Die weiche Decke umhüllte ihn. Noch bevor er die Augen aufgeschlagen hatte, roch er den Duft von frischem Gebäck und Kaffee in der Luft. Nach einem guten Frühstück musste er sich von Tanja verabschieden.
„Machs gut“, sagte sie. „Vergiss nicht, die Katzen zu füttern.“
Er nickte. „Tanja … würdest du mir einen kleinen Gefallen tun?“
Sie grinste verschmitzt. „Der da wäre?“
„Ich weiß, du glaubst nicht daran, aber heute ist Freitag der 13. Mir wäre wohler, wenn du ein wenig Glück dabei hättest.“
Sie kniff die Augen zusammen, als er ihr die Hand mit einem kleinen, vierblättrigen Kleeblatt ausstreckte.
„Dir zuliebe“, sagte sie. „Aber dann will ich auch noch einen Abschiedskuss. Das soll, schließlich auch Glück bringen.“
Er lächelte. „Nichts lieber als das.“
Seine Lippen berührten ihre, ihre Zungen tanzten miteinander, umspielten sich.
Und dann war sie weg; draußen, stieg ins Auto, schloss die Tür. Sie lächelte nochmal freundlich und hob die Hand, um ihm zu zeigen, dass sie das Kleeblatt dabeihatte; dann fuhr sie los.
Er schloss die Tür des Hauses mit der Nummer 13. Seine Pechzahl, Tanjas Glückszahl. Elijah war abergläubisch, Tanja nicht; sie zeigte das gerne, indem sie genau das Gegenteil von dem machte, was eigentlich Glück bringen sollte.
Über der Haustür hingen zwei Hufeisen, Elijahs mit der Öffnung nach oben, Tanjas mit der Öffnung nach unten. Tanja nutzte jede Gelegenheit, unter einer Leiter hindurch zu gehen. Im Haus stand ein großer, alter Standspiegel mit Unmengen feiner Risse. Tanja war fest davon überzeugt, es müsse sieben Jahre Glück bringen, einen Spiegel zu zerbrechen, wenn alle anderen das Gegenteil glaubten.
Doch das störte Elijah nicht. Sie war sein Gegenstück, seine zweite Hälfte.
Er fütterte die beiden Katzen, so wie es ihm aufgetragen worden war. Da war Elijahs dreifarbige Maya und Tanjas kohlrabenschwarzer Silvester.
Nach dem Essen legten sich die beiden Katzen aufs Sofa zu Elijah, der durch die Kanäle zappte, um endlich ein gutes Programm zu finden. Nebenbei war er noch mit der Arbeit beschäftigt, programmierte, tippte Codefolgen ein. Seine Tätigkeit wurde nur vom Essen einer bestellten Pizza unterbrochen. Erst am Abend hörte er auf. 17:12, zeigte die Uhr an. Er machte sich Sorgen. Tanja hatte bis vier, spätestens halb fünf zurück sein wollen. Sie hatte sich auch nicht gemeldet, nicht gesagt, dass sie später kommen würde. Er hatte ein ungutes Gefühl. Die Katzen tigerten unruhig wegen eines Gewitters im Haus umher.
Und dann klingelte das Handy. Elijah hörte vor Angst kaum etwas von dem Gesagten, aber das brauchte er auch nicht. Ihm war sofort klar gewesen, dass dieser Anruf nichts Gutes zu bedeuten hatte.
„Autounfall“, verstand er. „Dummer Zufall“, „Unglück“, „sofort tot“. SOFORT TOT.
„Danke“, brachte er flüsternd heraus und legte auf.
Er begann zu zittern, Maya und Silvester sahen ihn aus grünen, klugen Augen an, mit einem Blick als wüssten sie genau, was geschehen war. Ein Echo hallte in seinem Kopf wider. Sofort tot.
Ein Kloß steckte Elijah im Hals, als hätte er versucht, einen Golfball zu verschlucken, der ihm nun in der Kehle steckte. Er biss sich auf die Unterlippe. Vor wenigen Stunden noch hatte sie ihn geküsst. Irgendetwas in ihm war zerbrochen.
Er starrte auf die feinen Risse in dem alten, schönen Spiegel. Er schlug zu. Seine Faust traf auf Glas und in einem funkelnden Regen rieselten die Scherben zu Boden. Blut und Tränen rannen hinunter, bildeten kleine Pfützen. Auf einem der Spiegelsplitter waren genau zwei Tropfen gelandet; der eine glasklar, der andere blutrot.
Diese Geschichte entstand am Freitag, dem 13. Juli 2012. Für mich war es kein Unglückstag, wohl aber für die Protagonisten ...
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2013
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Widmung:
Gewidmet allen Abergläubischen und allen, die mit Aberglauben nichts anfangen können.