Cover

Titel

 

Der Baumarkt

 

„Mein alltäglicher Wahnsinn!“

 

 

„Wie kann man nur so blöd sein???!!!!“

 

 

 

Von

Marcus Schüngel

 

Inhaltsverzeichnis

 

Möge das Arbeitsleben beginnen

Ein kurzer Einblick in „meine“ Baumarktzeit

Garten, ich komme!

Der große Sturm

Eiszeit & Neuzeit

Ölprobleme, oder „darf’s ein bisschen mehr sein?“

Vollgas-Explosion

Terrassenflugstunde

Anekdoten: Laubsauger & gelbe Toiletten

Handgreiflichkeiten und Unverschämtheiten

Saatgut = Diebesgut

Anekdoten: Der (tief)fliegende Holländer, Tesafilm & weiße Akkuschrauber

Bester Diebstahl Platz Nr. 3

Bester Diebstahl Platz Nr. 2

Bester Diebstahl Platz Nr. 1

Miese Diebstahlsmaschen

Anekdoten: Farbe & Missgeschicke

Der Hand-Ablader

Ladungspannen

Fliegende Arbeitsplatten

Türprobleme

Anekdoten: Klitsch-K.O., Scheiben-Fettfleck, Beinahe-Einlauf

Die Betonhose

Sexuelle Neigungen

Telefon-Seelsorger erwünscht

Schlüssel-Kinnhaken

Lippenbekenntnis

Dachschaden

Anekdoten: Nasenkratzer & platte Orchideen

Hosenscheißer

Rache eines Wachmanns

Selbstständige Carts

Winterhart oder nicht? Das ist hier die Frage?!!!

Gewaltbereite Senioren

Gewächshaus? Was soll das sein?

Mikes Kurzschluss

Leichte Überdosis

Detektivisches Gespür

Der Spülenhaken

Der „Benimm“-Coach

Anekdoten: Schabernack

Der Dachboden

Die Gummifutt & ähnlich Verwirrendes

Stilblüten

Ladungspannen

Anekdoten: Tiefgaragen & Rolltreppen

Sommerliche Wasserschlachten

Nervige Rabattaktionen

Anekdoten: Verwechslung, Ytongsteine & Toilettenschüsseln

Mein Schlusswort, 2 Teil????

Möge das Arbeitsleben beginnen

04. Januar 1999. Ein einfaches Datum. Dennoch von besonderer Bedeutung für mich.

16 Jahre alt. 

Eigentlich habe ich nur Flausen im Kopf. Arbeiten gehen. Der Wunsch meiner Eltern. Taschengeld-zahlungen sind seit 4 Monaten eingestellt. Somit füge ich mich meinem Schicksal mehr schlecht als recht und denke mir:

 

„Probier es halt!“

 

600 Mark klingen für einen kleinen, schüchternen, nach Anerkennung suchenden Teenager schließlich nach sehr viel Geld. Somit trete ich mit Neugierde den Weg zu dem Laden an, der dann mein Leben und alles Dazugehörige schwer auf den Kopf stellen wird. 

Der Marktleiter, ein älterer dicklicher Herr, irgendwie gezeichnet vom Leben, empfängt mich in seinem sehr spartanischen Büro. Ohne Fenster, lieblos eingerichtet, vollgeklebt mit allerlei Zetteln. Es wirkt bedrückend auf mich. Kurze Formalitäten werden geklärt und schon geht es los. Die erste Führung durch das „Kellerloch“, wie es liebevoll genannt wird. Tief unten in der Tiefgarage gelegen kennen manche Leute diesen Baumarkt noch nicht mal, obwohl sie seit 25 Jahren und länger in meiner Stadt leben. 

Die Decke ist so niedrig, dass ich mit einem beherzten Satz problemlos mit den Fingerspitzen dran kommen würde. Leider bin ich dafür doch zu unsportlich. 

Bewegung war nie meine Stärke. In der Freizeit nach der Schule verkrieche ich mich lieber in meinem Zimmer und vertreibe mir die Zeit mit meinem PC.

