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Das goldene Kalb




Das goldene Kalb glänzt in seinem schönsten Licht. Es ist neu und hell, von großem Wert. Deshalb lieben wir es. Es ist die Erfüllung unserer Träume. Endlich haben wir, nach so viel Mühe, unser Ziel erreicht. Es strahlt der gläserne Wintergarten unseres Traumhauses, es glänzt der Lack des Sportwagens, es streichelt der Sound des Home-Video-Systems unsere Sinne.
Doch es glänzt nicht auf Dauer so schön.
Das Leben im Traumhaus wird ungemütlich, muss es doch immer geputzt und bewacht werden. Das tolle Auto ist gegen den Baum gefahren, das Fernsehen langweilt genauso wie mit dem alten Gerät.
Wir sind frustriert und denken nur noch an das viele Geld, das wir umsonst geopfert haben für den Traum, für den Schatz, für den falschen Gott.
Woran liegt das? Warum macht das goldene Kalb nicht glücklich?
Weil es ein Ding ist und Dinge sind vergänglich. Freude an ihnen ist vergänglich.
„Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr als ein Reicher in die Glückseeligkeit.“
Das war keine Drohung, das war ein Tatsachenbericht.
Das Reich Gottes; nehmen wir mal an, es ist nicht nur das Leben nach dem Tod, sondern ein Reich, das uns schon jetzt gehört. Wir kommen nicht erst da hin, wenn wir schön artig waren.
Wir leben darin.

Was fehlt also dem Reichen so arg, dass er nicht hineinkommt ins Paradies?
Es fehlt ihm nichts, er hat nur ein Ding zu viel: Das goldene Kalb.

Ich habe eine Zeit neben einem Haus gewohnt, in dem eine türkische Familie lebt. Sie haben 7 Söhne, die Mutter hat Krebs, der Vater ist querschnittsgelähmt.
In diesem Haus ging die Post ab. Es gingen Leute über Leute ein und aus. Sie tauschen Dinge, helfen sich bei Hausarbeiten, Umzügen, beim Einkaufen, mit den Kindern.
Jeden Tag übernachten Freunde der Kinder in dem Haus. Der Onkel kommt und bringt 30 000 Euro vorbei, schwer verdientes Geld, geduldig gespart, man weiß ja nie was kommt.
Die Familie, die das Haus gekauft hat, braucht das Geld jetzt dringender, hat er gesagt.
Auf der Hochzeit des ältesten Sohnes kommen Hunderte von Gästen, jeder bringt ein Stück Gold mit, auch wenn es das letzte Ding von Wert ist, das er hat. Das junge Paar soll vermögend sein, sie brauchen das Gold für einen guten Start. Sie bekommen es geschenkt von Verwandten, Freunden, Nachbarn, Fremden, einfach so. Sie müssen es nicht erarbeiten, verdienen, sie bekommen es in den Schoß gelegt.
Und all die Gäste, jeder einzelne von ihnen, hat das große Glück am Leben gefunden, denn sie haben kein goldenes Kalb.

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Tag der Veröffentlichung: 27.02.2011

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