Es war im Frühjahr des Jahres 1876, als mein Begleiter Theo und ich gemeinsam mit einem Kerl, den wir nur Smith nannten, einen beträchtlichen Goldfund in der Nähe des Rosebud Creek gemacht hatten. Die Regierung unterstützte die Goldsucher zuweilen, war sie doch auch daran interessiert, dass die Goldfunde publik würden und zahlreiche neue Ansiedler anlockten. Dies sollte nicht zuletzt dem Zwecke dienen, die Sioux-Indianer weiter aus ihren ursprünglichen Jagdgründen zu verdrängen. So waren wir, eine recht große Anzahl von Goldsuchern mit der Unterstützung und Begleitung berittener Infanterie ausgezogen, um weitere Goldadern aufzustöbern. Es war bereits Abend und wir hatten am Tage einen langen Ritt hinter uns gebracht und unser Lager aufgeschlagen. Diejenigen, die dem Golde auf der Spur waren, saßen in einem Zelt versammelt. Insbesondere ist mir der bejahrte, ergraute Mann in der Tracht der indianischen Kundschafter in Erinnerung. Daneben saßen einige andere Männer, von denen manche Mexikaner gewesen sein mochten, mit gebräunten, aber wenig ansprechenden Gesichtern. Grausamkeit, Habgier und andere wilde Leidenschaften waren darin zu erkennen, eine Ausnahme machte nur der alte Trapper. Ein Mann, ein Indianer, stand auf und richtete das Wort an uns. „Meine Haut ist rot“, begann er selbstgefällig, „aber mein Herz ist das eines Blassgesichtes, wie das meines Gefährten und der anderen beiden Krieger, die draußen Wache halten, welche die bleichen Männer lieben.“ Erst später erfuhr ich, dass er ein Ree-Krieger war, von denen zahlreiche im Dienste der Armee standen. Er selbst hatte lange Jahre bei den Sioux gelebt, von denen er als Kind geraubt worden war. „Ihr Männer aus dem kalten Norden“, fuhr der Ree fort „und ihr aus dem sonnigen Süden, ihr, die den Lasso meisterhaft zu werfen versteht, merkt auf meine Worte. Die Bleichgesichter mit den blauen Uniformen, die Krieger des großen Vaters im Osten begleiten eine Anzahl weißer Männer, die nach blitzenden Steinen forschen sollen. Noch nie hat ein Blassgesicht jene geheimnisvollen Berge betreten, über welche Tag und Nacht der Nebel wallt, die Berge, in denen die bösen Geister ihr Wesen treiben. Sie suchen dort nach blitzenden Steinen; die Gier danach trieb sie! Doch sie werden nichts finden!“
„Schon gut, Rothaut“, erwiderte einer der finsteren Gesellen voller Ungeduld. „Lass doch Deine Prahlereien, sie sind langweilig. Du weißt ja, was wir Dir versprochen haben, Pferde und Gewehre, bunte Bänder und Perlen, um Dich zu schmücken, so dass Du die schönsten Squaws aus Deinem Stamme heimführen kannst, dazu ein festes Haus bei den Blassgesichtern, um unter ihnen leben zu können. All das sollst Du haben und auch Deine Stammesgenossen sollen reich belohnt werden, wenn Du uns den Ort zeigst, wo die blitzenden Steine liegen.“
Die Augen des Indianers funkelten vor Habgier, als er die Versprechungen vernahm. Ich selbst lauschte als stiller Zuhörer, hielt ich doch jene Weißen, die mit uns im Zelt saßen für üble Gesellen, traute aber andererseits auch den Rees nicht über den Weg.