Die Luft ist gefüllt von einem Geruch nach Sägespänen, Lösungsmittel und Öl. Ein Geruch, den ich aus jüngeren Jahren kenne, von diversen handwerklichen Schaffungsprozessen mit meinem Opa und meinem Vater. Der erste Eindruck ist doch recht positiv und ich versuche mir einiges zu merken, was mir der kleine untersetzte Mann an meiner Seite, mit seinen, um den Bauch gespannten Hemdknöpfen und seiner sehr dünnen zitternden Stimme versucht zu erklären. 

Mein erster Arbeitsauftrag beginnt auch sofort. Etwas, was ich bis zum heutigen Tage noch vor Augen habe, als wäre es gestern. Ich darf mich sogleich an Toilettendeckeln austoben. Diese müssen nach Menge und Farbe ins Regal eingeräumt werden. 

Ich kannte diese Dinger immer nur weiß und mit Muttis oder Omas flauschigem Überzug und war dann doch recht überrascht vor einer Wand mit gut und gerne 60 verschiedenen Formen und Farben zu stehen, mit eingefasstem Stacheldraht, Reißzwecken, Delfinbildern und Löwenköpfen. Wer bitte legt sich so etwas auf die Schüssel? Ich pflanz mich dort eigentlich nur mit dem Hintern drauf. Egal. Ich versuche die Aufgabe zügig und so gut ich kann zu bewältigen. 

Schnell versuche ich den Chef zu finden und weitere Aufgaben einzufordern, da passiert schon das Unglück.

Der erste Kundenkontakt.

 

Kunden!!!

 

Eine sehr ausgefallene Spezies an Menschen. Manchmal sehr offen, manchmal sehr verschlossen. Meist freundlich gesonnen, selten auf Krawall gebürstet. Aber bis zum heutigen Tage nicht langweilig.

Ich bin in diesem Moment allerdings völlig überfordert. Wo ist das Klebeband aus der Werbung? Eine Frage, die mich heute gelangweilt trifft und mit größter Selbst-sicherheit den genauen Platz, wie vom Tonband abgespielt, wiedergeben lässt. 

Ich beginne hektisch um mich zu schauen. Wo zum Henker ist denn mal ein Kollege aus dem Laden, wenn man ihn braucht? Vorhin wurde ich doch noch mindestens 8 Leuten vorgestellt, von denen ich mir vielleicht zwei mit Namen merken konnte. Zum Glück kommt mir dann doch einer entgegen, der mir den Kunden sofort abnimmt und sicher zu seinem Ziel führt. 

Ich stehe nun wieder recht allein gelassen dort. Den Schreck muss ich jetzt erst mal verdauen. So offen werde ich ja höchstens von mir vertrauten Personen angesprochen, aber das nun ab sofort hier die Kunden offen auf mich zukommen werden, lässt mich in eine kurzweilige Schockstarre verfallen. Endlich sind meine ersten 4 Stunden erledigt. Meine Eltern erwarten mich natürlich neugierig zu Hause und löchern mich mit Fragen. Ich bin viel zu müde um zu antworten. Die Füße tun mir weh, die Waden brennen und das Bedürfnis nach einer Dusche ist riesengroß. So viel habe ich mich schon seit Monaten nicht mehr bewegt. Das wird mich jetzt also öfters erwarten. Drei- oder viermal die Woche. Der Standardeinsatz einer normalen Aushilfe eben. 

 

Die nächsten Einsätze auf diesem neuen Terrain sind sehr ähnlich. Ich melde mich pünktlich nachmittags nach der Schule beim Filialleiter und erwarte gespannt, welches Regal denn nun zu füllen sei. 

Nach einigen Tagen komme ich auch mit einigen Kollegen ins Gespräch. 

