragte leise. Diese steckte den Kopf aus einem der Gänge. „Nihil, dein Typ wird verlangt.“ fuhr Nathan fort und deutete auf Damien. Das Mädchen kam langsam auf Damien zu. „Damien Strange.“ wiederholte dieser seinen Namen. „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Hol- Nihil. Ich bin Nihil. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ „Die Freude ist ganz meinerseits.“ Nathan verdrehte lächelnd die Augen, als sich Nihils Wangen erneut leicht rot färbten. Sie lächelte Damien zu und verschwand dann kurzerhand wieder in Richtung der Regale. Nathan folgte ihr kurz entschlossen. Zwar konnte er mit Büchern nicht recht viel anfangen. Aber Nihil schien es hier zu gefallen. Oder.. Ach, Quatsch.. Oder doch? Gefiel Damien ihr etwa? Moment.. War er etwa eifersüchtig? Er, Nathan? Nein! Sicher nicht. Er schüttelte den Kopf. Unsinn.
Nihil war mittlerweile vor dem Regal mit den Bildbänden stehen geblieben und hatte ein Buch in der Hand, in welchem sie fasziniert blätterte. Damien trat hinter sie. „Neuseeland ist wahrlich ein wunderschönes Land.“ hörte sie ihn sagen. Sie blätterte weiter und nickte. Nathan hatte mittlerweile ein Regal entdeckt, welches gut mit Büchern jedweder Kampfarten bestückt war und hatte auch schon entdeckt, wonach er gesucht hatte. „Techniken des Schwertkampfes“. Selbst ein so guter Kämpfer wie er, konnte noch etwas lernen.
Zwei Stunden später. Die beiden waren noch immer in Damiens Buchladen. Nihil hatte sich mit einem neuen Bildband, diesmal war es ein Buch über Irland, auf den Boden sinken lassen, Nathan blätterte mit wachsender Begeisterung in dem Exemplar über den Schwertkampf. Damien kam hinzu. „Der Laden schließt für eine Stunde. Wollt ihr hier bleiben, oder später wiederkommen?“ fragte er. Er würde ja nur kurz nach oben gehen, und neuen Kaffee kochen. Den Laden würde er nicht verlassen, stattdessen würde er seine Wohnung und das Geschäft ein wenig aufräumen. Er hatte die beiden ins Herz geschlossen, warum sollte er sie also hinauswerfen? Natürlich tat er das sonst nicht, nie erlaubte er Kunden im Laden zu bleiben, während der Mittagspause. Aber etwas sagte ihm, dass es richtig war. Ungewöhnlich und spontan, aber richtig. Nathan reagierte nicht, so vertieft war er in das Buch. „Wir würden gerne bleiben, wenn es Ihnen keine Umstände bereitet.“ erklang es leise. Damien drehte den Kopf. Nihil. „Nein, nein. Das ist schon in Ordnung. Ich bin ja gleich wieder da.“ er nickte ihr zu und verschwand dann rasch Richtung Treppe. Er lief in die Küche, und setzte die Kaffeemaschine in Gang, dann ging er ins Schlafzimmer, machte das Bett und stellte das Buch, welches zwischen den Kissen lag, zurück ins Regal. Im Wohnzimmer angekommen kippte er das Fenster und rückte die Kissen auf der Couch zurecht. Noch rasch mit dem Staubsauger durch die Wohnung. So. Das sah doch schon viel besser aus. Er eilte zurück in die Küche, der Kaffee war fertig. Schnell in die Thermoskanne umfüllen, die erste stand noch halbvoll unten, aber sicher war sicher. Lieber zu viel Kaffee als zu wenig. Er schloss die Wohnung ab und eilte zurück in den Laden, wo er Nathan und Nihil noch immer in die Bücher vertieft vor fand. „Wieder da.“ ließ er verlauten und verschwand auch schon im Lager. Heute morgen war eine Lieferung Horrorbücher angekommen. Als er mit der Kiste das Lager verließ, stieß er beinahe mit Nihil zusammen, die seinen Weg kreuzte. „Hoppla..“ er hätte nun fast die Kiste fallen gelassen. „Achtung, junge Dame.“ er schmunzelte. „Oh, entschuldigt, bitte.“ „Hey, schon gut. Es ist doch nichts passiert, oder?“ er lächelte kurz und entschwand dann in einem Gang zwischen zwei Regalen. Nathan las noch immer in dem Buch. Sie setzte sich neben ihn, er schien es nicht zu bemerken. Sie linste über seine Schulter. Ja, das Buch schien interessant zu sein. Ziemlich sogar. Manche der Tricks waren ihr bekannt, von anderen hingegen hatte sie noch nie gehört. Was es nicht alles gab. Jedenfalls schien heute kein guter Tag zu sein. Keinerlei Kundschaft fand den Weg in den Buchladen. Die einzigen Gäste waren Nathan und Nihil. Diese blieben auch, bis Damien letztendlich den Laden für heute zu sperren musste. Nihil hatte schon beschlossen, das Geschäft am nächsten Tag erneut aufzusuchen. Irgendwas an Damien faszinierte sie, außerdem hatten es ihr die Bildbände angetan. Der ganze Laden war wunderbar. Nathan und sie liefen langsam Richtung der Hallen. Nathan war ungewohnt schweigsam. Fast schon... abweisend? „Nathan, ist alles in Ordnung?“ fragte sie zaghaft. Nathan blieb stehen und sah sie eine Weile schweigend an. „Aber ja, natürlich. Was soll denn nicht stimmen?“ er versuchte, seine Stimme freundlich klingen zu lassen, es gelang ihm. Nihil nickte, aber nun war ihr Misstrauen geweckt. Irgendwas.. stimmte nicht mit ihm. Oder war das Einbildung?