„Ja, ich werde Euch führen“, rief er in indianischer Sprache. Die Art und Weise aber, wie er diesen Satz aussprach, ließ ihn uns alle verstehen, obwohl wir der Sprache nicht mächtig waren. „Ja, ich weiß den Ort, den nur die alten Zauberer der Sioux kennen, doch hat mir ein Zufall das Geheimnis enthüllt. Dort in diesen Bergen gibt es eine Schlucht, in welcher die gelben Steine beim Glanz der Sonne und des Mondes funkeln und schimmern. Dort liegt das gelbe Gestein in solchen Mengen, dass ihr hundert Pferde immer und immer wieder beladen müsstet, um die Steine alle abzutragen!“
Ich muss zugeben, dass auch ich mir den unermesslichen Reichtum vor meinem Auge vorstellte und hoffte, so viel Gold finden zu können, um mir dann in der Stadt Bismarck ein Mädchen zu suchen und dort ansässig zu werden. In den Augen der übrigen Kameraden sah ich die Habgier aufblitzen und grimmig schaute jeder den anderen an – schon jetzt herrschte Neid vor. „Ist es aber auch Gold?“, fragte er der alte Trapper nüchtern. Der Ree aber gab keine Antwort, sondern zog aus seinem Lederrock einen Beutel hervor, dem er einen kleinen Klumpen entnahm. Der Schein der Laterne fiel auf das Metall, welches alle Blicke der Anwesenden auf sich zog.
„Bei allen Teufeln der Hölle“, sprach einer, einen lästerlichen Fluch hinzufügend, „das ist gediegenes Gold, wie es nur von den Flüssen herabgewaschen werden kann. Umsonst bin ich nicht zwanzig Jahre Goldgräber in Kalifornien gewesen. Ein blinder Maulwurf könnte sich nicht irren. Wenn noch viele solcher Steine in dem geheimnisvollen Tal liegen, so finden wir dort Millionen und abermals Millionen an Wert.“ Halbunterdrückte Freudenrufe und Laute wilder Habgier tönten aus unseren Reihen, während der alte Trapper den kleinen Goldklumpen fast bekümmert betrachtete. „Ich will’s ja nicht für mich“, brummte er, halb zu sich selbst sprechend, „ich bin alt und wie lange noch, da ist’s mit mir aus und vorbei. „Ich spüre es in meinen Knochen, dass ich morsch werde. Aber mein Enkelkind, die Mary, die arme Waise, die ihre Eltern so früh verloren hat, der will ich ein behagliches Leben verschaffen, damit das arme Ding den Westen verlassen kann. Die Mary will’s zwar nicht, an ihr ist ein Junge verlorengegangen. Sie möchte am liebsten in der Wildnis bleiben. Aber wenn sie erst reich ist, wird sie schon anders darüber denken. Für sie will ich den gefährlichen Zug unternehmen und wenn wir genug Geld haben, mein Leben bei ihr beschließen. Hätte ich sie nur nicht mitgenommen in all diese Abenteuer und Gefahren.“
„Irre Dich nicht, Großvater“, klang die helle Stimme des blutjungen Mädchens fast scherzend; „wenn Du nach Abenteuern sinnst, bin ich gerne an Deiner Seite.“
„Kind“, sprach der Alte, „das Abenteuer, das auf uns wartet, ist nichts für Dich und – “. Er endete nicht, aber er warf einen misstrauischen Blick auf uns andere Männer. Unsere Anwesenheit schien ihm gar nicht angenehm zu sein. Sicherlich lag in unser aller Blicke die zurückgehaltene Leidenschaft für das Mädchen. Ich schaute in die Runde. Die meisten von ihnen waren Minenarbeiter gewesen, aber ihre Vergangenheit mochte eine dunkle sein. Acht von ihnen glichen in ihrem Äußeren jenen schändlichen Banditen, welche die Wildnis des Westens oft gefährlicher als die Indianer heimsuchten.
„Gebietet Euren Zungen Stillschweigen“, sprach der Ree-Kundschafter, „lasst niemanden wissen, was hier gesprochen wurde. Wir haben uns den Soldaten angeschlossen und ihnen durch unsere Führung manchen Dienst geleistet. Von jetzt an gehen wir unsere eigenen Wege. Wenn die Männer mit den doppelten Glasaugen“ – er meinte die Gehlehrten der Expedition – „dort in den Bergen umherirren, werden wir in aller Heimlichkeit das Tal hinabsteigen, in dem die glänzenden Steine seit unzähligen Jahren liegen. Schweigt und handelt! Ich habe gesprochen!“ Der Ree hüllte sich wieder in seine Decke und verharrte so still wie eine Statue, während wir Goldsucher leise miteinander sprachen. Mir fielen diese düsteren Gesellen auf. Es war kein Zweifel, dass diese Schufte auf Arges sannen, dass sie den alten Trapper, meinen Freund Theo und mich aus dem Wege schaffen und sich dann des reizenden Mädchens bemächtigen wollten. Einige Zeit später herrschte tiefe Stille im Zelt, als vom Wachposten plötzlich ein Alarmruf herüberschallte. Blitzschnell sprangen wir auf, die Ree-Krieger allen voran.