 

„Netter Haufen“,

 

denke ich mir. Bis auf einen. Noch heute ist dieser Blick aus den schmalen Augen unvergessen für mich. Jeden kleinen Fehler von mir erfasst dieses Augenpaar sofort, damit mich die darunterliegenden, schmalspurartigen Lippen derart zusammenfalten können, dass einem jungen Teenager wie mir Hören und Sehen vergeht. Er genießt es geradezu mich Dinge doppelt machen zu lassen, ohne mir auch nur ansatzweise zu zeigen, wie es ihn zufrieden stellt. Jedes Mal verdrehen sich meine Eingeweide aufs Neue, wenn ich ihn auch schon von Weitem wahrnehme. 

Mein Glück war, dass ich nach kurzer Zeit einen Beschützer hatte. Einen Lieblingsmitarbeiter. Freundliche Augen umrandet von Vollbart und beginnender Glatze, platziert in einem breiten, rundlichen Gesicht, aber nicht zu vergessen der mächtige, vorgewölbte Bauch. Man hatte Schwierigkeiten den darunter befindlichen Gürtel noch zu erkennen. 

Er bemerkt sehr schnell, dass sich der Fiesling auf mich eingeschossen hat. Also nimmt er mich öfters zur Seite und so etwas Schärfe aus der Konfrontation und stand mir in manch schwieriger Situation mit ihm bei, was wirklich mein Glück war.

Ein kurzer Einblick in "meine" Baumarktzeit

 

So, nun reicht es!

Ich möchte ja nicht in eine Erzählung meines kompletten Baumarkt-Lebens verfallen und ehemalige Kollegen schlechtmachen oder andere hofieren. Vielmehr geht es mir eigentlich darum zu zeigen, wie sonderbar, lustig, traurig und manchmal auch unfassbar schräg die andere Seite eines Baumarktes sein kann! 

Die Mitarbeiterseite. Meine Seite. 

Wenn sich Menschen über die diversen Heimwerkermarkt-Ketten unterhalten, dann immer nur über die Kundenseite. Zum Beispiel über das Baumarkt-Hörnchen, auch bekannt als deren Mitarbeiter, welches immer überaus scheu, nervös und leicht verschwitzt durch die Gänge hetzt und sobald es entdeckt wird, zügig die Flucht antritt und versucht sich zwischen den Gängen, Regalen und Dekorationsaufbauten zu verstecken, bis die Luft wieder rein ist.

Ein Problem ist auch der Mangel an Fachberatern. Es sollte, nach Ansicht der Allgemeinheit, an jedem Gang immer ein freundlicher Packesel für jede Dame oder jedem Herrn bereitstehen, der schon mit seinen mentalen Fähigkeiten empfangen hat, was der Kunde benötigt, als dieser schon von zu Hause aufgebrochen ist! Dies ist wirklich nur ein ganz kleiner Anriss an Vorurteilen. Alle hier aufzuführen ist nun gar nicht meine Absicht, denn das könnte unzählige Seiten füllen. Ich möchte es mir viel lieber zur Aufgabe machen, die andere Seite zu beleuchten. Meine!

 

Mittlerweile bin ich schon fast mein halbes Leben in dieser Firma. 16 Jahre um genau zu sein und bin vor kurzem in den Club der Dreißiger aufgestiegen. Gearbeitet habe ich in insgesamt 7 Filialen meiner Kette. Nach vielen Höhen und Tiefen bin ich in einem Team angelangt, was besser nicht zusammenarbeiten könnte. Erfahrungen und allerlei Erzählbares habe ich erlebt in sämtlichen Facetten. Ich fing an als Aushilfe, wurde dann Auszubildender zum Einzelhandelskaufmann, nach bestandener Prüfung sofort in die Fortbildungsmaßnahme zum Handelsfachwirt und schlussendlich noch vor Beendigung der letzten Prüfung zum Gartencenterleiter übernommen. So habe ich aus wirklich allen Blickwinkeln dieses, doch sehr unterhaltsame Geschäft namens Einzelhandel, kennenlernen und ja, auch lieben dürfen. So einiges habe ich erlebt, nicht nur kundentechnisch betrachtet, sondern auch kuriose und manch zwischenmenschliche Geschichten, von denen ich versuchen möchte euch einige näher zu bringen.