Damien hingegen hatte es sich mittlerweile mit seiner Pizza im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Das Backen der Pizza war natürlich nicht ohne Fingerverbrennen vonstatten gegangen. Aber das war er gewöhnt. Währen er sein Abendessen aß, dachte er über den heutigen Tag nach. Seltsam waren die beiden ja schon gewesen. Allein vom Aussehen her. Aber er fand sie nett. Besonders Nihil. Ihre schüchterne Art. Als würde sie allen zur Last fallen. Obwohl es natürlich nicht so war. Fand er jedenfalls.
Nihil und Nathan hatten währenddessen die Lagerhallen erreicht. Es war noch nicht spät, vielleicht 20 Uhr. „Lust auf einen abendlichen Kampf?“ wollte Nathan nach ein paar Minuten des Schweigens wissen. Nihil nickte begeistert. Sie liebte die Kämpfe mit Nathan. Sie ließen sie alle Sorgen und Ängste vergessen. Sie fühlte sich frei. Schwerelos. Glücklich.
Nathan neigte den Kopf und lächelte. Er schnappte sich sein Schwert, und warf Nihil ihres zu, die es geschickt auffang. „Na dann. Auf geht’s!“ Sie lief nach draußen auf den Rasen. Nathan folgte ihr. Und der Kampf begann...
Nihils Fertigkeiten reichten beinahe an Nathans heran. Der Kampf war somit fast ausgeglichen. Aber nur beinahe. Doch Nihil war sehr gut. Schlag auf Schlag folgte. Die Schwerter klirrten. Funken stoben. Auf Zuschauer könnte es wie ein Duell auf Leben und Tod wirken. Aber das war es nicht. Es war ein „normaler“ Trainingskampf. Wie fast jede Nacht. Es wirkte gespenstisch. Zwei dunkle Gestalten mit Schwertern. Und das im London des 21. Jahrhunderts. Sie hatten schon manch erstaunten, manchmal auch entsetzten Blick auf sich gezogen, wenn sie mit ihren Waffen, durch die Stadt spaziert waren. Was sie aber nicht mehr taten, seid man ihnen die Polizei auf den Hals gehetzt hatte. Wegen der Waffen. Die Leute hätten Angst. Angst um ihr Leben. Wie schwachsinnig. Als wären er und Nihil mordende Irre..
Als der Morgen graute, beendeten sie ihr Training. Irgendwie brauchten die beiden nicht mehr viel Schlaf. Maximal 4 Stunden. Gewöhnungssache. Für die beiden kein Problem.
