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Meine beste Freundin Heike und ich lernten uns kennen, als wir sechs Jahre alt waren. Man kann es als "Freundschaft auf den ersten Blick" bezeichnen. Gleich bei unserer ersten Begegnung waren wir fasziniert von unserer Verschiedenheit mit gleichzeitiger Seelenverwandschaft. Wir klebten von da an wie die Kletten aneinander, zum Leidwesen einiger unserer Grundschullehrerinnen, die uns täglich wieder auseinandersetzten, weil wir zuviel sabbelten und Quatsch machten.

Unsere Freundschaft hat viele Hürden überstanden: Zuerst die räumliche Trennung nach der Grundschulzeit, da wir verschiedene weiterführende Schulen besuchten. Mit fünfzehn Jahren wechselte Heike auf eine teure Privatschule und durchlief eine ziemlich seltsame Schicki-Micki-Phase, in der sie sich nicht unbedingt zum Vorteil veränderte, was sich jedoch Gott-sei-Dank irgendwann wieder gab.

Dann verliebten wir uns in denselben Jungen, was einigen Unfrieden brachte, bis wir erkannten, dass er uns gegeneinander ausspielte und es gar nicht wert war.

Doch letztendlich war die gemeinsame Basis unserer Kindheit und Jugendzeit stark genug, dass nichts unserer Freundschaft etwas anhaben konnte, und das ist bis heute so.

Selbst, als wir später zeitversetzt Auslandsjahre in den USA verbrachten, unterschiedliche Berufswege einschlugen, und Heike, während ich studierte, als Kosmetikerin in Karlsruhe, Südfrankreich, auf Juist, Sylt, Teneriffa und Mallorca arbeitete, verloren wir uns nicht aus den Augen, sondern trafen uns regelmäßig. 

Meistens besuchte ich sie, denn ich hielt mich nach wie vor hauptsächlich in Norddeutschland auf.

 

1998 beendete ich gerade mein Studium in Bremen und bewarb mich um einen Referendariatsplatz, Heike arbeitete in einem 5*- Sterne Hotel auf Sylt, sehr schick und direkt am Strand gelegen. Ihre kleine 1-Zi-Wohnung befand sich in Westerland.

Wenn Heike morgens nach unserem gemeinsamen Frühstück zur Arbeit aufbrach, streifte ich bis nachmittags, wenn sie zurückkehrte, allein über die Insel, zu Fuß oder mit ihrem Fahrrad, was meinen Radius recht begrenzte. Am Samstag war Heikes freier Tag, sie schlug vor, dann noch eine Tour mit dem Auto machen und mir den Rest von Sylt zeigen, ehe ich Sonntag wieder nach Hause fuhr.

Zwei Mal war ihre Chefin nicht im Kosmetikstudio anwesend. Und in der Zeit, in der Heike keine Kunden erwartete, besuchte ich sie im Hotel und bekam eine kostenlose Gesichtsmassage mit unglaublich guten Pflegeprodukten, danach saßen wir zusammen und tranken Kaffee.

Wenn ich sie im Hotel aufsuchte, holte sie mich unten in der Lobby ab. So auch an meinem vorletzten Urlaubstag auf Sylt. 

 

Nun muss ich noch einschieben, dass Heike seit ihrer Jugend einen Riesenfaible für Promis hat, egal ob A-, B- oder C- prominent, am liebsten würde sie alle kennenlernen, auch heute noch, sich Autogramme geben lassen und Selfies mit ihnen machen.

Ich war und bin in diesem Punkt komplett das Gegenteil. In einer Bremer Diskothek hatte mich früher mal ein Profifußballer von Werder Bremen angesprochen, denn ich nicht einmal erkannte und der mich auch nicht weiter interessierte, weil ich ihn unsympathisch fand. Nachdem ich die Einladung zum Getränk ablehnte, zog er wieder ab.

 Meine Meinung über ihn änderte sich auch nicht, als ich von meinen Freundinnen sofort erbost darauf hingewiesen wurde, wem ich da gerade eine Abfuhr erteilt hatte ...

 

Aber zurück zur Geschichte.

Heike holte mich an diesem Tag in der Lobby ab und wir begaben uns zu den Fahrstühlen. 

Auf dem Weg dorthin bemerkte ich ihre glänzenden Augen und diesen verräterischen, allzu bekannten Ausdruck in ihrem Gesicht.