Der Oberst, ein alter, im Dienste ergrauter Offizier, war in seiner Eigenschaft als Befehlshaber der Soldaten bald zur Stelle. Er blickte auf die beiden leblosen Gestalten, die im Gras lagen und ihm entfuhr ein Ausdruck der Verwünschung. Zwei weitere Ree-Krieger, die im Lager Wache gehalten hatten, lagen nun tot am Boden.
„Ein Zweikampf!“, rief er. „Die Rees sind unbändige, zügellose Gesellen, die bei dem geringsten Zwist das Messer ziehen und aufeinander losgehen. Bei Gott, sie haben sich wahrhaftig gegenseitig getötet. Beide halten noch ihre Messer in den Händen!“
„Die tapferen Krieger der Rees töten sich nicht selbst!“, rief der hinzugekommene Ree mit Augen, in denen das Unheil stand. „Blank ist die breite Klinge! Sehen so Messer aus, die einen tödlichen Stich führten?“ Betroffen prüfte der Oberst beide Waffen.
„Wahrhaftig! Der Bursche hat richtig gesehen!“ Der indianische Kundschafter und sein Gefährte flüsterten miteinander und als sich der erstere wieder dem Befehlshaber zuwandte, hatte sich sein Antlitz verzerrt. „Unsere Krieger weilen beim großen Geiste“, presste er hervor, „niemals mehr wird ihr Kriegsruf über die Ebene schallen und die Hunde von Sioux erschrecken. Aber die Sioux mögen sich in Acht nehmen vor unserer Rache!“
„Die Sioux?“, wiederholte ich erregt. Der Name eines der gefürchteten Indianerstämme des Westens ließ mich erschaudern. „Warum sollen es Sioux-Indianer sein, die hier…ein lächerlicher Gedanke“, fügte Theo beschwichtigend hinzu. „Feinde sind im Lager!“, keuchte statt einer Erwiderung der Ree. „Seht ihr den Fußabdruck im lockeren Sand? Der Mann, der die beiden Krieger in die ewigen Jagdgründe sandte, kam aus dem Bache!“
Der Fluch des Obersts ging unter in dem Geschrei der Rees, die, Tomahawk und Skalpmesser schwingend, ins Lager stürmten, um den Feind zu entdecken. Ich muss gestehen, dass mich die kalte Angst überkam und meine Rechte nahe des Revolvers hielt. Doch geschah weiter nichts, die gesamte Nacht verlief ruhig und von dem vermeintlichen Überfall konnten keine weiteren Spuren gefunden werden. Der nächtliche Feind konnte nicht gefasst werden.
Der Morgen war angebrochen, die Sonne bemühte sich vergebens, die Nebelmassen zu zerstreuen. Sie beleuchtete nur die Spitzen der Felsen, welche aus dem Dunstmeer hervorragten. Ab und zu drang das Tageslicht auch in einzelne Schluchten, welche der Ebene am nächsten lagen. Einem gigantischen Vorposten vergleichbar, erhob sich nahe der Ebene ein riesiger Felsen, der die Form einer Pyramide besaß. Eine tiefe Schlucht trennte ihn von anderen Felsen. Auf dem Felsen selbst wuchs Baumwollgebüsch, dazwischen mischten sich einzelne große Fichten, deren gewaltige Wurzeln teilweise aus dem nackten Gestein hervortraten und krampfhaft die Felsblöcke zu umklammern schienen. Auf einem der Felsen stand das Gerippe eines Pferdes aufrecht, durch Stangen gestützt, daneben einige lange indianische Lanzen, von deren Spitzen halbverwitterte Skalpe herabflatterten. Es war das Grab eines Häuptlings, dem man nach seinem Tode sein Pferd und seine Waffen mitgab. Unter dem Stein ruhten die Reste des Leichnams, über den Gebeinen des toten Häuptlings bleichte das Gerippe seines Pferdes, welches ihn einstmals über die Ebenen getragen hatte. Weiterhin sah man ein Gewirr von Schluchten, meist senkrecht abfallende Abgründe, in deren Tiefen Wasserfälle brausten, während der ewige Nebel sie den Augen der Menschen für immer zu entziehen schien. Hoch oben in den Lüften kreisten Raubvögel, die nach Beute suchten. Langsam zerteilten sich die Nebel auf den Spitzen der Felsen, aber in den Schluchten behaupteten sie sich noch immer. Dort war ihr Reich und die Sonnenstrahlen zauberten auf den grauen Schleiern buntfarbige Regenbogen hervor. Die Seiten der Abstürze aber waren mit immergrünem Gebüsch bedeckt, welches durch die ewige Feuchtigkeit in üppigem Wachstum erhalten wurde.