„Genug?“ meinte Nathan schmunzelnd. Nihil hob den Kopf. „Mh, was? Ja, ich denke schon.“ Sie konnte Damien nicht vergessen, deshalb klang ihre Antwort ein wenig abwesend. Nathan trat zu ihr und sah sie prüfend an. „Was ist los?“ wollte er wissen. Er klang besorgt. Dabei ahnte er fast, warum seine Freundin so abwesend war. Er schluckte den Ärger hinunter, die Eifersucht. Die ihn durchflutete. Mit einem Mal. Er schnappte sich die Schwerter und ging in Richtung der Hallen. Ohne eine Antwort seitens Nihil abzuwarten. Er wollte nicht mir ihr streiten. Nicht wegen diesem Typen. Nath hatte gesehen, wie Nihil diesen Damien angesehen hatte, wie sie wegen Kleinigkeiten rot angelaufen war. So kannte er Nihil nicht. Bestimmt.. hatte sie sich verknallt. Hals über Kopf. Eigentlich, ja, eigentlich sollte er sich für sie freuen. Sie schien glücklicher zu sein. Aber fühlte bloß diese Wut, diese Eifersucht. „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft...“, murmelte er so leise, dass es niemand hören konnte. Er würde einfach so tun, als hätte er nichts bemerkt. Und vielleicht hatte er sich ja auch getäuscht..? Nihil hatte sich mittlerweile zu Nathan gesellt. „Nichts, was soll sein? Ich würde nur gerne.. also, wenn es dir nichts ausmacht.. in den.. Buchladen gehen.“ Sie sah zu Nathan. „Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht möchtest.“ fügte sie schnell hinzu. Es sollte nicht so klingen, als wollte sie ihn nicht dabei haben. Nath schüttelte den Kopf. „Gehe nur. Ich komme nicht mit.“ es klang.. resigniert. Er konnte Damien einfach nicht leiden. Nicht, dass er ihm unsympathisch war. Nein. Es war eben wegen Nihil. Er liebte sie. Ja, verdammt, es war so. Seit er sie das erste Mal gesehen und mit zu den Hallen genommen hatte. Das war mittlerweile 2 oder sogar schon 3 Jahre her. Jahre stiller Hingabe und Liebe. Und dann kam dieser Typ.. grrr. Er merkte, das Nihil immer noch neben ihm stand. Er lächelte. „Na los. Geh' schon.“ er versetzte ihr einen leichten Stoß zum Zaun hin. Das Mädchen winkte Nathan noch einmal zu und kletterte dann flink den Zaun hoch. Sprang oben angekommen auf der anderen Seite ins Gras und lief los. Bald hatte sie die Stadt erreicht und eilte durch die Straßen zum Buchladen. Strange World. Schon stand sie vor der Türe des Ladens.. und zögerte.
7. Kapitel - Strange World 2 (nur vorübergehend.!)
Er hatte sie schon gesehen. Damien stand am Fenster seiner Wohnung und sah auf die Straße hinunter. Dorthin, wo Nihil stand. Vor der Türe seines Ladens. Traute sie sich nicht hinein? Es sah ganz so aus. Damien stieß sich mit beiden Händen vom Fensterbrett ab und lief gen Wohnungstüre und in den Laden hinunter. Irgendwann würde sie schließlich hereinkommen. Oder auch nicht. Aber natürlich betrat Nihil den Laden. Nachdem sie minutenlang vor der Türe gestanden hatte. Seit wann war sie so zurückhaltend? Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Aber immerhin stand sie jetzt im Laden. Schweigend. „Hallo, Nihil.“ Damien lächelte ihr zu. Die Wangen des Mädchens färbten sich rot. „Ehm. Hey..“ Um Gottes Willen, das war ja zum Verrückt werden. Sie lief in einen der Gänge und verschwand zwischen den Regalen. Damien folgte ihr. „Na, wie geht es dir?“ Nihil drehte sich um. „Mir? Ganz gut soweit. Und.. dir?“ sie wusste nicht, warum sie sich in Damiens Nähe so wohl fühlte.. Sie mochte ihn. Er war ihr sympathisch.. Oder war da mehr? Damien war noch einen Schritt näher gekommen. „Gut, gut. Danke der Nachfrage.. Sag mal.. hast du Lust, hier zu arbeiten.. Nachmittags? Oder so? Muss ja nicht jeden Tag sein..“ er suchte wirklich jemanden, der ihm im Laden half. Und er mochte Nihil. Warum also Zettel aushängen und irgendjemand anders nehmen.. Nihil war vollkommen perplex. „Ahm.. also.. naja, ich.. ich weiß nicht.. ich würde schon.. gerne.. sogar..“ stotterte sie. Liebend gerne. „Ich glaub', ich hab mich.. verliebt.“ dachte sie überrascht, verwundert. Der junge Mann schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Wunderbar. Soll ich dir den Laden zeigen? Das Lager und so. Wo alles ist. Quasi mein System.“ Das Mädchen nickte. „Sehr gerne.“ langsam verschwand ihre Schüchternheit. Zum Glück. Sie fühlte sich nicht mehr befangen. Nein, sie fühlte sich wunderbar. So gut, wie schon lange nichtmehr. Damien zeigte in Richtung einer Türe. „Dort ist das Lager. Ladies first?“ er schmunzelte. Ja, er fühlte sich richtig gut. Glücklich. Er hatte.. Schmetterlinge im Bauch. Liebe auf den ersten Blick? Gab es sie tatsächlich? Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als er ein lautes Poltern hörte. Es schien aus dem Lager zu kommen. Nihil jedenfalls stand nicht mehr neben ihm. Was zum...?