 

Wie ich ja bereits erwähnte, ging alles in dem herrlichen „Kellerloch“ los. Die Angestellten hatten auch den netten Beinamen „Kellerasseln“. An wirklich viel kann ich mich da nun wirklich nicht mehr erinnern, außer, dass ich mit meinem ersten erlebten Diebstahl eines Kollegen konfrontiert worden bin. Dieser hatte Samstagabend die Aufgabe den Markt zu verschließen und somit auch die Schlüsselgewalt über Kassen und Tresor. Leider machte er genau hierbei einen fatalen Fehler. Er verwechselte Mein und Dein! Hinzu kam seine sehr kuriose Ausrede.

 Er ging, nachdem die letzte Kassiererin den Laden verließ, nochmals allein in das Büro zum Tresor und nahm sich einen 50 Euro Schein heraus. Nach seiner Aussage legte er einen Zettel hinein mit dem Satz: „Leg ich Montag wieder rein! Muss noch tanken!“. Merkwürdigerweise müssen den aber irgendwelche dubiosen Gestalten entfernt haben, denn Montagmorgen war der Zettel weg. Die 50 Euro natürlich auch. Stunden später der Mitarbeiter ebenfalls, fristlose Kündigung. An diesem Tage rutschte mir ein Satz heraus, der mich bis zum heutigen Tage recht häufig begleitet hat:

 

„Wie kann man nur so blöd sein!!!“

 

Also, ich stehe morgens auf, fahre an die Arbeit, begrüße meinen Chef, frage was anliegt und mache meine Arbeit, so als ob es mein eigener Laden wäre, denn nur so kannst du heutzutage in meinen Augen optimale Leistung in unserer Branche erzielen. Ich möchte abends heimgehen und einfach zufrieden mit meiner Leistung sein, mit dem Gefühl, etwas geschafft zu haben. Bei vielen, nicht nur in unserem Beruf, habe ich allerdings das Gefühl, dass Sie morgens nur aufstehen und versuchen sich auf den Lorbeeren anderer und deren Kosten auszuruhen. 

Ich bin der Meinung, würden sich viel weniger Leute damit beschäftigen, sich in den Ecken rumzudrücken und ihre nächste Zigarettenpause errechnen und stattdessen ihr Hirnschmalz in die eigentliche Arbeit stecken, wir hätten nur halb so viel Probleme und nur die Hälfte zu tun! Dies Herumdrücken sollte als Krankheit verifiziert werden, als sogenannte Lackdosen-Intoleranz. Man könnte es auch als Arbeits-Insuffizienz, Faulenzia vulgaris extremica bzw. Rationalisierungsbereitschaft bezeichnen. 

Dazu passt ein Zitat eines Dozenten aus meiner Handelsfachwirt-Fortbildung bestens: 

 

„In jedem Betrieb gibt es ein Drittel Arbeiter, ein Drittel Mitläufer und ein Drittel Besucher.“

 

 Ich bin so frei und zähle mich zur ersten Kategorie.

Garten, ich komme!

 

Meine erste Begegnung mit den Baumarktlern war von nur recht kurzer Dauer. Nach einem kurzen Zwist mit dem Chef und einem Scherenwurf seinerseits in meine Richtung war unser Arbeitsverhältnis recht zügig beendet. Ich ging einfach mehrere Tage nicht hin, obwohl ich mich von meinen Eltern verabschiedete in Richtung Markt. Nicht so clever im Nachhinein, aber es löste sich ziemlich schnell auf. Er rief daheim an, meine Mutter war entsetzt, ich kam ins elterliche Kreuzverhör, erklärte den Streit, der Chef wurde auf den Pott gesetzt und ich war „ZACK“ in die Gartenabteilung versetzt!

