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B eutepferd" der eine, "Schmuggelpferd" der andere. Nach der Legende könnte man Godolphin Arabian das "Karrenpferd" nennen. Die Geschichten, die sich um Godolphin Arabian ranken, sind wildabenteuerlichromantisch...

D er Bey von Tunis machte König Ludwig XV. von Frankreich ein überaus kostbares Geschenk und sandte auf dem Schiffswege vier edle orientalische Pferde an seinen Hof. Unter ihnen ein ungefähr fünf bis sechs Jahre alter Hengst namens Sham, der unter dem Namen Godolphin Arabian jedem Freund der Rasse Vollblut ein Begriff ist. Ob Sham die lange, strapazenreiche Seereise nicht gut weggesteckt hat oder einfach nicht dem pferdlichen Schönheitsideal der Franzosen entsprach - wer kann das heute noch überprüfen. Sham ließ jedenfalls die Herzen der Franzosen nicht höher schlagen, sie glaubten dem Stammbaum und der damit verbrieften vornehmen Herkunft nicht. Auf unbekannten Wegen gelangte der Hengst dann in den Besitz eines Wasserträgers, der ihn vor seinen Karren spannte. Sham, aus der Wüste Nordafrikas ein freies Leben gewohnt, zog den Karren und hat wohl ein kümmerliches Dasein gefristet, bis eines Tages Edward Coke ihn entdeckte. War es seine feine Nase für Pferde, die ihn tiefer blicken und in dem heruntergekommen Karrengaul den Adel des Orientalen erkennen ließ? War es Mitleid? Egal, jedenfalls erwarb er den Hengst für 15 Louisdor und nahm ihn 1729 mit in seine Heimat England. Sham's Leidensweg nahm noch kein Ende: erst gelangte er in den Besitz eines Londoner Kaffeesieders und landete nach einiger Zeit im Gestüt Gogmagog im Besitz des Earls of Godolphin. Aber auch dort musste Zeit ins Land gehen, bevor der Hengst überhaupt anerkannt wurde - Sham erfüllte erst einmal die niederen Aufgaben eines Probierhengstes. Armer Kerl! Seine Stunde schlug, als der Deckhengst des Gestütes Hobglobin die Stute Roxanna nicht decken wollte, konnte oder die Pferdedame ihn einfach nicht ließ. Sham durfte... und heraus kam Lath, eines der berühmtesten Rennpferde seiner Zeit.

N ette Geschichte, nicht war? Aber wie das so mit Legenden ist - wo sich Dichtung und Wahrheit verweben: nicht ganz korrekt. Fakt ist: Sham war ein Geschenk des Beys von Tunis an Ludwig XV. Zweifelsohne fand der Hengst keine Gnade vor den Augen des Bourbonen-Hauses, bevorzugte man dort doch üppigere Artgenossen, die etwas darstellten und nicht so einen schmächtigen Knirps. Die Pferdeleute aus Britannien, die schon seit Jahrzehnten fleißig orientalisches Blut einführten, waren nicht so oberflächlich und getreu dem Motto "handsome is what handsome does"(schön ist, was etwas leistet) sahen sie genauer hin. Anders: der Kontinent ritt, England züchtete... Außerdem waren Pferde aus dem orientalischen Raum immer noch viel zu rar und zu kostbar, als das man sie so schnöde als Probierhengst einsetzte. Mit Verlaub - jeder x-beliebige andere Hengst aus anderen Zuchten hätte dies ebenso gut gekonnt.

B ack to the facts: Edward Cox stellte Sham als Deckhengst auf seinem Gestüt in Derbyshire auf. 1731 begegneten sich dort Roxona und Sham, und als Ergebnis präsentierte sich besagter Lath. Hobglobin taucht überhaupt noch nicht auf (erst 1738 bezog er die Paschabox im Gestüt des Earl of Godolphin, da war Roxanna aber seit vier Jahren in den ewigen Weiden...). Cox starb 1733 und hinterließ den Hengst dem Londoner Kaffeehausbesitzer Roger Williams, welcher im Nebenberuf als "Pferdeagent" tätig war. Sham wurde an den Earl of Godolphin weitergereicht und ging dort als Godolphin Arabian in die Analen ein. Godolphin Arabian erreichte das biblisches Alter von ungefähr 29 Jahren. Der Hengst starb 1753 an einem Weihnachtsabend und wurde neben dem Tor zu den Ställen begraben. Ihm wurde ein Stein mit einer Widmung auf das Grab gelegt, den man noch heute im Bogengang des Stallblocks des Gebäudekomplexes des Wandlebury Rings bewundern kann.
D ie wenigsten Hengste aus der Gründungszeit der Rasse Vollblut wurden in Rennen erprobt. Stellt sich die Frage, warum die Engländer soviel Mühe aufwandten und die Orientalen für viel Geld auf die Insel holten. Waren sie damals schon so clever und wußten um die durchschlagende Wirkung des Blutes einer über Jahrhunderte durchgezüchteten und durch Witterungen abgehärteten Rasse? Oder war es einfach ein Zufall? Wohl kaum ...

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Tag der Veröffentlichung: 05.08.2011

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