Er eilte ins Lager. „Nihil?“ rief er und dann sah er sie. Nihil hockte auf dem Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den rechten Knöchel. „Ich bin über eine Kiste gestolpert.“ Das passte so gar nicht zu ihr. Sie war nicht tollpatschig. Aber irgendwie hatte sie die Kiste übersehen. Damien kniete sich rasch neben sie. „Achherje.“ stirnrunzelnd betrachtete er den Knöchel des Mädchens, der immer stärker anschwoll und sich langsam blau verfärbte. „Also, verstaucht ist er auf jeden Fall.“ er klang besorgt. „Verdammt noch mal..“ murmelte Nihil und versuchte sich aufzurichten, was sich aber als ganz schlechte Idee herausstellte. Kaum hatte sie sich aufgerichtet, schoss ein Schmerz durch ihren Knöchel, der sie zurücksinken lies. Damien drückte sie sanft auf den Boden. „Nicht!“ mahnte er. Immer besorgter wurde sein Blick, seine Stimme. Das Mädchen nickte nur. „Du solltest einen Arzt aufsuchen. Ich kann dich hinbringen.“ schlug der junge Mann vor. Nihil schüttelte den Kopf und sah plötzlich entsetzt aus. „Nein, nein! Das geht nicht!“ erneut versuchte sie sich aufzurichten, schaffte es auch, jedoch nur für ein paar Sekunden. Ihre Beine versagten erneut den Dienst und sie fiel Damien in die Arme, der sie auffing und festhielt. „Langsam, langsam.“ Er hob sie hoch. „Erst einmal bringe ich dich in meine Wohnung, okay? Wir müssen den Knöchel zumindest kühlen.“ Er wartete ihre Antwort gar nicht ab, sondern brachte sie rasch nach oben, wo er sie auf der Couch absetzte und, nachdem er ihr einen mahnenden Blick zugeworfen hatte, im Bad verschwand. Damien nahm ein Handtuch aus dem Regal und hielt dieses unter kaltes Wasser. Warum hatte Nihil nur so panisch ausgesehen, als er angeboten hatte, sie zum Arzt zu bringen? Er überlegte. Ein bisschen merkwürdig war sie ja schon. Aber er mochte sie. „Sie wird schon ihre Gründe haben.“ überlegte er. Damien drehte das Wasser zu und wrang das Handtuch ein wenig aus, bevor er zurück zu Nihil ging, die ganz bleich auf dem Sofa saß und ihren Knöchel betrachtete. „Tut es sehr weh?“ frage der junge Mann besorgt und legte dann vorsichtig das Handtuch auf die Verletzung. Nihil atme hörbar durch die zusammengebissenen Zähne ein. „Kalt.“ bemerkte sie nur. Sie wirkte angespannt.Damien konnte ja nicht ahnen, wen er sich da ins Haus geholt hatte. Das flüchtige Mädchen. Das Gör, das es gewagt hatte, einfach aus dem Waisenhaus zu flüchten! Deswegen konnte sie auch nicht zu einem Arzt gehen. Man würde sie sofort erkennen und ins Waisenhaus bringen. Und das konnte und wollte sie nicht riskieren. Aber der Knöchel sah ziemlich ungut aus. Was, wenn es etwas Schlimmeres war? Aber ein Arztbesuch war keine Option. Also Zähne zusammen beißen und das Beste hoffen. Das Handtuch jedenfalls half fürs Erste und Nihils Gesichtsausdruck entspannte sich etwas. Damien hatte sich inzwischen neben sie gesetzt und hielt das Handtuch sacht auf ihren Knöchel. „Dein Knöchel sieht wirklich schlimm aus. Vielleicht solltest du doch..“ Aber Nihil unterbrach ihn unsanft. „Nein! Ich habe doch gesagt, dass das nicht geht!“ Damien sah sie ruhig an. „Nihil.. Du musst das behandeln lassen.“ sagte er sanft. Das Mädchen senkte den Kopf. Tränen traten ihr in die Augen. Zum Teil, weil ihr Knöchel wirklich verdammt weh tat, aber hauptsächlich weil sich noch nie jemand, mit Ausnahme von Nathan, so rührend um sie gekümmert hatte. Sich Sorgen um sie machte. Dann begannen die Tränen zu fließen. Leise tropften sie von Nihils Nasenspitze auf den Boden. Der junge Mann sah nun erschrocken aus. „Hey.. hey. Es ist alles gut. Bitte, höre auf zu weinen. Shhht.“ Er nahm Nihil in die Arme und strich ihr über den Rücken. „Nicht weinen..“ Und was tat Nihil? Nichts. Sie verhielt sich ganz ruhig und ließ sich von Damien in den Arm nehmen. Es tat unglaublich gut. Und nach einer Weile wurde sie ruhiger. Atmete tief ein und aus. „Es geht einfach nicht..“ murmelte sie leise. „Warum?“ flüsterte er. „Sie.. das kann ich dir nicht sagen.