Unser Lager stand weit draußen auf der Ebene. Hundert Mann berittener Infanterie hatten uns begleitet und man war überzeugt, dass diese Abordnung ausreichend war, das befestigte Lager gegen jeden Angriff feindlicher Indianer zu schützen. Der nächtliche Vorfall jedoch bereitete mir erhebliches Unbehagen. „Freund“, sprach ich zu Theo, „auf was haben wir uns nur eingelassen? Wir befinden uns im Indianergebiet und die anderen Goldsucher, mit Ausnahme des Trappers und seiner Enkelin sind allesamt üble Schurken. Sie haben längst bemerkt, dass wir uns wohl mit dem Alten und dem Mädchen verstehen und werden bei nächster Gelegenheit versuchen, uns beiseite zu schaffen.“ Mein Freund jedoch schien gelassener zu sein als ich. „Henry, Deine Bedenken sind nicht unbegründet, aber wir werden auf der Hut sein. Denke aber doch an die Reichtümer. Haben wir das hier zu Ende gebracht, so werden wir uns in ein schönes Städtchen begeben und dort ein behagliches Leben führen.“ Ich erwiderte nicht mehr, dass ich fürchtete, dass es soweit nicht mehr kommen sollte.
Ein Teil der Soldaten zog mit einigen Maultieren, die mit Proviant beladen waren, als Bedeckung der Gelehrten in die Berge. Wir Goldsucher, sowie die beiden überlebenden Ree-Indianer, bewegten uns etwas abseits in eine entgegengesetzte Richtung. Der Alte Travis hatte, wenngleich unwillig, nachgegeben, dass Mary ihn nach den Nebelbergen begleitete. Natürlich wollten wir uns nicht allzu weit von den Soldaten entfernen, um im Falle feindlicher Angriffe Hilfe in der Nähe zu haben. Die Sioux, die den nächtlichen Überfall auf die Wachtposten verübt hatten, waren schließlich zum Ärger der Rees entkommen. Lange war en sie nicht verfolgt worden, zu groß war die Besorgnis, in einen Hinterhalt geraten zu können. Jetzt entdeckten die beiden Rees jedoch Spuren und kamen zu dem Schluss, dass sich etwa 20 Sioux in der Nähe befunden haben mussten. Die meisten der Goldsucher fürchteten sich jedoch kaum vor ihnen, waren die Soldaten in der Nähe doch in mehrfacher Übermacht. Ich gebe allerdings zu, dass mich die Angst gepackt hatte und mich nicht mehr losließ. Theo versuchte erneut mich zu beruhigen und meinte, dass sie nur zufällig während der Jagd hier geweilt haben konnten. Auch die Rees sprachen wiederholt die Versicherung aus, dass die Sioux abgezogen seien und schon aus Aberglauben die unheimlichen Berge nicht betreten würden, in denen nach ihrer Ansicht die bösen Geister wohnten. Allerdings konnte man die Spuren der Sioux nicht weiter verfolgen. Der harte Boden ließ selbst für die geübten Augen der Rees keine Fährten entdecken.
Hätte ich damals gewusst, dass der gefürchtete Sitting Bull an der Spitze der Krieger stand, ich hätte sofort Reißaus genommen. Die indianischen Kundschafter gingen voran, um den Weg zu sichern. Ihnen folgten wir Goldsucher. Der Alte Travis, seine Enkelin, Theo und ich folgten ganz am Ende des Zuges. Die Mexikaner und die anderen üblen Gestalten, die wohl aus Arizona und Texas stammten, schienen ein Herz und eine Seele zu sein. Wir verspürten bereits, wie sie uns ausgrenzten und auf Übles sannen. Doch nun gab es kein Zurück mehr.