»Übrigens, nach der Arbeit will ich heute mal hier im Hotel was trinken.« Sie warf einen Blick über die Schulter, wir waren allein. Trotzdem senkte sie die Stimme. »Hape Kerkeling hat eingecheckt! Den möchte ich unbedingt kennenlernen. Und wenn er heute nicht auftaucht, dann bestimmt morgen. Das müssen wir im Auge behalten.«

Meine Stimmung sank. Im Auge behalten? Wir? Und was war mit unserer Fahrt über die Insel, mit dem Essen im Fischrestaurant?

Stattdessen wollte sie in der Lobby, in der Bar oder vor den Fahrstühlen herumhängen, um Hape Kerkeling aufzulauern und ihn abzufangen??

Heike kannte mich ebenso gut wie ich sie, wusste meine Miene genau zu deuten. Vor den Fahrstühlen angekommen, drückte sie den Knopf zum 5. Stock, in dem sich das Kosmetikstudio befand, und drehte sich zu mir um. Während wir auf die Ankunft des Lifts warteten, starrte ich missmutig auf die silberne Tür und überlegte, wie ich sie zu unserem alten Vorhaben überreden konnte, und falls nicht, wie zumindest ich aus der Prominenten-Auflauer-Nummer wieder herauskam.

»Komm, das wird lustig. Den findest du doch auch gut!«, bettelte sie. »Und dann besuchst du mich halt bald noch mal und wir machen dann die Inseltour.«

Jetzt wurde ich grantig.

»Och Mensch, Heike!«, zischte ich laut. »Du mit deinen Promis, zum Kotzen. Ja, ich finde Hape Kerkeling auch echt lustig, mag seine Filme, aber weißt du was? Ich häng' jetzt nicht den ganzen Tag hier 'rum und warte auf den. Was soll denn das? Auch ein Hape Kerkeling legt jeden Tag ein Ei in die Kloschüssel, wie jeder Normalo auch!«

Erst wunderte ich mich, dass meine Freundin nicht sofort antwortete. Als ich sie anblickte, bemerkte ich ihr erstarrtes Gesicht. Ihre Augenwaren auf etwas, nein -  jemanden hinter mir geheftet.

Ehe ich herumwirbelte, hörte ich bereits eine verstellte Stimme, die von "Paulinsche", Hape Kerkelings Handpuppe. Die hatte der Entertainer zwar nicht dabei, aber dafür seine rechte Hand erhoben, geformt wie ein Krokodil und sprach: »Grüß Gott! Na, so was, ne, der Hape legt Eier? Des wuscht ich ja noch gar net. Aber warum denn in die Kloschüssel? Und wer isch dieser Jeder- Normalo? Mmh, des musch ich den Hape gleich froage, ich teil mir ja a Zimmer mit dem. Tschüssle, die Damen.«

Während er sein imaginäres Paulinsche zu uns hatte sprechen lassen, war die Fahrstuhltür aufgegangen, und er trat nun ein. Heike und ich standen wie mit Eiswasser übergossen. Gott, war das peinlich. Hape aber zwinkerte uns freundlich zu und lächelte, die Tür schob sich zu und der Fahrstuhl fuhr mit ihm davon.

Heike erwachte zuerst aus ihrer Versteinerung. »Schiet! Und ich steh' hier in meiner Kosmetikkluft mit Namensschild, wenn der jetzt zum Chef rennt und sich beschwert, dann bin ich geliefert ...«

»Nein, ich war das doch, die das gesagt hat«, erwiderte ich beschwichtigend. »Außerdem ist der echt nett.«

Und jetzt musste ich grinsen. Das wirkte ansteckend auf meine Freundin.

Hape war wirklich cool. Hatte uns total veräppelt.

Es gelang mir, Heike wieder zu beruhigen, auch über die Enttäuschung hinwegzutrösten, dass sie mit Herrn Kerkeling jetzt wohl kein Promifoto mehr aufnehmen würde. Letztendlich konnten wir über den Vorfall schallend lachen. 

Nachmittags unternahmen wir - wie ausgemacht - unsere Inseltour und aßen lecker Fisch. 

Abends gingen wir noch in Westerland auf die Piste. Hape Kerkeling haben wir leider nicht noch einmal getroffen. Schade.

Aber mein Fazit seit dieser Begegnung: Er ist ein wirklich humorvoller, entspannter Typ, ohne Starallüren.

Sehr sympathisch!

 

(Hier mit seinem "Paulinsche")

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.07.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mein Beitrag zum Wettbewerb der Biografischen Gruppe im Juli 2014 mit dem Thema: "Begegnung mit einem Promi". (Platz 1)

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