“ Nihils Kopf lehnte an Damiens Schulter und noch immer hielt er sie fest. Sie spürte, wie er tief Luft holte. „Ich kann nicht.. ich meine.. es ist zu gefährlich.“ sagte sie schließlich und machte sich ganz vorsichtig los. „Bestimmt macht Nathan sich Sorgen..“ Dabei waren noch nicht einmal zwei Stunden verstrichen. Damien ergriff ihren Arm. „In dem Zustand kommst du nicht weit.“ sagte er bestimmt. Nihil nahm das Handtuch von ihrem Knöchel. Er war geschwollen, dass konnte man deutlich sehen. „Mist. Er ist garantiert ziemlich verstaucht..“ Nihil verzog das Gesicht. Damien hatte Recht. Aber sie musste doch zu Nathan. „Ich muss aber zurück.“ Sie stand vorsichtig auf. Irgendwie musste das doch gehen. Doch kaum war sie einen Schritt gegangen, ging sie in die Knie. Leichenblass im Gesicht. Damien war sofort bei ihr. „Nihil! Ich habe doch gesagt..“ Das Mädchen wimmerte leise und Damien sank neben ihr auf den Boden und nahm sie erneut in die Arme. „Bitte, lass uns zu einem Arzt gehen.. Es hat doch keinen Sinn.“ Nihil schwieg. Er hob sie hoch und ging mit ihr zum Sofa, wo er erneut vorsichtig absetzte.
Nathan indes machte sich wirklich Sorgen. Bzw. macht ihm seine Eifersucht zu schaffen..Seine Nihil und dieser Buchladentyp.. Und mittlerweile war sie schon fast drei Stunden weg. Das war doch nicht zu fassen. Er würde jetzt zu diesem Buchladen gehen und... Nein! Das würde Nihil nicht wollen. Sie würde schon auftauchen. Sie war bisher jeden Abend hierher gekommen. Nur nichts Unüberlegtes tun!
Nihil hatte sich währenddessen überreden lassen. Sie würde mit Damien zu einem Arzt gehen. Er würde ja doch nicht lockerlassen. Außerdem hatte er Recht. Mit solchen Verletzungen war nicht zu spaßen. Was, wenn ihr Knöchel nicht mehr verheilte, nur weil sie nicht zu einem Arzt wollte. Sie würde doch nie wieder richtig mit ihrem Schwert kämpfen können. Das wollte sie ebenfalls nicht riskieren. Sie stand auf, von Damien gestützt und humpelte einige Schritte. „Klappt doch ganz gut.“ gab sie gequält von sich. „Ist der Arzt weit weg?“ „Nein, nur ein paar Meter die Straße runter.“ Damien war froh, dass Nihil nun doch zu einem Arzt ging. Er rätselte noch immer, warum sie sich erst so geweigert hatte.. „Ich kann es dir nicht sagen..“ hatte sie gemurmelt. Aber wieso? Gut, das war jetzt nicht so wichtig. Jetzt ging es erstmal darum, dass sie es zu diesem Arzt schafften. Nihil gab sich wirklich Mühe, nicht zu zeigen wie sehr sie litt. Vorsichtig lief sie weiter, von Damien gestützt, der seine Hand leicht an ihre Hüfte gelegt hatte und sie so hielt. Nihil hatte einen Arm über seine Schulter gelegt und stützte sich leicht auf ihn. Einige Minuten später waren sie im Laden angekommen, das Mädchen atmete flach. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. Damien sah sie unglücklich an. „So geht das nicht.“ stellte er fest. Er hob sie hoch und setzte sie auf dem Tresen ab. „So, jetzt halte dich an mir fest.“ murmelte er und hob sie vorsichtig auf seinen Rücken. Nihil war zu erschöpft, um zu protestieren. Mittlerweile war es beinahe 4 p.m. am Freitag den 7. Oktober 2009. Ob der Arzt noch Sprechstunde hatte? Er musste! Eilig lief Damien los. Nihil lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Wie geht es dir?“ fragte sie leise. Damien lief weiter und murmelte schließlich: „Ich mache mir Sorgen um dich.“
Das Mädchen seufzte. „Es ist halb so schlimm, wie es scheint.“ gab sie von sich. Natürlich wusste sie, dass es nicht so war. Sie schwieg. Was Nathan wohl machte? Bestimmt sorgte er sich furchtbar. Sie war zwar schon oft so lange weg gewesen. Manchmal hatte sie sich tagelang nicht bei ihm blicken lassen. Aber irgendwie war das jetzt anders. Sie besuchte ihn mittlerweile jeden Abend, verbrachte jede Nacht bei ihm. Sie lebten zusammen. Füreinander. Miteinander. Sie kämpften gegeneinander. Im Mondlicht. Wie Geister. Schemenhafte Gestalten. Unheimlich. Magisch. Und sie war schon lange Zeit nicht mehr so lange fortgeblieben. Aber das ließ sich nun nicht ändern.