Jetzt gaben die Rees Zeichen, dass man die Augen offen halten sollte. Unmittelbar vor uns stiegen die Felsen der Nebelberge empor. Ein donnerndes, unheimliches Krachen schallte zwischen den Schluchten. Die Nebel wogten, zuweilen unheimliche Gestalten bildend. Es schien tatsächlich, als ob böse Geister die Hände drohend gegen uns erhoben. Ich bewunderte die List und Schlauheit der beiden Rees. Sie glitten wie Schlangen dahin, bald hier, bald dort nach Spuren suchend. Immer schwieriger und ungangbarer wurde der schmale Pfad, begann er doch an einer der Felsenpyramiden, welche das Grab des indianischen Häuptlings bargen, hinaufzusteigen. Die Stimme des jungen Mädchens durchbrach das Schweigen: „Aus Reichtum mache ich mir nichts. Aber um Dich sorge ich mich, Großvater. Du brauchst Ruhe!“ Sie klang so fröhlich und unbekümmert und doch wollte nichts ihres Frohsinns auf mich überspringen. Wer nicht an Geister glaubte, konnte es hier lernen. Der Himmel war blau und dennoch donnerte es. Blitzte zuckten durch den Nebel. „Wahrhaftig, ich werde abergläubisch“, suchte ich mich selbst zu beruhigen. Auch der Alte schien sich unbehaglich zu fühlen. Ich nahm ihn einen Moment zur Seite. „Ich traue den Kerlen nicht“, sagte ich flüsternd. Er schaute mich einen Moment an und sprach dann leise zu mir: „Ich weiß, Henry, wir müssen höllisch aufpassen, sonst kehren wir nicht heim“, dann klopfte er mir freundschaftlich auf die Schulter und ging weiter. Die beiden Ree-Krieger sahen noch einmal nach dem Ort, an dem die blauen Uniformen im Nebel verschwanden, während mittlerweile alle etwas unruhig wurden. „Hör mal, Rothaut“, begann einer der Mexikaner, den seine Kameraden Antonio nannten, „werden die Soldaten nicht auch durch Zufall in das Goldtal geraten?“ Der Ree machte eine Geste der Verachtung. „Besitzt der Maulwurf die Augen eines Falken?“, erwiderte er in der bilderreichen Sprache seines Volkes. „Kann der kriechende Wurm mit der Anmut einer Antilope über die Felsen springen? Nimmermehr!“ Und als Antonio schwieg, fuhr er, die Hand erhebend, fort: „Dort oben liegt die Höhle, in der einst der große Medizinmann der Sioux hauste. Er gehörte zu den wenigen, die je die blitzenden Steine gesehen haben. Der Medizinmann ist tot und noch heute ruhen seine Gebeine in der Höhle und kein Krieger wagt es, sie zu entfernen, denn der Geist des toten Zauberers schwebt wie ein Wächter unaufhörlich über den Bergen. Hört seine zornige Stimme!“ Erneut grollte der Donner und erneut erschrak ich. Doch auch die Mexikaner, diese abgebrühten Burschen verspürten ein Grauen, als der heftige Donnerschlag das Gebirge in seinen Grundfesten erschütterte und ein zuckender Blitz das Nebelmeer leuchtend zerriss. Antonio aber schien es kaum zu stören. „Soll er nur kommen, der böse Geist. Schätze, wir werden ihn so empfangen, dass er das Wiederkommen vergisst!“ Abergläubisch fiel ihm einer der Ree-Krieger ins Wort: „Still“, keuchte er, „wehe dem, der den Geist des großen Medizinmannes erzürnt! Bis jetzt hat
er nur gesprochen, aber seine Hand könnte uns zerschmettern!“ Antonio wollte etwas erwidern, aber er verstummte nun doch angesichts des unheimlichen Naturschauspiels.
Texte: F. J. Graf von Stauffenburg
Bildmaterialien: F. J. Graf von Stauffenburg
Tag der Veröffentlichung: 20.01.2013
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