 

Das war damals DER Schritt, der meine heutige Geschichte ins Rollen brachte. Hätte man mir das damals gesagt, ich hätte herzhaft gelacht! Wenn du als 16-jähriger in eine Halle voll mit Nippes, Blumen, Samen, Schläuchen, Obstbäumen, Gartenkrams aller Art und Töpfen gestellt wirst, fragst du dich kurz:

 

“Was zur Hölle soll ich hier?“

 

Ein großer Pluspunkt: Es gab Sonnenlicht!!!! 

Wie genau dort meine ersten Begegnungen anfingen, weiß ich leider nicht mehr genau. Aber hier passierten die ersten lustigen Geschichten. Zum Beispiel wurde uns innerhalb von zwei Wochen dieselbe Kettensäge drei Mal geklaut und immer wieder auf höchst spektakuläre Art und Weise. Zwei-Mann Team. Einer wartete auf der Außenseite unseres Zaunes. Der andere lief rein, schnappte sich die Säge, sprintete durch die Halle, wir hinterher, warf sie über den Zaun, sein Kollege fing sie und war mit der Säge somit über alle Berge. Klar hatten wir den einen Typen gefangen, der sich direkt nach seinem Hochleistungswurf grinsend vor uns stellte und sagte: „Ich ergebe mich!“ Leider ist unser Staat mit seinen Ladendiebstahlgesetzen so lasch, dass die Anzeige meistens wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde und wir lediglich die Fangprämie von damals 50 Mark einkassieren durften. Hausverbot gab es auch noch, aber ein Gerät für 600 Mark war futsch.

Beim nächsten Raubzug wechselten die beiden einfach die Rolle. Der andere ging jetzt rein. Der hatte ja kein Hausverbot. So begann für uns wieder dieselbe Jagd mit gleichem Ergebnis und die Schreibarbeit bezüglich Anzeige und das zweite Gerät war futsch.

Wie der dritte Klau von statten ging brauche ich ja leider nicht zu sagen, denn die Jungs hatten noch einen dritten Mann in petto. Ich trau es mich ja gar nicht zu sagen, aber ich hatte schon beim Aufbau der Geräte, zwei Wochen zuvor, meinen damaligen Gartencenterleiter gefragt, ob es nicht besser wäre die Geräte anzuketten. Die Vorrichtung dafür war ja vorhanden. Er fand das eine schlechte Idee. Bis die dritte Säge weg war! Auf einmal waren Ketten über Nacht angebracht. So was aber auch.

 

 

Mit der Zeit wurde ich durch den alltäglichen Kontakt mit Menschen viel offener und auch sicherer in meinem Auftreten. Ich hatte schon immer recht vorlaute Gedanken, aber kam nie so richtig aus mir raus, vielleicht auch aus Angst vor der Reaktion meines Gegenübers. Das änderte sich recht schnell und ich sah, dass meine Art nicht unverschämt, sondern immer eher lustig war und nett aufgefasst wurde. Heutzutage liebe ich es offen und ehrlich, direkt zu sagen, was mir gerade in den Sinn kommt. 

Ein Leitsatz von mir ist:

 

„Spreche aus, was andere sich nicht zu denken trauen!“

 

Ab und an geht das zwar mal in die Hose, aber man kann es nicht jedem Recht machen. Mein damaliger Chef sagte zu mir mal Folgendes: „So, Herr Schüngel. Jetzt nehmen Sie sich eine Mülltonne mit, gehen damit hinten in unser Gewächshaus und schmeißen alle Pflanzen weg, die Sie nicht kaufen würden!“ Sofort fing es in mir an zu rattern. Ich konnte einfach nicht umher zu antworten:“ Sind sie sicher? Dann ist die Halle danach aber leer!“

 

Man könnte nun fast meinen, ich wäre frech oder vorlaut. Ganz im Gegenteil, sage ich. Er hat sich einfach nur sehr unglücklich ausgedrückt. 