Mittlerweile hatten sie es fast zu diesem Arzt geschafft. 'Dr. med. Crane' stand auf einem kleinen, silbernen Messingschild geschrieben. Es war nicht mehr weit. Damien lief eilig weiter, schneller nun.
Ein paar Minuten später betraten sie die Praxis. Und ein Glück, der Arzt war noch da. Das Schicksal war auf ihrer Seite. Der Arzt hatte selbst Freitags bis 5 p. m. geöffnet. Damien und Nihil gingen zur Anmeldung an der eine nette, junge Frau saß. „Ist Dr. Crane da?“ fragte Damien und hoffte, dass es so war. Am Ende war der Doktor bei einem Hausbesuch und heute gar nicht mehr zu erreichen. Die junge Frau, die laut dem Schild an ihrem Pullover 'Mrs. Cole' hieß hob den Blick und nickte dann. „Ja. Was kann er für Sie tun?“ Damien zeigte auf Nihil. „Sie hat sich den Knöchel verstaucht, ziemlich schlimm, wie es aussieht.“ Mrs. Smith stand auf und kam um die Anmeldung herum. „Lass mal sehen.“ meinte sie freundlich und ging in die Knie um sich Nihils Knöchel besser ansehen zu können. „Ja, das sieht in der Tat nicht gut aus. Wenn Sie noch einen Moment Platz nehmen wollen, dann melde ich Sie gleich an.“ Damien nickte und bugsierte Nihil zu einem der Stühle, auf dem sich das Mädchen behutsam niederließ, während Mrs. Smith kurz aus dem Raum verschwand. Nach ein paar Minuten kam sie wieder. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“ Vorsichtig stand Nihil auf und auf Damien gestützt humpelte sie der Anmelde-Dame hinterher in das Behandlungszimmer, wo Dr. Crane schon auf sie wartete. „Nehmen Sie doch Platz“, sagte er freundlich und deutete auf zwei Stühle. „Na, dann wollen wir doch mal sehen. Welcher Knöchel ist es denn?“ Nihil hob den Kopf. „Der rechte.“ Der Arzt kam um den Tisch herum zu ihr und besah sich den Knöchel. Vorsichtig tastete er ihn ab, Nihil zuckte zusammen. „Entschuldigen Sie bitte.“ Nihil winkte ab. „Schon gut“, murmelte sie. Einige Augenblicke später richtete sich der Arzt auf. „Also, der Knöchel ist stark verstaucht. Ich werde Ihnen einen stützenden Verband anlegen. Sie werden eine Woche Krücken benutzen müssen. Danach dürfte alles wieder in Ordnung sein.“ Nihil atmete erleichtert aus. So schlimm war es also gar nicht. Es würde alles wieder gut werden. Einige Minuten später war der Knöchel verbunden und Nihil humpelte mit Krücken aus der Praxis. Damien lief neben ihr her. „Na siehst du, war doch gar nicht so schlimm.“ Nihil sah ihn an und lächelte zaghaft. „Naja, es war okay.“ So schlimm war es ja auch nicht gewesen. Der Arzt hatte ihr geholfen. In einer Woche war ihr Knöchel wieder in Ordnung. Soweit war also alles gut. Sie würde erst noch einmal mit zu Damien gehen. Sie bezweifelte, dass sie es in diesem Zustand zu Nathan schaffte. Vorallem der Zaun stellte ein ziemliches Hindernis dar. „Kann ich erst noch einmal mit zu dir?“ fragte sie ihren Begleiter also. Damien nickte. „Aber natürlich. Gerne.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wir kriegen das alles schon hin.“ Er sah sie aufmunternd an. Das Mädchen überlegte einen Moment und nickte dann. Bestimmt. Seit sie Damien kannte, war alles irgendwie..anders. Besser. Schöner. Sie ahnte nicht, dass sich das Blatt schon bald wenden würde...
8. Kapitel - Die Entführung!
Und es wendete sich schneller, als Nihil und Damien es sich vorstellen konnten. Die Vergangenheit hatte Nihil nicht einfach losgelassen, nein. Auch wenn Nihil diese hatte hinter sich lassen wollen. Am heutigen Tag, in ebendiesem Moment holte ihre Vergangenheit sie ein. In Form von Steven und Hardy. Die beiden Vollidioten hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren Nihil dicht auf den Fersen. So dicht, wie noch nie zuvor. Was sicherlich auch damit zusammenhängen mochte, dass Nihil verletzt und abgelenkt war. Lange nicht so aufmerksam wie sonst. Nein, wie ein normales, junges Mädchen humpelte sie neben Damien durch die Straßen und Gassen Londons. Und das sollte ihr zum Verhängnis werden.
