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Prinzessin Florabell ist eine typische Prinzessin, wie so viele andere. Sie lebte mit ihren Eltern, dem König und der Königin, in einem prächtigen Schloss auf einem Hügel. Mit ihnen wohnen dort viele Bedienstete. Das Schloss ist umgeben von einem breiten Burggraben, und jeden Abend um zehn vor elf wird die Zugbrücke hochgezogen. Wer dann nicht im Schloss ist hat Pech gehabt und muss bis zum nächsten Morgen um sechs warten, dann steht der Zugbrückenwart auf und lässt sie wieder herunter. Zudem muss man sehr vorsichtig sein, weil im dunklen, tiefen Wasser des Burggrabens ein Burgdrachen gehalten wird, der das Schloss zusätzlich vor Eindringlingen schützen soll.

Florabell hat unheimlich viele tolle Kleider, Schmuck und entsetzlich viel Spielzeug. Alles was man sich nur wünschen kann. Aber, da sie keine Geschwister hat und ihre Eltern sehr viel arbeiten müssen, ist sie auch sehr oft einsam. Richtige Freunde hat sie hier oben nicht. Sicher sind alle sehr nett zu ihr, doch niemand spielt wirklich mit ihr. Oft langweilt sie sich deshalb und wenn ihr so langweilig ist, fällt ihr meistens Blödsinn ein.

So auch heute. Mama hat Florabell Seifenblasen mitgebracht und da es ein schöner Frühlingstag ist, schlägt sie ihr vor, doch auf der Zugbrücke in der Sonne zu sitzen und Seifenblasen ins Tal zu pusten. Eigentlich mag Florabell das sehr gern, aber da Mama nicht mitkommt, weil sie keine Zeit hat, ist sie auch recht missmutig bei der Sache. Sie setzt sich an den Rand der Zugbrücke und lässt die Beine über dem Wasser baumeln. Eigentlich darf sie das nicht, weil die Königin das viel zu gefährlich findet, aber sie ist ja nicht da.

Florabell schaut in das Wasser. Ob es wirklich so tief ist wie alle sagen? Außerdem fragt sie sich, ob in dieser Brühe wirklich ein Drachen lebt, wenn er angeblich raus kommt, ist sie längst im Bett und hat ihn daher noch nie gesehen. Florabell zuckt mit den Schultern und schraubt ihre Seifenblasen auf. Eigentlich darf sie auch das nicht, aber da niemand nach ihr sieht, lässt sie ein bisschen von dem Seifenwasser in den Burggraben tropfen. Erschrocken schaut sie zum Burghof, aber keiner achtet auf sie. Das Seifenwasser bildet eine schimmernde Pfütze auf dem Wasser. Toll, findet Florabell. Wie das glitzert in der Sonne! Vorsichtig versichert sie sich nochmals, dass sie nicht beobachtet wird und schüttet jetzt einen richtig großen Schwups aus. Sie grinst. Eigentlich toll, wenn einem keiner was verbietet.

Plötzlich sieht sie einen großen Schatten auf dem Wasser und guckt zum Himmel, um zu prüfen, was da so einen Schatten wirft, aber da ist nichts. Als sie jetzt genau hinsieht, bemerkt sie, das der Schatten nicht auf der Wasseroberfläche ist, sondern unter Wasser. Jetzt hat sie doch Angst und ein furchtbar schlechtes Gewissen. Schnell zieht sie die Füße ein. Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Augenblick schauen sie zwei große Augen an und ein riesiger schuppiger Schädel erhebt sich aus dem Wasser. Erst will Florabell sofort davon laufen, aber eigentlich sieht das Tier nicht böse aus. Ein bisschen grimmig, aber nicht wirklich böse. Und dann, könnte sie gar nicht mehr weglaufen, auch wenn sie wollte, weil ihre Beine sich wie Pudding anfühlen, als eine sehr tiefe Stimme leise zu ihr sagt:

„Warum machst du das? Weißt du nicht, dass das schlecht ist für die Tiere die im Wasser leben? Die Fische, Frösche und Insekten. Zum Glück haben die Wasserläufer mich gleich gerufen.“

Sicher weiß Florabell das, aber sie mag es jetzt nicht zugeben, sie dachte ja nicht, dass irgendwer das bemerkt. Der Drache macht ihr ganz schön Angst, auch wenn er nicht richtig schimpft. Sie macht also nur ein betroffenes Gesicht und sagt:
„Ich war das gar nicht!“
Leider ist ihr auf den Schreck hin nichts besseres eingefallen und kaum hat sie es ausgesprochen, tut es ihr auch schon wieder leid.
Der Drachen runzelt die Stirn und flüstert wieder:
„So, so, dann war ich das auch nicht.“
Florabell versteht nicht ganz und beobachtet gespannt, wie der Drache mit seinen großen Vorderpfoten bedächtig im Wasser unter die Seifenwasserpfütze fährt, dann ganz vorsichtig, die Tatzen fest zusammengedrückt, diese aus dem Wasser hebt. Sie freut sich, fast alles ist weg und der Schaden bestimmt nicht so groß. Aber der Drache ist noch nicht fertig, er hebt seine Pranken hoch über Florabell und lässt, platsch, das ganze seifige Wasser über ihr aus seinen Pfoten. Sie ist über und über nass und schmierig!
„Du bis voll doof! Jetzt werde ich geschimpft, weil ich mich heute nicht nass machen soll und mein Kleid muss auch gewaschen werden!“, platzt es aus Florabell heraus. Eigentlich hat sie das ja verdient, aber der Drache grinst jetzt nur und das macht sie noch wütender. Sie packt ihre Seifenblasen und marschiert tropfend ins Schloss, ohne sich noch mal umzusehen.