Viel mehr Spaß macht es mir aber mit Kunden, vorzugsweise älteren Damen ein wenig herum zu flapsen. Kollegen von mir nehmen gerne Reißaus, wenn die Damen ab siebzig aufwärts kommen. Ok, manchmal sind sie etwas biestig, aber das muss man bloß zu händeln wissen. Mir fällt es leicht, zum Beispiel bei Seniorinnen, die eine immense Schneckenplage in ihrem Garten daheim haben und denen mit Schneckenkorn ans schleimige Häutchen wollen: 

 

„Entschuldigen Sie, junger Mann? Wo haben sie denn etwas für Schnecken?“ 

 

Nun antworte ich nicht:

 

 „Dort vorne links.“,

 

sondern Folgendes:

 

„Also da müssen sie dort hinten durch die Glastür hinaus zu unserem Freigelände, denn dort stehen gerade unsere frisch eingetroffenen Salatpflanzen!“

 

 „Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich meine, ob sie was dagegen haben?“

 

 „Ach, ob ich was gegen Schnecken habe??? Also im Prinzip nicht. Sind doch ganz süß, die kleinen Dinger!“

 

Hier sollte man aufhören mit dem Schabernack. Den Lacher hat man kurz auf seiner Seite, aber man sollte es ein wenig in Grenzen halten. So versuche ich es eigentlich den ganzen Tag. Immer mit ein wenig Witz und Charme, die Leute zum Schmunzeln bringen, denn nur so prägst du dich ins das Gedächtnis der Leute ein und sie werden immer und immer wieder nur zu dir kommen, zum Beispiel mit dieser netten Frage:

 

„Entschuldigung, junger Mann? Wo finde ich denn den Rinder-Mulch aus der Werbung?“

 

„Rinder-Mulch??? So was führen wir nicht!“

 

„Doch, doch, der ist doch diese Woche in ihrem Wochenprospekt.“

 

„Nein, da muss ich sie enttäuschen. Wir führen keine Kühe in Säcken. Bei uns bekommen sie nur Rinden- Mulch oder Rinder-Dung. Das eine ist geschredderte Rinde und das andere Kuhkacke zu Pellets verpresst. Wie gesagt gehäckselte Kühe gibt es nicht!“

Der große Sturm

 

Wie unschwer zu bemerken, erlebt man jederzeit immer sehr ausgefallene Momente in der noch einzig, vorherrschenden Männerdomäne. Dem Baumarkt. 

Damals war es zu Aushilfszeiten nur ein kleiner Nebenverdienst für mich, während meiner Versuche das Abitur zu bestreiten. Jedoch wurde ich immer vertrauter mit diesem Beruf, so dass es mich schließlich sogar dazu bewog, mein Abitur abzubrechen und die Ausbildung zum Handelsfachwirt zu beginnen. Es gibt zwar immer wieder Momente, in denen man das alles hinterfragt und auch viele Höhen und Tiefen durch die man gehen muss, aber unterm Strich habe ich in den 17 Jahren, die ich diesen Beruf schon ausübe, so viel Erfahrung fürs Leben und Menschenkenntnis gesammelt, wie andere Menschen in ihrem ganzen Leben nicht erlangen können.

 In den saisonalen Hauptzeiten unseres Geschäftes hat man am Tag mit mindestens 150 verschiedenen, völlig fremden Personen zu tun, auf die man sich sofort einstellen muss, um einen lukrativen Verkaufsabschluss zu erzielen. Das ist mein alltägliches Brot. In Stoßzeiten kommt man sich dabei wie ein Fluglotse vor, der wild fuchtelnd im Gang steht und auf jede Frage, wo sich etwas befindet, direkt in die gewünschte Richtung zeigt. Alles Weitere ist Bonus.

Schon zu Beginn meiner Ausbildung stand ein großer Umzug ins Haus. Ich musste ausziehen und gleich 150 Kilometer weit weg von jedem bekannten Gesicht, Freunden und Familienmitgliedern mein Leben selbst bestreiten. Zum Glück begann meine Ausbildung gleich sehr spannend und aufregend. Alles fing an am ersten Juli 2002.