Als Steven und Hardy Nihil sahen, sie erkannten sie von Weitem schon, nickten sie sich kurz zu. Sie wussten was zu tun war. Hardy, der größere und stärkere, schlich sich an Nihil heran. Und Steven heftete sich an Damien. Gerade jetzt waren keinerlei andere Menschen unterwegs. Niemand. Die beiden hatten Nihil und Damien fast erreicht. Steven holte einen Knüppel aus der Tasche, die er bei sich trug. Und ehe Damien sich versah, hatte er einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf bekommen, der ihn bewusstlos zu Boden sinken ließ. Nihil schrie auf und wollte sich zur Wehr setzen, während Steven Damien in eine dunkle Gasse schleifte und dann zurück kam und Hardy zu helfen. Doch das Mädchen hatte keine Chance, ihr verletzter Knöchel machte ihr einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Auch sie bekam den Knüppel zu spüren. Dann packten die beiden Männer sie und machten sich auf den Weg ins Waisenhaus. Endlich hatten sie das Gör gefangen. Besser später, als zu spät oder nie.
Stunden später erwachte Damien in vollkommener Dunkelheit. Es war bereits tiefe Nacht. Seine Augen brauchten Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Langsam nahm er Umrisse und Schatten war. Er befand sich immer noch in der dunklen Gasse... Und da fiel es ihm wieder ein. Alles. Nihil. Sie hatten sie mitgenommen. Zwei zwielichtige Tyen. Die er nicht kannte. Was sollte er jetzt tun? Er hatte keine Ahnung, wohin sie Nihil gebracht hatten. Da kam ihm eine Idee. Vielleicht wusste Nathan ja irgend etwas. Er kannte Nihil schon so viel länger. Er musste etwas wissen! Er musste ihm helfen! Eilig machte sich Damien auf den Weg zu seinem Buchladen. Vielleicht würde Nathan dort auftauchen. Er würde sich bestimmt Sorgen machen, je länger Nihil nicht auftauchte. Er hatte nämlich keine Ahnung, wo Nihil oder Nathan wohnten.
Einige Zeit später – und glücklicherweise ohne weitere Zwischenfälle der freundlichen Art – erreichte er seinen Buchladen. Er sperrte auf, huschte hinein, schloss hinter sich zu und eilte nach oben in seine Wohnung. Hoffentlich kam Nathan bald vorbei...
Am nächsten Morgen... Blinzelnd öffnete Damien die Augen. Herrje, wie spät war es?! Er musste doch den Laden aufsperren! Damien war schließlich doch auf der Couch eingeschlafen, nachdem er sich die ganze Nacht Vorwürfe gemacht und überlegt hatte, was er nun tun sollte. Falls Nathan nicht auftauchte. Er sprang auf zog sich rasch an und eilte nach unten – ganz ohne Kaffee! Es stand noch niemand vor dem Laden. Gut so! Er schloss rasch auf und tigerte dann unruhig durch die Gänge. Ein paar Minuten klingelte auch schon die Türglocke. Ein Kunde? Nathan?! Damien fuhr herum, als er das Läuten der Türe hörte. Nein, nicht Nathan. Ein junger Mann zwar, aber nicht Nathan. Damien seufzte innerlich und setzte dann sein freundlichstes Lächeln auf. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Der junge Mann nickte. „ Ja. Wo haben Sie denn die Horrorbücher?“ Damien deutete in einen Gang zwischen zwei Regalen. „Da entlang und dann den dritten Gang links.“ Lächelnd verschwand der Kunde in die genannte Richtung. Damien ging derweil ins Lager. Ein paar Minuten später kam er mit einer Kiste zurück und begann Bücher einzuräumen. Warum kam Nathan nicht vorbei? Er musste sich doch Sorgen machen. Oder? Damien hatte einfach überhaupt keine Ahnung, wo Nihil war und ob es ihr gut ging. Er wusste auch nicht, warum diese Männer sie mitgenommen hatten. Oder wer diese Männer waren. Damn! Hätte er doch nur besser aufgepasst. Andererseits – wer rechnete denn mit sowas? Das man mitten auf der Straße niedergeschlagen wurde? Natürlich kam das vor, sicherlich. Aber man sagte sich doch immer: Mir passiert das nicht, mir passiert das nicht! Tja, Pustekuchen. Fucking Schicksal! So schnell konnte es gehen...