Natürlich wird sie geschimpft und muss auch noch Haare waschen, weil auch die klebrig sind, aber sie verpetzt den Drachen nicht, weil sie weiß, dass eigentlich sie einen Fehler gemacht und auch noch gelogen und behauptet hat, sie sei es nicht gewesen.

In dieser Nacht schläft Florabell nicht gut, sie träumt von dem Drachen und es tut ihr einfach noch immer sehr leid. Mama sagt immer:
„Gegen ein schlechtes Gewissen hilft meist nur eine Entschuldigung!“
Weil die Königin oft recht hat, möchte Florabell es zumindest versuchen und fragt so am nächsten Morgen den König, ob sie mit dem Kutscher eine Spazierfahrt um das Schloss machen dürfe. Zu ihrer Freude erlaubt er es sofort, da die Kutsche nicht gebraucht wird an diesem Tag, und ausgerüstet mit einem Picknickkorb geht die Spazierfahrt los. Heute ist Florabell froh, dass niemand Zeit hat mitzukommen. Sie hält die ganze Fahrt über Ausschau nach dem Drachen und als sie eine große Höhle entdeckt, die am Burggraben direkt im Burgberg liegt, bittet sie den Kutscher hier anzuhalten. Erst essen sie zusammen und dann legt sich der Kutscher, wie immer, zu einem Nachmittagsschläfchen auf den Kutschbock.
„Fall mir bloß nicht ins Wasser!“, sagt er noch und bald darauf schnarcht er laut.

Florabell kniet sich ans Wasser und versucht angestrengt irgendetwas darin zu erkennen.
„Bist du da?“, flüstert sie.
„Suchst du jemanden?“, ertönt es plötzlich aus der Höhle und kurz darauf zeigt sich ein grüner, schuppiger Kopf, der lächelt und ihr zuzwinkert.
„Du bist ja wieder trocken und sauber. Für die Fische ist das nicht so einfach.“
Fast will Florabell beleidigt sein, weil der Drache gleich wieder damit anfängt, aber sie freut sich viel zu sehr, dass sie ihn wirklich gefunden hat.
„Es tut mir sehr leid, Drache.“, sagt sie deshalb lieber und fängt beinahe an zu weinen, weil es wirklich so ist.
„Na, na.“, sagt der Drache. „Wir haben das doch gerade noch hinbekommen und ich hoffe das passiert nicht wieder. Dragomir, ist übrigens mein Name.“
Florabell schüttelt den Kopf: „Nie wieder, versprochen! Ich bin Prinzessin Florabell.“
„Ich weiß!“, antwortet der Drache Dragomir.
„Ich mag das Wasser zwar nicht so besonders, aber ab und zu schwimme ich am Burghof vorbei und da bekommt man so einiges mit. Außerdem hab ich dich schon mit deinen Eltern gesehen.“
Florabell versteht die Welt nicht mehr: „Du magst das Wasser nicht? Aber du lebst doch im Burggraben und beschützt uns?“
Dragomir schüttelt den Kopf: „Nein, ich muss wohl meine Runden schwimmen, um euch zu beschützen, aber mir ist das Wasser meistens zu kalt und wenn ich zu lange drin bleibe, werde ich ganz schrumpelig, das kann ich nicht leiden.“
„Dann wohnst du hier in der Höhle?“
„Ja, leider. Weißt du, wir Drachen liegen gern in der Sonne, aber in der Höhle ist es duster und auch kalt, die Wände sind feucht und oft ist mir langweilig. Aber nicht alle Menschen mögen Drachen und so verstecke ich mich lieber.“
Das tut Florabell leid. Gerade als sie antworten will, streckt sich der Kutscher und gähnt. Schnell verschwindet der Drachen im Schatten der Höhle.
„Ich muss gehen. Bis bald, Dragomir.“, flüstert sie noch in die Richtung, in der er verschwunden ist und läuft zur Kutsche.
„Bis bald, kleine Florabell!“, hört sie daher nicht mehr.

Aber sie weiß, was sie heute beim Abendessen machen wird. Schon lange hat Papa ihr ein Haustier versprochen und gesagt, sie dürfe sich aussuchen, was immer sie möchte. Sie wird Dragomir vorschlagen. Er könnte sicher im Burghof liegen und sich sonnen und keiner dürfte ihm was tun. Florabell grinst, so wird sie das machen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für die Lau

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