Zu diesem Zeitpunkt war meine damalige Kollegin und Gärtnerin im Urlaub, somit sollte ich mich vertretungsweise draußen um die Bestückung der Pflanzentische und die allgemeine Ordnung des Pflanzenbereichs kümmern.

Nach ungefähr zehn Tagen traf ich zum zweiten Mal, nach meinem Einstellungsgespräch, auf den hiesigen Gebietsverkaufsleiter. Dieser bemängelte ein wenig, dass mal wiedergekehrt werden müsse, einige Pflanzen nicht so toll aussahen, etc.

 Ich fand das ganz und gar nicht und glaube, im Nachhinein, wollte er mich ein wenig, zu noch mehr Leistung anstacheln. Das kennt ja eigentlich jeder aus seinem eigenen Berufsleben. 

Somit fing ich an den Besen im großen Stil zu schwingen und noch akkurater auf Sauberkeit zu achten. An diesem sehr heißen Juli-Tag standen auch meine alltäglichen Begleiter draußen im Freigelände. Zwei Beos in ihrer hübschen rot, blau, gelben Voliere. Wunderschön anzusehende Tiere, aber auf Dauer grausam anstrengend anzuhören. Den einzigen Ton, den die beiden kannten war: „KRÄÄÄCHZ!!!“ 

Alle zehn Sekunden. Sehr Nerv tötend, während einer neun Stunden Schicht. Auch an jenem heißen Juli-Tag lärmten sie mir in alter Art und Weise die Ohren voll und plagten mein Gemüt. Allerdings verstummten die zwei im Laufe des Nachmittags und verhielten sich äußerst nervös. Vögeln und anderen Tieren sagt man ja nach, dass sie ein Gefühl dafür haben, wenn etwas Schlimmes in der Luft liegt. Zu dem damaligen Zeitpunkt vermochte ich noch nicht zu deuten, dass die beiden Recht behalten sollten. 

Ich war am äußersten Ende der Beete angelangt und schippte die letzte Schaufel Dreck in meine Tonne, als ich mir die zwei Vögel so aus der Ferne betrachtete und mich so langsam zu fragen begann, warum sie so still waren. An dem Ort, an dem ich mich befand, konnte ich keinen einzigen Luftzug spüren, obwohl es die letzten Tage immer sehr windig war. Es war absolut windstill. Ich blickte nach oben und fand nicht ein Wölkchen am Himmel, dafür war es aber drückend heiß. Um die zweiunddreißig Grad. 

Ich stellte meine Tonne in die dafür vorgesehene Ecke und entschied, ans vordere Ende unseres Geländes zu gehen, denn dort war der einzige Teil unseres Zauns nicht mit vier Meter hohen Blechen verblendet worden, so dass ich einen weiten Blick, über die flache Wiese hinter unserem Laden, auf den Horizont werfen konnte. 

Was ich dort sah, habe ich in dieser Form bis zum heutigen Tage nicht mehr gesehen. Am Horizont türmte sich eine riesige Wolkenformation auf. Giftgrüne Wolken, wie mit einem Lineal gezogen auf einer Breite von mehreren Kilometern. Es hatte den Anschein, als würde sich diese Gewitterfront nicht fortbewegen und an Ort und Stelle verharren. 

Unbekümmert ging ich also weiter meiner Arbeit nach, warf aber dennoch alle paar Minuten einen flüchtigen Blick nach oben, denn Gewitter faszinieren mich bis zum heutigen Tage. Zu gerne drücke ich mir im heimischen Wintergarten die Nase an der Scheibe platt, wenn die Luft regelrecht elektrisiert knistert oder schaue bis spät in die Nacht dem heftigen Wetterleuchten am Horizont zu. Es zieht mich immer magisch an. 