Der Kunde hatte schließlich ein Buch gefunden, wie es schien und machte sich mit diesem auf den Weg zur Kasse. „Dieses hier? Sehr gute Wahl.“ meinte Damien und tippte dann etwas in die Kasse ein. „Das macht dann 10 Pfund, bitte.“ Der junge Mann zahlte, bedankte sich und wünschte Damien noch einen schönen Tag. Damien nickte und erwiderte. Als die Tür ins Schloss fiel, fiel das Lächeln wie Scherben von seinem Gesicht, als hätte es nur aus Glas bestanden und die Sorge nahm dessen Platz ein, was Damien um Jahre älter aussehen lies. Er kannte Nihil wahrlich noch nicht lange. Gerade mal zwei Tage. Aber er hatte sie in sein Herz geschlossen. Er mochte sie wirklich gern. Vielleicht mehr, als er sich zugestehen mochte. Und das gestern.. war einfach richtig, richtig scheiße gelaufen. Und das war noch freundlich ausgedrückt...
Währenddessen in den verlassenen Hallen am Rande Londons...
Unruhig tigerte Nathan auf und ab. Nihil war die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen und er spürte, wie Sorge und Eifersucht immer mehr in ihm hochkochten. Dass Nihil die ganze Nacht wegblieb, war in den letzten drei Jahren schon durchaus auch vorgekommen, aber das war in der Anfangszeit gewesen, als sie sich gerade kennengelernt hatten. Als Nihil sich schwer getan hatte, anderen zu vertrauen. Als er jeden Tag damit rechnen musste, dass sie Hals über Kopf die Stadt verlassen hatte und sie sich nie wiedersahen. Aber nun, nach drei Jahren, da sie sich bedingungslos vertrauten und sich wirklich, wirklich nahe standen... musste es dafür schon einen triftigen Grund geben. Er kannte Nihil so gut, besser als jeder andere. Irgendetwas musste passiert sein. Und er würde herausfinden, was. Angetrieben von der Angst um Nihil und der Eifersucht, die an ihm nagte, machte er sich auf den Weg zu Damien...
Im Buchladen „Strange World“...
Es war ein schlechter Tag, dass hieß, dass sich nur wenige Leute in den Buchladen verirrten. Das Wetter war verhältnismäßig schön – für Londoner' Wetterverhältnisse – und die Leute gingen lieber Eis essen oder fuhren mit ihren Familien raus ins Grüne. Die Sonne genießen. Nur die absoluten Bücher-Freaks verirrten sich an solchen Tagen in seinen Laden. Aber nicht mal diese beehrten ihn heute. Gerade als er sich entschlossen hatte, die Mittagspause heute einfach früher einzuläuten, betrat jemanden den Buchladen. Damien hob den Kopf. Nathan! „Nathan, du-“ Weiter kam er nicht. In diesem Moment nämlich stand Nathan schon vor ihm. Damien fiel jetzt erst auf, dass dieser ein Stückchen kleiner war als er. Und das war nicht der einzige "Vorteil", den Damien hatte. Er hatte nämlich eins begriffen, in ebendiesem Moment. Etwas, das Nathan vielleicht noch nicht begriffen hatte. Macho-Gehabe würde ihnen hier nicht weiterhelfen. Wenn sie Nihil finden wollten, mussten sie zusammenarbeiten. Ob sie wollten oder nicht. Hier ging es nicht um irgendwelche Ansprüche die irgendjemand glaubte zu haben. Auch nicht um verletzten Stolz. Hier ging es um Nihil. „Nathan..“ hob er nochmal einmal an, lauter diesmal. „Was hast du mit ihr gemacht?!“ unterbrach der Genannte ihn, ohne auch nur ansatzweise darauf zu achten, was sein Gegenüber, Damien, sagte. „Ich? Gar nichts! Nathan verdammt, hör mir zu!“ °Kindergarten, Kindergarten, Kindergaaarten!° sang eine entnervte Stimme in Damiens Kopf. „Gestern Abend haben sie zwei Männer mitgenommen, mich haben sie niedergeschlagen. Und ich habe keine Ahnung wo sie ist! Du musst mir helfen. Du kennst sie doch so viel besser!“ Nathan's Augen weiteten sich bei diesen Worten. Nein, das durfte doch nicht wahr sein! „Was hast du gesagt? Zwei Männer?“ fragte er gepresst. „So groß? Nicht ziemlich helle?“ Damien nickte und Nathan begann zu fluchen, wie ein betrunkener Seemann mit gebrochenem Bein. "Nathan, was hat das zu bedeuten? Was weißt du, was ich nicht weiß?"
Tag der Veröffentlichung: 28.05.2010
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