 

Irgendwann traf meine Chefin bei mir ein um mir ein wenig zu helfen. Als wir in den letzten Zügen waren, gingen wir wieder ans Ende unseres Geländes und reckten unsere Hälse nach oben und staunten. Die Gewitterfront war nur noch knappe hundert Meter von unserem Laden entfernt. Die Wolke sah an der Vorderkante aus wie ein Strich und rotierte von unten nach oben wie eine Walze. Es glich einem riesigen schwebenden Nudelholz. Es war immer noch Totenstille in der Luft, bis auf ein Grollen, das aus Richtung der Gewitterzelle kam. 

Als die Wolke jedoch über unsere Dachkante strich, dachte ich, die Welt bricht über uns zusammen. Mit ungeheurem Druck fegte eine nicht enden wollende Windböe über unsere Köpfe und riss schlagartig alles aus den Fugen. Ein schwerer Eisenpavillon mit einer Dachfläche von zehn Quadratmetern wurde aus seiner Bodenverankerung gerissen, hochgeschleudert, fegte knapp über meinen Kopf und landete nach fünfzig Metern krachend in der Steinausstellung. Dutzende von Pflanzen flogen durch die Gegend, prasselten auf uns nieder und ein Platzregen ergoss sich, wie ich ihn, bis zu diesem Zeitpunkt, noch nie erlebt hatte. Es wurde schwarz wie die Nacht, so dass man durch die Wasserwand keine zehn Meter weit schauen konnte. Meine Chefin und ich nahmen die Beine in die Hand und versuchten noch einige Karren mit Pflanzen mit in Sicherheit zu bringen und in den Laden zu ziehen, wo bereits ein Kollege darauf wartete hinter uns die Türen zu verriegeln. Alles flog durcheinander, prasselte gegen die Scheiben, kurzum eine immense Zerstörungswut des Wetters entlud sich über das, was ich die letzten vierzehn Tage versucht hatte zu pflegen und in Ordnung zu halten. Es war schrecklich. Alles für die Katz. Aber das Unheil fing gerade erst an.

Unmittelbar hinter der Tür befanden wir uns genau auf Höhe der Zooabteilung. Dort befinden sich diverse Aquarien und Pflanzenbecken und demzufolge auch Abflüsse im Boden. Im selben Moment fing es aus den Abflüssen plötzlich ungewöhnlich laut an zu rumoren. Wir alle schauten uns fragend an. Bis wir realisierten, was dort gerade geschah, war es schon zu spät. Mit einem lauten „Rülps“ schossen uns aus allen drei Abflüssen dreißig Zentimeter hohe Wasserfontänen entgegen, die durch den weiter anhaltenden Platzregen ausgelöst wurden. Wie von der Tarantel gestochen spurtete ich mit unserer Chefin los an unser Pumpenregal, rissen die Kartons der größten Pumpen auf, die wir greifen konnten und rollten alles an Schläuchen heran, was unser Regal hergab.

Leider war es hoffnungslos. Selbst die Pumpen mit Leistungen von über sechzehntausend Litern in der Stunde, konnten gegen diese Wassermassen nichts ausrichten. Innerhalb von fünf Minuten liefen gute fünfhundert Quadratmeter unserer Ladenfläche knöcheltief mit Wasser voll. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das verbaute Abwasserrohr

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Marcus Schüngel
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2015
ISBN: 978-3-7396-2791-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die mir in den vielen Berufsjahren begegnet sind und dieses anfängliche Spaßprojekt überhaupt ermöglicht haben. Ich habe die Zeiten in den Pausenräumen und diversen Abenden sehr genossen in denen wir uns über genau diese Geschichten regelmäßig sehr amüsiert haben. Mein größter Dank gilt dir, liebe Svenja! Ohne deine Hilfe, deine vielen Tipps und Vorschläge wäre ich bestimmt niemals fertig geworden. Ebenfalls danke ich meiner Familie, die mich in vielen schweren Situationen nie im Stich gelassen hat. Daher widme ich euch dieses Werk, auch als Dank, dass ihr immer für mich da gewesen seid.

Nächste Seite
Seite 1 /